OLG Frankfurt am Main 20 W 170/10

April 20, 2019

OLG Frankfurt am Main 20 W 170/10

Erbscheinsantrag Wohnsitz zum Zeitpunkt des Todes und Aufenthalt in Spanien

RA und Notar Krau

Der Fall betrifft ein Erbscheinsverfahren, in dem das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main über die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts zu entscheiden hatte.

Die Erblasserin war deutsche Staatsangehörige und verstarb in Spanien, wo sie sich seit mehreren Jahren aufhielt.

Zentrale Frage:

War das Nachlassgericht Offenbach am Main, bei dem der Erbscheinsantrag gestellt wurde, örtlich zuständig

oder war das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig, da die Erblasserin im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt hatte?

Hintergrund:

OLG Frankfurt am Main 20 W 170/10

  • Die Erblasserin war 2004 nach Spanien übergesiedelt und dort im Jahr 2009 verstorben.
  • Es gab unterschiedliche Ansichten darüber, ob sie ihren Wohnsitz in Deutschland aufgegeben hatte.
  • Das Nachlassgericht Offenbach am Main kündigte die Erteilung eines Erbscheins an, der die Beteiligten zu je 1/2 als Erben ausweisen sollte.
  • Dagegen legte eine der Beteiligten Beschwerde ein.

Entscheidung des OLG Frankfurt:

Das OLG Frankfurt hob den Beschluss des Nachlassgerichts Offenbach am Main auf und verwies das Erbscheinsverfahren an das Amtsgericht Berlin Schöneberg.

Begründung:

  • Gemäß § 343 Abs. 1 FamFG ist für die Erbscheinserteilung das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Erblasserin zur Zeit des Erbfalls ihren Wohnsitz hatte.
  • Ein Wohnsitz wird nach § 7 Abs. 1 BGB durch die ständige Niederlassung an einem Ort begründet, was den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse und den Willen, diesen dauerhaft beizubehalten, erfordert.
  • Im vorliegenden Fall hatte die Erblasserin ihren Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nach Spanien verlegt.
  • Die bloße Beibehaltung von Wohnrechten in Deutschland ohne tatsächliche Nutzung begründete keinen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 2 BGB.
  • Da die Erblasserin zum Zeitpunkt des Erbfalls weder Wohnsitz noch Aufenthalt in Deutschland hatte, war das Amtsgericht Schöneberg in Berlin gemäß § 343 Abs. 2 FamFG zuständig.

OLG Frankfurt am Main 20 W 170/10

Besondere Bedeutung:

  • Das OLG stellte klar, dass § 65 Abs. 4 FamFG, wonach eine Beschwerde nicht auf die unrechtmäßige Annahme der Zuständigkeit durch das Gericht des ersten Rechtszugs gestützt werden kann, einer Prüfung der örtlichen Zuständigkeit im Beschwerdeverfahren nicht entgegensteht.
  • Dies begründete das Gericht mit der Notwendigkeit, die Erteilung eines Erbscheins durch ein unzuständiges Gericht zu vermeiden, da ein solcher Erbschein von Amts wegen einzuziehen wäre.
  • Das OLG plädierte für eine einschränkende Auslegung des § 65 Abs. 4 FamFG, um Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung zu gewährleisten.

Fazit:

Die Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht die Bedeutung der sorgfältigen Prüfung der örtlichen Zuständigkeit im Erbscheinsverfahren.

Sie zeigt auch, dass § 65 Abs. 4 FamFG im Interesse der Verfahrensökonomie einschränkend auszulegen ist, um die Erteilung von Erbscheinen durch unzuständige Gerichte zu verhindern.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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