OLG Frankfurt am M 20 W 391/15

Juli 19, 2017

OLG Frankfurt am M 20 W 391/15 Unrichtige Sachbehandlung durch Notar, § 21 GNotKG, Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Beschl. v. 30.03.2017, Az.: 20 W 391/15
Unrichtige Sachbehandlung durch Notar

vorgehend: LG Wiesbaden – 27.10.2015 – AZ: 4 OH 26/15
LG Wiesbaden – 27.10.2015 – AZ: 4 T 41/15

Anmerkung: Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

1.

Eine unrichtige Sachbehandlung durch den Notar im Sinne des § 21 GNotKG liegt nur bei einem offen zu Tage tretenden Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder dann vor, wenn ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist.
2.

Zum Vorliegen einer unrichtigen Sachbehandlung bei einer Beurkundung unter Mitwirkung hörbehinderter Beteiligter

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren etwa entstandene notwendige Aufwendungen zu erstatten.

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 716,79 EUR.

Gründe

OLG Frankfurt am M 20 W 391/15

I.

Die Antragstellerin hat sich mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den sie zunächst im Wege der Klage vor dem Amtsgericht Wiesbaden verfolgt hatte, gegen die sich aus dem Rubrum ergebenden Kostenberechnungen des Antragsgegners für die Beurkundung einer General- und Vorsorgevollmacht nebst Patientenverfügung über 278,39 EUR und für die Beurkundung eines Testaments über 438,40 EUR gewendet. Wegen der Einzelheiten der Kostenberechnungen wird auf Blatt 36 ff. d. A. Bezug genommen. Da die Antragstellerin die Kostenberechnungen beglichen hatte, hat sie nach Verweisung durch das Amtsgericht Wiesbaden durch Beschluss vom 26.02.2015 vor dem Landgericht zuletzt Rückzahlung von 716,79 EUR – die Summe der Rechnungsbeträge – nebst Zinsen geltend gemacht.

Die hörbehinderte Antragstellerin ließ aufgrund eines nach dem 01.08.2013 erfolgten Beurkundungsauftrages am 29.01.2014 bei dem Antragsgegner ein Testament zugunsten von A, deren Ehemann sowie deren Tochter beurkunden. In einer weiteren Urkunde wurde eine General- und Vorsorgevollmacht nebst Patientenverfügung beurkundet und das Ehepaar A als Bevollmächtigte eingesetzt. Wegen der Einzelheiten der beiden Urkunden, UR-Nrn. 1/2014 und 2/2014 des Antragsgegners, wird auf Blatt 11 ff., 16 ff. d. A. verwiesen. A, eine Nachbarin und enge Vertraute der Antragstellerin, war zur Zeit der Beurkundungen im Büro des Antragsgegners angestellt.

Beide Urkunden enthalten zu Beginn folgende Absätze:

“Die Erschienene ist nach ihren eigenen Angaben in ihrer akustischen Wahrnehmung eingeschränkt; sie ist nahezu gehörlos, trotzdem jedoch noch in der Lage, den Notar akustisch zu verstehen sowie von seinen Lippen abzulesen und damit der Beurkundung zu folgen, sofern laut vorgelesen wird. Der Notar hat insbesondere die Erschienene darauf hingewiesen, dass aufgrund ihrer nahezu bestehenden Gehörlosigkeit die Möglichkeit besteht, einen Zeugen oder zweiten Notar zu der Beurkundung hinzuzuziehen. Die Erschienene hat hierauf ausdrücklich verzichtet.

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Vorsorglich wurde der Erschienenen diese Niederschrift auch zur Durchsicht vorgelegt und von ihr genehmigt (§ 23 BeurkG).”

Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin enthalten die Urkunden nicht. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die Urkunden, nachdem er sie – was in erster Instanz unstreitig war – vorgelesen hatte, zur Durchsicht vorgelegt.

Die Antragstellerin widerrief mit Schreiben vom 20.04.2014 ihre Erklärungen gegenüber dem Antragsgegner. Das notarielle Testament wurde aus der amtlichen Verwahrung entnommen.

