OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2019 – 25 Wx 55/19

Juni 12, 2020

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2019 – 25 Wx 55/19

Tenor

I.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3. gegen den Beschluss des Amtsgerichts E.-Stadt vom 03.06.2019 – 560 IV 1594/16 – wird zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten zu 3. auferlegt.

III.

Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wird ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt.

IV.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe

I.

Erblasser ist der am 00.00.1943 in C.-Stadt (Kreis D.) geborene A.1. Er verstarb zwischen dem 00.00.2016, 8:00 Uhr und dem 00.00.2016, 20:41 Uhr in E.-Stadt, wo er auch seinen letzten Wohnsitz hatte. Der Erblasser war zuletzt in zweiter Ehe mit A.2, geb. B., verheiratet, welche am 00.00.2008 vorverstarb. Der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau hinterließen Abkömmlinge, jedoch keine gemeinsamen. Der Beteiligte zu 1. (A.3) ist der Sohn des Erblassers und die Beteiligten zu 2. (A.4) und zu 3.(A.5) sind Sohn und Tochter von A.2.

Im August 2007 errichteten die Eheleute A. zwei inhaltsgleiche Testamente, welche A.2 eigenhändig schrieb und beide Ehegatten anschließend unterzeichneten (Bl. 3 und 20 der Akte über die Verfügung von Todes wegen des Amtsgerichts E.-Stadt …IV…/16).

Die Testamente haben folgenden identischen Inhalt:

“Testament

der Eheleute A.1 und A.2,

geb. B., wohnhaft in E.-Stadt,

F.-Straße 01.

Begünstigte: A.5

A.4

A.3

Hiermit geben wir unseren letzten

Willen bekannt:

Nach dem Tod eines Ehepartners

soll das Vermögen auf den verbleibenden

Partner übergehen.

Nach dem Tod des zweiten Ehepartners

soll das Vermögen wie folgt verteilt werden:

A.5 und A.4

(Kinder von A.2)

erben den Anteil am Objekt G.-Straße 02 in E.-Stadt zu

gleichen Teilen (50 % pro Kind).

A.3

(Sohn von A.1)

erbt das Objekt F.-Straße 01

in E.-Stadt als Alleinerbe (100 %).

E.-Stadt, im August 2007

(Unterzeichnet mit)

A.2 A.1

Eines der Testamente reichte der Erblasser nach dem Tod seiner Ehefrau beim Nachlassgericht ein, welches am 04.07.2008 nach der Erblasserin eröffnet wurde (Bl. 4 der Akte über die Verfügung von Todes wegen …IV…/18). Er beantragte einen Erbschein, welcher ihn als Alleinerben ausweist. Dieser wurde ihm am 01.10.2008 erteilt.

Die Ehefrau des Erblassers vererbte ihm unter anderem das Eigentum an den Grundstücken Gemarkung H. Bl. 0000 (G.-Straße 02, E.-Stadt, Mehrfamilienhaus, 1/2 Miteigentumsanteil) und Gemarkung J. Bl. 00000 (F.-Straße 01, E.-Stadt, Eigentumswohnung im Erdgeschoss links). Der Wert des Miteigentumsanteils wurde vom Erblasser mit136.000 € und für die Eigentumswohnung mit 60.000 € angegeben. Im Übrigen besaß die Ehefrau wertvolle Gegenstände des persönlichen Gebrauchs, Guthaben bei Banken und einen PKW im Gesamtwert von ca. 15.500 €. Dem standen Darlehnsverbindlichkeiten i.H.v. 63.959 € gegenüber.

Der Erblasser war zum Zeitpunkt der Errichtung der Testamente Alleineigentümer von fünf Eigentumswohnung (F.-Straße 01, E.-Stadt, Erdgeschoss rechts, 1. Obergeschoss rechts und links und 2. Obergeschoss rechts und links). Die ursprünglich dem Erblasser ebenfalls gehörende Wohnung im Erdgeschoss rechts hatte er bereits im Jahre 1998 seiner Ehefrau für 150.000 DM verkauft. Dem Beteiligten zu 1. war insoweit ein Vorverkaufsrecht eingeräumt worden. Gegenüber dem Grundbuchamt gab der Verstorbene den Wert für die übrigen fünf Eigentumswohnungen mit einem Gesamtwert von 560.000 DM (= 332.339 €) an.

