OLG Frankfurt am M 16 U 193/14

August 4, 2017
OLG Frankfurt am M 16 U 193/14 Urteil vom 25.06.2015, Freistellung von Verbindlichkeiten aus Erbschaftssteuerbescheid, Vorerbin, Nacherbin

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Frankfurt am Main – 07.10.2014 – AZ: 2-2 O 112/13

Anmerkung:

Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.

Tenor: OLG Frankfurt am M 16 U 193/14

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 2. Zivilkammer – vom 7. Oktober 2014, Az. 2 – 02 O 112/13, teilweise dahingehend abgeändert, dass die Feststellungsklage abgewiesen wird.

Die Kosten der ersten Instanz trägt die Beklagte. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe OLG Frankfurt am M 16 U 193/14

I.

Die Parteien streiten über die Freistellung von Verbindlichkeiten aus einem Erbschaftssteuerbescheid.

Die Klägerin ist Alleinerbin ihrer am …. 2012 verstorbenen Schwester, Frau A-B. Diese war ihrerseits Vorerbin ihres Ehemannes, des am … 2007 verstorbenen B, dem Vater der Beklagten. Durch den Tod der Schwester der Klägerin ist die Beklagte Nacherbin ihres Vaters geworden. Bis zu dem eingetretenen Nacherbfall war Testamentsvollstreckung angeordnet.

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Mit Bescheid vom 23. April 2012, der nachfolgend mehrfach geändert wurde, setzte das Finanzamt X gegen die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Vorerbin wegen des durch den Tod des Herrn B eingetretenen Vorerbfalls Erbschaftssteuer fest, und zwar zuletzt mit Bescheid vom 10. Mai 2013 in Höhe von 235.239,-€.

Die Klägerin legte am 25. April 2012 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung, wobei sie die Auffassung vertrat, die Steuerschuld nicht zu schulden, weil ihr die Vorerbschaft nie zugeflossen sei. Das Finanzamt wies den Antrag auf Aussetzung und mit Bescheid vom 16. November 2012 auch einen dagegen erhobenen Einspruch ab; mit weiterer Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2013 wies es auch den Einspruch gegen den Steuerbescheid zurück.

Ein Antrag der Klägerin vom 7. Dezember 2012 an das Hessische Finanzgericht auf Aussetzung der Vollziehung war ebenfalls erfolglos und wurde mit Beschluss des Finanzgerichts vom 26. Februar 2013 zurückgewiesen. Am 23. August 2013 erhob die Klägerin Klage gegen den Erbschaftssteuerbescheid. In der Zwischenzeit teilte das Finanzamt X mit Schreiben vom 30. Juli 2013 mit, dass mittlerweile Säumniszuschläge in Höhe von 23.760,50 € und Vollstreckungskosten in Höhe von 46,90 € angefallen seien.

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Die Klägerin hat erstinstanzlich mit ihren zuletzt gestellten Anträgen die – auf den Nachlasswert beschränkte – Freistellung von der festgesetzten Erbschaftssteuer abzüglich der auf drei Grundstücke entfallenden Erbschaftssteuer sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie von allen weiteren Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Erbschaftssteuerbescheid des Finanzamts X sowie allen in sonstigem Zusammenhang mit der Erbschaftssteuerangelegenheit des verstorbenen Vaters der Beklagten stehenden bereits entstandenen und zukünftig noch erwachsenen Verbindlichkeiten freizustellen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 175 f. d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben.

Hinsichtlich des Feststellungsantrags bestehe das notwendige Feststellungsinteresse, da der streitgegenständliche Steuerbescheid schon mehrfach geändert worden sei und Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten festgesetzt worden seien. Insofern sei es hinreichend wahrscheinlich, dass auch weitere Verbindlichkeiten entstehen. Auch seien die Voraussetzungen des § 259 ZPO erfüllt, sofern die Klägerin die Feststellung der Freistellungspflicht von zukünftig noch erwachsenden Verbindlichkeiten begehre, da die Besorgnis bestehe, dass sich die Beklagte für zukünftige Verbindlichkeiten der rechtzeitigen Leistung entziehe.

