OLG Köln, Urteil vom 20.04.2015 – 2 VA (Not) 3/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1) werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der getroffenen Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger und die beiden Beigeladenen sind Rechtsanwälte und haben sich auf eine am 15.5.2014 für den Bezirk des Amtsgerichts Borken ausgeschriebene Notarstelle beworben. Der Kläger hat das zweite Staatsexamen und die notarielle Fachprüfung jeweils mit 8,53 Punkten bestanden. Die Beigeladene zu 1) hat im zweiten Staatsexamen 9,07 Punkte und in der notariellen Fachprüfung 9,18 Punkte erzielt, während der Beigeladene zu 2) das zweite Staatsexamen mit 7,32 Punkten und die notarielle Fachprüfung mit 9,68 Punkten bestanden hat. Der Beklagte hat hinsichtlich des Beigeladenen zu 2) die Erfüllung der Wartezeit gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO verneint und dem Kläger mit Bescheid vom 10.12.2014 mitgeteilt, dass die Notarstelle mit der Beigeladenen zu 1) besetzt werden soll.
Wegen der Einzelheiten des Besetzungsverfahrens wird auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten 3835 E – 8 (AG Borken) sowie die Bewerbungsunterlagen des Klägers und der Beigeladenen zu 1) (jeweils nebst Personalakten der Rechtsanwaltskammer Hamm) verwiesen.
Mit seiner am 30.12.2014 bei Gericht eingegangenen – als Antrag auf gerichtliche Entscheidung bezeichneten – Klage wendet sich der Kläger gegen die Besetzungsentscheidung des Beklagten zugunsten der Beigeladenen zu 1). Der Kläger meint, dass die Ablehnung seiner Bewerbung rechtswidrig sei, weil der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Beigeladene zu 1) bei Ablauf der Bewerbungsfrist am 15.6.2014 die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt hat. Im Hinblick auf die eigenen Angaben der Beigeladenen zu 1) sei auch unter Berücksichtigung der Regelungen in § 6 Abs. 1 Sätze 5 und 7 BNotO zweifelhaft, ob diese mindestens fünf Jahre in nicht unerheblichem Umfang für verschiedene Auftraggeber als Rechtsanwältin tätig gewesen sei (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO) und diese Tätigkeit mindestens drei Jahre ohne Unterbrechung in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich ausgeübt habe (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO). Die Angaben der Beigeladenen zu 1) seien offensichtlich ergebnisorientiert und unklar, was zudem Zweifel an ihrer persönlichen Eignung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO begründe. Jedenfalls hätte der Beklagte nach Meinung des Klägers die Angaben der Beigeladenen zu 1) überprüfen und sich Nachweise vorlegen lassen müssen. Zudem könne die in T wohnhafte Beigeladene zu 1) schon aufgrund ihrer familiären Situation die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Amtsgeschäfte der angestrebten Notarstelle in S erforderliche zeitliche Präsenz (§ 10 Abs. 2 und Abs. 3 BNotO) nicht gewährleisten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, die im Justizministerialblatt Nordrhein-Westfalen vom 15.05.2014 ausgeschriebene Notarstelle für den Amtsgerichtsbezirk Borken mit dem Kläger zu besetzen,
hilfsweise die Besetzung dieser Notarstelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verteidigt seine Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen zu 1). Diese sei nach den im Bewerbungsverfahren getroffenen Feststellungen seit dem 1.4.2008 und damit selbst unter Außerachtlassung der 12-monatigen “Babypause” bei Ablauf der Bewerbungsfrist am 15.6.2014 mehr als fünf Jahre als Gesellschafterin/Partnerin der Sozietät “H & Partner mdB Steuerberater Rechtsanwalt” in S als Rechtsanwältin in nicht unerheblichem Umfang für verschiedene Auftraggeber tätig gewesen. Die Überlegungen des Klägers dazu, dass die Beigeladene zu 1) wegen der Schwangerschaft und Geburt ihres Kindes nicht zu einer Tätigkeit in erheblichem Umfang in der Lage gewesen sei, hält der Beklagte für spekulativ. Einer Bejahung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO steht nach Auffassung des Beklagten auch nicht die Ausübung eines “Minijobs” in dem Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 3.3.2011 zur Betreuung der Großmutter der Beigeladenen zu 1) im Haushalt von deren Mutter entgegen. Schließlich hätten weder der Direktor des Amtsgerichts Borken noch die Anwaltskammer Bedenken gegen die Eignung der Bewerberin geäußert. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO sieht der Beklagte unter entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 2 Sätze 5 und 7, Abs. 4 Satz 1 BNotO ebenfalls als erfüllt an, auch wenn die Beigeladene zu 1) während der “Babypause” weder förmlich auf ihre Anwaltszulassung verzichtet noch Elternzeit genommen hat, da nach dem Normzweck und unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben die Zeit der Kinderbetreuung nicht als Unterbrechung der anwaltlichen Tätigkeit zu werden sei. Jedenfalls könne selbst bei abweichender Beurteilung aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles von dem im Regelfall bestehenden Erfordernis einer dreijährigen ununterbrochenen örtlichen Wartezeit ausnahmsweise abgesehen werden. Auch die Beibehaltung des Wohnsitzes in T steht nach Auffassung des Beklagten einer Besetzung der ausgeschriebenen Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk Borken mit der Beigeladenen zu 1) nicht entgegen, weil damit keine wahrscheinliche Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Dienstgeschäfte verbunden ist, sondern die Bedenken des Klägers auch insoweit weitgehend spekulativ seien. Schließlich bestünden auch keine Zweifel an der persönlichen Eignung der Beigeladenen zu 1) aufgrund der nach Einschätzung des Beklagten zutreffenden und vollständigen Angaben in ihrer Bewerbung.
