OLG Koblenz 12 U 2099/21

Juni 21, 2023

OLG Koblenz 12 U 2099/21 Nachweis des Dürftigkeitsnachweises zur Überbürdung der Kosten eines notariellen Nachlassverzeichnisses auf den Pflichtteilsberechtigten

  1. Die Kosten der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses fallen grundsätzlich dem Nachlass zur Last; etwas anderes – also Kostentragungspflicht des Auskunftsberechtigten – gilt hingegen bei Dürftigkeit des Nachlasses, wobei den Nachweis der Dürftigkeit hierbei der Erbe zu führen hat.
  2. Dieser Dürftigkeitsnachweis ist nicht erbracht, wenn der Auskunftspflichtige zum Nachlass zählende (Darlehens-)Rückzahlungsansprüche darlegt und es dem Erben nicht gelingt, deren Erfüllung darzulegen und zu beweisen.

    Gründe: OLG Koblenz 12 U 2099/21

  3. Die Berufung der Klägerin beschränkt sich darauf, dass die ihr in dem angefochtenen Teilurteil auferlegte Vorauszahlungspflicht gestrichen werden soll, also das landgerichtliche Teilurteil mit Ausnahme der in der Einleitung des Tenors zu 1. aufgenommenen Formulierungen „das auf Kosten der Klägerin zu erstellen ist“, bzw. „gegen Vorauszahlung der hierfür voraussichtlich anfallenden Kosten des notariellen Nachlassverzeichnisses durch die Klägerin“ Bestand haben soll.

  4. Dieses mit der Berufung verfolgte Begehren der Klägerin ist erfolgreich.
    Gemäß § 2314 Abs. 2 BGB fallen die Kosten der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses dem Nachlass zur Last. Unter dem Begriff Kosten werden hierbei Gebühren, notwendige Reise- und Aufenthaltskosten des Auskunftspflichtigen bzw. des anwesenden Auskunftsberechtigten oder seines Beistandes, der Wertermittlung und der amtlichen Aufnahme erfasst (Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl., § 2314 Rn. 18). Etwas anderes gilt hingegen bei Dürftigkeit des Nachlasses.
  5. Sollte der Nachlass dürftig sein, hat der Berechtigte die Kosten für die Erstellung des notariellen Verzeichnisses zu tragen (Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl., § 2314 Rn. 18). Den Nachweis der Dürftigkeit hat hierbei der Erbe zu führen (BGH IV a ZR 29/81, Urteil vom 10.11.1982, juris = NJW 1983, 1485).
    Anders als das Landgericht sieht der Senat den Beweis der Dürftigkeit des Nachlasses durch die Beklagte als nicht geführt an.

