OLG München 3 U 4316/07

September 13, 2017

OLG München 3 U 4316/07 Auslegung einer handschriftlichen Erklärung des Erblassers als Vermächtnis: Würdigung der Gesamtumstände

  1. Die auf einer Buchungsbestätigung eines Fonds befindliche handschriftliche Erklärung eines Erblassers zur Übertragung der Fondsanteile auf seine Lebensgefährtin, die unstreitig der für Testamente gesetzlich vorgesehenen Form gemäß §§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB entspricht, kann bei Vorliegen eines notariellen Testamentes als weiteres Vermächtnis anzusehen sein; auf Grund der Gesamtwürdigung von Zeugenaussagen und Nebenumständen kann das Prozessgericht aber zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich nicht um eine mit Testierwillen verfasste letztwillige Verfügung des Erblassers handelt.

OLG München 3 U 4316/07

  1. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Erblasser – wie im vorliegenden Fall – bezüglich der Abfassung von letztwilligen Verfügungen und deren Bezeichnung gute Sachkunde und Übung hatte.
  2. Ein weiteres Indiz für den mangelnden Testierwillen ist darin zu sehen, dass der Erblasser bereits zu früheren notariellen Testamenten eine eigene handschriftliche Ergänzung speziell für Vermächtnisse vorgenommen hat und diese Urkunden auch entsprechend überschrieben hat sowie äußerst genau auf die abgeänderten bzw. ergänzten Testamente Bezug genommen hat.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 14.08.2007 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens zu tragen

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

  1. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe OLG München 3 U 4316/07

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten, beide Töchter und Erbinnen des am 17.03.2003 verstorbenen Erblassers Eduard W., auf Übertragung von zum Nachlass gehörenden Fondsanteilen in Anspruch.

Der Erblasser hatte der Klägerin in seinem notariellen Testament vom 16.09.2002, in dessen Anlage 2 auch die hier streitigen Fondsanteile als Vermögensbestandteile aufgeführt sind, nicht diese, sondern einen Geldbetrag von 10.400,– € als Vermächtnis zugewandt. Seit September 2002 wohnte der an Krebs erkrankte Erblasser bei der Klägerin in deren angemieteten Haus. Der Erblasser war viermal verheiratet, mit der ersten Ehefrau Ursula zweimal, danach mit den Ehefrauen Rosina und Rosemarie. Zum Todeszeitpunkt war der Scheidungstermin bezüglich der letzten Ehe mit Rosemarie bereits anberaumt.

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Der Erblasser war als Vermögensberater mehr als 30 Jahre für die Fa. B., eine Tochtergesellschaft der D. Bank-Gruppe, tätig gewesen. Er hatte für sich selbst Fondsanteile der verschiedensten Fonds erworben, so geschlossene oder offene Immobilienfonds oder offene Aktienfonds (sh. Anlagen 1 und 2 zum Testament vom 16.09.2002, hierunter auch Anteile an dem streitgegenständlichen Pioneer-Fonds II Boston US).

Auf einer Buchungsbestätigung des Pioneer-Fonds II Boston US vom 18.09.2002 befindet sich folgende handschriftliche Erklärung des Erblassers, datiert vom 09.11.2002:

TodesfallerklärungR., 09.11.2002
Ich, Eduard W., geboren 02.11.1941, wünsche, dass meine Lebensgefährtin, Erika P.,
geboren 18.10.1942, ab meinem Todestag zu 100 % bei meinem oben genannten
Pioneer-Fonds bezugsberechtigt ein soll!
M.f.G. Eduard W.R., 09.11.2002″

Die Klägerin behauptet, dass der Erblasser ihr vorgenannte Todesfallerklärung (Anlage K 1) am 09.11.2002 ausgehändigt habe und ihr die Fondsanteile ernsthaft habe zuwenden wollen. Die Klägerin meint, dass es sich bei der Todesfallerklärung um ein Vermächtnis handle.

Die Beklagten meinen, dass die Anlage K 1 nicht als Vermächtnis gewertet werden könne und auch keine wirksame Fondsanteilsübertragung unter Lebenden vorliege. Der Erblasser habe sowohl über die Formulierung und Vorgehensweise bei letztwilligen Verfügungen als auch zu Fondsübertragungen definitiv Kenntnisse besessen und nicht dementsprechend gehandelt. Der Erblasser habe sich noch nicht endgültig für eine Zuwendung der Fondsanteile an die Klägerin entschieden gehabt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 14.08.2007 und die Schriftsätze der Parteien in erster und zweiter Instanz verwiesen.

Prozessgeschichte: OLG München 3 U 4316/07

Mit Urteil des Landgerichts Traunstein vom 14.08.2007 wurde die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts München vom 19.03.2008 zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wurde mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2009 die Revision gegen vorgenanntes Urteil zugelassen und dieses Urteil aufgehoben, die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Ausgeführt wird in der BGH-Entscheidung im Wesentlichen, dass das Berufungsgericht die Auslegung des Erstgerichts in vollem Umfang darauf hin hätte überprüfen müssen, ob die Auslegung hinsichtlich der Todesfallerklärung (Anlage K 1) überzeugend war; werde die Auslegung lediglich für vertretbar gehalten, so müsse das Berufungsgericht die Auslegung selbst vornehmen.

Um den Willen des Erblassers bei Fertigung des handschriftlichen Zusatzes auf Anlage K 1 zu erforschen und Anhaltspunkte für die Auslegung dieses Zusatzes zu erhalten, wurde vom 3. Senat am 19.05.2010 (Bl. 261/264), 29.09.2010 (Bl. 309/325) und 15.12.2010 (Bl. 358/366) mündlich verhandelt.