Auch die Beigeladene zu 1) ist der Ansicht, dass das Bewerbungsverfahren rechtsfehlerfrei durchgeführt wurde und die von dem Beklagten zu ihren Gunsten getroffene Auswahlentscheidung nicht zu beanstanden sei. Zu ihrem beruflichen Werdegang trägt die Beigeladene zu 1) ergänzend vor, dass sie nach ihrer Zulassung zur Anwaltschaft zum 19.6.2006 vom 1.12.2006 bis zum 31.3.2008 in der Rechtsabteilung der T2 & PARTNER OHG in N angestellt und nicht unerheblich als Rechtsanwältin tätig gewesen sei. Der Wechsel nach S sei zum 1.4.2008 vollzogen worden. Aus der späteren (rein deklaratorischen) Eintragung in das Partnerschaftsregister ergebe sich nichts Abweichendes. Auch die zeitweise Ausübung eines Minijobs stehe der Erfüllung der Voraussetzungen für ihre Bestellung als Notarin nicht entgegen. Im Übrigen habe sie auch während der Elternzeit ab Mai 2011 in einem zeitlichen Umfang von 12 bis 18 Stunden pro Woche als Anwältin gearbeitet, ohne hierfür indes eine Vergütung erhalten zu haben. Ab März 2012 habe sie ihre Rechtsanwaltstätigkeit wieder vollständig aufgenommen, während ihre Tochter von einer Tagesmutter in T betreut wurde und seit August 2013 eine Kindertageseinrichtung besucht. Die Verlegung ihres privaten Wohnsitzes ist nach Auffassung der Beigeladenen zu 1) für die Beurteilung der Voraussetzung einer dreijährigen ununterbrochenen örtlichen Wartezeit unerheblich, da es hierfür auf den Ort der Berufsausübung ankomme. Ggf. könne die Aufsichtsbehörde sie anweisen, den Wohnsitz am Amtssitz zu nehmen. Hierbei handelt es sich ihres Erachtens jedoch nicht um eine notwendige Voraussetzung für die Bestellung zur Notarin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift vom 9.3.2015 sowie den Inhalt der beigezogenen Akten verwiesen.
II.
Das als Antrag auf gerichtliche Entscheidung bezeichnete Rechtsschutzbegehren des Klägers ist als nach § 111 b BNotO i.V.m. §§ 40, 42 Abs. 1, 68 VwGO statthafte (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 12.4.2012 – 1 Not 7/11, abrufbar bei juris) und auch ansonsten zulässige, insbesondere frist- und formgerecht erhobene Klage auszulegen (§§ 133, 157 BGB entsprechend), die jedoch unbegründet ist, weil die Besetzungsentscheidung des Beklagten zugunsten der Beigeladenen zu 1) verfahrensfehlerfrei getroffen wurde und in der Sache nicht zu beanstanden ist.
Entgegen dem vom Kläger verfochtenen Standpunkt geht der Senat ebenso wie der Beklagte davon aus, dass die Beigeladene zu 1) zum für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist am 15.6.2014 die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 BNotO erfüllt hat und auch weiterhin erfüllt sowie bei einer Bewertung und Gewichtung der für die Besetzungsentscheidung nach § 6 Abs. 3 BNotO maßgeblichen Kriterien eine höhere Gesamtpunktzahl als der Kläger erzielt und daher bei der Vergabe der Notarstelle vorrangig zu berücksichtigen ist.
1. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO setzt die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Notar u.a. voraus, dass der Bewerber bei Ablauf der Bewerbungsfrist mindestens fünf Jahre in nicht unerheblichem Umfang für verschiedene Auftraggeber als Rechtsanwalt tätig war, wobei nach Satz 5 auf Antrag u.a. Zeiten eines vorübergehenden Verzichts auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Schwangerschaft oder Betreuung eines Kindes bis zur Dauer von zwölf Monaten angerechnet werden.
Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beigeladene zu 1) diese Voraussetzung einer mindestens fünfjährigen Rechtsanwaltstätigkeit erfüllt. Belastbare Anhaltspunkte, die an der Richtigkeit der Angaben der Beigeladenen zu 1), dass sie seit dem 1.4.2008 als Gesellschafterin/Partnerin der Sozietät “H & Partner mdB Steuerberater Rechtsanwalt” in S als Rechtsanwältin in nicht unerheblichem Umfang für verschiedene Auftraggeber tätig ist, zweifeln ließen, liegen nicht vor. Umstände, die generell oder speziell im Fall der Beigeladenen zu 1) ein Misstrauen gegen die Richtigkeit der Angaben in den Bewerbungsunterlagen gebieten würden, sind weder vom Kläger dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Durch die Erlangung der Fachanwaltsbezeichnung im Jahre 2010 und die dazu erforderlichen Nachweise einer praktischen Tätigkeit wird eine Rechtsanwaltstätigkeit in nicht unerheblichem Umfang zudem indiziert und die Beigeladene zu 1) hat auch durch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen die Richtigkeit ihrer o.g. Angaben zusätzlich untermauert. Insofern ist von einem Beginn der Rechtsanwaltstätigkeit der Beigeladenen zu 1) in S am 1.4.2008 und deren Ausübung in nicht unerheblichem Umfang für verschiedene Auftraggeber auszugehen.
Gründe, die Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben würden, liegen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers nicht vor. Dass die deklaratorische Eintragung in das Partnerschaftsregister erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte, ist aus den in der Klageerwiderung zutreffend dargelegten Gründen unschädlich. Das Ergebnis einer nicht näher spezifizierten “Umfrage” des Klägers, wonach die Beigeladene zu 1) unter Anwaltskollegen weitgehend unbekannt sei, ist ebenfalls nicht maßgeblich. Den Ausführungen des Beklagten ist auch insoweit beizupflichten, als die Ausübung eines “Minijobs” durch die Beigeladene zu 1) in dem Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 3.3.2011 einer Bejahung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO nicht entgegensteht, weil angesichts des üblichen und in der Erwiderung der Beigeladenen zu 1) konkretisierten Umfangs einer solchen Tätigkeit daneben eine Anwaltstätigkeit in nicht unerheblichem Umfang ohne Weiteres möglich ist und im Übrigen eine vollschichtige Rechtsanwaltstätigkeit von § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO auch nicht verlangt wird, wie sich insbesondere aus der Streichung des im ursprünglichen Gesetzentwurf (BT-Dr. 16/4972) vorgesehenen Zusatzes “hauptberuflich” in der vom Gesetzgeber verabschiedeten Fassung ergibt (vgl. auch diesbezügliche Begründung in BT-Dr. 16/11906, S. 13). Die Überlegungen des Klägers, dass und weshalb die Beigeladene zu 1) über die von ihr angegebene 12-monatige “Elternzeit” hinaus nicht in der Lage gewesen sei, ihrer Rechtsanwaltstätigkeit in erheblichem Umfang nachzugehen, sind – worauf der Beklagte ebenfalls zutreffend hinweist – weitgehend spekulativ, teilweise rechtlich unerheblich und im Übrigen durch die Angaben in der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1), dass und wie sie die Kinderbetreuung organisiert, widerlegt.
Nach dem Vorstehenden ist somit davon auszugehen, dass die Beigeladene zu 1) (jedenfalls) seit dem 1.4.2008 und damit bei Ablauf der Bewerbungsfrist am 15.6.2014 bereits 6 Jahre und 2 ½ Monate als Rechtsanwältin tätig war, ohne dass es dafür weiterer Nachweise bedurfte (vgl. dazu unten 3.), so dass es nicht darauf ankommt, ob zur Beurteilung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin in der Rechtsabteilung der T2 & PARTNER OHG in N in dem Zeitraum vom 1.12.2006 bis zum 31.3.2008 zusätzlich zu berücksichtigen und/oder die Voraussetzungen für eine Anrechnung der 12-monatigen “Elternzeit” nach der Geburt des Kindes am 3.3.2011 vorliegen (vgl. dazu unten 2.), weil selbst ohne deren Einbeziehung eine mehr als fünfjährige Anwaltstätigkeit vorliegt.
2. Weitere Voraussetzung für eine Bestellung zum Notar ist gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO, dass der Rechtsanwalt die Tätigkeit nach Nummer 1 seit mindestens drei Jahren ohne Unterbrechung in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich ausübt, wobei nach Satz 7 Zeiten im Sinne von Satz 5 für die Dauer von bis zu zwölf Monaten nicht als Unterbrechung der Tätigkeit nach Satz 1 Nr. 2 gelten.
Diese Voraussetzung einer mindestens dreijährigen ununterbrochenen örtlichen Wartezeit hat der Beklagte ebenfalls zu Recht in Bezug auf die Beigeladene zu 1) bejaht. Auch insoweit greifen die Zweifel des Klägers an der Richtigkeit der Angaben der Beigeladenen zu 1) zu ihrer “Elternzeit” und/oder deren Nichtberücksichtigung als Unterbrechung nicht durch. Nach dem Vorstehenden ist davon auszugehen, dass die Beigeladene zu 1) seit dem 1.4.2008 als Rechtsanwältin in S, d.h. im Amtsgerichtsbezirk Borken tätig ist. Die nach ihren Angaben erfolgte Unterbrechung bzw. Einschränkung ihrer Anwaltstätigkeit im Anschluss an die Geburt ihrer Tochter in dem Zeitraum vom 3.3.2011 bis zum 2.3.2012 ist bei der Beurteilung der örtlichen Wartezeit unschädlich.
