OLG Hamburg 13 W 162/21, Beschluss vom 20.12.2021 – Belastung eines Grundstücks mit einer Finanzierungsgrundschuld aufgrund transmortaler Vollmacht
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 – 3 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Hamburg – Grundbuchamt – vom 11.11.2021 aufgehoben und das Grundbuchamt angewiesen, den Eintragungsantrag vom 11.10.2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
Gründe
OLG Hamburg 13 W 162/21
I.
Die Beteiligten zu 1 – 3 sind die Erben des im Jahre 2020 verstorbenen Herrn H… K…, zu dessen Nachlass u.a. der betroffene Grundbesitz, belegen in der Karolinenstraße in Hamburg-St. Pauli, gehört. Der Erblasser hatte der Beteiligten zu 1 mit notarieller Urkunde aus dem Jahre 2006 eine Generalvollmacht erteilt und dabei ausdrücklich bestimmt, dass diese nicht mit seinem Tode erlöschen solle.
Mit Notarurkunde vom 08.04.2020 bevollmächtigte die Beteiligte zu 1, handelnd im Namen des Erblassers und von dessen Erben, den Beteiligten zu 2, das Objekt Karolinenstraße bis zur Höhe von € 4.000.000 mit Grundpfandrechten zu belasten und dabei die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung nach § 800 ZPO zu erklären.
Unter dem 11.10.2021 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten die Eintragung einer Grundschuld in Höhe von € 4.000.000 zu Gunsten der Stadtsparkasse Wedel nebst Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, wobei er als Grundlage dieser Eintragung eine Urkunde vom 07.10.2021 vorlegte, in der der Beteiligte zu 2, handelnd für sich selbst und aufgrund der vorgenannten Bevollmächtigung durch die Beteiligte zu 1 auch für die Erbengemeinschaft nach Herrn H… K…, die Grundschuld bestellt und ihre Eintragung bewilligt und beantragt hatte.
Das Grundbuchamt hat die Eintragung mit Rücksicht auf das Erfordernis der Voreintragung des Betroffenen gem. § 39 GBO verweigert und es dabei abgelehnt, in Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO von der Voreintragung der Erbengemeinschaft nach Herrn H… K… abzusehen.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Beteiligten, die die Auffassung vertreten, dass § 40 Abs. 1 GBO vorliegend entsprechend anzuwenden sei.
II.
Die statthafte und zulässig erhobene Beschwerde der Beteiligten zu 1 – 3 hat auch in der Sache Erfolg.
Der Senat ist der Auffassung, dass in analoger Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO vorliegend auf die noch nicht erfolgte Voreintragung der Berechtigten gem. § 39 Abs. 1 GBO verzichtet werden kann.
OLG Hamburg 13 W 162/21
Zweifelfsfrei erfasst der Wortlaut des § 40 Abs. 1 GBO den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht, da Gegenstand der begehrten Eintragung nicht eine Übertragung oder Aufhebung des betroffenen Rechts ist und die Bewilligung auch nicht vom Erblasser selbst oder einem Nachlasspfleger ausgeht bzw. auf einem gegen den Erblasser oder einen Nachlasspfleger bestehenden Titel beruht.
Die Frage, ob auf den vorliegenden Fall des Antrags auf Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld, die gestützt auf eine transmortale Vollmacht bewilligt wurde, § 40 Abs. 1 GBO analog angewandt werden kann oder aber zwingend eine Voreintragung zu erfolgen hat, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet (vgl. Darstellung bei Demharter Grundbuchordnung, 32. Aufl. 2021, § 40, Rn. 18).
