OLG Koblenz 13 WF 1135/13

August 5, 2017
OLG Koblenz 13 WF 1135/13 Pflichten des Sorgerechtsinhabers nach Erteilung familiengerichtliche Genehmigung zur Erbausschlagung

  1. 1.

    Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Koblenz vom 23.01.2013 wird als unzulässig verworfen.

  2. 2.

    Die Kindesmutter trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

  3. 3.

    Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe OLG Koblenz 13 WF 1135/13

I.

Mit Antrag vom 19.09.2012 hat die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter die familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagung der dem betroffenen Kind nach der am 15.12.2011 verstorbenen Frau …[A], angefallenen Erbschaft beantragt.

Die Erblasserin ist (u.a.) als Mitglied einer Erbengemeinschaft Eigentümerin an drei Grundstücken im südbrandenburgischen …[X].

Das Familiengericht hat die beantragte Genehmigung nach Einholung von Auskünften über etwaige Verbindlichkeiten der Erblasserin und versuchter Ermittlung der Grundstückswerte mit der Kindesmutter und dem betroffenen Kind am 31.01.2013 zugestellten Beschluss vom 23.01.2013 erteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach Einsicht in die Nachlassakte zu seiner Überzeugung feststehe, dass der Nachlass überschuldet sei. Die Erblasserin habe Sozialleistungen bezogen. Die Ausschlagung entspreche daher dem Wohl des Kindes.

OLG Koblenz 13 WF 1135/13

Am 01.02.2013 hat die Kindesmutter zur Niederschrift bei Gericht erklärt, dass hiergegen Beschwerde eingelegt werde. Sie führt aus, dass bekannt geworden sei, dass eines der o.g. Grundstücke wohl veräußert werden solle und bittet um Prüfung und Wertermittlung des Grundstücks sowie ggfls. um Gegenüberstellung mit vorhandenen Schulden.

Nach weiteren Nachforschungen hatte die Rechtspflegerin daraufhin zunächst angekündigt, der Beschwerde abzuhelfen. Sodann hat sie der Kindesmutter jedoch mitgeteilt, dass gegen den Beschluss vom 23.01.2013 kein Beschwerderecht bestehe, da die Möglichkeit, von der erteilten Genehmigung keinen Gebrauch zu machen, ausreichend Schutz biete. Nachdem die Beschwerde hierauf nicht zurückgenommen worden ist, hat ihr das Familiengericht u.a. mit vorgenannter Begründung nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Senat im Dezember 2013 zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1.

Dahinstehen kann, ob das Familiengericht gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG hier überhaupt zu einer Nichtabhilfeentscheidung berechtigt war. In der Sache ist es jedenfalls zutreffend, dass weder der Kindesmutter noch dem betroffenen Kind gegen die Erteilung der familiengerichtlichen Genehmigung zur Erbausschlagung ein Beschwerderecht zusteht.

2.

Bei der Ausschlagung der einem minderjährigen Kind angefallenen Erbschaft handelt es sich gemäß § 1643 Abs. 2 BGB um eine genehmigungsbedürftige Erklärung. Vorliegend hat das Familiengericht die Genehmigung antragsgemäß erteilt. Das hat indes nicht zur Folge, dass die Erbschaft damit ausgeschlagen ist.

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Vielmehr steht es dem Sorgerechtsinhaber nach §§ 1643 Abs. 3, 1829 Abs. 1 Satz 2, 1831 BGB frei, ob er von der Genehmigung gegenüber dem Nachlassgericht Gebrauch macht oder nicht. Hierzu hat er nach Erhalt der familiengerichtlichen Genehmigung in eigener Kompetenz zu prüfen, ob eine Ausschlagung der Erbschaft (immer noch) dem Kindeswohl entspricht (vgl. BayObLG MDR 1963, 502 und RGZ 130, 148, 151, RGZ 121, 30, 37, RGZ 76, 364, 366 sowie MünchKomm-BGB/Huber 6. Aufl. 2012 § 1643 Rn. 46 und Soergel/Damrau 12. Aufl. 1987 BGB § 1643 Rn. 23).

Insoweit obliegt der Kindesmutter nicht mehr und nicht weniger als sie ohnehin tagtäglich in ihrer Rolle als (alleinig) Sorgeberechtigte für das Kind zu tun hat. Allein der Umstand, dass eine Beurteilung der Frage, ob die Kindesmutter die Erbschaft nun für das Kind ausschlagen soll oder nicht, ggfls. mit einem nicht unerheblichen Aufwand – Feststellung der Werthaltigkeit der Erbschaft – verbunden ist, begründet keine Beschwerdeberechtigung mit dem Ziel, dass das Gericht diese Ermittlungen tätigt.

Das gilt auch dann, falls diese Ermittlungen bislang fälschlicherweise unterlassen worden sein sollten. Denn Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde ist eine Beschwer des Beschwerdeführers durch die angegriffene Entscheidung.

Danach steht gemäß § 59 FamFG die Beschwerde nur demjenigen zu, der durch die angegriffene Entscheidung in seinen eigenen Rechten beeinträchtigt ist. Erforderlich hierfür ist ein unmittelbarer Eingriff in eine geschützte Rechtsposition, also in ein im Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung bestehendes subjektives Recht (vgl. BGH FamRZ 2013, 612 und BT-Drucks. 16/6308, S. 204 sowie zum alten Recht BGH FamRZ 2009, 853 zu § 20 FGG). Nicht ausreichend ist hingegen allein, dass die Entscheidung des Familiengerichts falsch ist oder das zu der Entscheidung führende Verfahren – z.B. wegen nicht ausreichender Ermittlungen – fehlerhaft war.