Der Beklagte hat die die Angabe der “Elternzeit” in den Bewerbungsunterlagen der Beigeladenen zu 1) zu Recht als – jedenfalls konkludent gestellten – Antrag auf Anrechnung der 12-monatigen Kinderbetreuungszeit i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 5 BNotO interpretiert, für den keine besonderen Förmlichkeiten vorgeschrieben sind, so dass es nicht darauf ankommt, ob das Antragserfordernis überhaupt (auch) für § 6 Abs. 2 Satz 7 BNotO gilt.
Dass die Beigeladene zu 1) infolge der Geburt ihrer Tochter am 3.3.2011 (maximal) 12 Monate – im Wesentlichen – ausgesetzt und danach ihre Anwaltstätigkeit in nicht unerheblichem Umfang wieder aufgenommen hat, kann der Kläger nicht erfolgreich in Zweifel ziehen, sondern stellt auch insofern überwiegend Mutmaßungen an, die indes jedenfalls durch die Erläuterungen in der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1), wie sie Beruf und Familie in Einklang bringt, entkräftet sind. Dies gilt namentlich auch insoweit, als der Kläger im Hinblick auf die Verlegung/en des privaten Wohnsitzes der Beigeladenen zu 1) insbesondere für den Zeitraum nach der Geburt des Kindes in Frage stellt, dass sie in dem erforderlichen Umfang als Rechtsanwältin in S tätig sein konnte. Dass die Beigeladene zu 1) am 3.3.2011 Mutter einer Tochter geworden ist, ergibt sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde. Das in der mündlichen Verhandlung erklärte Bestreiten des Klägers greift insofern nicht durch. Für die Annahme, dass die Beigeladene zu 1) i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 5 BNotO nach der Geburt ein Jahr lang aus familiären Gründen (“Elternzeit”) nicht in dem bisherigen (nicht unerheblichen) Umfang als Rechtsanwältin tätig war, ist es nicht erforderlich, dass sie die Betreuung und Versorgung des in ihrem Haushalt lebenden Kindes ausschließlich (“rund um die Uhr”) persönlich wahrgenommen hat, sondern es reicht aus, dass sie (ggf. gemeinsam mit ihrem Ehemann) diese Aufgaben organisiert und ggf. “delegiert” hat.
Auch wenn die Beigeladene zu 1) in dem von ihr als “Elternzeit” bezeichneten Zeitraum vom 3.3.2011 bis zum 2.3.2012 nicht auf ihre Rechtsanwaltszulassung verzichtet und auch nicht förmlich Elternzeit genommen hat, hat der Beklagte die “Babypause” bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO im Ergebnis zu Recht nicht als Unterbrechung gewertet, weil aus den in der Klageerwiderung dargelegten Gründen jedenfalls eine entsprechende Anwendung der o.g. Bestimmungen bzw. eine Abweichung von diesem Erfordernis gerechtfertigt ist.
Aufgrund der Formulierung als “Soll”-Vorschrift sind – ebenso wie nach dem bis zum 30.4.2011 geltenden Recht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26.11.2012 – NotZ (Brfg) 6/12, in: MDR 2013, 187 f. m.w.N.) – Ausnahmen von der Voraussetzung einer mindestens dreijährigen örtlichen Wartezeit grundsätzlich möglich, wobei es sich allerdings nach der Gesetzesbegründung (BT-Dr. 16/4972, S. 10) um eng begrenzte, sich maßgeblich vom Regelbild der Bewerber unterscheidende und damit atypische Ausnahmefälle handeln muss, wenn und soweit es nicht mit Art. 12 GG vereinbar oder aus anderen Gründen unverhältnismäßig wäre, die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen zu verlangen. Ausnahmen kommen danach etwa in Betracht, wenn an dem fraglichen Ort kein oder nur ein Notar amtiert, ohne die Bestellung des Bewerbers eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Leistungen nicht sichergestellt wäre (vgl. Schmitz-Valckenberg, in: Eylmann/Vassen, Bundesnotarordnung – Beurkundungsgesetz, 3. Auflage 2011, § 6 BNotO Rn 29, 32 m.w.N.), also eine Abkürzung der Regelzeiten aus Gerechtigkeits- oder Bedarfsgründen zwingend erscheint (vgl. Görk, in: Bracker, Bundesnotarordnung, 9. Auflage 2011, § 6 BNotO Rn 31), der Zweck der Zulassungsvoraussetzungen anderweitig erfüllt wird oder im Einzelfall ein außergewöhnlicher Eignungsunterschied vorliegt (vgl. etwa Bormann, in: Diehn, Bundesnotarordnung 2015, § 6 BNotO Rn 20 m.w.N.; Görk, a.a.O., § 6 BNotO Rn 34; Lerch, in: Arndt/Lerch/ Sandkühler, Bundesnotarordnung, 7. Auflage 2012, § 6 BNotO Rn 47 ff. m.w.N.). Dabei soll § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO gewährleisten, dass der zu bestellende Notar wirtschaftlich unabhängig ist und bereits über eine eingerichtete Anwaltskanzlei und damit über die organisatorischen Voraussetzungen verfügt, um das Büro an die Erfordernisse des Notaramts anzupassen (vgl. BT-Dr. 16/11906, S. 13), mit den örtlichen Verhältnissen vertraut ist (vgl. Sandkühler, in: Heckschen/Herrler/Starke, Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Auflage 2015, L II Rn 23 m.w.N.), sowie darüber hinaus eine gleichmäßige Behandlung aller Bewerber sicherstellen und verhindern, dass Bewerber, die die allgemeine Wartezeit zurückgelegt haben, sich für die Bestellung zum Notar den hierfür am günstigsten erscheinenden Ort ohne Rücksicht auf die dort bereits ansässigen Rechtsanwälte mit bestandener notarieller Fachprüfung aussuchen können (vgl. Bormann, a.a.O.).