Im Termin 29.09.2010 wurden die Zeugen Dr. Klaus-Jürgen O., Brigitte S., Harald Sch. und Günther U. vernommen.

Im Termin 15.12.2010 wurden die Zeugen Hans Sc. und Hansjoachim W. vernommen sowie die Klägerin informatorisch angehört. Die Nachlassakten des Amtsgerichts Rosenheim VI 453/03 wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Die Klägerin, die vor der Entscheidung des OLG München vom 19.03.2008 im Hauptantrag die Übertragung der Fondsanteile (ausschüttend per 20.04.2006 in Höhe von 67.797,92 €) und hilfsweise die Zahlung von 49.167,20 € beantragt hatte, begehrt nun im Hauptantrag als Schadensersatz den von den Beklagten bei Auszahlung der Fondsanteile erzielten Betrag. Zunächst wurde im Schriftsatz vom 17.05.2010 eine Forderung von 80.414,96 € begründet und im Termin 19.05.2010 ein entsprechender Antrag gestellt, wobei die Klägerin nach späterer Klarstellung entgegen der Euro-Angabe einen Dollarbetrag gemeint hatte. Nach Umrechnung von Dollar in Euro zum Kurswert vom 20.05.2010 lautet der zuletzt gestellte Antrag der Klägerin:

Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 14.08.2007, Az.: 6 O 1977/06, wird aufgehoben.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 65.378,02 zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.07.2006.

Hilfsweise:

OLG München 3 U 4316/07

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Wert des Verkaufserlöses des Pioneer Value Fund A USD … zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Prozessverfahrens, Az.: 3 U 4316/06 (OLG München), IV ZR 108/08 (BGH), Az.: 6 O 1977/06 (LG Traunstein) zu bezahlen.

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Klägerin kann aus der “Todesfallerklärung” (K 1) keinen Anspruch hinsichtlich Haupt- oder Hilfsantrag ableiten.

Eine wirksame Übereignung der Fondsanteile zu Lebzeiten der Klägerin scheidet aus.

a) Abgesehen davon, dass für ein Schenkungsversprechen gemäß 518 Abs. 1 BGB die notarielle Beurkundung erforderlich wäre, spricht der Text des handschriftlichen Zusatzes auf K 1 eindeutig gegen ein Geschenk unter Lebenden.

b) Die Übertragung der Fondsanteile war auch nicht mit der Erklärung des Erblassers laut Anlage K 1 durchgeführt bzw. vollzogen. Die Fondsanteile bei dem streitgegenständlichen Fonds hätten durch den Erblasser zu seinen Lebzeiten nach den Vertragsbedingungen der Fondsgesellschaft unstreitig nur auf dem Weg übertragen werden können, dass der Erblasser eine entsprechende Mitteilung/Verfügung der Fondsgesellschaft zukommen hätte lassen, (Kenntnis des Erblassers zu diesem Übertragungsweg, vgl. 3.(3)).

Dies ist unstreitig nicht erfolgt.

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Der handschriftliche Text auf K 1 in Kombination mit den Angaben der Klägerin zur Übergabe von K 1 an sie und den hierzu bekundeten Äußerungen des Erblassers (unterstellt die Angaben der Klägerin hierzu wären zutreffend – vgl. aber 3.(5)) spricht für ein Schenkungsversprechen von Todeswegen gemäß § 2301 BGB.

Aufgrund der Vertragsnatur des Schenkungsversprechens unterliegt die – unterstellte – versprochene Schenkung der für den Erbvertrag geltenden Form gemäß § 2276 BGB. Eine notarielle Beurkundung wurde jedoch nicht vorgenommen.

Unter Beachtung des Rechtsgedankens von § 2084 BGB wurde die “Todesfallerklärung” als eine Vermächtnisanordnung gemäß §§ 1939, 2147 BGB geprüft und verneint.

a) Die “Todesfallerklärung” entspricht der für Testamente gesetzlich vorgesehenen Form gemäß § 2231 Nr. 2, 2247 BGB. Sie stammt unstreitig eigenhändig vom Erblasser, ist mit Datum und Ortsangabe versehen und vom Erblasser unterschrieben.

b) Dass der Erblasser am 16.09.2002 ein notarielles Testament errichtete und hierbei auch die Klägerin mit einem Vermächtnis bedachte, spricht nicht gegen die Wertung der “Todesfallerklärung” als (weiteres) Vermächtnis. Testamente können jederzeit aufgrund der Testierfreiheit abgeändert oder ergänzt werden, wobei der hier streitgegenständliche Text keinerlei Schranken der Textierfreiheit tangiert.

c) Der Senat kann aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und unter Würdigung der Angaben der Klägerin in dem am 09.11.2002 verfassten Text keine mit Testierwillen verfasste letztwillige Verfügung des Erblassers sehen.

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Grundsätzlich ist bei fraglichen letztwilligen Verfügungen der wirkliche Wille des Erblassers zum Zeitpunkt der Urkundenerrichtung zu erforschen und der gesamte Inhalt der fraglichen Urkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solche außerhalb der letztwilligen Verfügung, heranzuziehen und zu würdigen (st. Rspr.; siehe BGH NJW 1993, 256; BGH 27.01.2010, IV ZR 91/09).

Für die Bejahung eines Testierwillens bei Abfassung einer schriftlichen Erklärung muss der ernsthafte Wille des Erblassers, ein Testament zu errichten bzw. eine ergänzende Anordnung über sein Vermögen nach seinem Tode zu treffen, sicher festgestellt werden können; hierfür trägt die Klägerin die Beweislast.

