OLG Karlsruhe 11 W 73/21 (Wx) Beschl. v. 31.3.2023 – Vernichtetes Testament und nachfolgende Verfügungen aufgrund von Zeugenaussage
(AG Karlsruhe Beschl. v. 27.4.2021 – 2 VI 1068/19)
Ist zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts die Urschrift der Urkunde nicht auffindbar, kommt der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist.
In einem solchen Fall können Errichtung und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden. Eine Fotokopie als solche erfüllt nicht die Anforderungen an ein formgültiges privatschriftliches Testament. Auch mit einer eidesstattlichen Versicherung darf sich das Nachlassgericht nicht begnügen. Erforderlich ist vielmehr eine im Strengbeweisverfahren durchgeführte förmliche Beweisaufnahme, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind.
Zuverlässig nachgewiesen werden müssen sowohl die formgerechte Errichtung als auch der Gesamtinhalt der nicht mehr vorhandenen Testamentsurkunde. Über den Inhalt und die Form des Testaments muss in vergleichbarer Weise Gewissheit zu erlangen sein wie durch eine Vorlage der Urkunde im Original.
§ 2255 BGB setzt für die Aufhebung einer letztwilligen Verfügung deren bewusste Vernichtung voraus. Es müssen daher Tatsachen vorliegen, die in ihrer Gesamtheit den Schluss rechtfertigen, der Erblasser habe die Testamentsurkunde in der Absicht vernichtet, sie zu widerrufen.
Gründe: OLG Karlsruhe 11 W 73/21 (Wx)
I. Die Beteiligte zu 2 wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Erbscheinsantrags und gegen die Erteilung des von dem Beteiligten zu 1 beantragten Alleinerbscheins. Die Beteiligten streiten um die wirksame Errichtung eines den Beteiligten zu 1 begünstigenden Testaments sowie dessen Widerruf durch Zerreißen.
Der […] verstorbene Erblasser war mit der […] vorverstorbenen Frau […] verheiratet. Kinder der Eheleute sind der […], dessen Sohn der Beteiligte zu 1 ist, sowie die Beteiligte zu 2, welcher der Erblasser in den Jahren 2011, 2017 und 2018 mehrere Vollmachten […] erteilt hatte.
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Mit gemeinschaftlichem privatschriftlichem Testament vom 18.5.2007 setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben sowie als Erben des Letztversterbenden die Beteiligte zu 2 und ihren Bruder ein und benannten den Sohn der Beteiligten zu 2, […], als Ersatzerben.
Ferner bestimmten sie, dass der Überlebende von ihnen frei über den Nachlass verfügen und auch eine neue letztwillige Verfügung errichten könne. Zudem trafen sie Anordnungen, welcher der Erben bestimmte Nachlassgegenstände erhalten solle. In einem Zusatz zum Testament vom 6.8.2008 trafen die Eheleute ergänzende Bestimmungen in Bezug auf einen Grundschuldbrief und die Immobilie […]. Das Hausgrundstück […] wurde im Jahr 2012 verkauft.
Der Beteiligte zu 1 und seine Schwester beantragten die Erteilung eines sie als Erben ausweisenden Erbscheins […]. Der Antrag wurde nachfolgend dahin gehend geändert, dass der Beteiligte zu 1 den Erblasser allein beerbt habe […]. Der Beteiligte zu 1 stützte sein Erbrecht auf ein Testament, das der Erblasser zu seinen Gunsten mithilfe von Rechtsanwalt […] errichtet habe […].
Die Beteiligte zu 2 trat dem Antrag entgegen und beantragte auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments vom 18.5.2007 die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins […].
Das Nachlassgericht holte zunächst eine schriftliche Zeugenaussage des Rechtsanwalts […] vom 1.4.2020 ein. Der Zeuge übersandte in diesem Zusammenhang aus seiner Handakte die Kopie eines von dem Erblasser handschriftlich geschriebenen und unterschriebenen Schriftstückes vom 16.9.2015 sowie seinen Schriftsatz an den Erblasser vom 2.10.2015.
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Das kopierte Schriftstück vom 16.9.2015 lautet auszugsweise:
„Mein letzter Wille
Ich, […], geb. […], im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, will ich, das meine nachfolgend aufgeführte Hinterlassenschaft vererbt wird.
