OLG Köln 24 U 20/22, Urteil vom 12.01.2023, Auseinandersetzung einer Bruchteils- und einer Erbengemeinschaft, Auszahlung des Übererlöses
Tenor
Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 13.01.2022 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 19 O 227/21 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.
Der Beklagte wird verurteilt, zur Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft zwischen der Klägerin zu 1. (X.) und der Erbengemeinschaft nach seinem Vater, Herrn R., O.-straße, B., verstorben am 00.00.0000, der Auszahlung des Übererlöses des Zwangsversteigerungsverfahrens Bruchteils- und Erbengemeinschaft D., Az. N01, Amtsgericht F., in Höhe von 213.106,49 €, hinterlegt beim Amtsgericht F. zum Az. N02, an die Klägerin zu 1. (X.) zuzustimmen.
2.
OLG Köln 24 U 20/22
Der Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, zur Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft zwischen der Klägerin zu 1. (X.) und der Erbengemeinschaft nach seinem Vater, Herrn R., O.-straße, B., verstorben am 00.00.0000, der Auszahlung eines hälftigen Teilbetrages in Höhe von 11.913,10 € des auf dem Anderkonto des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen, Anderkonto N03, Commerzbank Remscheid AG, zur Ablösung stehengebliebener Rechte im Rahmen der vorstehend beschriebenen Teilungsversteigerung eingezahlten Betrages der Ersteher in Höhe von 23.826,20 €, an die Klägerin zu 1) zuzustimmen.
(a) 106.553,24 € an die Klägerin zu 1. (X.)
(b) je 21.310,65 € an
(a) 5.102,40 € an die Klägerin zu 1. (X.)
(b) je 1.020,47 € an:
(c) 2.728,82 € an Q., geb. am 00.00.0000, IK.-straße., K. (Beklagter).
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerinnen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin zu 1. ist die Mutter der Klägerin zu 2. und des Beklagten. Die Parteien streiten um die Auszahlung hinterlegter Beträge zur Auseinandersetzung einer Bruchteilsgemeinschaft sowie um die Zustimmung zu einem Teilungsplan zwecks Auseinandersetzung einer zwischen ihnen und weiteren Kindern bzw. Geschwistern der Parteien bestehenden Erbengemeinschaft. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatbestandlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (Bl. 454 ff. der landgerichtlichen Akte [LGA]) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerinnen eine unzulässige Teilauseinandersetzung begehrten. Aus § 2042 Abs. 1 BGB ergebe sich grundsätzlich nur ein Anspruch auf vollständige Auseinandersetzung nach dem Erbfall. Vorliegend gebe es aber unstreitig neben dem streitgegenständlichen Grundstück weiteren Nachlass in Form eines Teppichs, einer Hollywoodschaukel, in Form von Werkzeugen und Heimwerkermaschinen, sowie dem ausschließlich privatgemeinschaftlich genutzten Familien-Pkw. Zudem gehörten zum Nachlass Girokonten und Depots bei der Sparkasse F. und Bausparverträge.
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Hinsichtlich dieser Gegenstände und Forderungen sehe der von den Klägerinnen zur Zustimmung gestellte Teilungsplan keine Auseinandersetzung vor. Die Klägerin zu 1. habe auch jedenfalls hinsichtlich des Werkzeugs, der Heimwerkermaschinen und der Gesamtheit der Möbel nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie diese Gegenstände zur angemessenen Lebensführung benötige und diese ihr insoweit gemäß § 1932 Abs. 1 S. 2 BGB als Voraus zustünden.
Der Vortrag der Klägerinnen zu etwaigem Kontoguthaben des Erblassers sei widersprüchlich. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Guthaben nach Abzug der Verbindlichkeiten tatsächlich noch vorhanden gewesen seien. Ein Fall einer ausnahmsweise möglichen Teilauseinandersetzung liege nicht vor. Darüber hinaus stehe der Klägerin zu 1. auch kein Anspruch hinsichtlich ihres hälftigen, bereits vor dem Erbfall bestehenden Miteigentums an der Immobilie zu.