 (1) Als Inhalt der “Todesfallerklärung” lässt sich entnehmen, dass die Klägerin für den auf dem Buchungsbeleg genannten Fonds ab dem Todestag des Erblassers “bezugsberechtigt” sein solle, jedoch stellt sich die entscheidende Frage dahingehend, ob der Erblasser bereits eine definitive Entscheidung zur Begünstigung der Klägerin getroffen hatte und insbesondere, ob er diese getroffene Entscheidung bereits am 09.11.2002 mittels Verfügung von Todes wegen festmachen wollte, d.h. der Klägerin damit einen Anspruch gegen die Erben geben wollte.

Dass der Erblasser nur zum Schein eine Zuwendung bezüglich des Fonds in Richtung der Klägerin vorgetäuscht hätte, quasi um diese zu weiteren Pflegeleistungen zu animieren (wie beklagtenseits in den Raum gestellt), schließt der Senat aus. Die Schilderung der Klägerin bezüglich einer wahrhaften Liebesbeziehung der Klägerin zum Erblasser waren für den Senat glaubhaft, ebenso die Schilderung sämtlicher Zeugen und der Parteien bezüglich des sehr korrekten, geradlinigen Charakters des Erblassers. Streitentscheidend für dieses Verfahren ist somit nicht, ob der Erblasser vorhatte, der Klägerin außer dem Vermächtnis laut Testament vom 16.09.2002 noch etwas weiteres zuzuwenden (von diesem Plan geht der Senat aus), sondern ob der Erblasser es mit seinen handschriftlichen Darlegungen auf K 1 bereits getan hatte.

 (2) Die Überschrift “Todesfallerklärung” spricht zunächst für einen Testierwillen, jedoch ist auffällig an dem Text der “Todesfallerklärung”, dass dieser Text auf eine Buchungsbestätigung gesetzt wurde und zudem die Unterschrift mit Wiederholung des Orts- und Datumsangaben nach einem Informationstext der Fondsgesellschaft geschrieben wurde, eben so, wie wenn jemand jede Lücke auf einem Textblatt nutzt. Letzteres trifft eher bei Texten mit Entwurfscharakter zu.

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Grundsätzlich steht die Abfassung eines Testaments/Anordnung eines Vermächtnisses in dieser “Lückenfüllerform” der Feststellung eines Testierwillens nicht entgegen, jedoch ist bei einem Schriftstück, das nicht den für Testamente üblichen Gepflogenheiten entspricht, eine strenge Anforderung an den Nachweis des Testierwillens zu stellen. Entscheidend ist, ob der Erblasser sich bewusst gewesen ist, der Text auf der Buchungsbestätigung könnte als seine letztwillige Verfügung angesehen werden. Dies ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ausgesprochen fernliegend.

– Der Erblasser hatte bezüglich der Abfassung von letztwilligen Verfügungen und deren Bezeichnung gute Sachkunde und sozusagen Übung.

Hätte er wirklich ein “Vermächtnis” mit dem Text vom 09.11.2002 gewollt, so hätte er bereits diese Überschrift wählen können. Der Erblasser hatte erst am 16.09.2002 – also weniger als zwei Monate zuvor – ein notarielles Testament (Blatt 29/37 Nachlassakte) errichtet, das u.a. auch Vorausvermächtnisse und sechs Vermächtnisse (u.a. für die Klägerin) enthielt. Der Erblasser hatte zudem bereits in früheren Jahren notarielle Testamente errichtet (12.06.2001, zu Blatt 59 Nachlassakte; 04.07.1995, Blatt 14/21 Nachlassakte), wobei jeweils ebenso dezidiert “Vermächtnisse” angeordnet waren.

Hinzu kommt, dass der Erblasser bereits zu früheren notariellen Testamenten eine eigene handschriftliche Ergänzung speziell für Vermächtnisse vorgenommen hat und diese Urkunden auch entsprechend überschrieben hat sowie äußerst genau auf die abgeänderten bzw. ergänzten Testamente Bezug genommen hat (“Nachtrag zum Testament vom 04. Juli 1995 von Notar Dr. O., URNr. K …81/1995”, Anlage B 4 a; “Nachtrag zu meinem Testament vom 12.Juni 2001 von Notar Dr. D. Urk. Nr. D …52/2001”, Anlage B 4 b).

– Hinzu kommt, dass die Parteien und die Zeugen aus dem beruflichen Umfeld bzw. Freundeskreis des Erblassers (Sch., U., S., W.) den Erblasser als sehr genau und penibel in schriftlichen Angelegenheiten (z.B. “äußerst akkurat”, “eher überkorrekt”) beschreiben.

So erscheint es mit der Persönlichkeit des Erblassers unvereinbar, dass er seiner Lebensgefährtin ernsthaft in Form eines Vermächtnisses etwas vermachen will und hierfür statt eines gesonderten Blattes zu nehmen eine Lückenfüllung auf einem Buchungsbeleg vornimmt und zudem den ihm geläufigen Begriff “Vermächtnis” nicht verwendet. Auch die von der Klägerin noch mit Schriftsatz vom 18.01.2011 eingereichten Unterlagen Br 10, 11 und 12 sind ein Beleg für die Genauigkeit des Erblassers in Vermögensangelegenheiten. Die Zuwendung einzelner Gegenstände an die Klägerin mittels Schenkung (ein Ring, ein Sekretär und ein Goldanhänger) dokumentierte er.

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 (3) Es lässt sich auch keinerlei Irrtum des Erblassers dergestalt begründen, dass er von einer wirksamen Zuwendung mittels des auf K 1 angefügten Textes außerhalb einer Vermächtnisanordnung ausgegangen wäre und deswegen Anlass bestehen sollte, diesen Text als Vermächtnis auszulegen.