Der Erblasser veräußerte sodann den ½ Miteigentumsanteil an dem Mehrfamilienhaus in der G.-Straße 02 für 160.000 € und zahlte den Beteiligten zu 2. und zu 3. jeweils 25 % des Kaufpreiserlöses aus.

Nach dem Tode des Erblassers stellte der Beteiligte zu 1. am 08.07.2016 einen notariellen Erbscheinsantrag mit dem Inhalt, ihn als Alleinerben nach dem Erblasser auszuweisen (Bl. 2 – 5 d. A.). Der für die Beteiligten zu 2. und zu 3. vorgesehene Grundbesitz sei veräußert und diesen der Veräußerungserlös zugewendet worden, so dass nur noch der Nachlass für ihn verbleibe. Am 02.05.2016 wurde das erste Testament nach der vorverstorbenen Ehefrau und beide Testamente nach dem Erblasser und seiner Ehefrau eröffnet (Bl. 23 der Akte über die Verfügung von Todes wegen …IV…/18). Bei den Angaben zum Wert des Nachlasses hat der Beteiligte zu 1. den Gesamtwert des Mehrfamilienhauses F.-Straße 01 mit ca. 180.000 € angegeben. Die Guthaben bei der K.-Bank und der L.-Bank hat er mit insgesamt 15.212 € konkretisiert, des Weiteren Wertpapiere im Wert von 4.212 € und einen PKW M. im Wert von 1.500 €. Dem ständen Hypothekenverbindlichkeiten i.H.v. 70.539,01 Euro gegenüber.

Der Antrag des Beteiligten zu 1. vom 08.07.2016 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – E.-Stadt vom 12.04.2018, rechtskräftig seit dem 11.06.2018, zurückgewiesen. Nach dem Inhalt des Testaments hätten die Ehegatten ihre jeweiligen Abkömmlinge mit ihrem ursprünglichen Vermögen in Form ihrer jeweiligen Immobilien bedenken wollten. Da eine Erbfolge in einen Einzelgegenstand jedoch nicht möglich sei, die Erblasser aber den jeweiligen Kindern einen Anteil am Vermögen hinterlassen und die Objekte die Beteiligten konkret zuordnen wollten, stelle diese Zuordnung eine Teilungsanordnung im Rahmen einer Miterbeneinsetzung dar. Die Veräußerung einer der Immobilien führe nicht dazu, dass die Miterbenstellung entfalle. Die Immobilien hätten für die Erblasser als ihr wertvollster Vermögenswert stellvertretend für ihr gesamtes Vermögen gestanden. Veräußere nunmehr der Längerlebende nach dem Tod des Erstversterbenden einen der Hauptvermögensgegenstände, so ändere dies zwar faktisch die Teilungsanordnung, jedoch nicht die Intention der Ehegatten, ihren Abkömmlingen weiter mit ihrem Anteil bedenken zu wollen. Denn der Erstversterbende hätte dem Letztversterbenden nicht die Alleinerbenstellung zugedacht, wenn er gewusst hätte, dass, wenn eine Immobilie aus welchen Gründen auch immer veräußert werde, die Zuwendung an den eigenen Abkömmling entfalle.

Am 18.10.2018 hat der Beteiligte zu 1. einen neuen Erbscheinsantrag (Bl. 202 f. d. A.) gestellt und die Erteilung eines Erbscheins beantragt, welcher ihn als Miterben zu ½ und die Beteiligten zu 2. und 3. als Miterben zu je ¼ ausweise, hilfsweise einen Erbschein ohne Quoten. Er stützt sich auf den Standpunkt, dass der Nachlass zum Zeitpunkt der Testamentserstellung aus zwei Grundstücken bestanden habe, so dass aus der getroffenen Teilungsanordnung auf das Verhältnis der Erbanteile geschlossen werden könne. Auf das Verhältnis der Grundstückswerte komme es dabei nicht an. Selbst wenn man aber die Werte der zugeordneten Immobilien heranziehen würde, ergäbe sich eine identische Quotelung. Ausweislich der Gerichtsakte habe die verstorbene Ehefrau abzüglich der Verbindlichkeiten einen Nachlass i.H.v. 140.000 € gehabt. Der Wert der sechs Eigentumswohnungen sei zum Todeszeitpunkt des Erblassers mit 180.000 € angegeben worden, so dass sich nach Abzug der Darlehnsverbindlichkeiten ein Nachlasswert von 130.000 € ergebe. Hilfsweise werde aber ein quotenloser gemeinschaftlicher Erbschein beantragt. Die übrigen Beteiligten hätten bisher an einer Übertragung der Immobilie nicht mitgewirkt, was anhand eines quotenlosen Erbscheins umgesetzt werden könne.