Denn die Klägerinnen hätten ausdrücklich die Zustimmung des Beklagten “zur Herbeiführung der Erbauseinandersetzung nach seinem Vater […], dem folgenden Teilungsplan” begehrt. Eine Zustimmung zur einfachen Auszahlung sei gerade nicht beantragt worden. Zudem bestehe ein isolierter Anspruch auch deswegen nicht, weil die Inhaber der Forderung sich gegenüber der Hinterlegungsstelle einigen und einen übereinstimmenden Auszahlungsantrag formulieren müssten.
Hiergegen richtet sich die frist- und formgerechte Berufung der Klägerinnen. Sie sind der Ansicht, dass die Klägerin zu 1. schon im Hinblick darauf, dass sie hälftige Miteigentümerin des versteigerten Grundstücks gewesen sei, einen Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung eines Betrages in entsprechender Höhe habe. Das Landgericht habe zu Unrecht befunden, dass die Klägerinnen hier allein eine Teilauseinandersetzung begehrt hätten. Jedenfalls sei das Landgericht nach § 139 ZPO verpflichtet gewesen, auf eine solche Sichtweise hinzuweisen, worauf hin die Klägerinnen den entsprechenden Klageantrag in zwei Einzelforderungen hätten umstellen können.
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Bezüglich der begehrten Erbauseinandersetzung seien weiterhin mit Ausnahme des Beklagten alle Mitglieder der Erbengemeinschaft der Auffassung, dass es sich bei dem für die Erbengemeinschaft hinterlegten Betrag sowie dem auf dem Anderkonto des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen hinterlegten Betrag um den gesamten verbliebenen Nachlass handele. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Erblasser bereits vor über 15 Jahren verstorben sei. Der Beklagte selbst habe im Herbst 2007 mit der Klägerin zu 1. das als Anlage K10 vorgelegte Nachlassverzeichnis erstellt und seitdem hätten weder er noch ein anderes Mitglied der Erbengemeinschaft irgendetwas aus dem Nachlass erbeten oder auf eine Auseinandersetzung gedrungen.
Erstmalig im vorliegenden Rechtsstreit habe der Beklagte eingewandt, dass es zum Todestag verschiedene Konten und Bausparverträge gegeben hätte. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen worden sei, gebe es keine weiteren Konten oder Depots im Nachlass des Erblassers. Selbiges gelte für vom Beklagten behauptete Briefmarken und Münzen. Weitere Gegenstände hätten der Klägerin zu 1. als Voraus gemäß § 1932 BGB zugestanden. Im Übrigen liege jedenfalls ein Fall einer ausnahmsweise zulässigen Teilauseinandersetzung vor.
Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Landgerichts Köln vom 00.00.0000, Az. N05 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
1.
zur Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft zwischen der Klägerin zu 1. (X.) und der Erbengemeinschaft nach seinem Vater, Herrn R., O.-straße, B., verstorben am 00.00.0000, der Auszahlung des Übererlöses des Zwangsversteigerungsverfahrens Bruchteils- und Erbengemeinschaft D., Az. N01, Amtsgericht F., in Höhe von 213.106,49 €, hinterlegt beim Amtsgericht F. zum Az. N02, an die Klägerin zu 1 (X.) zuzustimmen;
2.
zur Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft zwischen der Klägerin zu 1. (X.) und der Erbengemeinschaft nach seinem Vater, Herrn R., L.-straße, B., verstorben am 00.00.0000, der Auszahlung des hälftigen Teilbetrages in Höhe von 11.913,10 € des auf dem Anderkonto des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen, Anderkonto N03, Commerzbank Remscheid AG, zur Ablösung stehengebliebene Rechte im Rahmen der vorstehend beschriebenen Teilungsversteigerung eingezahlten Betrages der Ersteher in Höhe von 23.826,20 €, an die Klägerin zu 1) zuzustimmen;
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3.
zur Herbeiführung der Erbauseinandersetzung nach seinem Vater, Herrn R., L.-straße, B., verstorben am 00.00.0000, dem folgenden Teilungsplan zuzustimmen:
a) der Anteil der Erbengemeinschaft am Übererlös des Zwangsversteigerungsverfahrens Bruchteils- und Erbengemeinschaft D., Az. N01, Amtsgericht F., in Höhe von 213.106,49 €, hinterlegt beim Amtsgericht F. zum Az. N02, wird wie folgt ausgezahlt:
(a) 106.553,24 € an die Klägerin zu 1. (X.)