Als Vollerbe setze ich meinen Enkel […] geb. (…) ein.“
[Nummeriert mit Ziff. 1 bis Ziff. 9 folgt eine Auflistung von Vermögensgegenständen.]
„10. Unser Sohn, […] ist am […] gestorben.
Meine Tochter, […], geb. […] erbt einen Pflichtteil und die Bilder aus ihrer Geburtsheimat. Sie und ihre Kinder haben sich von mir getrennt, nachdem ich keine finanzielle Stütze, für die Bezahlung des Hauses, mehr bezahlt habe. Ergo konnte ihr Haus auch nicht mehr finanziert werden und wurde verkauft.
Die Ereignisse der vergangenen Jahre haben den Inhalt des Testamentes vom 28.5.2007 und den Zusatz zum Testament vom 6.8.2008 völlig verändert oder erledigt.“
[Unter Ziffn. 13 und 14 folgen Anordnungen für die Bestattung und Grabpflege.]
„15. Als Vollerbe habe ich den Stand der Dinge, wie geschrieben, hiermit verfügt.
[…], den 16.9.2015“
Der Schriftsatz vom 2.10.2015 enthält einen von dem Zeugen […] für den Erblasser gefertigten Entwurf eines Testamentes mit der Bitte um Rücksprache, sollten Fragen hierzu bestehen. Andernfalls könne das Testament handschriftlich verfasst werden. […]
Die Beteiligte zu 2 war der Auffassung, die Zeugenaussage belege lediglich die anwaltliche Beratung, nicht jedoch die Errichtung eines weiteren Testaments. Zudem habe sich bis zum Versterben des Erblassers die Situation geändert und die Familie ihres Bruders, die sich im Gegensatz zu ihr und ihrem Sohn nicht aktiv um den Erblasser gekümmert habe, habe nicht mit einem Erbe bedacht werden sollen.
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Nach einem Herzinfarkt im Februar 2018 habe ihr der Erblasser im Krankenhaus mitgeteilt, dass er sie zwischenzeitlich enterbt habe. Sie habe das sie enterbende Testament aus seinem Safe holen und vernichten sollen, habe den Erblasser jedoch gebeten, dies selbst zu tun. Die Vernichtung sei vom Erblasser vorgenommen worden; nach seinem Tod sei im Safe kein Testament aufzufinden gewesen.
Zum Beweis benannte die Beteiligte zu 2 ihren Sohn […].
Der Beteiligte zu 1 entgegnete, der Erblasser sei mit der Beteiligten zu 2 stark zerstritten gewesen und habe das ihn begünstigende Testament zu keinem Zeitpunkt vernichten wollen.
Das Nachlassgericht hörte die Beteiligten an und erhob Beweis durch mündliche Vernehmung der Zeugen […] und […] (Ehefrau des Beteiligten zu 1). […]
Mit dem angegriffenen, auf den 27.4.2021 datierten Beschl. mit Erlassvermerk vom 30.4.2021 […] hat das Nachlassgericht die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und den Antrag der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.
Der Erblasser habe den Beteiligten zu 1 mit Testament vom 16.9.2015 zu seinem Alleinerben eingesetzt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Erblasser das in Kopie vorliegende Schriftstück als Testament und nicht nur als Entwurf verfasst habe.
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Von einer späteren Vernichtung dieses Testaments habe sich das Gericht hingegen nicht überzeugen können. Unzweifelhaft stehe fest, dass der Erblasser mehrere – mindestens zwei – Testamente mit einer von dem Testament vom 18.5.2007 abweichenden Erbfolge erstellt habe. Inhaltlich sei nur die Kopie der letztwilligen Verfügung vom 16.9.2015 genau bekannt und eine Zerstörung des Originals nicht belegt.
Dies gehe zulasten der Beteiligten zu 2.
Mit am 28.5.2021 in elektronischer Form über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingereichtem Anwaltsschriftsatz hat die Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt, mit der sie eine fehlerhafte bzw. fehlende Beweiswürdigung rügt […].