Die Beteiligten zu 2. und zu 3. haben gegen die Erteilung des beantragten Erbscheins Einwände erhoben. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung der Benennung der drei Erben alle drei Beteiligten zu je 1/3 Erbe geworden seien.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – E.-Stadt hat nach Erteilung eines vorherigen Hinweises mit Beschluss vom 28.06.2018 die Tatsachen, die zu Begründung des Hilfsantrags vom 18.10.2018 des Beteiligten zu 1. erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Die sofortige Wirkung des Beschlusses wurde ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt.

Zur Begründung hat es angeführt, dass die Zuordnung der Immobilien im gemeinschaftlichen Testament an die Beteiligten zu 1. – 3. eine Teilungsanordnung darstelle, zumal die vorverstorbene Ehefrau des Erblassers Alleineigentümerin einer der Eigentumswohnungen im Objekt F.-Straße 01 gewesen sei, also das dem Sohn des Erblassers zugedachte Objekt F.-Straße 01 zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht gänzlich im Vermögen des Erblassers gestanden habe. Da die Ehefrau des Erblassers wertmäßig weniger besessen habe als der Erblasser, ergebe die Auslegung des Testaments, dass eine Verteilung nach Köpfen nicht gewollt gewesen sei. Auch scheide eine Quote entsprechend der gesetzlichen Erbfolge aus, da die Testierenden ihre größten Vermögenswerte als den Verteilungsmaßstab angenommen hätten, welcher der gesetzlichen Erbfolge nicht entspreche. Die genauen Erbquoten seien jedoch schwer zu ermitteln. Der Antragsteller mache von der Möglichkeit eines Erbscheins ohne Quoten Gebrauch. Dazu sei er auch berechtigt. Denn es könne gemäß § 352a Abs. 1 FamFG ein einzelner Miterbe einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen und gemäß § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG auf die Angabe von Quoten verzichten. Dieser Verzicht habe der Beteiligte zu 1. als Antragsteller in seinem Erbscheinsantrag vom 18.10.2018 erklärt. Soweit die Beteiligten zu 2. und zu 3. dem widersprächen, sei der Einwand unberechtigt. Für die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins ohne Quoten sei dem Gesetzeswortlaut entsprechend nur der Verzicht des Antragstellers (gegebenenfalls mehrere Antragsteller) notwendig und nicht der Miterben, die den gemeinschaftlichen Erbschein nicht selbst beantragt hätten. Die Beteiligten zu 2.und 3. seien hingegen keine Antragsteller.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 3., die einwendet dass ein Verzicht aller Miterben erforderlich sei und nicht nur des Antragstellers.

Sie beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Hilfsantrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 3. hat sich der Auffassung seiner Schwester angeschlossen.

Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Mit Beschluss vom 31.07.2019 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – E.-Stadt der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt.

Die Akte über die Verfügung von Todes wegen …IV…/16 des Amtsgerichts E.-Stadt lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3. ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, 352e FamFG statthaft und zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Das Nachlassgericht E.-Stadt hat zu Recht dem Hilfsantrag des Beteiligten zu 1. entsprochen und die Tatsachen, die zu Begründung seines Hilfsantrages vom 18.10.2018 erforderlich sind, für festgestellt erachtet.

1.

Der Beteiligte zu 1. ist – wie das Nachlassgerichts in seinen Beschlüssen vom 12.04.2018 und 03.06.2019 im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat – neben den Beteiligten zu 2. und zu 3. Miterbe nach dem verstorbenen A.1 geworden, wobei derzeit noch nicht sicher ermittelt werden kann, mit welcher Erbquote die Beteiligten an dem Vermögen des Letztversterbenden beteiligt werden sollten.

Der Verstorbene hat mit seiner vorverstorbenen Frau A.2 im August 2007 zwei der Form nach wirksame gemeinschaftliche eigenhändige Testamente verfasst, § 2231 Nr. 1, 2247, 2267 BGB. Die beiden Testamente sind allerdings inhaltlich nicht eindeutig und bedürfen der Auslegung.