Soweit eine analoge Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO auf Sachverhalte wie den vorliegend zu beurteilenden abgelehnt wird, wird argumentiert (vgl. etwa OLG Oldenburg, 12 W 38/21, Beschluss vom 23.03.2021, Rnrn. 8 – 12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), dass § 40 Abs. 1 GBO als Ausnahme vom Grundsatz des § 39 Abs. 1 GBO von vornherein eng auszulegen sei und eine analoge Anwendung vorliegend nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden könne, dass ein Beharren auf der Voreintragung sich als bloße Förmelei darstelle (OLG Oldenburg aaO., Rn. 12):
Anders als bei Sachverhalten, in denen der Voreinzutragende seine Rechtsposition (sicher) sofort wieder verliere und für den Rechtsverkehr damit kein Interesse an der Nachvollziehbarkeit seines Zwischenerwerbs bestehe, sei bei der Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld keineswegs gesichert, dass es tatsächlich zu diesem Rechtsverlust komme, da der Erwerbsvorgang scheitern könne, womit es dazu kommen könne, dass dauerhaft ein Grundpfandrecht im Grundbuch verbleibe, ohne dass nachvollzogen werden könne, auf wen diese Belastung des Grundstücks zurückzuführen sei.
Insofern könne auch nicht damit argumentiert werden, dass allgemein (insbesondere BGH FGPrax 2018, 242) die Sicherung einer Übertragung durch Eintragung einer Vormerkung der Übertragung selbst gleichgestellt und in diesem Falle eine Voreintragung als verzichtbar angesehen wird, da anders als die Eintragung der Finanzierungsgrundschuld die Eintragung der Auflassungsvormerkung nach Scheitern des Erwerbsvorganges der Grundbuchberichtigung unterliege (so insbesondere KG 1 W 1357/20, Beschluss vom 22.10.2020, Rn. 8.).
OLG Hamburg 13 W 162/21
Schon die Differenzierung zwischen der Eintragung einer Vormerkung und derjenigen einer Finanzierungsgrundschuld ist nach Auffassung des Senats in Frage zu stellen:
Sicherlich trifft es zu, dass bei Wegfall des gesicherten Anspruchs die Vormerkung materiellrechtlich untergeht und damit der Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB und ggf. auch der Berichtigung nach § 22 GBO unterliegt, während eine eingetragene Finanzierungsgrundschuld in ihrem dinglichen Bestand von dem Fortbestand des Veräußerungsgeschäftes unabhängig ist – dies ändert jedoch nichts daran, dass auch hinsichtlich der nicht mehr benötigten Finanzierungsgrundschuld regelmäßig Ansprüche auf Löschung – aus der Sicherheitenzweckabrede oder auch aus § 812 BGB – bestehen, die in gleicher Weise wie der Grundbuchberichtigungsanspruch geeignet sind, die Richtigkeit des Grundbuches wieder herzustellen.
OLG Hamburg 13 W 162/21
Damit liegt die analoge Anwendung des § 40 Abs. 1, 1. Alt GBO auf den vorliegenden Sachverhalt durchaus nahe.
Vor allem aber ist die vorliegende Situation der Bewilligung einer Finanzierungsgrundschuld durch eine vom Erblasser postmortal bevollmächtigte Person wertungsmäßig der Verfügung durch einen Nachlasspfleger im Sinne des § 40 Abs. 1, 2. Alt. GBO vergleichbar – der Senat schließt sich insoweit der vollständig überzeugenden Argumentation des OLG Stuttgart (Beschluss vom 17.10.2018, 8 W 311/18, Rn. 40) an.
Gerade durch die Erteilung einer transmortal wirkenden Generalvollmacht, wie sie vorliegend vom Erblasser seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 1, erteilt wurde, bringt der Vollmachtgeber sehr deutlich zum Ausdruck, dass diese Vertrauensperson auch über seinen Tod hinaus umfassend für ihn soll handeln können, wobei das OLG Stuttgart (aaO.) zu Recht hervorhebt, dass die Rechtsmacht des transmortal Bevollmächtigten – wie die des Nachlasspflegers – sogar deutlich weiter reicht, als die Befugnisse der Erben aufgrund ihrer Erbenstellung.
Dies rechtfertigt die analoge Anwendung der Norm auf den vorliegenden Sachverhalt.
Da die Beschwerde Erfolg hat, sind Kostenentscheidung und – trotz des Vorliegens abweichender Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (s.o.) – Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht veranlasst.
OLG Hamburg 13 W 162/21