Die Antragstellerin hat in erster Instanz geltend gemacht, ihr seien in Höhe der Notarkostenberechnungen nutzlose Aufwendungen entstanden, da sie aufgrund ihrer Gehörlosigkeit den Inhalt der Beurkundungen nicht habe verstehen können.

Sie hat behauptet, es wäre nicht zu den Beurkundungen gekommen, wenn sie den Inhalt der beiden notariellen Urkunden verstanden hätte. Es sei gerade typisch für Gehörlose, dass diese alles unterschrieben, obwohl sie nichts verstünden. Sie hat weiter behauptet, da sie keine Entwürfe in Auftrag gegeben habe, habe sie diese auch nicht vor dem Beurkundungstermin gelesen. Die Antragstellerin hat sodann behauptet, sie habe der bei dem Antragsgegner angestellten Mitarbeiterin A am Beurkundungstag erklärt, dass sie einen Gebärdensprachdolmetscher benötige.

Später hat sie vorgetragen, sie habe die Hinzuziehung eines Gebärdensprachdolmetschers nicht verlangen können, da sie davon keine Kenntnis gehabt habe. Sie hat die Ansicht vertreten, der Antragsgegner habe für sie gemäß §§ 22 ff. BeurkG einen Gebärdensprachdolmetscher hinzuziehen müssen, wie das ein Notar in Stadt1 bei einer Beurkundung im Juli 2014 getan habe. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Meinung vertreten, der Antragsgegner habe gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 8 BeurkG verstoßen, da die in beiden Urkunden genannte Begünstigte A als Angestellte in seinem Büro tätig sei.

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Der Antragsgegner hat die angefochtenen Kostenberechnungen verteidigt. Er hat behauptet, die Antragstellerin habe bereits im August 2013 jeweils einen Entwurf der Urkunden erhalten, so dass sie ausreichend Zeit gehabt habe, die Urkunden zu lesen und zu verstehen. Die Hinzuziehung eines Gebärdensprachdolmetschers sei nicht erforderlich gewesen, da die Antragstellerin den Inhalt der Urkunden verstanden habe und diese ihrem seinerzeitigen Willen entsprochen hätten.

Das Landgericht hat die Handakte des Antragsgegners beigezogen und die vorgesetzte Dienstbehörde des Antragsgegners angehört. Auf die Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts Wiesbaden vom 01.06.2015 (Bl. 55 ff. d. A.) wird insoweit Bezug genommen.

Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 96 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Einwand der Antragstellerin, sie habe A mit der Beauftragung des Antragsgegners nicht bevollmächtigt, unerheblich sei. Die Antragstellerin sei persönlich zu den Beurkundungen beim Antragsgegner erschienen und habe die Beurkundungen vornehmen lassen, so dass die abgerechneten Gebührentatbestände gegeben seien.

Der Antragsgegner habe auch keine Amtspflicht verletzt, so dass der Antragstellerin aus diesem Grund kein Schadensersatzanspruch gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO zustehe, mit dem sie gegen die Kostenberechnungen aufrechnen könne. Zwar würden die Urkunden keine Feststellungen des Antragsgegners zur Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin im Sinne der §§ 11, 28 BeurkG enthalten. Ein derartiger Verstoß vermöge jedoch einen Schadensersatzanspruch nicht zu begründen, da Anhaltspunkte für eine mangelnde Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin nicht vorliegen würden. Die fehlende Niederschrift von Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin sei nicht kausal für die Entstehung der Notarkosten.

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Ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Satz 2 BeurkG läge nicht vor. Die Antragstellerin habe über den Antragsgegner nicht das Verlangen auf Zuziehung eines Gebärdensprachdolmetschers geäußert.

Dass der Antragsgegner nicht angeregt habe, dass die Antragstellerin die Hinzuziehung eines Gebärdensprachdolmetschers verlange, sei unerheblich. Der Antragsgegner habe nämlich auf jeden Fall der Antragstellerin die Niederschrift gemäß § 23 BeurkG zur Durchsicht vorgelegt und genehmigen lassen. Anhaltspunkte, dass eine schriftliche Verständigung mit der Antragstellerin nicht möglich sei, habe der Antragsgegner nicht gehabt. Die Antragstellerin sei des Schreibens und Lesens mächtig.