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Dem Antrag auf Freistellung von der Erbschaftssteuerschuld sei aufgrund §§ 2126, 2124 Abs. 2 S. 2, 257 BGB in voller Höhe stattzugeben. Die Erbschaftssteuer sei eine außerordentliche Last im Sinne des § 2126 Abs. 2 BGB. Zwar gelte der Vorerbe gemäß § 6 Abs. 1 ErbStG als Erbe; § 20 Abs. 4 ErbStG berechtige den Erben jedoch, die Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten und damit zu Lasten des Nacherben zu handeln.

Bestreite der Vorerbe außerordentliche Lasten aus seinem Vermögen, so sei ihm der Nacherbe bei Eintritt der Nacherbfolge gemäß § 2124 Abs. 2 S. 2 BGB zum Ersatz verpflichtet. Aus der Berechtigung, Ersatz für Aufwendungen zu erlangen, die einen bestimmten Zweck verfolgten, folge zugleich die Möglichkeit, eine Befreiung von einer zu diesem Zweck eingegangenen Verbindlichkeit nach § 257 S. 1 BGB zu verlangen.

Daraus wiederum folge die Verpflichtung der Nacherbin zur Freistellung der Vorerbin für den Fall, dass erst nach dem Eintritt der Nacherbfolge Verpflichtungen in Form von außerordentlichen Lasten entstehen. Dem Feststellungsantrag hat das Landgericht unter Beschränkung auf den Nachlasswert und nur bezogen auf weitere Kosten stattgegeben, die das Finanzamt X im Zusammenhang mit dem Erbschaftssteuerbescheid gegen die Klägerin geltend macht habe oder noch geltend machen werde.

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Diese Kosten – Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten – seien ebenfalls als außerordentliche Lasten im Sinne des § 2126 BGB zu qualifizieren und daher ebenfalls von der Beklagten zu tragen, da sie grundsätzlich nur einmalig anfielen und damit in Abgrenzung zu gewöhnlichen Erhaltungskosten nicht regelmäßig aufgewendet werden müssten, um das Vermögen tatsächlich und rechtlich zu erhalten. Die Kosten stünden im Zusammenhang mit der Erbschaftssteuerverpflichtung als eine Verpflichtung, die selbst als außerordentliche Last zu qualifizieren sei, und bildeten einen Annex zu dieser.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 176 ff. d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 9. Oktober 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 10. November 2014 (= Montag) bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. Januar 2015 mit einem am 12. Januar 2015 (= Montag) eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung aus dem Feststellungsantrag.

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Sie vertritt die Auffassung, dass es sich bei den Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten nicht um außerordentliche Lasten handele und ein Freistellungsanspruch nicht bestehe. Grundsätzlich handele es sich bei der Erbschaftssteuer um eine persönliche Steuerpflicht des Vorerben, weshalb nur aufgrund der Regelung des § 20 Abs. 4 ErbStG aus der persönlichen Steuer des Vorerben eine auf der Vorerbschaft ruhende außerordentliche Last im Sinne des § 2126 BGB erwachse.

Dementsprechend seien Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten nur dann außerordentliche Lasten, wenn sie gemäß § 20 Abs. 4 ErbStG aus dem Nachlass entnommen werden könnten, was aber nicht der Fall sei. Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten seien keine Steuern, sondern ein dem Steuerrecht eigenes Druckmittel zur Durchsetzung titulierter Zahlungsansprüche. Sie seien auch keine Zinsen, auch wenn sie Zinscharakter hätten. Selbst wenn der Zinscharakter im Vordergrund stünde, könne es sich nicht um außerordentliche Lasten handeln, da Zinsen nach § 2124 BGB gewöhnliche Erhaltungskosten seien.

Zudem sei zu berücksichtigen, dass vorliegend der Steuerbescheid erst nach Eintritt des Erbfalls ergangen und dem Nacherben nicht zur Kenntnis gebracht worden sei und auch die Säumnis- und Vollstreckungskosten erst nach Eintritt des Nacherbfalls entstanden seien. Darüber hinaus bestehe kein Feststellungsinteresse, da die Säumniszuschläge schon jetzt bestimmt werden könnten.