Vorliegend hat das Familiengericht dem Genehmigungsantrag der Kindesmutter vollumfänglich stattgegeben. Da die Kindesmutter somit genau das erhalten hat, was sie beantragt hat, und von dieser Rechtsposition kraft eigener Entscheidung Gebrauch oder auch keinen Gebrauch machen kann, ist sie durch die Genehmigungserteilung nicht beschwert (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. 2014 § 59 Rn. 45 a.E. und 91).

3.

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Soweit in der Literatur vereinzelt vertreten wird, dass der die Genehmigung beantragende Sorgerechtsinhaber und auch das Kind trotz antragsgemäß erteilter Genehmigung beschwerdebefugt seien, wenn die Genehmigung dem Wohl des Kindes widerspricht (vgl. Keidel/Meyer-Holz aaO. Rn. 91), vermag der Senat dieser Ansicht – jedenfalls im Anwendungsbereich des § 1643 Abs. 2 BGB – nicht zu folgen.

Wie bereits ausgeführt, ist die Kindesmutter trotz Erteilung der Genehmigung der Erbausschlagung nicht davon enthoben, zu prüfen, ob die Erbausschlagung (immer noch) dem Kindeswohl entspricht. Da sie es somit selbst in der Hand hat, von der Genehmigung keinen Gebrauch zu machen, falls diese (jetzt) dem Wohl des Kindes widerspricht, bedarf es aus ihrer Sicht keiner Durchführung eines Beschwerdeverfahrens.

Widerspricht die erteilte Genehmigung dem Kindeswohl, wird diese Gefahr nur virulent, wenn der Sorgerechtsinhaber sich beim Gebrauch der Genehmigung nicht vom Wohle des Kindes (§ 1627 BGB) leiten lässt. Dann aber ist zugleich eine erhebliche Interessenkollision zwischen den Interessen des Kindes und denen des Sorgeberechtigten gegeben, so dass dem Kind gemäß §§ 1666, 1909 Abs. 1 BGB insoweit ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist.

Eine solche Maßnahme darf jedoch nur auf konkrete Anhaltspunkte hin im Einzelfall getroffen werden. Allein die stets gegebene theoretische Möglichkeit, dass die auf Antrag des Sorgeberechtigten erteilte familiengerichtliche Genehmigung (jetzt) dem Wohl des Kindes widerspricht und der Sorgeberechtigte trotzdem von ihr Gebrauch macht, genügt hingegen nicht.

Denn ansonsten müsste dem minderjährigen Kind in jedem Verfahren zur Erteilung einer familiengerichtlichen Genehmigung ein Ergänzungspfleger bestellt werden, sobald eine Stattgabe des Antrags in Betracht kommt. Derartiges hat der Gesetzgeber aber gerade nicht vorgesehen.

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Etwas anderes folgt auch nicht aus dem unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien erfolgten Hinweis des Reichsgerichts in RGZ 130, 148, 151 auf die Anfechtbarkeit der Genehmigungsverfügung durch den Vormund, wenn dieser die Meinung gewonnen habe, dass sie den Belangen des Mündels widerstreite. Denn der dort niedergelegte weitere Verweis auf die Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 121, 30, 37 zeigt, dass das Reichsgericht dabei augenscheinlich nur die Anfechtbarkeit der Nichtgenehmigung meinte.

4.

Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 84 FamFG als unzulässig zu verwerfen. Die Wertfestsetzung richtet sich nach §§ 46, 42 FamGKG, 38, 40 ff. GNotKG.

5.

Der Senat weist die Kindesmutter noch vorsorglich darauf hin, dass – wie bereits ausgeführt – die Erbausschlagung nicht bereits mit Rechtskraft der erteilten familiengerichtlichen Genehmigung wirksam wird. Vielmehr muss die Kindesmutter, sofern sie die Erbschaft für ihr Kind ausschlagen will, die familiengerichtliche Genehmigung – ratsam unter gleichzeitiger Vorlage des rechtkräftigen Beschlusses vom 23.01.2013, §§ 1643 Abs. 3, 1831 Satz 2 BGB – gegenüber dem Nachlassgericht mitteilen und diesem gegenüber auch die Erbausschlagung erklären.

Zu Form und Fristen hierfür verweist der Senat auf das von der Kindesmutter zur Akte gereichte Schreiben des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Charlottenburg vom 06.08.2012 nebst Anlage. Die Ausschlagungsfrist ist dabei gemäß §§ 1944 Abs. 2 Satz 3, 206 BGB gehemmt, bis die familiengerichtliche Genehmigung wirksam erteilt wurde.

Sollte die Kindesmutter die Erbausschlagung hingegen schon erklärt haben, könnte gemäß §§ 1643 Abs. 3, 1831 Satz 1 Satz 1 BGB zweifelhaft sein, ob diese Erklärung mit der Mitteilung (Vorlage) der rechtskräftig erteilten familiengerichtlichen Genehmigung nachträglich wirksam werden kann (in teleologischer Reduktion von § 1831 Satz 1 BGB bejahend: RGZ 118, 145, 146 ff.; offen lassend: BGH FamRZ 1966, 504 Tz.26) oder die Ausschlagung nochmals erklärt werden muss. Jedenfalls aber dürfte sich letzteres rein zur Sicherheit anbieten.

In dem gesamten Zusammenhang hatte das Familiengericht die Kindesmutter zudem bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass sie Rechtsrat in Bezug auf mögliche Vorgehensweisen grundsätzlich bei einem Rechtsanwalt suchen muss. Dieser Hinweis ist weiterhin zutreffend.

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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