Von der danach im Rahmen des Gesetzeszwecks grundsätzlich bestehenden Auslegungs- bzw. Ausnahmemöglichkeit hat der Beklagte vorliegend in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Die Erfüllung der o.g. Ziele, die vom Gesetzgeber mit dem Erfordernis einer mindestens dreijährigen örtlichen Wartezeit verfolgt werden, wird durch die Unterbrechung bzw. Einschränkung der Anwaltstätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Zusammenhang mit der Geburt ihres Kindes unabhängig davon, dass sie nicht förmlich auf die Rechtsanwaltszulassung verzichtet und auch keine Elternzeit im Rechtssinne genommen hat, nicht in Frage gestellt. Denn zur Erreichung des mit den Regelungen in § 6 Abs. 2 Sätze 5 und 7 BNotO verfolgten Zwecks, Bewerber, die infolge von Schwangerschaft oder Betreuung eines Kindes oder eines pflegebedürftigen Angehörigen und damit gesellschaftspolitisch erwünschtem sozialem Engagement vorübergehend auf die (uneingeschränkte) Ausübung ihrer Anwaltstätigkeit verzichtet haben, nicht zu benachteiligen, was auch in der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 2 Nr. 1 BNotO (BT-Dr. 16/4972, S. 14) zum Ausdruck gekommen ist, wo es heißt, dass mit der Neuregelung auch Fälle adäquat erfasst werden sollen, in denen neben der Anwaltstätigkeit Erziehungsaufgaben wahrgenommen worden sind, ist es nicht entscheidend, ob die Unterbrechung der Berufstätigkeit durch förmlichen Verzicht auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und/oder Inanspruchnahme von Elternzeit im Sinne des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) erfolgt, sondern es reicht eine faktische Unterbrechung oder Einschränkung der Anwaltstätigkeit aus einem der in § 6 Abs. 1 Satz 5 BNotO genannten Gründe aus. Insofern vermag sich der Senat der vom Kläger und – soweit ersichtlich – an einer Literaturstelle (Görk, a.a.O., § 6 BNotO Rn 51) vertretenen Rechtsauffassung, dass die Erziehung eines minderjährigen Kindes ohne Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub keine Anrechenbarkeit begründet, jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anzuschließen. Gegen ein solches Verständnis spricht auch, dass freiberuflich tätige Rechtsanwälte/innen keine Elternzeit in Anspruch nehmen können und ein “vorübergehender Verzicht auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft” – worauf der Kläger selbst hinweist – in der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht vorgesehen ist, so dass das mit den o.g. Regelungen in der Bundesnotarordnung verfolgte Ziel im Interesse der – auch – verfassungsrechtlich gebotenen Vermeidung von (auch faktischen) Benachteiligungen u.a. aufgrund des Geschlechts (vgl. dazu etwa: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20.11.2013 – 1 BvR 63/12, in: NJW 2014, 843 ff.) nur dann erreicht werden kann, wenn man darauf abstellt, ob der/die Bewerber/-in tatsächlich aus familiären Gründen die Anwaltstätigkeit unterbrochen oder eingeschränkt hat. Gegenteiliges ergibt sich entgegen dem vom Kläger verfochtenen Standpunkt auch nicht aus § 5 Abs. 3 FAO, weil dort nicht nur die Zeiten eines Beschäftigungsverbotes nach den Mutterschutzvorschriften (§ 5 Abs. 3 lit. a) FAO), sondern auch der Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 5 Abs. 3 lit. b) FAO) als Zeiträume genannt sind, um die sich der Zeitraum von drei Jahren vor der Antragstellung für den Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen im Fachgebiet als Rechtsanwalt (§ 5 Abs. 1 FAO) verlängert.
Danach ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte auf der Grundlage der Angaben in der Bewerbung der Beigeladenen zu 1) deren “Babypause” – ggf. unter analoger Anwendung dieser Bestimmungen – unter § 6 Abs. 2 Sätze 5 und 7 BNotO subsumiert bzw. eine Ausnahme von § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO angenommen hat, ohne dass es in entscheidungserheblicher Weise darauf ankommt, welche dieser Alternativen als einschlägig erachtet wird.