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Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 2014, Az. 2 -02 O 112/13, aufzuheben, soweit festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin, unter Beschränkung auf den Nachlasswert, von allen weiteren Kosten, die das Finanzamt X im Zusammenhang mit dem Erbschaftssteuerbescheid des Finanzamts X vom 10. Mai 2013, Steuernummer …, gegen die Klägerin geltend gemacht hat und noch geltend machen wird, freizustellen, und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, dass sie nach Erhalt des Steuerbescheids alle rechtlich zulässigen Maßnahmen – einschließlich Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung – ergriffen habe, um sich gegen die Festsetzung und Vollstreckung der Steuer zu wehren; damit sei sie auch ihrer Schadensminderungsobliegenheit nachgekommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Feststellungsklage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere liegt ein Feststellungsinteresse vor. Der Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids ist noch nicht beendet. Von daher steht nicht fest, in welcher Höhe letztlich die Klägerin mit Säumnis- und Vollstreckungskosten belastet sein wird; der anspruchsbegründende Sachverhalt befindet sich noch in der Fortentwicklung. Dies rechtfertigt vor dem Hintergrund der Auffassung der Beklagten, für entsprechende Kosten nicht einstehen zu müssen, das Feststellungsinteresse der Klägerin.

2. Der Feststellungsantrag ist aber unbegründet, da die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freistellung von allen weiteren Kosten hat, die das Finanzamt im Zusammenhang mit dem streitigen Erbschaftssteuerbescheid gegen sie geltend gemacht hat oder noch geltend machen wird. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 2126, 2124 Abs. 2 S. 2, 257 BGB.

Nach § 2126 S. 1 BGB hat der Vorerbe im Verhältnis zum Nacherben nicht die außerordentlichen Lasten zu tragen, die als auf den Stammwert der Erbschaftsgegenstände gelegt anzusehen sind. Solche Lasten kann der Vorerbe vielmehr nach §§ 2126 S. 2, 2124 Abs. 2 S. 1 BGB aus der Erbschaft bestreiten.

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Bestreitet er sie aus seinem Vermögen, so ist der Nacherbe nach § 2124 Abs. 2 S. 2 BGB im Fall des Eintritts der (Nach-) Erbfolge zum Ersatz verpflichtet. Daraus folgt – wie das Landgericht unangegriffen und zu Recht für die Erbschaftssteuerschuld erkannt hat – zugleich nach § 257 S. 1 BGB, dass der Nacherbe zur Freistellung des Vorerben verpflichtet ist, wenn die Verpflichtungen in Form von außerordentlichen Lasten erst nach dem Eintritt der Nacherbfolge entstehen (LG Bonn, Urteil vom 24.1.2012, 10 O 453/10 = NJW-RR 2012, 1031).

Bei den hier allein in Rede stehenden Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten handelt es sich jedoch nicht um außerordentliche Lasten im Sinne des § 2126 BGB, die aus der Erbschaft zu bestreiten wären.

a) Lasten i.S. von § 2126 BGB sind die Pflichten, die auf Leistung gehen und die den Eigentümer, Besitzer oder Rechtsinhaber als solchen treffen. Außerordentlich ist eine derartige Last, wenn sie nicht regelmäßig wiederkehrt, sondern als eine ausnahmsweise einmalige Leistung erbracht werden muss. Auf den Stammwert gelegt ist die Last, wenn sie aus der Substanz und nicht aus den Erträgnissen zu leisten ist (BGH, Urteil vom 10.7.1980, IV a ZR/80 = NJW 1980, 2465 [BGH 10.07.1980 – IV a ZR 20/80]).

Privatrechtliche außerordentliche Lasten sind beispielsweise die Nachlassverbindlichkeiten oder die während der Vorerbschaft fällig werdenden Grundpfandrechte (MünchKomm/Grunsky, 6. A., § 2126 BGB Rn. 2 und 3); zu den öffentlich-rechtlichen Lasten zählen z.B. Erschließungslasten und Anschlussgebühren, zudem Steuern, die ihrer Natur nach aus der Substanz der Vermögensgegenstände zu zahlen sind und nicht regelmäßig anfallen (Staudinger/Otte, 2013, § 2126 BGB Rn. 5; MünchKomm / Grunsky, aaO., Rn. 5).