Der Antragsgegner habe davon ausgehen dürfen, dass zumindest auf schriftlichem Wege eine Verständigung mit der Antragstellerin möglich gewesen sei. Auch ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Satz 1 BeurkG sei nicht gegeben, da die Antragstellerin nach Belehrung ausdrücklich auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars verzichtet habe. Ein Verstoß gegen Mitwirkungsverbote des § 3 BeurkG läge ebenfalls nicht vor.

Gegen diesen am 30.10.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit am 10.11.2015 eingegangenem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom gleichen Tag Beschwerde eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 14.12.2015 (Bl. 120 ff. d. A.), auf den verwiesen wird, im Einzelnen begründet hat. Mit ihrer Beschwerde verfolgt sie einen Zahlungsanspruch von 716,79 EUR nebst Zinsen weiter. Die Antragstellerin behauptet, sie habe keinen Auftrag erteilt. Lediglich die oben benannte Mitarbeiterin im Notariat habe im August 2013 einen Entwurf fertigen lassen. Um welchen Entwurf es sich gehandelt habe, sei ihr nicht bekannt.

Sie vertritt nach wie vor die Auffassung, dass dem Antragsgegner ein Verstoß gegen seine notariellen Pflichten, u. a. gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 BeurkG, zur Last zu legen sei. Insbesondere habe der Antragsgegner amtspflichtwidrig gehandelt, als er trotz erkennbarer Sprach- und Hörbehinderung der Antragstellerin die Beurkundung der Urkunden vorgenommen habe. Die Tatsache, dass die Antragstellerin infolge ihrer Sprach- und Hörbehinderung erhebliche Defizite aufweise, hätte sich durch einfache Tests vor der Beurkundung bestätigt.

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Diese seien aber nicht vorgenommen worden. Der Antragsgegner habe nicht davon ausgehen können, dass die Antragstellerin verstehe, was sie lese, bzw. dass mit ihr eine schriftliche Verständigung möglich sei. Auf die Möglichkeit einer Hinzuziehung eines Zeugen oder eines zweiten Notars zu der Beurkundung sei sie nicht hingewiesen worden. Sie behauptet nunmehr erstmals, ihr seien die Urkunden auch nicht vorgelesen worden.

Sie meint, es habe im ausdrücklichen Ermessen des Antragsgegners gelegen, einen Gebärdensprachdolmetscher hinzuzuziehen. Der Antragsgegner habe dies der Antragstellerin aber nicht als Option vorgeschlagen. Hätte er dies getan, hätte die Antragstellerin davon Gebrauch gemacht. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass sie einen Gebärdensprachdolmetscher hinzuziehen könne. Selbst wenn sie es gewusst hätte, wäre sie nicht in der Lage gewesen, diesen Willen zu bekunden.

Die oben unter I. zitierten Formulierungen in den notariellen Urkunden seien weder vorgelesen worden, noch habe die Antragstellerin, als ihr die Protokolle zur Durchsicht vorgelegt worden wären, verstanden, was das bedeute. Das Landgericht habe abschließend aufklären müssen, ob die Antragstellerin tatsächlich eines Gebärdensprachdolmetschers bedurft hätte und deshalb bereits eine Empfehlung durch den Antragsgegner geschuldet gewesen sei. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeurkG vorläge.

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde ausweislich seines Schriftsatzes vom 02.02.2016 (Bl. 138 ff. d. A.) entgegen und beantragt deren Zurückweisung. Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und verweist nochmals auf die vielfältigen Widersprüche im Vorbringen der Antragstellerin in erster Instanz. Er weist überdies darauf hin, dass die Antragstellerin in erster Instanz noch behauptet habe, dass sie beim Lesen nicht von den Lippen habe ablesen können. Nunmehr behaupte sie gar, die Urkunden seien gar nicht verlesen worden. Er vertritt und vertieft seine Auffassung, dass weder ein Verstoß gegen die §§ 22, 23 BeurkG, noch gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeurkG vorliege.