Ob auch die in der Klageerwiderung der Beigeladenen zu 1) angegebene (nicht vergütete) Anwaltstätigkeit während der Elternzeit von 12 bis 18 Stunden pro Woche ab Mai 2011 dazu führen würde, die örtliche Wartezeit als erfüllt anzusehen, bedarf danach ebenfalls keiner abschließenden Beurteilung. Die sich in dem entsprechend § 15 Abs. 4 BEEG zulässigen Rahmen einer Beschäftigung während der Elternzeit von maximal 30 Wochenstunden bewegende Tätigkeit führt jedenfalls nicht dazu, die Voraussetzungen für eine Nichtberücksichtigung als Unterbrechung als nicht erfüllt anzusehen, weil ein/e Bewerber/in, der/die während der Elternzeit einer (Teilzeit-) Beschäftigung als Rechtsanwalt/-wältin nachgeht, wie dies insbesondere bei selbständigen Anwälten dem Regelfall entsprechen dürfte, nicht schlechter behandelt werden darf als jemand, der seine Anwaltstätigkeit vollständig unterbricht.
Da die (Ermessens-) Entscheidung des Beklagten zugunsten der Beigeladenen zu 1) somit unter keinem der vom Kläger zu § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO angeführten Aspekte unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass die Beigeladene zu 1) innerhalb des ersten Lebensjahres ihrer Tochter überhaupt nicht oder stundenweise berufstätig war, zu beanstanden ist, besteht auch im Hinblick auf die Angaben in der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) kein Grund, die Besetzungsentscheidung zugunsten des Klägers abzuändern oder den Beklagten zu einer Neubescheidung zu verpflichten.
3. Dass der Beklagte bei der Beurteilung der Voraussetzungen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BNotO den Angaben der Beigeladenen zu 1) in den Bewerbungsunterlagen gefolgt ist und entsprechend seiner generellen Handhabung – ebenso wie im Übrigen hinsichtlich des Klägers – keine weitergehenden Nachweise oder Glaubhaftmachung über die von der Beigeladenen zu 1) vorgelegte Geburtsurkunde ihrer Tochter hinaus verlangt hat, begründet ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers.
Grundsätzlich kann bei Rechtsanwälten, die sich als Notar bewerben, ohne greifbare Anhaltspunkte für das Gegenteil davon ausgegangen werden, dass ihre im Bewerbungsverfahren gemäß § 18 Abs. 2 BNotO unter Abgabe einer anwaltlichen Versicherung gemachten Angaben u.a. zur Einhaltung der allgemeinen und der örtlichen Wartezeit gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BNotO vollständig und wahrheitsgemäß sind (vgl. auch § 1 BRAO), so dass deren Erklärung im Regelfall als “Nachweis” i.S.d. § 6 Abs. 2 BNotO ausreicht, zumal eine besondere Form des Nachweises nicht gesetzlich vorgeschrieben ist und der nach der Gesetzesbegründung (BT-Dr. 16/4972, S. 10) damit verfolgte Zweck, der Landesjustizverwaltung die Ermittlung des Sachverhalts zu erleichtern und die bisher etwa zur Feststellung der hauptberuflichen Anwaltstätigkeit gebräuchliche, aber meist unergiebige Nachfrage bei Richtern des Land- und Amtsgerichts, bei denen der Bewerber als Rechtsanwalt zugelassen ist, entbehrlich zu machen, auch ohne weitere Nachweise erreicht werden kann. Abgesehen davon enthält die insgesamt als Soll-Vorschrift formulierte Bestimmung des § 6 Abs. 2 Satz 1 BNotO nach dem Verständnis des Senats auch im Hinblick auf die Notwendigkeit von Nachweisen kein zwingendes Erfordernis, da es in § 6 Abs. 2 BNotO heißt, “… soll nur als Notar bestellt werden, wer nachweist, dass …”, zumal § 6 Abs. 2 Satz 2 BNotO durch eine abweichende Formulierung (“… hat der Bewerber darüber hinaus nachzuweisen …”) diesbezügliche Nachweise als obligatorisch vorschreibt (vgl. dazu Görk, a.aO., § 6 BNotO Rn 29). Insofern begegnet die mit §§ 15 ff. AVNot in Einklang stehende ständige Verwaltungspraxis des Beklagten, insbesondere die Verwendung des gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 AVNot vorgesehenen Bewerbungsformulars (Anlage 3 zur AVNot) und die Anforderung von Belegen nur in Fällen, in denen anhand der Angaben des Bewerbers oder aufgrund sonstiger Umstände konkrete Zweifel an der Erfüllung der (weiteren) Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BNotO bestehen, z.B. bei Syndikus-Anwälten, keinen rechtlichen Bedenken.