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b) Bei der Erbschaftssteuerlast selbst handelt es sich um eine außerordentliche Last. Zwar gilt nach § 6 Abs. 1 ErbStG der Vorerbe als Erbe. Er ist somit Erwerber durch Erbanfall, und als Erwerber ist er Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG (Meincke, ErbStG, 16. A., § 20 Rn. 14). Insoweit bestimmt jedoch § 20 Abs. 4 ErbStG, dass der Vorerbe die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten hat, so dass im Verhältnis des Vorerben zum Nacherben die Erbschaftssteuer eine außerordentliche Last im Sinne des § 2126 BGB darstellt (Staudinger/Otte, aaO., Rn. 5; MünchKomm/Grunsky, aaO., § 2126 Rn. 5).

c) Es kann offen bleiben, ob der Auffassung der Beklagten zu folgen ist, wonach die Erbschaftssteuer, auf der die Säumniszuschläge und die Vollstreckungskosten beruhen, per se keine außerordentliche Last sei, sondern nur aufgrund der Sonderregelung des § 20 Abs. 4 ErbStG zu einer außerordentlichen Last werden, so dass auch Säumniszuschläge nur dann eine außerordentliche Last darstellten, wenn sie – was nicht der Fall sei – nach § 20 Abs. 4 ErbStG aus dem Nachlass entnommen werden dürften.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Erbschaftssteuer erst durch § 20 Abs. 4 ErbStG zu einer außerordentlichen Last wird (so bspw. Viskorf/Knobel/Schuck/ Wälzholz, 4. A., § 20 ErbStG Rn. 18), ändert dies nichts daran, dass die Erbschaftssteuer nach der gesetzlichen Wertung eine außerordentliche Last im Sinne des § 2126 BGB darstellt. Daraus folgt aber nicht, dass automatisch auch die Säumnis- und Vollstreckungskosten als außerordentliche Lasten zu qualifizieren wären. Vielmehr unterliegt die Behandlung dieser Kosten einer davon abweichenden, unabhängigen Beurteilung. Diese führt zu der Annahme, dass die Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten nicht unter § 2126 BGB fallen und deswegen von der Beklagten nicht zu ersetzen sind.

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d) Insofern ist zu berücksichtigen, dass es sich weder bei den Vollstreckungskosten noch bei den Säumniszuschlägen um Steuern handelt. Säumniszuschläge sind ein Druckmittel eigener Art zur Durchsetzung fälliger Steuerschulden (Koenig, AO, 3. A., § 240 Rn. 3). Ihre Einforderung beruht nicht auf dem Erbschaftsanfall und der dadurch entstandenen, auf dem Stammwert der Erbschaft liegenden Erbschaftssteuer, sondern die Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten beruhen allein darauf, dass die Klägerin die Steuerschuld nicht beglichen hat. Die Klägerin ist nach den oben dargelegten Regelungen der §§ 6 Abs. 1, 20 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB persönliche Steuerschuldnerin.

Daran ändert auch die Vorschrift des § 20 Abs. 4 ErbStG nichts. § 20 Abs. 4 ErbStG, obschon im Erbschaftssteuergesetz enthalten, stellt keine steuerrechtliche Vorschrift dar; Sinn hat diese Vorschrift nur unter dem bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkt, dass der Vorerbe befugt ist, die Steuerleistung dem Nachlass zu entnehmen (BFH, Urteil vom 12.5.1970 – II 52/64, Rn. 21 zitiert nach juris für die inhaltsgleiche Vorgängervorschrift des § 15 Abs. 4 ErbStG a.F., Hess. FG, Urteil vom 24.7.2014, 1 K 1753/13, zitiert nach juris). Ist die Klägerin aber persönlich steuerpflichtig, muss sie selbst auch die Kosten tragen, die dadurch entstehen, dass sie ihrer Steuerpflicht nicht rechtzeitig nachkommt.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass es der Klägerin nicht möglich war, zur Begleichung der Steuerschuld auf den Nachlass zuzugreifen, da der im Hinblick auf die Vorerbschaft ergangene Steuerbescheid erst nach Eintritt des Nacherbfalls erlassen wurde. Insoweit stand und steht der Klägerin bei Einsatz ihres eigenen Vermögens aber ein Freistellungs- bzw. Ersatzanspruch gegen die Beklagte als Nacherbin zu; nicht aber werden die durch die Nichtzahlung der Steuerschuld veranlassten Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten zu auf dem Stammwert der Erbschaftsgegenstände angelegten außerordentlichen Lasten, die ebenfalls von der Beklagten zu tragen wären.