Das Gericht habe die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben nicht gewürdigt. Die Annahme, der Erblasser habe nach dem gemeinschaftlichen Testament noch mehrere Testamente errichtet, sei reine Spekulation. Bei dem vom Erblasser vernichteten Testament habe es sich nur um das Schriftstück aus dem Jahr 2015 handeln können.
Es gebe auch keinen Grund zu der Annahme, dass der Erblasser dem Beteiligten zu 1 und dessen Ehefrau ein anderes Testament vorgelegt habe. Es werde daher eine erneute Anhörung der Beteiligten beantragt.
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Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt […]. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Original des in Kopie noch vorhandenen Testaments vernichtet und damit widerrufen wurde, seien nicht vorgetragen worden.
Der Beteiligte zu 1 ist der Beschwerde entgegengetreten […]. Die Darstellung der Beteiligten zu 2 sei falsch. Der Erblasser habe ihm gegenüber niemals mitgeteilt, dass er sein Testament ändern wolle. Sollte der Erblasser tatsächlich ein Schriftstück zerrissen haben, werde es sich um etwas gehandelt haben, das nichts mit einem Testament zu gehabt habe oder um einen neuen Testamentsentwurf. […]
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beteiligte zu 1 den Erblasser aufgrund letztwilliger Verfügung vom 16.9.2015 allein beerbt hat. Erfolgversprechende Ansätze für eine weitere Sachaufklärung sind nicht gegeben.
Es kann festgestellt werden, dass der Erblasser am 16.9.2015 ein formwirksames Testament, mit dem aus der vorliegenden Kopie ersichtlichen Inhalt errichtet und hierdurch das Testament aus dem Jahr 2007 mit Zusatz aus dem Jahr 2008 aufgehoben hat.
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a) Gemäß § 352 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 FamFG ist zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird. Ist diese Urkunde nicht auffindbar, kommt der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist. In einem solchen Fall können Errichtung und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden. Dabei genügt eine Testamentskopie allein nicht, um daraus ein Erbrecht abzuleiten, denn die Fotokopie als solche erfüllt nicht die Anforderungen an ein formgültiges privatschriftliches Testament.
Auch mit einer eidesstattlichen Versicherung darf sich das Nachlassgericht nicht begnügen. Erforderlich ist vielmehr eine im Strengbeweisverfahren durchgeführte förmliche Beweisaufnahme, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. zum Ganzen: Senat Beschl. v. 8.10.2015 – 11 Wx 78/14, juris Rn. 13 ff.; OLG München Beschl. v. 22.4.2010 – 31 Wx 11/10, juris Rn. 11).
Zuverlässig nachgewiesen werden müssen sowohl die formgerechte Errichtung als auch der Gesamtinhalt der nicht mehr vorhandenen Testamentsurkunde. Über den Inhalt und die Form des Testaments muss in vergleichbarer Weise Gewissheit zu erlangen sein wie durch eine Vorlage der Urkunde im Original (vgl. OLG Frankfurt Beschl. v. 27.12.2018 – 20 W 250/17, juris Rn. 40).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen teilt der Senat die Überzeugung des Nachlassgerichts, dass der Erblasser am 16.9.2015 wirksam und mit Testierwillen ein fünf Seiten umfassendes, privatschriftliches Testament auf kariertem Papier niedergelegt hat, von dem der Zeuge […] eine Kopie aus seinen Handakten vorlegen konnte.
Die Kopie dokumentiert einen vollständig und formgerecht abgefassten Text, dessen Überschrift „Mein letzter Wille“ in Verbindung mit der Unterschrift des Erblassers auf dessen Willen schließen lässt, rechtsverbindliche Anordnungen über sein Vermögen nach dem Tode zu treffen. Gestützt wird dieser Schluss durch die Aussage des Zeugen […], der sich erinnerte, „dass der Erblasser erklärte, er habe dieses Testament errichtet und wissen wollte, ob es Änderungsbedarf gebe. Es war also nicht ein Entwurf, bei dem er wissen wollte, ob dieser so in Ordnung sei, sondern es ging um die Kürzung“ […].
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Durch dieses Testament hat der Erblasser das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 2007 wirksam widerrufen.