  6. Der Beklagten ist es weder gelungen zu beweisen, dass das Darlehen zugunsten ihrer Tochter S. aus dem Darlehensvertrag vom 15.10.2005 in Höhe von 65.000 EUR tatsächlich von deren Vater, Herrn W. vollständig oder zumindest teilweise zurückgeführt worden ist und somit „dem Nachlass“ nicht doch noch ein entsprechender Zahlungsanspruch gegen S. zusteht, noch, dass der Verkaufserlös für die Wohnung in Sa. nicht doch dem Erblasser zugeflossen ist und noch auf einem zur Erbmasse zählenden Konto vorhanden ist oder zumindest (vergleichbar mit der Situation bei dem Darlehen zugunsten von S.) ein Herausgabe-/Rückzahlungsanspruch am Kaufpreis besteht, der den Nachlass ebenfalls werthaltig machen würde (wird nunmehr im einzelnen ausgeführt).
  7. OLG Koblenz 12 U 2099/21
    Die Klägerin hat durchgängig in Abrede gestellt (siehe unter anderem Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 9.4.2020 und vom 18.9.2020), dass das Darlehen über 65.000 EUR tatsächlich zurückgezahlt wurde.
  8. Die Beklagte hat dagegen behauptet, das Darlehen sei vollständig zurückgezahlt worden und sich zum Beweis für diese Behauptung auf den in der Sitzung vom 19.8.2020 von ihrem Prozessbevollmächtigten überreichten „Aufhebungsvertrag“ (Aufhebung Darlehensvertrag) vom 15.7.2009 berufen.
  9. Nach der Überzeugung des Senats reicht die Vorlage dieses Schriftstückes aber nicht aus, um den Beweis für die behauptete Darlehensrückführung zu erbringen.
  10. Das Schriftstück weist insoweit bereits Widersprüche auf, die auch den Senat an seiner inhaltlichen Richtigkeit zweifeln lassen. So ist in dem Schriftstück vom 15.7.2009 von dem am 15.10.2005 geschlossenen Darlehensvertrag über den Betrag von 66.000 EUR die Rede.
  11. Der Darlehensvertrag vom 15.10.2005 verhält sich aber (lediglich) über einen Betrag von 65.000 EUR. Eine Ausräumung dieses Widerspruchs von Seiten der Beklagten ist nicht erfolgt.
  12. OLG Koblenz 12 U 2099/21
  13. Davon unabhängig ist in dem Schriftstück ausgeführt, dass die Gesamtsumme am 15.7.2009 von den Eheleuten W. zurückgezahlt worden sei.
  14. Es existiert aber lediglich eine Kontoauszugszweitschrift der Sparkasse W., die einen Zahlungseingang in Höhe von 10.000 EUR mit dem Vermerk „W. Kredit S.“ aufweist. Ein entsprechender Beleg über die Zahlung der weiteren 55.000 EUR (oder 56.000 EUR?) ist hingegen von der Beklagten nicht vorgelegt worden.
  15. Auch hat die Beklagte trotz des durchgängigen vehementen Bestreitens der Klägerin nicht belastbar dargelegt, wann und wie genau es zu der Rückführung der weiteren 55.000 EUR (oder 56.000 EUR?) gekommen sein soll.
  16. Die Beklagte erklärt vielmehr ausdrücklich, weitere Auskünfte könne sie nicht geben (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 22.4.2022). Weshalb dies so ist, lässt sie in diesem Zusammenhang völlig offen.
  17. Nach alldem sieht der Senat den Beweis für die Rückführung des Darlehens als nicht erbracht an.
  18. Die Folge hieraus ist, dass „dem Nachlass“ nach dem derzeitigen Sachstand nach wie vor ein Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die Tochter der Beklagten zusteht, der Nachlass somit bereits unter diesem Gesichtspunkt nicht als dürftig anzusehen ist.
  19. OLG Koblenz 12 U 2099/21
    Gleiches gilt im Ergebnis bezüglich der Wohnung in Sa. Gemäß dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin […] wurde diese Wohnung von dem Erblasser ohne die Aufnahme eines Kredites bezahlt, wobei der Erblasser davon ausging und dies auch entsprechend kommunizierte, dass er Eigentümer dieser Wohnung sei.
  20. Tatsächlich war aber die Beklagte als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
  21. Die Klägerin hat weiter durchgängig in Abrede gestellt […], dass es nach dem Erwerb der Wohnung zu einer Rückzahlung des Kaufpreises durch die Beklagte an den Erblasser gekommen ist. Eine solche Rückzahlung ist von der Beklagten in der Folgezeit auch nicht belastbar dargelegt worden.
  22. Insofern liegt es aber auch hier nahe, dass der Verkaufserlös doch dem Erblasser zugeflossen ist und noch auf einem zur Erbmasse zählenden Konto vorhanden ist, bzw. dass gegenüber der Beklagten nach wie vor ein Herausgabe-/Rückzahlungsanspruch an dem Kaufpreis besteht. Auch insoweit wäre von einer Werthaltigkeit des Nachlasses auszugehen.

  23. Nach alldem ist der Klägerin vom Landgericht zu Unrecht die Kostentragungspflicht für die Erstellung des von ihr begehrten notariellen Nachlassverzeichnis auferlegt worden. Die Berufung der Klägerin ist somit erfolgreich. […]
  24. OLG Koblenz 12 U 2099/21

Schlagworte

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.