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Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, gegen den Steuerbescheid rechtlich vorgegangen zu sein. Dies geschah nicht zum Zwecke des Erhalts des Erbes; vielmehr verfolgt die Klägerin das alleinige Anliegen, dass der Steuerbescheid ihr gegenüber aufgehoben werde, da sie die Auffassung vertritt, er sei unmittelbar gegenüber der Beklagten als Nacherbin zu erlassen. Die Zahlungsverweigerung, die zu den Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten geführt hat, sowie die Einlegung der Rechtsmittel erfolgten damit ausschließlich für eigene Zwecke der Klägerin, nicht aber für Zwecke des Nachlasses. Insoweit kann eine Parallele zu Rechtsverfolgungskosten gezogen werden:

Nur Kosten eines (sich nicht auf die Nutzung eines Erbschaftsgegenstands beziehenden) Rechtsstreits, der im Interesse des Nachlasses geführt wird, gehören zu den außergewöhnlichen Erhaltungskosten, die nach § 2124 Abs. 2 BGB der Erbschaft zur Last fallen (Erman/Harm Peter Westermann, 14. A., § 2124 BGB Rn. 3; Staudinger/Otte, aaO., § 2124 BGB Rn. 13). Insoweit ist auch auf § 2125 BGB zu verweisen, wonach bei Verwendungen auf die Erbschaft, die nicht unter § 2124 BGB fallen, der Nacherbe (nur) nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zum Ersatz verpflichtet ist.

Dazu gehören auch die Kosten eines leichtfertig für den Nachlass geführten Rechtsstreits (Staudinger/Otte, aaO., § 2125 BGB Rn. 3). Bei einer Geschäftsführung, die nicht dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht, verbleibt dem Geschäftsführer nach § 684 S. 1 BGB nur ein – hier nicht einschlägiger – Bereicherungsanspruch; zugleich steht eine Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 678 BGB im Raum.

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Die Klägerin hat den Rechtsstreit aber noch nicht einmal für den Nachlass geführt, sondern nur im eigenen Interesse. Von daher handelt es sich bei den dadurch entstandenen Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten nicht um auf den Erbschaftsgegenständen ruhende Lasten, die die Beklagte zu ersetzen hätte.

Unerheblich ist schließlich, dass Säumniszuschläge teilweise auch als Zinsersatz angesehen werden (vgl. Meincke, aaO., § 240 Rn. 3). Abgesehen davon, dass sich dann die Frage nach einem einmaligen oder wiederkehrenden Anfall stellte, würden sie dennoch nicht den Charakter der Erbschaftssteuerschuld teilen, zumal nach § 240 Abs. 1 S. 4 AO die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt bleiben, wenn die Festsetzung einer Steuer aufgehoben wird.

Nach alledem hat die Berufung Erfolg.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 2, 708 Ziff. 10, 711, 709 S. 2 BGB.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Frage, ob die Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten, die durch die Nichtzahlung der auf die Vorerbschaft anfallenden Erbschaftssteuer entstehen, als außerordentliche Lasten im Sinne des § 2126 BGB anzusehen sind -insbesondere bei erstmaliger Geltendmachung der Steuer gegenüber dem Rechtsnachfolger des Vorerben -, ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden und im Hinblick darauf, dass ihr Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist, klärungsbedürftig.

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Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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