(b) je 21.310,65 € an
b) der auf dem Anderkonto des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen, Anderkonto N03, Commerzbank Remscheid AG, zur Ablösung stehengebliebener Rechte im Rahmen der vorstehend beschriebenen Teilungsversteigerung eingezahlten Betrag der Ersteher in Höhe von 23.826,20 € wird in Höhe eines hälftigen Teilbetrages in Höhe von 11.913,10 € wie folgt ausgezahlt:
(a) 5.102,40 € an die Klägerin zu 1) (X.)
(b) je 1.020,47 € an:
(c) 2.728,82 € an den Beklagten Q., geb. am 00.00.0000, IK.-straße., K..
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerinnen ist mit den nach Hinweisen des Senats modifizierten Anträgen begründet.
1.
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Die Klägerin zu 1. hat in Bezug auf ihren früheren hälftigen Miteigentumsanteil an dem versteigerten Grundstück Anspruch auf die begehrte Zustimmung zur Auszahlung von 213.106,49 € aus §§ 749, 753 S. 1 BGB i.V.m. § 20 Abs. 2 HintG NRW. Denn das versteigerte Grundstück stand im Eigentum einer Bruchteilsgemeinschaft, die mit jeweils hälftigem Anteil zwischen der Klägerin und der Erbengemeinschaft nach ihrem verstorbenen Ehemann bestand. Im Einzelnen gilt:
a) Die Aufhebung einer Bruchteilsgemeinschaft an einem Grundstück, das nicht in Natur teilbar ist, erfolgt gemäß § 753 Abs. 1 S. 1 BGB durch Zwangsversteigerung und anschließende Teilung eines nach Abzug der Versteigerungskosten und Berichtigung der gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten verbleibenden Überschusses zwischen den Gemeinschaftern entsprechend ihren Anteilen (§ 752 S. 1 BGB).
Da sich die an dem Grundstück bestehende Bruchteilsgemeinschaft mit dem Zuschlag im Teilungsversteigerungsverfahren im Wege der dinglichen Surrogation an dem Versteigerungserlös fortsetzt, steht den Miteigentümern des Grundstücks zur Zeit des Zuschlags die Forderung auf Zahlung des Versteigerungserlöses gemeinschaftlich in ihrem bisherigen Rechtsverhältnis zu.
Bestand zuvor eine Bruchteilsgemeinschaft an dem Grundstück, besteht an der Forderung nunmehr eine Mitberechtigung nach § 432 BGB, da jeder Teilhaber vom Ersteher nur Zahlung an alle Teilhaber gemeinsam verlangen kann. Wird der Erlös von dem Ersteigerer hinterlegt, besteht die Mitberechtigung der früheren Grundstückseigentümer an der gegen die Hinterlegungsstelle gerichteten Forderung auf Auszahlung eines möglichen Übererlöses. Allerdings bedarf es in diesem Fall zur Teilung nicht der gemeinsamen Einziehung der Forderung gegen die Hinterlegungsstelle und der anschließenden Auseinandersetzung des herausgegebenen Erlöses.
Vielmehr kann jeder Teilhaber von den anderen die nach den Bestimmungen für die Hinterlegung erforderliche Einwilligung in die Herausgabe des auf ihn entfallenden Teils des hinterlegten Erlöses verlangen, wenn aus dem hinterlegten Betrag keine Verbindlichkeiten mehr zu berichtigen sind (vgl. BGH, NJW 2017, 2544 Rn. 21 f.). Der gegenteiligen Ansicht des Landgerichts, wonach die Teilhaber der Forderung gegenüber der Hinterlegungsstelle einen übereinstimmenden Auszahlungsantrag formulieren müssten, folgt der Senat nicht.