Bei der Testamentsauslegung ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und im Zweifel diejenige Auslegung zu wählen, welche zur Wirksamkeit der Verfügung führt,§ 133 i. V. m. § 2084 BGB. Dabei ist nicht im buchstäblichen Sinn des Wortlauts zu haften, sondern immer der Wortsinn der benutzten Ausdrücke zu erfragen, um festzustellen, was die Testierenden mit ihren Worten sagen wollten und ob sie mit ihnen genau und unmissverständlich wiedergaben, was sie zum Ausdruck bringen wollten. Dabei ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch außerhalb des Testaments heranzuziehen und zu würdigen. Bei wechselbezüglichen Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten ist gemäß §§ 157, 242 BGB auch auf den Erklärungsempfänger abzustellen. Es ist also zu prüfen, ob ein nach dem Verhalten des einen Testtierenden mögliches Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen entsprochen hat, wobei es auf den übereinstimmenden wollen zur Zeit der Testamentserrichtung ankommt (BGHZ 112, 229, 233; Palandt-Weidlich BGB 77. Aufl. Einf. v. § 2265 Rn. 9).

Die Testamente der Eheleute A. werden damit eingeleitet, dass die jeweiligen Kinder, namentlich die drei Beteiligten, ausdrücklich als “Begünstigte” benannt werden. Anschließend setzten sich die Ehegatten zunächst gegenseitig als Alleinerben ein. Nach dem Letztversterbenden sollte das Immobilienvermögen sodann den Kindern zufallen, wobei die einzigen beiden Immobilienobjekte aufgeteilt wurden und zwar das der vorverstorbene Ehefrau zu ½ gehörende Objekt (G.-Straße 02 in E.-Stadt) an ihre Kinder, den Beteiligten zu 2. und zu 3. zu je 1/2 und das gesamte Objekt F.-Straße 01 in E.-Stadt zu 100 % an den Beteiligten zu 1., Sohn des Verstorbenen. Wie das sonstige Vermögen des Letztversterbenden verteilt werden sollte, ergibt sich aus den Testamenten nicht. Gleichfalls verhalten sich die Testamente ausdrücklich nicht dazu, ob der Letztversterbende als Vorerbe von den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB befreit werden sollte.

Die eingangs erfolgte Einleitung, dass alle drei Beteiligten Begünstigte sein sollen, spricht dafür, dass alle Beteiligten als Miterben an dem gesamten Vermögen des Letztversterbenden, einschließlich der Immobilien und sonstiger Barvermögen, beteiligt werden sollten. Die den größten Teil des Vermögens ausmachenden Immobilien sollten jedoch den einzelnen Beteiligten zugeordnet werden. Diese Zuordnung kann in Abweichung zu § 2087 Abs. 2 BGB ausnahmsweise als Erbeinsetzung nach Vermögensgruppen oder aber als Teilungsanordnung ausgelegt werden (§ 2087 Abs. 1, 2048 Satz 1 BGB), die allerdings die Höhe der Erbteile und deren Wert grundsätzlich nicht verschiebt, sondern unangetastet lässt (BGH FamRZ 1985, 62; Palandt-Weidlich 77. Aufl. BGB § 2048 Rn. 1).

Unabhängig davon, in welchem Sinne die Testamente hier ausgelegt werden können, ist die Ermittlung der Erbanteile daran angeknüpft, welchen Wert den jeweiligen Grundstücken zum Zeitpunkt der gemeinschaftlichen Testamentserstellung zukam. Im Falle der Erbeinsetzung nach Vermögensgruppen kommt es ohnehin auf die Höhe der jeweiligen Vermögensgruppe “Immobilie” an. Aber auch bei Zugrundelegung einer Teilungsanordnung ist für die Ermittlung der Erbquoten der Wert der Immobilien für die Gewichtung der einzelnen Vermögen der Eheleute heranzuziehen. Denn ob die vorverstorbene Ehefrau des Erblassers tatsächlich wertmäßig weniger besaß als der Erblasser (über den Wert der Immobilie G.-Straße 02 und der Erdgeschosswohnung links/ F.-Straße 01 zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im August 2007 liegen derzeit keine ausreichenden Informationen vor), ist entgegen der Annahme des Nachlassgerichts E.-Stadt nicht sicher anzunehmen, so dass der Schluss, eine von den Testierenden gewünschte Erbfolge zu je 1/3 sei nicht gewollt gewesen, derzeit nicht zulässig ist. Gleichfalls ist aber auch die Annahme des Beteiligten zu 1., aus der getroffenen Teilungsanordnung könne auf das Verhältnis der Erbanteile geschlossen werden, nämlich ½ und ¼ und ¼, nicht möglich.