Aufschlussreich sind hier insbesondere die Angaben des Zeugen Dr. O., der als Notar definitiv keinem Lager einer Partei nahestehend war oder ist und lediglich berufsmäßig mit der Nachlassregelung befasst war. Deutlich hat dieser Zeuge sowohl erst- als auch zweitinstanzlich ausgeführt, dass der Erblasser bei ihm die Übertragung des Pioneer-Fonds an die Klägerin angesprochen hatte und der Erblasser die Übertragung am 16.09.2002 noch nicht endgültig durch Vermächtnis regeln wollte, sondern damals die Absicht gehabt hätte, dies durch Vertrag unter Lebenden zu regeln. Der Erblasser habe die Klägerin noch belohnen wollen, für das, was sie für den Erblasser getan habe. Gleichzeitig brachte der Erblasser gegenüber dem Notar zum Ausdruck, dass der Vorgang der Übertragung sehr kompliziert sei, er aber, da er den Fonds selbst vertrieben habe, wisse, wie es gehe.

Der handschriftliche Zusatz auf K 1 kann die vom Erblasser selbst als “sehr kompliziert” angegebene Verfügung der Übertragung unter Lebenden aufgrund der Vorkenntnisse des Erblassers nicht darstellen.

Die Antwort des Zeugen Sc., der bei der Bonnfinanz den Erblasser als Geschäftsstellenleiter, sozusagen in Cheffunktion hatte und ab den 80er Jahren nur noch lockeren Kontakt zum Erblasser hatte, zu Kenntnissen des Erblassers bezüglich des Übertragungswegs war schon aufgrund des ausweichenden Inhalts wenig überzeugend. Auf Nachfrage bekundete der Zeuge Sc., er nehme an, dass der Erblasser sich nicht ausgekannt habe, wie er es richtig macht. Letztlich konnte oder wollte der Zeuge Sc. nicht angeben, ob der Erblasser Fonds der streitgegenständlichen Art neben Lebensversicherungen, Immobilien und Beteiligungen vermittelt hat.

Die Angaben des Zeugen Sch., die im Einklang mit der beruflichen Position des Erblassers (ca. 30jährige hauptberufliche Tätigkeit bei B. ; vgl. Urkunde vom 01.05.1991: Mitgliedschaft des Erblassers seit 1976 in der Deutschen Vereinigung für Vermögensberatung e.V., B 20 Rückseite) stehen, belegen hingegen, dass der Erblasser bezüglich der Übertragung des Pioneer-Fonds von der Existenz bestimmter Serviceformulare wusste, die zur Erklärung der relevanten Übertragungsanträge gegenüber der Fondsgesellschaft dienen; der Erblasser hatte sogar im Januar und Februar 2003 derartige Formulare für andere – nicht streitgegenständliche – Fondsübertragungen handschriftlich ausgefüllt und gefaxt.

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Auch nach Darlegung des Zeugen Sc. gibt es sowohl für die Fondsübertragung im Erlebensfall als auch für den Todesfall spezielle Formblätter. Ausweislich der Anlage B 17 hat der Erblasser durch die FBS Sc. GmbH im Mai 2001 konkrete Informationen bezüglich einer Umschichtung/Todesfallvollmacht etc. für den streitgegenständlichen Fonds erhalten. Damals ging es noch um die Begünstigung einer früheren Ehefrau.

Der Erblasser wusste somit genau, dass die handschriftliche Erklärung auf Anlage K 1, deren Zugang er an die Fondsgesellschaft nicht in die Wege leitete, der Klägerin keine Rechtsposition gegenüber der Fondsgesellschaft verschaffen konnte.

 (4) Dahingestellt bleiben kann hier, ob die Schilderung der Zeugin S. bezüglich Angstgefühlen des Erblassers (angeblich würden die Töchter den Erblasser “lynchen”, wenn sie etwas davon gewusst hätten, dass der Erblasser der Klägerin den Fonds “vermacht” habe) zutreffend sein kann (jeder der anderen vernommenen Zeugen schilderte den Erblasser als selbstbewußten Menschen, von dessen vermeintlicher Angst vor seinen Töchtern nichts bekannt war), da diese angebliche Angst an einer definitiven schriftlichen Abfassung als “Vermächtnis” den Erblasser nicht hätte hindern können: Wenn das Vermächtnis nach dem Tod des Erblassers zur Erfüllung kommen muss, kann die Angst vor den Töchtern keine Rolle mehr spielen.

 (5) Aus den vorgeblichen Äußerungen des Erblassers bei der vorgeblichen Übergabe von K 1 an die Klägerin am 09.11.2002 ergibt sich kein Anhalt für eine Vermächtnisanordnung.

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Die Angaben der Klägerin bei ihrer informatorischen Anhörung vor dem Senat zu der behaupteten Übergabe des Originals zu Anlage K 1 am 09.11.2002 waren zwar detailreich (genaue Uhrzeit der Übergabe, wörtliche Äußerungen des Erblassers und der Klägerin), jedoch letztlich nicht überzeugend. Nach Darlegung der Klägerin habe der Erblasser gesagt, er müsse eine ernste Sache mit ihr besprechen, da er sich Gedanken gemacht habe, wenn ihm vor der geplanten Hochzeit etwas passiere.

Hierbei habe er ihr die bewusste Todesfallerklärung gezeigt und gefragt, ob die Daten stimmten. Die Klägerin habe gefragt “Was soll ich damit?” und er habe darauf geantwortet, im Falle seines Todes solle sie dieses Papier nehmen und zum Nachlassgericht bringen, eine beglaubigte Kopie dann zu FBS Sc. Der Erblasser habe ihr dieses Original übergeben und gesagt “Bitte bewahre es sehr sorgfältig auf, das ist bares Geld für dich”.