Nicht festgestellt werden kann ferner, dass der Erblasser nachfolgend ein weiteres, die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 aufhebendes Testament errichtet hat.
a) Entgegen der Auffassung der Beschwerde gibt es allerdings mehrere Hinweise darauf, dass der Erblasser nach dem 16.9.2015 testiert hat.
Der Zeuge […] gab in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 1.4.2020 […] an, aus seiner Handakte ergebe sich, dass der Erblasser zu einem späteren Zeitpunkt im Büro angerufen und mitgeteilt habe, seine letztwillige Verfügung geändert zu haben.
Der Beteiligte zu 1 berichtete, der Erblasser habe ihm anlässlich eines Besuchs Ende des Jahres 2017 ein im Safe verwahrtes Testament gezeigt, das vielleicht ein oder zwei Seiten gehabt habe […].
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Die Beteiligte zu 2 gab an, dass der Erblasser im Jahr 2018 ein Testament zerrissen habe, welches ca. zwei bis drei Seiten umfasst habe und nicht auf kariertem Papier geschrieben gewesen sei […].
Die Ehefrau des Beteiligten zu 1 schilderte, dass der Erblasser dem Beteiligten zu 1 und ihr, mutmaßlich im Frühjahr 2018, ein relativ kurzes Testament von vielleicht einer Seite gezeigt habe, von dem sie noch grob wisse, dass der Beteiligte zu 1 zum Alleinerben eingesetzt worden sei. Der Erblasser habe ihnen mitgeteilt, dies sei sein Testament und er würde es im Safe hinterlegen […].
b) Ein Widerruf des Testaments vom 16.9.2015 durch ein jüngeres Testament ergibt sich aus keiner dieser Aussagen. Ob das oder die von den Beteiligten und den Zeugen angesprochenen Schriftstück(e) der gesetzlich vorgeschriebenen Testamentsform genügte(n) und welchen Gesamtinhalt das oder die Schriftstück(e) hatten, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.
Zudem bieten die Aussagen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erbfolge in einem jüngeren Dokument abweichend zu dem Testament vom 16.9.2015 geregelt worden sein könnte (§ 2258 Abs. 1 BGB). Sollte der Erblasser die Empfehlungen des Zeugen […] für eine gekürzte Fassung seines Testaments vom 16.9.2015 umgesetzt haben, wäre die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 nicht aufgehoben, sondern bestätigt worden. Gleiches gilt für das oder die von dem Beteiligten zu 1 und seiner Ehefrau erinnerte(n) Schriftstück(e).
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Der von der Beteiligten zu 2 berichtete Inhalt des angeblich von dem Erblasser zerrissenen Dokumentes – „ich weiß noch, dass das eben mit der Enterbung drin stand und dann etwas mit einem Gabelstapler und dass ich wohl Bilder aus der Heimat bekommen sollte“ […] – lässt ebenfalls keinen Widerspruch zu dem Testament vom 16.9.2015 erkennen.
Ein Widerruf des Testaments vom 16.9.2015 durch eine von dem Erblasser in Widerrufsabsicht vorgenommene Vernichtung (§ 2255 Abs. 1 BGB) kann ebenfalls nicht festgestellt werden.
Eine Vernichtung wird nicht schon durch den Umstand belegt, dass das Originaltestament vom 16.9.2015 nicht vorliegt. § 2255 BGB setzt für die Aufhebung einer letztwilligen Verfügung deren bewusste Vernichtung voraus. Es müssen daher Tatsachen vorliegen, die in ihrer Gesamtheit den Schluss rechtfertigen, der Erblasser habe die Testamentsurkunde in der Absicht vernichtet, sie zu widerrufen (vgl. OLG Düsseldorf Beschl. v. 29.11.2018 – 3 Wx 98/17, juris Rn. 28).
Daran fehlt es hier.
a) Einen Anhaltspunkt dafür, dass der Erblasser ein Schriftstück vernichtet hat, bieten zunächst die Angaben der Beteiligten zu 2. Diese allein genügen jedoch nicht, um einen Widerruf des wirksam errichteten Testaments vom 16.9.2015 zu belegen.
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aa) Zum einen ist selbst dann, wenn die Angaben der Beteiligten zu 2 gedanklich als zutreffend unterstellt werden, nicht zuverlässig festzustellen, dass es sich bei dem zerrissenen Schriftstück um ein formgerecht errichtetes Testament gehandelt hat.