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Dabei ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die vom Landgericht herangezogene Kommentarstelle (Staudinger/Eickelberg, BGB, Neubearbeitung 2021, § 753, Rn. 22) seine gegenteilige Ansicht auch nicht stützt. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich, dass die Beteiligten entweder einen übereinstimmenden Auszahlungsantrag gegenüber der Hinterlegungsstelle formulieren oder aber ihren Streit prozessual austragen müssen. Letzteres ist hier der Fall. Dementsprechend kann die Klägerin vom Beklagten die Zustimmung zur Auszahlung des ihr zustehenden hälftigen Anteils an dem beim Amtsgericht F. hinterlegten Betrag verlangen.
b) Entgegen der Auffassung der Kammer entspricht die hälftige Auszahlung des Versteigerungserlöses zur Auflösung der Bruchteilsgemeinschaft auch dem bereits erstinstanzlich gestellten Antrag der Klägerin zu 1. Die von den Klägerinnen gestellten Anträge sind als Prozesserklärungen einer Auslegung zugänglich.
Diese Auslegung darf aber auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, BeckRS 2019, 13950 Rn. 8; BGH, NJW-RR 2022, 1718 Rn. 20, jeweils m.w.Nachw.).
Schon hieraus folgt, dass es sich bei der Antragsfassung, nach der die Klägerin zu 1. auch die Auszahlung des ihr als früherer Miteigentümerin des Grundstücks zustehenden Teilbetrages “zur Herbeiführung der Erbauseinandersetzung” verlangt hat, um ein – offensichtliches – Versehen handelt, und es der Klägerin zu 1. insoweit nur darum ging, auf der Grundlage des vorgetragenen Sachverhaltes die Zustimmung des Beklagten zur Auszahlung des ihr zustehenden Teilbetrages zu erhalten. Vor diesem Hintergrund bedarf es auch keiner weiteren Erörterung, dass eine auf die Überlegungen der Kammer gestützte Klageabweisung mit Rücksicht auf § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO jedenfalls nicht ohne vorherigen Hinweis erfolgen durfte.
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Unabhängig davon hatte die Klägerin aber auch in ihrem erstinstanzlichen Vortrag hinreichend klar erkennen lassen, dass sie neben der Herbeiführung der Erbauseinandersetzung auch die Auszahlung des auf ihren Anteil an der Bruchteilsgemeinschaft entfallenden Betrages begehrt.
Zwar ist dem Landgericht dahingehend zuzustimmen, dass die ursprüngliche Antragstellung sprachlich nicht deutlich zwischen der Erbauseinandersetzung einerseits und der Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft andererseits differenziert hatte, allerdings ergibt sich die entsprechende Differenzierung aus dem weiteren Inhalt der Klageschrift. Dort heißt es insoweit (mit Unterstreichung durch den Senat):
“Bedauerlicherweise weigert sich der Beklagte, die hinterlegten Beträge auszuzahlen, wobei dies umso weniger verständlich ist, als die Hälfte der hinterlegten Beträge seiner Mutter aufgrund ihres originären Eigentumsanteils zusteht und lediglich die andere Hälfte im Rahmen der Erbengemeinschaft verteilt werden muss. Insoweit steht der Klägerin 50 % der hinterlegten Beträge bereits aus eigenem Recht zu und weitere 25 % im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, die die zweiten 50 % an der Immobilie hielt.”
Dies lässt hinreichend deutlich erkennen, dass es der Klägerin zu 1. hinsichtlich des hälftigen Versteigerungserlöses von vornherein um die Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft ging.
2.
Die Klägerin zu 1. hat entsprechend den obigen Ausführungen aus den §§ 749, 753 S. 1 BGB auch Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung von 11.913,10 €, die sich derzeit auf dem Anderkonto ihres Prozessbevollmächtigten befinden. Diese Summe entspricht ihrem hälftigen Anteil an dem von den Erwerbern des Grundstücks zur Ablösung stehengebliebener Rechte eingezahlten Betrages in Höhe von 23.826,20 €.
3.