Der Senat hält die Angaben der Klägerin zur Übergabe des Originals von Anlage K 1 für unzutreffend. Der Zeuge U. hat eindeutig und auf mehrfache Nachfrage sicher – ohne jedoch rechthaberisch zu wirken – erklärt, dass die Klägerin ihm nach dem Tod des Erblassers ohne für den Zeugen nachvollziehbaren Grund, sogar mehrfach, gesagt habe, sie habe bei der Durchsicht von Papieren und Kontoauszügen eine Todesfallerklärung durch Zufall gefunden. Anlass der mehrfachen Anrufe der Klägerin bei dem Zeugen war, dass sich die Klägerin darüber beklagte, dass die Beklagten Gegenstände bei der Klägerin aus dem Haus holten und sie sich durch die Beklagten unter Druck gesetzt fühlte.

Ein Falschaussagemotiv bei dem Zeugen U. ist nicht ersichtlich und auch von der Klagepartei nicht benannt. Der Zeuge U. hinterließ bei dem Senat einen fraglos glaubwürdigen Eindruck. Der Zeuge war seit 1971 mit dem Erblasser bekannt und man pflegte ein gemeinsames Hobby (Tauchen), überdies hatte sich der Zeuge vom Erblasser auch in Vermögensangelegenheiten beraten lassen. Der Zeuge U. ist zwar mit den Beklagten über den Erblasser bekannt geworden, jedoch wird ihm von keiner Seite eine besondere Bindung zu den Beklagten unterstellt oder behauptet.

Auch die von der Klägerin und dem Zeugen geschilderten Anrufe nach dem Tod des Erblassers – streitig ist zwischen der Klägerin und dem Zeugen nur die Anzahl der von dem Zeugen zunehmend als lästig empfundenen Anrufe – belegen, dass die Klägerin den Zeugen als neutralen Ansprechpartner bzw. Ratgeber ansah im Hinblick auf die Aktionen der Beklagten. Insgesamt konnte der Senat bei dem Zeugen U. den Eindruck gewinnen, dass ihm letztlich der Ausgang des Rechtsstreits gleichgültig ist, jedoch er den ihm bekannten Umstand zur Erklärung der Klägerin bezüglich des Auffindens der Todesfallerklärung zur Findung einer gerechten Entscheidung mitteilen wollte.

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Aus der Sicht des Zeugen U. spricht gegen die Darstellung der Klägerin im Prozess zur Übergabe der Urkunde – neben der wörtlichen Angabe der Klägerin bezüglich des Zufalls gegenüber dem Zeugen – auch, dass sein Freund und Vermögensberater mit schriftlichen Unterlagen immer äußerst penibel umgegangen sei und grundsätzlich Original-Unterlagen nicht aus der Hand gegeben habe.

Der Klägerin, die bei den Angaben des Zeugen U. selbst im Sitzungssaal anwesend war, wurden bei ihrer Anhörung in einem späteren Termin die Angaben des Zeugen vorgehalten. Sie dementierte die Angaben bezüglich des Zufallsfundes und ergänzte, der Erblasser habe gesagt “Bitte bewahre es sehr sorgfältig auf, das ist bares Geld für dich”. Eine Erklärung für die Aussage des Zeugen U. hatte die Klägerin nicht; sie meinte, dass auf Seiten des Zeugen U. ein Missverständnis vorliegen müsse.

Ein Missverständnis des Zeugen U. kann der Senat aufgrund der dezidierten Angaben des Zeugen U. ausschließen. Zum einen hat der Zeuge von einer mehrmaligen Äußerung der Klägerin bezüglich des Zufalls des Auffindens der Todesfallerklärung berichtet und zum anderen hat der Zeuge sogar seine Selbstreflektion berichtet, dass er sich schon damals gefragt habe, warum die Klägerin ihm das “so oft” erzähle.

 (6) Mit den Angaben der Zeugin S. konnte die Klägerin nicht beweisen, dass die “Todesfallerklärung” als ein Vermächtnis im Rechtssinn zu werten bzw. auszulegen sei. Die Angaben der Zeugin S. zu den Äußerungen des Erblassers bezüglich eines Vermachens des Pioneer-Fonds konnten den Senat nicht überzeugen.

Die Zeugin ist eine sehr gute Freundin der Klägerin und mit dieser seit 25 Jahren bekannt. Den Erblasser hat sie am 06.01.2002 das erste Mal gesehen. Was danach folgende Kontakte anlangt, so haben sich diese erst ab Oktober 2002, als der Erblasser bei der Klägerin eingezogen war, intensiviert. Die Zeugin sprach zunächst von zwei, dann von drei Gesprächen mit dem Erblasser, die sich auf den Pioneer-Fonds und die Klägerin bezogen haben sollen.

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So soll der Erblasser erstmals in der Advents-/Weihnachtszeit 2002 gesagt haben, “er habe Erika schon bedacht mit einer Geldanlage” und dann ein paar Tage nach Neujahr 2003 wörtlich gesagt haben, dass er Erika einen solchen Fonds (den er auch für den Ehemann der Zeugin als Geldanlage empfehle) “vermacht” habe. In einem dritten Gespräch habe der Erblasser die Zeugin nochmals darauf hingewiesen, dass sie nichts den Töchtern des Erblassers von dem Pioneer-Fonds für Erika sagen dürfe.