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Das Landgericht hat der Beschwerde ausweislich seines Beschlusses vom 15.12.2015 (Bl. 127 d. A.) nicht abgeholfen und hat sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen des Beteiligtenvorbringens im Übrigen und dessen Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 129 Abs. 1 GNotKG statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss den lediglich auf Rückzahlung der auf die bezeichneten Kostenberechnungen geleisteten Beträge gerichteten Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 90 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 127 Abs. 1 GNotKG zurückgewiesen.

Dabei kann die umstrittene Frage, ob der ursprünglich ausschließlich auf einen Schadensersatzanspruch nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO gestützte (Rück-) Zahlungsanspruch betreffend die Notarkosten zulässigerweise im Verfahren nach den §§ 127 ff. GNotKG hätte geltend gemacht werden können (vgl. zum Streitstand: Wudy in Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG), 2. Aufl., § 127 Rz. 68; Rohs/Wedewer, GNotKG, Stand Dez. 2016, § 127 Rz. 13; vgl. auch Senat, Beschluss vom 27.10.2016, 20 W 352/14, zitiert nach juris) schon wegen der Verweisung durch das Amtsgericht und auch wegen § 17a Abs. 5 und 6 GVG dahinstehen.

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Ohne Zweifel ist der erstmals in zweiter Instanz ausdrücklich erhobene Einwand, Notarkosten hätten wegen unrichtiger Sachbehandlung des Antragsgegners nach § 21 Abs. 1 GNotKG nicht erhoben werden dürfen, im Verfahren nach den §§ 127 ff. GNotKG geltend zu machen.

Die Antragstellerin ist diejenige, deren Erklärungen beurkundet worden sind, so dass sie bereits gemäß § 30 Abs. 1 GNotKG Kostenschuldnerin der hier abgerechneten Notarkosten ist. Auf ihr nunmehriges Vorbringen zur Erteilung des Beurkundungsauftrags kommt es nicht an.

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine etwaige schadensersatzbegründende verschuldete notarielle Amtspflichtverletzung des Antragsgegners nicht vorliegen.

Daran ändert auch das Beschwerdevorbringen nichts. Entsprechendes gilt für den nunmehr erhobenen Einwand der unrichtigen Sachbehandlung. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GNotKG sind allerdings Kosten, die bei richtiger Behandlung nicht entstanden wären, vom Notar nicht zu erheben.

Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne der genannten Gesetzesvorschrift liegt aber nach anerkannter Auffassung nur bei einem offen zu Tage getretenen Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder bei einem offensichtlichen Versehen des Notars vor (vgl. OLG Düsseldorf RNotZ 2016, 129; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.08.2015, 12 W 8/15, je zitiert nach juris; vgl. die Nachweise bei Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, 19. Aufl., § 21 Rz. 39). Auch davon kann hier nicht ausgegangen werden.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass keine Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit der Antragstellerin im Zeitpunkt der Beurkundung vorliegen.

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Die Antragstellerin, die dies auch weder in erster noch in zweiter Instanz konkret behauptet, trägt keinen Sachverhalt vor, der die Voraussetzungen des § 104 BGB (oder gar diejenigen des § 105 Abs. 2 BGB) rechtfertigen könnte.

Diese werden durch die sinngemäße Behauptung, die Antragstellerin unterschreibe – wie andere Gehörlose – alles, obwohl sie nichts verstünde, noch nicht erfüllt. Wie die Beurkundung bei der Beteiligung behinderter Personen gestaltet werden muss, hat der Gesetzgeber vielmehr – worauf das Landgericht auch eingegangen ist – im Beurkundungsgesetz (§§ 22 ff. BeurkG) im Einzelnen geregelt.

Ohnehin wäre – auch wenn es hierauf nicht mehr ankommt – im gegebenen Zusammenhang weiter Voraussetzung für einen Wegfall bzw. ein Nichtentstehen des Gebührenanspruchs, dass dem Antragsgegner eine Geschäftsunfähigkeit, an die strenge Anforderungen zu stellen sind, hätte erkennbar sein müssen (vgl. dazu die Nachweise bei OLG München MittBayNot 2012, 68, zitiert nach juris).