Die Beschreibung des zerrissenen Schriftstücks kann mit dem äußeren Erscheinungsbild des fünf Seiten umfassenden, auf kariertem Papier niedergelegten Testaments vom 16.9.2015 nicht in Einklang gebracht werden: „Das Testament, das in meiner Gegenwart vernichtet wurde, hatte auf jeden Fall mehrere Seiten, möglicherweise zwei bis drei Seiten. [Auf Nachfrage] Was ich noch weiß ist, dass das Papier nicht kariert gewesen ist“ […]. Form und Inhalt der von den Beteiligten und Zeugen im Übrigen beschriebenen Schriftstücke können, wie oben dargelegt, nicht mehr zuverlässig festgestellt werden.
bb) Zum anderen kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Beteiligte zu 2 die Begünstigte des streitigen Testamentswiderrufs wäre und eigenen Angaben zufolge das zerrissene Schriftstück geschreddert und damit der Wahrnehmung durch Dritte endgültig entzogen hat […]. Vor diesem Hintergrund können die Angaben der Beteiligten zu 2 als Antragstellerin allein keine hinreichende Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung sein (vgl. OLG Frankfurt Beschl. v. 27.12.2018 – 20 W 250/17, juris Rn. 47 f.).
b) Aus der Aussage des Zeugen […] ergeben sich keine weiterführenden Erkenntnisse. Dieser konnte lediglich von zwei Telefonaten berichten, in welchen ihm die Beteiligte zu 2 von dem beabsichtigten und nachfolgend durchgeführten Zerreißen eines von ihr als Testament bezeichneten Schriftstücks durch den Erblasser erzählt habe. Weiter sei ihm „über das Testament nichts mehr bekannt und auch nicht mehr gesprochen worden“ […].
c) Die Beteiligten schildern ferner zwar übereinstimmend, dass der Erblasser sein Testament in einem Safe verwahrt habe. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, ein dort nicht vorhandenes Testament müsse von ihm in Widerrufsabsicht vernichtet worden sein. Zudem beruht die Annahme, dass sich ein Testament nach dem Tod des Erblassers nicht in dem Safe befunden habe, nach dem Ergebnis der Anhörung und Beweisaufnahme wiederum nur auf Angaben der Beteiligten zu 2 über den Inhalt des Safes (Zeugin […] „Wir waren nicht dabei, als sie die Sachen aus dem Safe genommen hat. [Auf Nachfrage] Bei den Dingen, die […] aus dem Safe geholt hat, war kein Testament dabei.“ […]
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Schließlich erscheint es angesichts der in den Jahren 2017 und 2018 erteilten Vollmachten plausibel, dass eine Aussöhnung des Erblassers mit der Beteiligten zu 2 stattgefunden hat. Auch dieser Umstand rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass die zwischenzeitliche Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 durch den Erblasser wieder aufgehoben worden ist.
Sachdienliche Ansätze für ergänzende Ermittlungen sind nicht zu erkennen (§ 26 FamFG). Weitere Zeugen und sonstige Beweismittel, die zu einer näheren Aufklärung beitragen könnten, sind weder angeboten noch sonst ersichtlich. Eine nochmalige Anhörung der Beteiligten lässt keine weiterführenden Erkenntnisse erwarten. Den Inhalt der vom Nachlassgericht ausführlich protokollierten Angaben der Beteiligten und Zeugen versteht der Senat nicht anders als das Nachlassgericht.
Eine Veränderung von tatsächlichen Umständen, die zum Zweck der Sachaufklärung eine nochmalige Anhörung der Beteiligten oder Vernehmung der Zeugen gebieten würden, zeigt die Beschwerde nicht auf.
Da die Feststellungslast trägt, wer die Aufhebung des Testaments behauptet (vgl. BayObLG Beschl. v. 18.3.1996 – 1Z BR 67/95, juris Rn. 19), geht die verbleibende Unsicherheit zulasten der Beteiligten zu 2. Deren Erbscheinsantrag ist mithin, wie vom Nachlassgericht entschieden, zurückzuweisen und der von dem Beteiligten zu 1 beantragte Erbschein zu erteilen. […]
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