OLG Hamm: Befangenheit eines Familienrichters festgestellt

Oktober 12, 2025

OLG Hamm: Befangenheit eines Familienrichters festgestellt

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat mit Beschluss vom 03. Juli 2025 (Az. 4 WF 130/24) entschieden, dass der zuständige Familienrichter C. am Amtsgericht Recklinghausen in einem Sorgerechtsverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden musste.

Die sofortige Beschwerde der Kindesmutter gegen die Ablehnung ihres Befangenheitsantrages war erfolgreich. Dies bedeutet, dass der Richter den Fall nicht weiter bearbeiten darf.

Worum ging es in dem Fall?

Der Streit dreht sich um das Sorgerecht und den Aufenthaltsort des gemeinsamen, 2019 geborenen Sohnes M. der getrennt lebenden Kindeseltern.

Die Eltern trennten sich 2020.

Im August 2021 reiste der Kindesvater mit dem Sohn ins Ausland (in seine Heimat S./U.) und kehrte nicht mehr nach Deutschland zurück, was als Kindesentziehung gewertet wird. Zuvor war ihm in einem früheren Verfahren (Amtsgericht Dülmen, 2021) die gesamte elterliche Sorge auf die Kindesmutter übertragen worden (öffentliche Zustellung, da der Aufenthaltsort des Vaters unbekannt war).

Im April 2024 traf die Kindesmutter den Vater in einem Drittland (F.) und ließ ihn dort festnehmen, um den Sohn M. wieder nach Deutschland zu holen.

Der Kindesvater beantragte daraufhin beim Amtsgericht Recklinghausen eine einstweilige Anordnung (ein Eilverfahren) zur Übertragung der elterlichen Sorge auf sich.

Der Befangenheitsantrag der Kindesmutter

Die Kindesmutter lehnte den zuständigen Richter C. am Amtsgericht Recklinghausen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass:

Der Richter die Folgen der Kindesentziehung für den Sohn unzureichend beachte.

Er einseitig den Fokus auf den Umgang mit dem Kind entziehenden, im Ausland lebenden Elternteil lege.

Er ihren Antrag auf Erlass einer Grenzsperre ignoriert habe.

Sie sich in der Verfahrensgestaltung unfair behandelt und in ihren Rechten beschnitten fühlte (z.B. unzureichende Reaktionszeit auf einen Bericht der Verfahrensbeiständin, mangelnde Sicherheitsmaßnahmen bei einer geplanten Kindesanhörung mit dem Kindesvater).

Die Entscheidung des Richters C.

Obwohl der Befangenheitsantrag gegen ihn vorlag und er somit eigentlich eine Wartepflicht hatte, traf Richter C. am 06. Juni 2024 die weitreichende Entscheidung, die elterliche Sorge für M. auf den Kindesvater zu übertragen. Er begründete dies damit, dass Entscheidungen im einstweiligen Anordnungsverfahren „unaufschiebbare Amtshandlungen“ seien und der Befangenheitsantrag das Eilverfahren zu sehr verzögern würde.

OLG Hamm: Befangenheit eines Familienrichters festgestellt

Die Begründung des OLG Hamm

Das OLG Hamm erklärte den Befangenheitsantrag der Kindesmutter für begründet. Es sah objektive Gründe, die aus Sicht einer verständigen Partei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters C. aufkommen lassen.

Die Hauptkritikpunkte des OLG waren:

Entscheidung trotz Befangenheitsantrag und Tätigkeitsverbot:

Der Richter traf eine weitreichende Entscheidung (Übertragung der Sorge auf den Kindesvater) im Eilverfahren, obwohl er wegen der Ablehnung keine Amtshandlungen vornehmen durfte (§ 47 Abs. 1 ZPO).

Der Richter verkannte die Rechtslage:

Ein Tätigwerden trotz Ablehnung ist nur in Ausnahmefällen einer Kindeswohlgefährdung zulässig, nicht allein wegen des eiligen Charakters einer einstweiligen Anordnung. Das Vorgehen des Richters erweckte den Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung der Kindesmutter.

Verstoß gegen die prozessuale Waffengleichheit und den Gleichbehandlungsgrundsatz:

Ungleiche Behandlung von Beteiligten:

Richter C. setzte eine Stellungnahmefrist für die Kindesmutter, obwohl er wusste, dass ihre Anwältin im Urlaub war, und begründete dies mit der Eilbedürftigkeit. Gleichzeitig verlängerte er in einem späteren Herausgabeverfahren die Stellungnahmefrist, weil die Verfahrensbeiständin im Urlaub war. Dies ist ein Verstoß gegen die Pflicht, beide Parteien gleich zu behandeln.

Bevorzugung des Vaters:

Anträge des Kindesvaters wurden schnellstmöglich bearbeitet, sogar unter Einsatz des Urlaubsvertreters des Richters. Anträge der Kindesmutter (wie die Grenzsperre oder die von ihr beantragte mündliche Verhandlung) wurden im normalen Geschäftsgang oder unter Berücksichtigung des Richterurlaubs lange hinausgezögert.

Willkürliche Benachteiligung:

Das OLG sah in der gesamten Verfahrensführung eine willkürliche Benachteiligung der Kindesmutter (z.B. unangemessen kurze Fristsetzung, unklare Zustellung).

Der Richter hat durch einen Vermerk über ein Telefonat mit dem Anwalt des Vaters vor der noch ausstehenden mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass er seine Entscheidung (Sorgeübertragung an den Vater) nicht ändern werde, was ebenfalls Befangenheit begründet.

Ergebnis

Das OLG Hamm hat den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und das Ablehnungsgesuch der Kindesmutter gegen den Richter C. für begründet erklärt. Der Fall muss nun von einem anderen, nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Richter am Amtsgericht Recklinghausen fortgesetzt werden.

RA und Notar Krau

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