Der Senat geht davon aus, dass die Zeugin S. ihrer langjährigen Freundin in einer finanziellen Bedrängnis (die Klägerin hat mehrfach auf ihre missliche finanzielle Lage in diesem Prozess hingewiesen) helfen will und aus diesem Bestreben heraus entweder die Äußerungen des Erblassers ihr gegenüber bezüglich einer Vermögenszuwendung erfunden hat oder dessen etwaige Absichtsbekundungen bezüglich einer noch zu treffenden Fondsübertragung unter Lebenden oder mittels eines Vermächtnisses als schon stattgefunden missinterpretiert hat.

Zweifel an der Verlässlichkeit der Zeugenangaben gründen sich auch darauf, dass die Zeugin vor dem Landgericht Traunstein noch darauf verwies, dass ihr als Bankangestellte der Pioneer-Fonds bekannt gewesen sei, sie zum Erblasser gesagt habe, dass hoffentlich die Klägerin den Fonds lange unangetastet lassen könne, weil der Fonds eine hohe Rendite habe – wohingegen sie vor dem Senat als Detail für die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben sehr betonte, dass der Erblasser den Fonds für eine Geldanlage des Ehemanns der Zeugin als bestens empfohlen habe.

Auch erschließt sich aus neutraler Sicht nicht – wenn unterstellt wird, dass der Erblasser tatsächlich die von der Zeugin S. ihr gegenüber gemachten Äußerungen gemacht hätte -, warum die Zeugin nach 25jähriger Freundschaft auf die bekundete Sorge der Klägerin, ihr Lebensgefährte könne noch vor dem Scheidungstermin und der Heirat sterben, nur global gesagt haben soll “wenn wirklich was ist, wirst du auch was bekommen”, ohne zu offenbaren, dass der Erblasser bereits definitiv der Klägerin einen Pioneer-Fonds “vermacht” habe.

 (7) Auch ergibt sich aus den Angaben des Zeugen Sc. kein definitiver Anhalt für eine Interpretation von K 1 als Vermächtnis.

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Der Zeuge Sc. hatte nur bis in die 80er Jahre näheren, beruflichen Kontakt zum Erblasser. Mit einer hier prozessrelevanten Begebenheit im weitesten Sinn wurde er erstmals nach dem Tod des Erblassers konfrontiert, als sein Unternehmen (FBS Sc. GmbH) die Todesfallerklärung – der Zeuge meint von der Klägerin – zugeleitet bekam. Der Zeuge erläuterte, dass bei einer derartigen Erklärung allgemein so verfahren werde, dass dies der Fondsgesellschaft gemeldet werde, damit die Sache bis zu einer Klärung gesperrt werde.

Als Anlass für seinen Brief vom 01.07.2010 (Br 2) an den Klägervertreter, in welchem das Persönlichkeitsbild des Erblassers (ausgesprochen ehrlich, korrekt, Zusagen werden stets gut überlegt gemacht) angesprochen ist, gibt der Zeuge an, dass er von einer Bekannten der Klägerin, einer Steuerberaterin Rudert, gehört habe, der Erblasser sei vor Gericht so hingestellt worden, wie wenn er nicht gewusst hätte, was er tue, was ihn – den Zeugen – geärgert habe. Zu ihm habe der Erblasser keine Angaben bezüglich einer “Bezugsberechtigung” – was ein Begriff aus der Versicherungsbranche sei – gemacht.

 (8) Die Ausführungen des Zeugen W., der sich ebenfalls an den Klägervertreter mit einem Fax am 22.09.2010 (Br 9) wandte, waren nicht geeignet, den schriftlichen Zusatz auf K 1 als Vermächtnis zu bestätigen. Der Zeuge W. kennt den Erblasser seit 1974, als er unter dessen Führung in R. als Anlageberater tätig war und hatte während der Erkrankung des Erblassers mit diesem telefonischen Kontakt. Der Zeuge W. berichtete von einem Telefongespräch mit dem Erblasser ca. eineinhalb Wochen vor dessen Tod.

Der Erblasser habe von einer Frau erzählt, die viel Verständnis für ihn und seine Erkrankung habe und ihm neuen Lebensmut gegeben habe. Aufgrund der Lebensumstände des Erblassers kann es sich bei dieser dem Zeugen namentlich nicht bekannten Frau an und für sich nur um die Klägerin gehandelt haben. Allerdings soll der Erblasser bei der Schilderung dieser Frau auch gesagt haben, dass der Ehemann dieser Frau die gleiche oder ähnliche Krebserkrankung gehabt habe und verstorben sei, was auf den (geschiedenen) Ehemann der Klägerin nicht zutrifft.

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Warum der Erblasser dem Zeugen bezüglich des Ehemanns der Klägerin falsche Fakten und sogar dessen Tod mitgeteilt haben sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Nach einem weiterem Bericht des Zeugen W. soll der Erblasser in einem Gespräch ca. drei bis vier Wochen vor dem Tod erklärt haben, er wolle zum Notar und etwas zugunsten dieser Frau ändern. Hierzu kam es offensichtlich nicht.

Weiter berichtete der Zeuge W., dass der Erblasser zwar nicht vom “Pioneer-Fonds” gesprochen habe, jedoch gesagt habe, er habe “beim Sc. Hans ein Depot für diese Frau eingerichtet” und dass die Frau vor dem Tod des Erblassers nicht darüber verfügen könne. Diese Angabe des Erblassers – sollte sie gefallen sein – ist inhaltlich ebenfalls unzutreffend: Der Erblasser hatte gerade kein Depot bei der FBS Sc. GmbH (Hans Sc.) eingerichtet. Selbst von einem in Finanzdingen unerfahrenen Menschen würde die schriftliche Erklärung auf K 1 wohl kaum als eine Depot-Errichtung bezeichnet werden, jedenfalls kann dies aber bei einem Menschen, der in Vermögensangelegenheiten, insbesondere im Zusammenhang mit Fondsanlagen Erfahrung hat und noch dazu ca. 30 Jahre als Vermögensberater beruflich tätig war, ausgeschlossen werden.