Hinzu kommt, dass Nachweise zur ausgeübten Rechtsanwaltstätigkeit, z.B. Falllisten, wie sie nach Angaben des Klägers in anderen Bundesländern im Bewerbungsverfahren verlangt werden, im Hinblick auf die anwaltliche Schweigepflicht und ein Akteneinsichtsrecht von Mitbewerbern nicht unproblematisch erscheinen. Die Möglichkeit einer Anonymisierung dürfte nicht hinreichend geeignet sein, insofern bestehende Bedenken auszuräumen, weil zum einen die Identität des Mandanten im Einzelfall auch ohne Namensnennung erkennbar sein kann und zum anderen eine Überprüfung der Angaben zur ausgeübten Rechtsanwaltstätigkeit kaum ohne konkrete Informationen, u.a. zum Namen des/der Mandanten, möglich ist, wenn es etwa darum geht festzustellen, ob die Tätigkeit für verschiedene Auftraggeber ausgeübt wurde. Gegenteiliges ergibt sich entgegen dem Rechtsstandpunkt des Klägers auch insofern nicht aus § 5 FAO, zumal dort ein Nachweis nur bei Härtefällen i.S.d. § 5 Abs. 3 lit. c) FAO verlangt wird. Schließlich können auch die Vorwürfe, die der Kläger gegen die Beigeladene zu1 ) im Hinblick auf die Einhaltung einer (vertraglich vereinbarten) Verschwiegenheitspflicht gegenüber einem früheren Arbeitgeber erhebt, nicht das Erfordernis von (möglichen) Verletzungen der Schweigepflicht im Verhältnis zu Mandanten begründen.
Im Übrigen könnten “förmliche” Nachweise zur Unterbrechung der Anwaltstätigkeit mangels Möglichkeit zu einer Inanspruchnahme von Elternzeit und/oder einem vorübergehenden Verzicht auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft überhaupt nicht beigebracht werden, weil – wie bereits dargelegt – die Beigeladene zu 1) weder “förmlich” Elternzeit in Anspruch nehmen noch vorübergehend auf ihre Rechtsanwaltszulassung verzichten konnte.
Schließlich sind auch die in dem Schriftsatz vom 19.3.2015 erhobenen Beanstandungen des Klägers hinsichtlich der Förmlichkeiten der Bewerbungsunterlagen der Beigeladenen zu 1) nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Besetzungsentscheidung des Beklagten in Frage zu stellen, zumal die Art und Weise der Beglaubigung von Anlagen nicht von ausschlaggebender Bedeutung für die im Bewerbungsverfahren zu treffenden Feststellungen ist.
4. Dass die Beigeladene zu 1) die übrigen nach § 6 Abs. 2 BNotO erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, stellt der Kläger nicht in Abrede.
5. Ferner besteht auch kein Grund, an der persönlichen Eignung der Beigeladenen zu 1) i.S.d. § 6 Abs. 1 BNotO zu zweifeln.
Deren Angaben im Bewerbungsverfahren sind nach dem Vorstehenden geeignet, die Voraussetzungen für eine Bestellung zur Notarin zu belegen, und werden durch ihre Ausführungen im vorliegenden Verfahren lediglich ergänzt bzw. in nicht für die Besetzungsentscheidung erheblicher Weise modifiziert. Unklarheiten, denen der Beklagte hätte nachgehen müssen, lagen nicht vor und der Beigeladenen zu 1) ist auch keine “nachlässige und mit den Anforderungen an die Tätigkeit des Notars unvereinbare Umgangsweise mit ihr obliegenden Auskunftspflichten” wie in dem Sachverhalt, der der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 21.7.2014 – NotZ (Brfg) 1/14, in: NJW-RR 2015, 56 f.) zugrundelag, vorzuwerfen.
Sonstige Umstände, welche die persönliche Eignung der Beigeladenen zu 1) in Frage stellen, sind weder vom Kläger trotz der Akribie und Nachdrücklichkeit, mit der er ansonsten die Angaben der Beigeladenen zu 1) hinterfragt und die Verfahrensweise des Beklagten kritisiert hat, dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Insbesondere haben sowohl der Direktor des Amtsgerichts Borken als auch die Westfälische Notarkammer keine Bedenken gegen deren Bestellung als Notarin geäußert.
6. Der Kläger kann die Rechtmäßigkeit der Besetzungsentscheidung zugunsten der Beigeladenen zu 1) ferner auch nicht damit in Frage stellen, dass er Bedenken hat, ob sie angesichts ihres privaten Wohnsitzes in T und ihrer familiären Situation die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Amtsgeschäfte der angestrebten Notarstelle in S erforderliche zeitliche Präsenz gewährleisten kann. Abgesehen davon, dass die Beigeladene zu 1) nach eigenen Angaben eine (Zweit-) Wohnung oberhalb der Kanzlei in S unterhält sowie Entfernungen zwischen Wohnort und Arbeitsstelle von 65 km und eine kalkulierte Fahrtzeit von einer knappen Stunde für eine einfache Strecke (laut www.viamichelin.de) nicht ungewöhnlich sind, weist die Beigeladene zu 1) zutreffend darauf hin, dass ihr ggf. aufgegeben werden kann, den Wohnsitz am Amtssitz zu nehmen, sofern sich dies als erforderlich erweisen sollte.
7. Schließlich sind auch die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochenen Aspekte, die nach eigener Einschätzung für seine besondere Eignung als Notar sprechen, namentlich seine Tätigkeit als Notarvertreter bzw. -verwalter sowie seine Promotion, wissenschaftliche Arbeit und Veröffentlichungen auf dem Gebiet des Notarrechts, selbst dann nicht geeignet, seiner Bewerbung gegenüber der der Beigeladenen zu 1) den Vorzug zu geben, wenn man Ausnahmen von den in § 6 Abs. 2 BNotO geregelten Bestellungsvoraussetzungen für grundsätzlich möglich und/oder im Fall der Beigeladenen zu 1) für notwendig erachtet.