Die Ermittlung der Grundstückswerte zum Zeitpunkt der Testamentserstellung ist jedoch komplex und wird nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich sein und geraume Zeit in Anspruch nehmen, so dass die Angabe der Erbteile gegenwärtig nicht möglich ist.

2.

Für diesen Fall sieht § 352a FamFG die Möglichkeit eines Erbscheins ohne Quoten vor. Gemäß § 352a Abs. 1 Satz 2 FamFG kann für einen gemeinschaftlichen Erbschein auch ein einzelner Miterbe einen Antrag auf einen gemeinschaftlichen Erbschein stellen und gemäß § 352a Abs. 2 S. 2 auf die Angabe der Erbteile verzichten. Ob für die Erteilung des quotenlosen Erbscheins alle (potentiellen) Miterben einen (ausdrücklichen) Verzicht auf die quotenmäßige Feststellung der Erbteile erklären müssen oder ob es genügt, dass lediglich der antragstellende Miterbe diesen Verzicht erklärt, ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings streitig.

a.Ein Teil vertritt die Auffassung, dass in Anbetracht der Tragweite des Verzichts eine (evtl. unzutreffende) Versicherung eines Miterben zum Verzicht der übrigen nicht genügen könne, sondern dass alle Miterben den Verzicht ausdrücklich selbst erklären müssten, allerdings nicht notwendig gleichzeitig (Zimmermann in: Keidel FamFG 19. Aufl. 2017 § 352a Rn. 14 und Zimmermann, Der gemeinschaftliche Erbschein ohne Quoten, ZEV 2015, 520, 521 in 3.2.; OLG München NJW-RR 2019, 971- 972; Schemmann in: Haußleiter FamFG, 2. Aufl. 2017 § 352a Rn. 5; BeckOK FamFG/Schlögel §352a Rn. 3 jeweils ohne weitere Begründung).

Da vorliegend ein solcher Verzicht von den übrigen beiden Miterben ausdrücklich verweigert worden ist, wäre ein quotenloser Erbschein nicht möglich.

b.Ein anderer Teil vertritt dagegen die Auffassung, dass nach dem Wortlaut des durch Art. 11 IntErbRErbschÄndG neu geschaffenen § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG nur verlangt werde, dass “alle Antragsteller”, nicht notwendig alle Miterben auf die Aufnahme der persönlichen Erbquote verzichteten (Fröhler in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 352a Rn. 26; Schaal in: Barenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 352a Rn. 11- 13; Rellermeyer in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 352a Rn. 3). Ein Verzicht allein der Antragsteller genüge daher.

c.Eine weitere Einzelmeinung vertritt in diesem Rahmen den differenzierenden Standpunkt, dass zwar der Verzicht des oder der Antragsteller genüge, allerdings im Falle des Widerspruchs der übrigen Miterben oder einer Beschwerdeeinlegung dieser gegen den Feststellungsbeschluss nach § 352e Abs. 1 die Erteilung eines quotenlosen Erbscheines unterbleiben müsse (Bumiller/Harders/Harders 12. Aufl. 2019, FamFG Rn. 5).

