OLG Hamburg 2 U 2/23 – einstweiliges Verfügungsverfahren gegen Testamentsvollstrecker

Oktober 29, 2024

OLG Hamburg 2 U 2/23 – einstweiliges Verfügungsverfahren gegen Testamentsvollstrecker

RA und Notar Krau

In diesem Fall (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 27.07.2023) ging es um Unterlassungsansprüche, die die Verfügungsklägerin, Patentochter des Erblassers,

im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen den Testamentsvollstrecker (Verfügungsbeklagter zu 1) und dessen Geschäftsführerin (Verfügungsbeklagte zu 2) geltend machte.

Der Erblasser hatte in seinem Testament die … GmbH, deren Alleingesellschafter er war, als Alleinerbin eingesetzt und die Verfügungsklägerin als Vermächtnisnehmerin der GmbH-Anteile vorgesehen.

Der Testamentsvollstrecker sollte die Abwicklung des Nachlasses und die Erfüllung der Vermächtnisse sicherstellen.

Nach dem Tod des Erblassers kam es zu Streitigkeiten über die Zukunft der … GmbH.

Der Testamentsvollstrecker war der Ansicht, die Gesellschaft müsse abgewickelt werden, da die Anerkennung der Gemeinnützigkeit gescheitert sei.

Die Verfügungsklägerin war hingegen der Meinung, die Gesellschaft solle fortgeführt werden.

OLG Hamburg 2 U 2/23 – einstweiliges Verfügungsverfahren gegen Testamentsvollstrecker

Die Verfügungsklägerin beantragte daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Testamentsvollstrecker jegliches Handeln im Zusammenhang mit der … GmbH untersagt werden sollte.

Kernaussagen des Gerichts:

  • Zulässigkeit der Alleinerbeneinsetzung: Das Gericht stellte zunächst klar, dass die Einsetzung der … GmbH als Alleinerbin zulässig war, auch wenn dies zu einer vorübergehenden gesellschafterlosen GmbH führte.
  • Kein vollständiges Tätigkeitsverbot: Ein vollständiges Tätigkeitsverbot gegenüber dem Testamentsvollstrecker konnte im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht erlassen werden, da dies dem Entlassungsverfahren nach § 2227 BGB vorgreifen würde.
  • Begrenzte Unterlassungsansprüche: Der Verfügungsklägerin standen zwar Unterlassungsansprüche gegen den Testamentsvollstrecker aus § 826 BGB zu, da dieser sie durch die Übertragung von Vermögenswerten auf eine von ihm beherrschte Gesellschaft sittenwidrig geschädigt hatte. Diese Unterlassungsansprüche beschränkten sich jedoch auf konkrete weitere Schädigungshandlungen und umfassten nicht jegliches Tätigwerden des Testamentsvollstreckers.
  • Kein Unterlassungsanspruch aus § 2216 BGB: Auch aus § 2216 BGB ergaben sich keine weitergehenden Unterlassungsansprüche, da diese Vorschrift lediglich die ordnungsgemäße Verwaltung des Vermächtnisses durch den Testamentsvollstrecker sicherstellt.
  • Keine Prozessstandschaft: Die Verfügungsklägerin konnte die Ansprüche der … GmbH nicht im Wege der Prozessstandschaft geltend machen, da sie im Verfahren lediglich eigene Rechte geltend gemacht hatte.

OLG Hamburg 2 U 2/23 – einstweiliges Verfügungsverfahren gegen Testamentsvollstrecker

Fazit:

Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg verdeutlicht die Grenzen des einstweiligen Verfügungsverfahrens im Zusammenhang mit der Testamentsvollstreckung.

Ein vollständiges Tätigkeitsverbot gegenüber dem Testamentsvollstrecker kann nur im Rahmen eines Entlassungsverfahrens nach § 2227 BGB erwirkt werden.

Unterlassungsansprüche aus § 826 BGB sind auf konkrete Schädigungshandlungen beschränkt.

Wichtige Punkte aus dem Urteil:

  • Die Einsetzung einer GmbH als Alleinerbin ist zulässig, auch wenn dies zu einer vorübergehenden gesellschafterlosen GmbH führt.
  • Ein vollständiges Tätigkeitsverbot gegenüber dem Testamentsvollstrecker kann nur im Rahmen eines Entlassungsverfahrens nach § 2227 BGB erwirkt werden.
  • Unterlassungsansprüche aus § 826 BGB sind auf konkrete Schädigungshandlungen beschränkt.
  • § 2216 BGB sichert lediglich die ordnungsgemäße Verwaltung des Vermächtnisses durch den Testamentsvollstrecker.
  • Eine nachträgliche Geltendmachung von Ansprüchen im Wege der Prozessstandschaft ist im Berufungsverfahren nur unter den Voraussetzungen des § 533 ZPO zulässig.

OLG Hamburg 2 U 2/23 – einstweiliges Verfügungsverfahren gegen Testamentsvollstrecker

Relevanz für die Praxis:

Das Urteil ist für die Praxis von großer Bedeutung, da es die Grenzen des einstweiligen Verfügungsverfahrens im Zusammenhang mit der Testamentsvollstreckung aufzeigt.

Es verdeutlicht, dass Unterlassungsansprüche gegen den Testamentsvollstrecker nur auf konkrete Schädigungshandlungen beschränkt sind

und ein vollständiges Tätigkeitsverbot nur im Rahmen eines Entlassungsverfahrens erwirkt werden kann.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG

BFH II R 11/21

Dezember 6, 2024
BFH II R 11/21Urteil vom 21. August 2024RA und Notar KrauKernaussage:Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. August 2024 bef…
brown and white concrete church near bare trees under blue sky during daytime

Landgericht Limburg a d Lahn 4 O 238/22

Dezember 6, 2024
Landgericht Limburg a d Lahn 4 O 238/22Urteil vom 21.07.2023Mitgeteilt von RA und Notar KrauDas Landgericht Limburg a. d. Lahn hat üb…
angel, statue, figure

OLG Jena 6 W 319/24

Dezember 6, 2024
OLG Jena 6 W 319/24Beschluss vom 25.10.2024RA und Notar KrauSachverhalt:Der Freistaat Thüringen wurde im Rahmen eines Nachlassver…