Maßgeblich für die Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern ist nach § 6 Abs. 3 BNotO die Bewertung und Gewichtung des Ergebnisses des zweiten Staatsexamens und der notariellen Fachprüfung, welche die Beigeladene zu 1) jeweils besser als der Kläger bestanden hat. Eine Beurteilung der fachlichen Eignung abweichend von der vorgegebenen Punkteermittlung kommt gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO nur ausnahmsweise bei einem Bewerber in Betracht, der bereits Notar ist oder war (vgl. Görk, a.a.O., § 6 BNotO Rn 49). Eine zusätzliche und/oder das schlechtere Abschneiden des Klägers bei diesen Leistungsbeurteilungen kompensierende Berücksichtigung der von ihm angeführten Umstände ist gesetzlich nicht vorgesehen und auch nicht gerechtfertigt. Denn die vom Kläger geltend gemachten Umstände stehen im Unterschied zu den Erwägungen, aufgrund derer eine Nichtberücksichtigung der “Babypause” der Beigeladenen zu 1) als Unterbrechung der Anwaltstätigkeit in (ggf. analoger) Anwendung von § 6 Abs. 2 Sätze 5 und 7 BNotO erfolgen kann, nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den gesetzlich geregelten Voraussetzungen für eine Bestellung als Notar. Da die aktuelle Fassung von § 6 BNotO (im Unterschied zu der vorherigen Gesetzesfassung) eine Berücksichtigung notarspezifischer Vorerfahrung (im weiteren Sinne) über die ausdrücklich normierten Voraussetzungen hinaus nicht mehr vorsieht (vgl. etwa Bormann, a.a.O., § 6 BNotO Rn 39 m.w.N.; Lerch, a.a.O., § 6 BNotO Rn 48, 56), könnte darauf allenfalls bei ansonsten gleicher Leistung, insbesondere der fachlichen Eignung i.S.d. § 6 Abs. 3 BNotO abgestellt werden, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist.
Auf die von der Beigeladenen zu 1) geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der vom Kläger hervorgehobenen notariellen Vorerfahrung kommt es insofern nicht entscheidend an.
8. Nach dem Vorstehenden hat auch der Hilfsantrag des Klägers auf Verpflichtung des Beklagten auf Neubescheidung der Besetzung der Notarstelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts keinen Erfolg.
Abgesehen davon bestünden auch insofern Zweifel am Vorliegen des notwendigen Rechtsschutzbedürfnisses, wenn das diesbezügliche Vorbringen des Klägers – wie es in der mündlichen Verhandlung anklang – dahin zu verstehen sein sollte, dass er eine Neuausschreibung der Notarstelle anstrebt. Denn in diesem Fall würde auch der Beigeladene zu 2) die erforderlichen Wartezeiten erfüllen und bei einer neuerlichen Bewerbung unter Leistungsaspekten dem Kläger vorgehen.
Die im Schriftsatz des Klägers vom 19.3.2015 erfolgte Modifizierung bzw. Erweiterung der Klageanträge war nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung (vgl. § 103 Abs. 3 VwGO) und gibt auch keine Veranlassung zu deren Wiedereröffnung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO (jeweils i.V.m. § 111 d BNotO).
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Angesichts der Wahrnehmung gegenläufiger Interessen, insbesondere der vornehmlich gegen die Eignung der Beigeladenen zu 1) erhobenen Einwände des Klägers, entspricht es der Billigkeit, dem unterliegenden Kläger die Kosten der (notwendigen) Beigeladenen zu 1) aufzuerlegen, während eine Erstattungspflicht hinsichtlich etwaiger Kosten des – nur auf seinen Antrag – Beigeladenen zu 2), der die zugunsten der Beigeladenen zu 1) getroffene Auswahlentscheidung des Beklagten akzeptiert, sich erst in fortgeschrittenem Verfahrensstadium an dem Rechtsstreit beteiligt und keinen eigenen Antrag gestellt hat, nicht geboten erscheint.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 111 b DNotO i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 709 ZPO.
Die Berufung wird gemäß §§ 111 b Abs. 1, 111 d BNotO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, weil nach Angaben des Klägers, denen die weiteren Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen getreten sind, in den verschiedenen Bundesländern das Erfordernis eines “Nachweises” der Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 6 Abs. 2 BNotO unterschiedlich gehandhabt wird und es zu den insofern in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten – soweit ersichtlich – noch keine Rechtsprechung gibt. Höchstrichterlicher Klärung bedarf ggf. auch die Frage, ob eine Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten gemäß oder analog § 6 Abs. 2 Satz 5 BNotO zwingend einen Verzicht auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und/oder die förmliche Inanspruchnahme von Elternzeit erfordert.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 111 g Abs. 2 Satz 1 BNotO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach dessen Zustellung Berufung eingelegt werden. Dies hat schriftlich bei dem Oberlandesgericht – Senat für Notarsachen – in Köln zu erfolgen. Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Bundesgerichtshof einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).