Auch dafür gäbe es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Einer diesbezüglichen Sachverhaltsaufklärung durch das Landgericht bedurfte es nicht. Damit bleibt auch der von der Beschwerde nochmals hervorgehobene Verstoß gegen § 28 BeurkG kostenrechtlich ohne Bedeutung.

Eine schadensersatzbegründende notarielle Amtspflichtverletzung oder eine unrichtige Sachbehandlung des Antragsgegners im obigen Sinne liegt weiter nicht in etwaigen Verstößen gegen § 22 Abs. 1 BeurkG. Auch insoweit ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

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Soweit die Beschwerde wiederholt darauf abstellt, die Antragstellerin sei entgegen § 22 Abs. 1 Satz 1 BeurkG nicht darauf hingewiesen worden, dass ein Zeuge oder ein zweiter Notar hinzugezogen werden könne und sie darauf auch nicht verzichtet habe, vermag dieser Einwand nicht durchzugreifen. Die diesbezüglichen Feststellungen (Belehrung und Verzicht) ergeben sich aus den notariellen Niederschriften, § 22 Abs. 1 Satz 3 BeurkG.

Es ist unstreitig, dass der Antragstellerin die Niederschriften mit den Feststellungen nach § 23 BeurkG zur Durchsicht vorgelegt worden und von ihr unterschreiben worden sind. Es ist nichts vorgetragen worden, was die die Genehmigung ihrer Erklärungen betreffende Vermutungswirkung des § 23 Satz 2 BeurkG widerlegen könnte (vgl. dazu auch Winkler, BeurkG, 18. Aufl., § 23 Rz. 6). Dass sie etwa leseunkundig gewesen wäre, behauptet die Antragstellerin – auch in der Beschwerdeinstanz – selbst nicht, auch nicht, wie der Antragsgegner eine Unmöglichkeit, sich mit der Antragstellerin schriftlich zu verständigen, ansonsten hätte erkennen sollen.

Dass von einer Geschäftsunfähigkeit der Antragstellerin nicht ausgegangen werden kann, wurde oben bereits ausgeführt. Ihr bloßes Vorbringen, sie habe den Inhalt der Urkunden nicht verstanden, ist unerheblich, abgesehen davon, dass sie nicht vorträgt, ob und welche Vorstellungen sie sich überhaupt über den Inhalt der notariellen Urkunden gemacht hatte. Vor diesem Hintergrund ist denn auch unerheblich, dass die Antragstellerin im Widerspruch zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen in der Beschwerdeinstanz erstmals behauptet, die notariellen Urkunden seien nicht (zusätzlich) verlesen worden.

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Entsprechende Erwägungen gelten für den weiter behaupteten Verstoß des Antragsgegners gegen § 22 Abs. 1 Satz 2 BeurkG. Es ist unstreitig, dass die Antragstellerin die Hinzuziehung eines Gebärdensprachdolmetschers gegenüber dem Antragsgegner nicht verlangt hatte; darauf hat das Landgericht zu Recht abgestellt.

Soweit die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren zuletzt behauptet hat, von der Möglichkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers keine Kenntnis gehabt zu haben, hat das Landgericht ebenfalls zu Recht auf den diesbezüglich widersprüchlichen Vortrag der Antragstellerin hingewiesen, der den Schluss auf die Richtigkeit ihres nunmehrigen Vortrags kaum zulässt. Jedenfalls kann aber mangels konkreten Verlangens der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner mit dem Landgericht eine Amtspflichtverletzung oder gar eine unrichtige Sachbehandlung des Antragsgegners nicht etwa darin gesehen werden, dass er nicht von sich aus die Hinzuziehung eines Gebärdensprachdolmetschers angeregt hatte.