Im Zusammenhang mit einer Nachfrage bezüglich des Anlasses zum Brief (Br 9) an den Klägervertreter berichtete der Zeuge zunächst von einer Unterhaltung mit Hans Sc., wobei er erfahren habe, dass es für die bewusste Frau Schwierigkeiten gebe, und dann erst ein weiteres Detail, das der Erblasser in seinem Telefongespräch mit dem Zeugen geäußert habe: Er – der Erblasser – habe das so ähnlich gemacht wie bei den von uns vertriebenen Bausparverträgen, nämlich mit einer Todesfallerklärung. Dann meinte der Zeuge, dass das Gespräch bezüglich der Depotanlage für die bewusste Frau schon ca. zwei bis drei Monate vor dem Tod des Erblassers – und nicht wie zuvor geschätzt ca. eineinhalb Wochen vor dem Tod – stattgefunden habe.

Die Angaben des Zeugen W. sind in der Zusammenschau nicht geeignet, einen Anspruch der Klägerin zu stützen. Entweder neigt der Zeuge zu Fabulierungen oder hat eine schlechte Auffassungsgabe (toter Ehemann der Klägerin; “Depot eingerichtet”) oder der Erblasser hat ihm bewusst Unzutreffendes mitgeteilt.

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Am deutlichsten gegen eine mit Testierwillen vorgenommene schriftliche Erklärung des Erblassers sprechen die Angaben des Zeugen Harald Sch., der den Erblasser seit 1982 aus gemeinsamer beruflicher Tätigkeit kennt und in späteren Jahren dessen Freund wurde. Die Angaben des glaubwürdigen Zeugen waren in sich widerspruchsfrei, ohne jeglichen Anhalt für eine zu hinterfragende negative Einstellung zur Klägerin oder positiven Einstellung für die Beklagten und insgesamt glaubhaft.

In Aussageweise und Aussageverhalten des Zeugen Sch. war kein Anhalt für irgendeine Parteilichkeit zu finden, der Zeuge machte eher den Eindruck, zu sämtlichen Parteien Distanz wahren zu wollen.

Die von der Klägerin behauptete Geschäftsbeziehung des Zeugen zu den Beklagten und daraus gemutmaßter Voreingenommenheit des Zeugen besteht lediglich darin, dass der Zeuge zwischenzeitlich beide Beklagte als Kunden von Bonnfinanz betreut.

Wie vertrauensvoll die Beziehung zwischen dem Erblasser und dem Zeugen war und dass der Erblasser den Zeugen Sch. – unter all seinen ebenfalls in der Vermögensberatungsbranche tätigen Bekannten – für besonders vertrauenswürdig einschätzte, ergibt sich daraus, dass er den Zeugen Sch. im Testament vom 16.09.2002 als Testamentsvollstrecker benannte. Der Zeuge hatte sich bezüglich der hier relevanten Gespräche mit dem Erblasser Notizen gemacht und berichtete, dass der Erblasser am 08.09.2002 das erste Mal mit dem Zeugen bezüglich der Testamentsvollstreckung gesprochen habe.

Zum Amt des Testamentsvollstreckers – für das der Zeuge bemerkbar wenig Begeisterung hatte – war der Zeuge bereit, auch weil der Erblasser ihm erklärte, dass alles im Testament geregelt sei und der Zeuge damit wenig Arbeit hätte. Bereits im April 2003 (zu Blatt 54 Nachlassakte) entschloss sich der Zeuge Sch. jedoch nach Gesprächen mit den Beklagten, das Amt nicht anzunehmen, was er auf Anfrage des Nachlassgerichts vom 13.08.2003 dem Nachlassgericht mit Schreiben vom 19.08.2003 (Blatt 69 Nachlassakte) mitteilte.

Nachdem das notarielle Testament vom 16.09.2002 errichtet war, sprach der Erblasser mit dem Zeugen Sch. nach Aushändigung einer Fotokopie alle Regelungen im Einzelnen durch. Wiederum tritt hierbei die Genauigkeit des Erblassers im Umgang mit Vermögensangelegenheiten hervor, der Erblasser verlässt sich nicht allein auf den Text des notariell abgefaßten Testamentes, sondern erläutert diesen Punkt für Punkt dem vorgesehenen Testamentsvollstrecker.

OLG München 3 U 4316/07

Bei dem letzten Gespräch zwischen dem Erblasser und dem Zeugen Sch. am 05.03.2003 wurde nochmals das Testament durchgesprochen und der Erblasser teilte dem Zeugen Sch. zwei beabsichtigte Änderungen bezüglich seines Bruders und einer vormaligen Ehefrau, die aus dem Testament “gestrichen” werden sollten, mit. Bei der Ehefrau hatte dies den Grund, dass ihr der Erblasser bereits mit Überweisung vom 27.01.2003 einen Geldbetrag zugewandt hatte und der Erblasser Anteile aus einem Fonds am 28.01. und 24.02.2003 übertragen hatte.

Von einer konkreten Zuwendung bezüglich eines Fonds an die Klägerin – in welcher rechtlichen Gestalt auch immer – wurde vom Erblasser dem Zeugen Sch. nichts mitgeteilt. Wäre der Erblasser – der grundsätzlich zur Akribie neigte – selbst davon ausgegangen, dass er mit der Erklärung auf K 1 eine Vermächtnisanordnung (oder eine Zuwendung in irgendeiner rechtlich bindenden Weise) getroffen hätte, so hätte für den Erblasser Anlass bestanden, dies dem Zeugen Sch. mitzuteilen. Dieser Anlass ergibt sich aufgrund folgender Überlegungen:

– Generell wäre bei einem Gespräch mit einem Testamentsvollstrecker kurz nach Errichtung eines Testamentes und bei Durchsprache der Nachlassregelung eine beabsichtigte Ergänzung oder sogar schon vorgenommene Anordnung mitteilenswert.

