OLG Hamm 15 W 117/04 – Erbscheinsverfahren
RA und Notar Krau
In dem Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm (15 W 117/04) ging es um ein Erbscheinsverfahren zur Klärung der Rechtsnachfolge nach einem ägyptischen Zahnarzt,
der in Deutschland lebte und dort verstarb.
Der Erblasser war ägyptischer Staatsangehöriger und muslimischen Glaubens.
Nach seinem Tod entbrannte ein Streit zwischen seinen nicht-muslimischen Kindern und seinen muslimischen Geschwistern über das Erbe.
Die Kinder des Erblassers, die keine Muslime waren, beantragten einen Erbschein, der sie als Erben ausweist.
Sie argumentierten, dass nach ägyptischem Recht der Sohn zwei Drittel und die Tochter ein Drittel des Nachlasses erben sollten.
Die Geschwister des Erblassers hingegen beantragten einen Erbschein, der sie als Erben ausweist, und beriefen sich dabei auf ägyptisches Recht, das Nicht-Muslime von der Erbfolge ausschließt.
OLG Hamm 15 W 117/04 – Erbscheinsverfahren
Das Amtsgericht Essen hatte ursprünglich entschieden, dass das deutsche Nachlassgericht für die Erteilung eines Erbscheins, der das gesamte Vermögen des Erblassers umfasst, nicht zuständig sei.
Es kündigte jedoch an, einen Erbschein zu erteilen, der auf den in Deutschland befindlichen Nachlass beschränkt ist und die Kinder zu Erben erklärt.
Das Gericht sah den Ausschluss der Kinder von der Erbfolge nach ägyptischem Recht als Verstoß gegen den deutschen „ordre public“ an.
Die Geschwister legten dagegen Beschwerde ein und argumentierten, dass der Fall keine ausreichende Inlandsbeziehung habe,
da der Erblasser in den letzten Jahren seines Lebens überwiegend in Ägypten lebte und plante, sich dauerhaft dorthin zurückzuziehen.
Das Landgericht hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und wies an, den Geschwistern einen Erbschein nach ägyptischem Recht zu erteilen, der die Kinder des Erblassers von der Erbfolge ausschließt.
Es argumentierte, dass der Ausschluss der Kinder vom Erbe aufgrund ihrer Religion nicht gegen den deutschen „ordre public“ verstoße.
OLG Hamm 15 W 117/04 – Erbscheinsverfahren
Das Oberlandesgericht Hamm entschied jedoch, dass die Anwendung ägyptischen Rechts in diesem Fall gegen fundamentale Prinzipien des deutschen Rechts,
insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion, verstoße.
Es stellte fest, dass der Erbrechtsausschluss der Kinder des Erblassers aufgrund ihres nicht-muslimischen Glaubens gegen Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verstoße, der eine Diskriminierung aufgrund der Religion verbietet.
Das Gericht wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück, um den Willen des Erblassers zu klären, da dieser möglicherweise eine Erbfolge nach ägyptischem Recht gewollt haben könnte.
Zusammenfassend entschied das Oberlandesgericht Hamm, dass eine Diskriminierung aufgrund der Religion bei der Anwendung des ausländischen Erbrechts
im konkreten Fall ausgeschlossen werden müsse, wenn dies im Widerspruch zu den grundlegenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung steht.
Die Sache wurde zur weiteren Klärung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.