Selbst wenn ein solches Vorgehen je nach Sachlage ggf. als sinnvoll erscheinen sollte – was für den vorliegenden Fall also dahinstehen kann -, käme eine derartige Sanktion angesichts des ausdrücklichen Wortlauts des § 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeurkG nicht in Betracht (vgl. dazu auch Armbrüster/Seger, BeurkG/DNotO, 7. Aufl., § 22 BeurkG Rz. 9; Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 2. Aufl., § 22 Rz. 26; Winkler, a.a.O., § 22 Rz. 22). Auch in dieser rechtlichen Würdigung ist dem Landgericht zu folgen. Einer weiteren Sachaufklärung durch das Landgericht bedurfte es nicht.

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Damit kann offen bleiben, ob die Antragstellerin – wie sie behauptet, ohne allerdings ihr eigenes Verständnis von den Beurkundungsvorgängen bei dem Antragsgegner darzutun – bei anderweitigem Vorgehen des Antragsgegners von der Beurkundung Abstand genommen hätte, oder ob insoweit die Behauptungen des Antragsgegners zur nachträglich geänderten Motivation der Antragstellerin zutreffend sind. Ebenfalls kann dahinstehen,

ob bei unterbliebener Beurkundung unter Zugrundelegung eines anderweitigen Vorgehens des Antragsgegners überhaupt geringere Kosten für die Antragstellerin angefallen wären (vgl. etwa die Nrn. 21303, 25205, 32010 KV GNotKG), die Gegenstand einer Nichterhebung oder gar eines Schadensersatzanspruch sein könnten (vgl. hierzu etwa Korintenberg/Tiedtke, a.a.O., § 21 Rz. 113; Rohs/Wedewer/Waldner, a.a.O., § 21 Rz. 49).

Auch mit ihrem auf einen Verstoß des Antragsgegners gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeurkG gestützten Einwand bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Zum einen umfasst die Vorschrift mit dem Landgericht die vorliegende Sachverhaltskonstellation bereits nicht (vgl. neben den vom Landgericht zitierten Fundstellen: Armbrüster, a.a.O., § 3 Rz. 66; Grziwotz, a.a.O., § 3 Rz. 33; Miermeister/de Buhr in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 4. Aufl., § 3 Rz. 33; auch der von der Beschwerde für das Gegenteil zitierte Winkler, a.a.O., § 3 Rz. 79).

Zum anderen würde auch ein Verstoß hiergegen nicht ohne weiteres zum Erlöschen des Gebührenanspruchs bzw. zu Amtshaftungsansprüchen führen (vgl. Grziwotz, a.a.O., § 3 Rz. 73; Miermeister/de Buhr, a.a.O., § 3 Rz. 69; Litzenburger in BeckOK BGB, Stand: 01.11.2016, § 3 BeurkG Rz. 31). Dabei wäre auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin nicht einmal konkret behauptet, dass ihr der Umstand der Beschäftigung der Angestellten A beim beurkundenden Antragsgegner nicht bekannt gewesen war, was nach Aktenlage auch nicht sehr nahe liegen würde.

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Vielmehr hat sie die dem entgegenstehende konkrete Behauptung des Antragsgegners unbestritten gelassen. Die Ausführungen des Landgerichts zu § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BeurkG werden nicht konkret angegriffen; insoweit kann auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen werden.

Eine Gerichtskostenentscheidung für dieses Beschwerdeverfahren durch den Senat ist nicht veranlasst, weil sich die Kostentragungspflicht der Antragstellerin aus der Anwendung gesetzlicher Vorschriften ergibt, §§ 22, 25 GNotKG, Nrn. 19110 ff. KV GNotKG.

Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit notwendiger Aufwendungen im Beschwerdeverfahren richtet sich nach den §§ 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG, 84 FamFG, wobei der Senat nicht zu überprüfen hat, ob und inwieweit dem Antragsgegner, der als Notar lediglich seine Notarkostenberechnungen verteidigt hat, solche überhaupt entstanden sind

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren orientiert sich an der Höhe des Rechnungsbetrages.

Gründe dafür, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, §§ 129 Abs. 2, 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG, 70 FamFG, hat der Senat nicht gesehen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben, da gesetzlich nicht vorgesehen.

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