– Ein Anlass zur Mitteilung hätte sich dem Erblasser noch mehr aufdrängt angesichts der Besprechung einer Änderung, deren Änderungsgrund eine Fonds-Anteilsübertragung war, da sich die hier streitgegenständliche “Todesfallerklärung” ebenfalls auf einen Fonds bezieht.

OLG München 3 U 4316/07

– Weiter hätte sich für den Erblasser Anlass für eine Mitteilung aus dem Gesamtablauf des Besuchs des Zeugen am 05.03.2003 ergeben. Zur Begrüßung war die Klägerin anwesend, sie nahm dann aber an der Besprechung des Testamentes nicht teil. Besprochen wurde vom Erblasser mit dem Zeugen das im Testament angeordnete Vermächtnis bezüglich der Klägerin. Nichts hätte näher gelegen, als dass der sonst sehr akribisch handelnde, äußerst auf Korrektheit abstellende Erblasser, der zudem noch kurz zuvor seine Lebensgefährtin direkt vor Augen hatte, nun auch eine irgendwie geartete Mitteilung bezüglich des Schriftstückes vom 09.11.2002 gegenüber dem Zeugen machen würde.

– Weiter hätte Anlass für den Erblasser zur Erwähnung von K 1 im Zusammenhang mit einer Neuanlage bestanden. Der Zeuge hat die vom Erblasser an diesem Tag kundgegebene, beabsichtigte Neuanlage von zwei mal 21.000,00 EUR in Fonds kritisch hinterfragt und der Erblasser verwies in diesem Zusammenhang auf einen Fonds, der ihm die Abdeckung laufender Kosten mit der monatlichen Abhebung von 500,00 US$ ermögliche.

Aus den zahlreichen Fonds des Erblassers trifft diese Beschreibung nur auf den streitgegenständlichen Fonds zu. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Beleg vom 05.05.2010 zu den Kontotransaktionen (Br 1) ergeben sich für die Monate Juni 2002 bis März 2003 unter der Position “Entnahmeplan” jeweils Abbuchungen von 500,00 US$ mit daraus resultierender Verringerung des Anteilsbestandes.

Hingegen kann eine klägerseits behauptete Angst des Erblassers vor seinen Töchtern den Erblasser nicht plausibel an einer Mitteilung gegenüber dem Zeugen Schindler bezüglich eines eventuellen weiteren Vermächtnisses zugunsten der Klägerin gehindert haben. Es konnte bereits die von der Klägerin angeführte Angst des Erblassers vor seinen Töchtern nicht sicher festgestellt werden. Lediglich die Zeugin Saalfeld berichtete, dass der Erblasser Angst vor seinen Töchtern gehabt habe.

Selbst die Zeugin S. wusste jedoch nicht überzeugend darzustellen, warum der Erblasser gerade ihr gegenüber, die ihn erst seit ca. einem Jahr kannte, einerseits “vertrauensselig” etwas über das “Vermachen” eines Fonds an die Klägerin erzählen hätte sollen, aber andererseits ein Stillschweigen von der Zeugin gegenüber den Töchtern des Erblassers gefordert haben sollte, obwohl die Zeugin die Töchter des Erblassers nicht einmal kannte.

OLG München 3 U 4316/07

Abgesehen davon, dass langjährige Bekannte/Freunde des Erblassers und auch der mit dem Erblasser schon länger bekannte Notar Dr. O. keine Anhaltspunkte für eine Angst des Erblassers vor seinen Töchtern sahen, hätte der Erblasser – sollte er tatsächlich die “Todesfallerklärung” selbst als bereits definitive Anordnung bezüglich des streitgegenständlichen Fonds gesehen haben und Angst vor seinen Töchtern deswegen gehabt haben – von seinem langjährigen Freund Sch., den er sogar als Testamentsvollstreckung ausgewählt hatte, diesen Vorgang bezüglich K 1 erwähnen und ihn gleichzeitig um Stillschweigen bitten können.

 Bei einer Gesamtschau des Ergebnisses der Beweisaufnahme unter Einschluss der Angaben der Klägerin konnte somit die Klägerin das Vorliegen eines Vermächtnisses in Gestalt der “Todesfallerklärung” (K 1) nicht beweisen. Ihre Angaben zur persönlichen Übergabe der Urkunde durch den Erblasser an die Klägerin hält der Senat für wahrheitswidrig.

Der auf die Buchungsbestätigung gesetzte Text mag den Plan für eine Zuwendung (in Übereinstimmung mit den Angaben des Notars Dr. O.) belegen, eventuell war er auch als Entwurf eines an die Fondsgesellschaft geplanten Schreibens gedacht. Jedoch hat die Klägerin nichts bewiesen, was über einen Plan oder einen Entwurf hinausgegangen ist.

Die weiteren von den Parteien angeführten Zeugen wurden zu nicht relevanten Beweisthemen benannt; von den klägerseits benannten Zeugen wurden lediglich die Zeuginnen W. und H. nicht vernommen, die jeweils für die intakte, intensive, wahrhaftige Liebesbeziehung der Klägerin zum Erblasser benannt worden waren. Eine derartige Liebesbeziehung hat der Senat bereits aufgrund der diesbezüglich überzeugenden Angaben der Klägerin bejaht.

Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in vorliegender Sache vom 16.12.2009 wurde berücksichtigt.

OLG München 3 U 4316/07

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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