Der Senat schließt sich der unter b. genannten Meinung an. Wie Teile der Literatur hierzu zutreffend hinweisen, war bereits vor Inkrafttreten des § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG durch § 11 IntErbRErbschÄndG in der Rechtsprechung anerkannt, dass von dem grundsätzlichen Erfordernis der zahlenmäßig bestimmten Angabe der Erbquoten aller Miterben im Erbscheinsverfahren ausnahmsweise abgesehen werden kann bzw. diese auch noch im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden können und stattdessen zunächst die Mitteilung der zu deren Berechnung für maßgeblich gehaltenen Grundlagen ausreichend ist, wenn die genaue Erbquotenbezifferung des Antragsteller der Natur der Sache nach praktisch überfordert, z.B. bei unvermeidlichen Spielräumen im Rahmen der Ermittlung des Wertes einzelner Nachlassgegenstände (wenn – wie hier – der Erblasser sein Vermögen nicht nach Bruchteilen, sondern nach Gegenständen verteilt hat), die entgegen § 2087 Abs. 2 BGB eine Erbeinsetzung begründen (Fröhler in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 352a Rn. 25; OLG Düsseldorf Beschluss vom 9. November 1977, 3 W 178/77 DNotZ 1978, 683-685). In der Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 18/4201 Seite 60/61) heißt es insoweit auch, dass § 352a FamFG die bislang in § 2357 BGB vorgesehene Regelung zum gemeinschaftlichen Erbschein enthält. Anders als nach bisheriger Rechtslage sollte dabei aber künftig die Angabe der Erbteile der Miterben nicht mehr erforderlich sein, wenn alle Antragsteller im Antrag auf die Angabe der Erbteile im Erbschein verzichteten. Hintergrund seien aus der Praxis bekannt gewordene Fälle, in denen die Miterben unproblematisch feststünden, die Größe der Erbteile aber erst noch aufwendig geklärt werden müsste. Ein klassischer Anwendungsfall sei, der auch dem bereits oben zitierten Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. November 1977 zu Grunde lag, dass der Erblasser sein Vermögen nicht nach Bruchteilen, sondern nach Gegenständen verteilt hat, deren Wertverhältnis schwer zu ermitteln sei. Dies könne zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen bei der Erteilung des Erbscheins führen, der aber mitunter rasch benötigt würde. Um in der entsprechenden Konstellation zeitliche Verzögerungen bei der Erteilung des gemeinschaftlichen Erbscheins zu vermeiden, habe sich die Rechtsprechung unter anderem mit der Erteilung eines vorläufigen gemeinschaftlichen Erbscheins beholfen. Zukünftig solle aber in Fällen, in denen der Kreis der Erben feststehe und die Antragsteller auf eine Angabe der Erbteile in gemeinschaftlichen Erbschein verzichteten, ein Antrag auch ohne entsprechende Angabe zulässig sein (so auch Schaal in: Barenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 352a Rn. 10-11 und BT-Drucksache 18/4201 Seite 60/61).

Die neue Regelung des § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG stellt aus Sicht des Senats daher bewusst allein auf “alle Antragsteller” und nicht auch auf sämtliche Miterben ab. Würde dennoch ein Verzicht aller Miterben – auch ohne entsprechenden Antrag – notwendig sein, wie dies die erste Meinung verlangt, oder der Widerspruch der übrigen Miterben einem fehlenden Verzicht gleichkommen, wie es eine einzelne Literaturmeinung vertritt, würde dies auf eine Verzögerung der Verfahren hinauslaufen, die einen unverhältnismäßigen hohen Ermittlungsaufwand erfordern und deren Beschleunigung die Neuregelung des § 352a FamFG (zumindest auch) bezwecken wollte. Sicherlich ist die Erteilung eines quotenlosen gemeinschaftlichen Erbscheins eine Entscheidung mit Tragweite für alle Miterben. Die übrigen Miterben sind jedoch dadurch ausreichend gesichert, dass sie selbst einen (gegenläufigen) Erbscheinsantrag stellen und damit das Vorliegen der Voraussetzung des § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG verhindern können. Denn in diesem Fall läge nicht mehr der Verzicht “aller Antragsteller” vor.

d.

Da damit allein der Verzicht des Beteiligten zu 1. als Antragsteller auf die Angabe der Erbteilsquote notwendig ist, sind die Voraussetzungen des § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG zu bejahen. Der Antragsteller hat seine Angaben gemäß § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG auch eidesstattlich versichert (Bl. 202-203 d.A.). Die Tatsachen, die zur Begründung des Hilfsantrags vom 18.10.2018 erforderlich sind, sind daher für festgestellt zu erachten (§352e Abs. 1 Satz 1 FamFG).

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 FamFG, die Entscheidung zur Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses aus § 352e Abs. 2 S. 2 FamFG

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, da die vorliegende Sache im Hinblick auf die streitige Auslegung des § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG grundsätzliche Bedeutung hat und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung notwendig erscheint, § 70 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG.

Der Gegenstandswert wird auf bis 500.000 € festgesetzt (§ 40 Abs. 1 GNotKG).

Schlagworte

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