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Die Klägerinnen haben gemäß § 2042 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. §§ 749, 752 S. 1 BGB (bezüglich des beim Amtsgericht F. zum Az. N02 hinterlegten Betrages i.V.m. § 20 Abs. 2 HintG NRW) Anspruch auf Zustimmung zu dem von ihnen vorgelegten, der Erbauseinandersetzung dienenden Teilungsplan.
a) Gemäß § 2042 Abs. 1 BGB kann jeder Miterbe grundsätzlich jederzeit die Auseinandersetzung verlangen, wobei auch in dem durch § 2042 BGB vorgegebenen Rahmen die §§ 749 Abs. 2 und 3, 750 ff. BGB entsprechend gelten. Wird der Auseinandersetzungsanspruch – wie hier – klageweise geltend gemacht, ist der Klageantrag auf Zustimmung zu einem bestimmten Teilungsantrag zu richten.
Da die Zustimmung mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils als Annahme wirkt (§ 894 S. 1 ZPO), also einen konkreten Erbteilungsvertrag zustande bringt, muss der Teilungsplan des Klägers inhaltlich so ausgestaltet sein, dass er vollständig annahmefähig ist, also ein mögliches Ergebnis der Auseinandersetzung darstellt (MüKo/Fest, BGB, 9. Aufl. 2022, § 2042 Rn. 64). Widersprechen nur einzelne Miterben – wie hier der Beklagte – der beanspruchten Auseinandersetzung, können nur diese verklagt werden (MüKo/Fest, a.a.O., § 2042 Rn. 65 m.w.Nachw.).
Diesen Anforderungen genügt der mit dem Klageantrag zu 3. formulierte Teilungsplan. Dabei kann wegen der Aufteilung des Nachlasses grundsätzlich auf die obigen Ausführungen zu den §§ 749, 752 S. 1 BGB (i.V.m. § 20 Abs. 2 HintG NRW) Bezug genommen werden.
Die Klägerinnen haben die Summen der nach dem vorgelegten Teilungsplan zu verteilenden Beträge auch rechnerisch richtig entsprechend den Anteilen der Miterben verteilt, wobei sie dem Anteil des Beklagten an dem auf dem Anderkonto ihres Prozessbevollmächtigten verwahren Betrag zu seinen Gunsten vorab einen Betrag von 1.708,35 € hinzugerechnet haben. Schließlich waren die Klägerinnen auch nicht gehalten, die im Teilungsplan aufgeführten weiteren Miterben in den Rechtsstreit mit einzubeziehen, da diese unbestritten mit dem von den Klägerinnen begehrten Teilungsplan einverstanden sind.
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b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht dem Erfolg der Klage auch nicht das Verbot einer Teilauseinandersetzung des Nachlasses entgegen. Die Kammer hat hierzu zwar im Ansatz zu Recht ausgeführt, dass der Anspruch aus § 2042 Abs. 1 BGB auf die Auseinandersetzung des gesamten Nachlasses gerichtet ist und nur in Ausnahmefällen eine Teilauseinandersetzung verlangt werden kann (vgl. hierzu etwa Burandt/Rojahn/Flechtner, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 2042 BGB Rn. 6 m.w.Nachw.).
Vorliegend erscheint aber bereits das Vorhandensein weiterer Nachlassgegenstände fraglich; unabhängig davon liegt aber jedenfalls ein Sachverhalt vor, der ausnahmsweise eine auf die im Klageantrag zu 3. genannten Gegenstände beschränkte Teilauseinandersetzung rechtfertigten würde.
aa) Der Beklagte macht geltend, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes Eigentümer eines PKW Opel Astra, eines Wandteppichs im Wohnzimmer, eines Fahrrades, einer Hollywoodschaukel sowie von Mobiliar, Briefmarken, Münzen, Werkzeugen und Heimwerkermaschinen gewesen sei.
Darüber hinaus sei der Erblasser Inhaber eines Girokontos, eines Depots bei der Sparkasse F. sowie von Bausparverträgen bei der BHW und möglicherweise auch bei der LBS gewesen. Schließlich habe er Darlehen an seine Kinder gewährt. Der Beklagte lässt indes offen, welche dieser Gegenstände derzeit noch im Nachlass vorhanden und damit einer Teilung zugänglich sind.
