OLG Karlsruhe 14 W 50/24 (Wx) – Gewöhnlicher Aufenthalt

Oktober 15, 2024

OLG Karlsruhe 14 W 50/24 (Wx) – Gewöhnlicher Aufenthalt

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Ein deutscher Staatsangehöriger verstarb in einem polnischen Pflegeheim.

Seine Ehefrau beantragte beim Amtsgericht Singen die Erteilung eines Erbscheins.

Das Amtsgericht wies den Antrag mangels internationaler Zuständigkeit zurück.

Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Ehefrau.

Entscheidung des OLG Karlsruhe:

Das OLG Karlsruhe hob den Beschluss des Amtsgerichts auf und verwies die Sache zurück.

Die deutsche Gerichtsbarkeit sei nach Art. 4 EuErbVO international zuständig, da der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.

Begründung:

OLG Karlsruhe 14 W 50/24 (Wx) – Gewöhnlicher Aufenthalt

  • Gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne der EuErbVO:
    • Der Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ ist unionsrechtlich auszulegen.
    • Erforderlich ist neben dem tatsächlichen Aufenthalt auch ein Bleibewille (animus manendi).
    • An diesem Bleibewillen fehlte es im vorliegenden Fall, da der Erblasser aufgrund seiner Demenzerkrankung gegen bzw. ohne seinen Willen in dem polnischen Pflegeheim untergebracht wurde.
    • Weitere Umstände, die gegen einen gewöhnlichen Aufenthalt in Polen sprachen, waren:
      • Der Erblasser hatte keinerlei persönliche Bezüge zu Polen.
      • Er war deutscher Staatsangehöriger.
      • Er lebte zuvor durchweg in Deutschland.
      • Sein gesamtes Vermögen befand sich in Deutschland.
      • Er sprach kein Polnisch.
      • Aufgrund seiner Erkrankung war nicht zu erwarten, dass er in Polen soziale Bindungen knüpfen würde.
  • Örtliche Zuständigkeit:
    • Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 47 Nr. 2 IntErbRVG i.V.m. § 343 Abs. 2 FamFG.
    • Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
    • Da der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, war das Amtsgericht Singen örtlich zuständig.  

OLG Karlsruhe 14 W 50/24 (Wx) – Gewöhnlicher Aufenthalt

Fazit:

Das OLG Karlsruhe stellte klar, dass die Unterbringung in einem ausländischen Pflegeheim allein nicht ausreicht, um einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der EuErbVO zu begründen.

Erforderlich ist vielmehr ein Bleibewille, an dem es im vorliegenden Fall fehlte.

Ergänzende Anmerkungen:

  • Die Entscheidung des OLG Karlsruhe ist rechtskräftig.
  • Das Aktenzeichen lautet 14 W 50/24 (Wx).
  • Die Entscheidung ist unter dem ECLI-Code ECLI:DE:OLGKARL:2024:0722.14W50.24WX.00 abrufbar.

Zusätzliche Informationen:

  • Die EuErbVO ist eine Verordnung der Europäischen Union, die die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Erbsachen regelt. Sie gilt für Erbfälle mit Auslandsbezug ab dem 17. August 2015.
  • Das IntErbRVG ist das Internationale Erbrechtsverfahrensgesetz. Es enthält Vorschriften zur Durchführung der EuErbVO.

Wichtige Leitsätze:

  • Für die Bestimmung des unionsrechtlich auszulegenden Begriffs des „gewöhnlichen Aufenthalts“ eines Erblassers im Sinne des Art. 4 EuErbVO ist neben dem objektiven Kriterium des tatsächlichen Aufenthalts in subjektiver Hinsicht das Vorliegen eines animus manendi (Bleibewille) erforderlich.
  • An dem Bleibewillen fehlt es, wenn ein demenzkranker Erblasser gegen oder ohne seinen Willen in ein Pflegeheim im Ausland verbracht wurde, ohne dass der Erblasser über die reine Pflege hinausgehende Bindungen zu dem Land hatte, in dem er bis zu seinem Tod gepflegt wurde.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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