Im Gegensatz dazu haben die Klägerinnen bereits im Schriftsatz vom 08.11.2021 im Einzelnen vorgetragen, dass sich im Nachlass weder Briefmarken noch Münzen befunden haben und sich der Anteil des Erblassers an den Konten und Depots auf einen Gesamtbetrag von 17.083,50 € belaufen habe, den die Geschwister bislang einvernehmlich der Klägerin zu 1. belassen hätten, der nunmehr aber zu Gunsten des Beklagten im Teilungsplan berücksichtigt ist. Weitere Forderungen aus Darlehen, Bausparverträgen, etc. hätten beim Erbfall nicht bestanden.
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Dem ist der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten; der Senat hält es zudem auch für wenig lebensnah, dass der Beklagte oder die übrigen Geschwister sich in den nunmehr 15 Jahren seit dem Erbfall nicht um eine weitere Aufteilung des Nachlasses bemüht hätten, wenn tatsächlich weitere werthaltige Vermögengegenstände aufzuteilen gewesen wären. Aus demselben Grund geht er auch nicht davon aus, dass die vom Beklagten angesprochenen beweglichen Gegenstände (PKW, Wandteppich, Fahrrad, Hollywoodschaukel, Mobiliar, Werkzeuge und Heimwerkermaschinen) noch in aufteilungsfähigem Zustand im Nachlass vorhanden sind.
bb) Letztlich kann das Vorhandensein weiterer Nachlassgegenstände aber dahinstehen. Denn nach Auffassung des Senats liegen die jedenfalls die Voraussetzungen für eine Teilauseinandersetzung vor, die sich auf die im Klageantrag angesprochenen Geldbeträge beschränkt.
Eine teilweise Auseinandersetzung hinsichtlich bestimmter Teile des Nachlasses kann ausnahmsweise verlangt werden, wenn besondere Gründe es rechtfertigen und die Belange der Erbengemeinschaft und der anderen Miterben nicht beeinträchtigt werden (BGH NJW 1985, 51). Als besonderer Grund im vorgesagten Sinne kommt etwa in Betracht, dass ein Miterbe einen Teil des Nachlasses begehrt, der ihm bei endgültiger Auseinandersetzung ohnehin zufallen würde (OLG Rostock, FamRZ 2010, 329, Rn. 10, juris).
Auch kann zu berücksichtigen sein, dass keine Nachlassverbindlichkeiten mehr bestehen oder diese anderweitig gesichert sind (OLG Dresden, BeckRS 2010, 33124). Vorliegend haben die Klägerinnen bereits im Hinblick auf den erheblichen Zeitablauf seit dem im Jahr 2007 eingetretenen Erbfall ein nachvollziehbares und berechtigtes Interesse an der endgültigen Verteilung der aus der Versteigerung resultierenden, erheblichen Geldbeträge.
Dies gilt angesichts von Lebensalter und Versorgungssituation insbesondere für die 1930 geborene Klägerin zu 1., die durch das (Prozess-) Verhalten des Beklagten Gefahr läuft, zu Lebzeiten überhaupt nicht mehr in den Genuss des ihr zustehenden Anteils am Nachlass ihres Ehemannes zu kommen. Berechtigte Belange des Beklagten, die einer Aufteilung des Versteigerungserlöses entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
OLG Köln 24 U 20/22
Denn den Klägerinnen und den weiteren Miterben würden die aus dem Tenor ersichtlichen Beträge auch im Rahmen einer gegebenenfalls um weitere Gegenstände erweiterten Auseinandersetzung ohnehin zufallen, da diese – modifiziert durch einen dem Beklagten im unstreitigen Einverständnis aller Miterben zugedachten Betrag in Höhe von 1.708,35 € – den jeweiligen Erbanteilen entsprechen und keine Nachlassverbindlichkeiten ersichtlich sind, die aus dem Nachlass noch zu berichtigen wären.
Schließlich rechtfertigt auch die erstinstanzlich geäußerte Befürchtung des Beklagten, im Falle ihres Ablebens nicht an etwaigen liquiden Mitteln der Klägerin zu 1. partizipieren zu können (Seite 2 des Schriftsatzes vom 05.08.2021), einen weiteren Aufschub der Erlösverteilung nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Vielmehr beruht die Entscheidung lediglich auf einer Würdigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 359.006,35 € (davon entfallen 336.675,23 € auf die Berufung der Klägerin zu 1. und 22.331,12 € auf die Berufung der Klägerin zu 2.)
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