Tenor
Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 3 und 4 gegen den Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 6. Mai 2008 werden zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 3 und 4 haben die den Beteiligten zu 1 und 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 200.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Am 22.12.1993 setzten sich die Erblasserin und ihr Ehemann gegenseitig zu Alleinerben ein. Das gemeinschaftliche Testament enthält eine Schlusserbeneinsetzung, der überlebende Ehegatte sollte jedoch zur Abänderung derselben berechtigt sein.
Am 7.5.1999 errichtete die Erblasserin ein notarielles Einzeltestament, welches auszugsweise wie folgt lautet:
„II. Erbeinsetzung: |
Ich setze hiermit zu meiner alleinigen und ausschließlichen Erbin meine Tochter Frau F.E. (Mutter der Beteiligten zu 1 und 2) ein. |
Ersatzerben will ich heute ausdrücklich nicht benennen. |
III. Vermächtnisse: …“ |
Am 31.8.2001 und am 12.7.2002 errichtete die Erblasserin notarielle Nachträge zum Testament vom 7.5.1999, worin sie unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung der dort getroffenen Erbeinsetzung verschiedene detaillierte Verfügungen zu Vermächtnissen und zur Testamentsvollstreckung traf.
Die Mutter der Beteiligten zu 1 und 2 wurde vom Nachlassgericht mit Schreiben vom 16.8.2006 davon verständigt, dass sie als Alleinerbin in Betracht komme, wovon sie am 18.8.2006 Kenntnis erlangte. Mit Erklärung vom 18.9.2006 schlug die Mutter der Beteiligten zu 1und 2 zur Niederschrift des zuständigen Rechtspflegers die Erbschaft aus. Mit Schreiben vom 4.10.2006 teilte das Amtsgericht den Beteiligten zu 1 und 2 mit, dass sie als Miterben in Betracht kommen. Mit Erklärung vom 6.11.2006 bzw. 10.11.2006 nahmen die Beteiligten zu 1 und 2 die Erbschaft an.
Die Beteiligten zu 1 und 2 bzw. zu 3 und 4 messen der im Testament vom 7.5.1999 enthaltenen Formulierung „Ersatzerben will ich heute ausdrücklich nicht benennen“ unterschiedliche Bedeutung zu:
Die Beteiligten zu 3 und 4 sind der Ansicht, dass infolge der von der Mutter der Beteiligten zu 1 und 2 erklärten Ausschlagung gesetzliche Erbfolge unter Ausschluss der Ausschlagenden und deren Kinder, der Beteiligten zu 1 und 2, eingetreten sei. Durch die gewählte Formulierung habe die Erblasserin zum Ausdruck bringen wollen, dass die Regelung des § 2069 BGB nicht gelten solle. Sie haben die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt, welcher sie als Miterben zu je 1/2 ausweist. Dem sind die Beteiligten zu 1 und 2 entgegengetreten; die Erblasserin habe die Regelung des § 2069 BGB nicht ausschließen wollen.
Nach Erholung einer schriftlichen Stellungnahme des die Einzeltestamente jeweils beurkundenden Notars wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 8.8.2007 den Erbscheinsantrag zurück. Auf die hiergegen von den Beteiligten zu 3 und 4 eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 11.1.2008 mündlich verhandelt und die Mutter der Beteiligten zu 1 und 2 angehört. Den auf Ladung erschienen Notar konnte das Landgericht nicht als Zeugen vernehmen, da der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3 und 4 seine im Termin zunächst erteilte Befreiung von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit widerrief und der Notar daraufhin erklärte, keine Angaben zur Sache machen zu wollen. Nachdem das Landgericht die Befreiung durch die Aufsichtsbehörde erholt hatte, nahm der Notar im schriftlichen Anhörungsverfahren mit Schreiben vom 9.2.2008 Stellung. Mit Beschluss vom 6.5.2008 wies das Landgericht die Beschwerden zurück. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 3 und 4 jeweils mit der weiteren Beschwerde.
II.
Die gemäß §§ 27 und 29 FGG zulässigen weiteren Beschwerden bleiben in der Sache ohne Erfolg.
Gesetzliche Erbfolge sei nicht eingetreten. Infolge der von der Mutter der Beteiligten zu 1 und 2 als testamentarisch berufener Alleinerbin wirksam erklärten Ausschlagung seien die Beteiligten zu 1 und 2 nach der Auslegungsregel des § 2069 BGB als deren Abkömmlinge an deren Stelle getreten. Auch aus der von den Beteiligten zu 3 und 4 angeführten Entscheidung des BayObLG vom 14.12.2004 (FamRZ 2005, 1127) ergäbe sich für den vorliegenden Fall keine andere Beurteilung, da dort über die Formulierung „Ersatzerbbestimmungen werden nicht getroffen“ zu befinden gewesen sei. Der Anwendungsbereich des § 2069 BGB sei durch das BayOBLG verneint worden, weil der Erblasser hierdurch bewusst die Erbfolge nach Stämmen habe ausschließen wollen. Vorliegend habe die Erblasserin jedoch bestimmt: „Ersatzerben will ich heute ausdrücklich nicht benennen“. Diese Erklärung lasse sich allein dahin verstehen, dass die Erblasserin „heute“, also am Tag der Errichtung dieser letztwilligen Verfügung, „ausdrücklich“ keine Ersatzerben bestimmen wollte. Aus dieser Formulierung folge aber zwingend, dass die Erblasserin jedenfalls am Tag der Abfassung des Testaments noch die Absicht hatte, Ersatzerben zu bestimmen, aber zu einem späteren Zeitpunkt. Ein Ausschluss der Erbfolge nach Stämmen und damit eine Abbedingung des § 2069 BGB sei der Formulierung daher nicht zu entnehmen. Insoweit bedürfe es keiner Auslegung des Erblasserwillens. Der von der Erblasserin gewählten Formulierung sei vielmehr eindeutig zu entnehmen, dass sie die Ersatzerbfolge nach Stämmen nicht ausschließen wollte.
Vor Anwendung einer Auslegungsregel hat immer eine individuelle Auslegung zu erfolgen (vgl. nur Palandt/Edenhofer BGB 68. Aufl. § 2069 Rn. 1); nur wenn und soweit diese zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, kann die Auslegungsregel zur Anwendung gelangen. Aus den Entscheidungsgründen des Landgerichts ergibt sich aber, dass es – entgegen dem eigenen Bekunden – eine Auslegung vorgenommen hat, denn es hat sich mit mehreren Auslegungsmöglichkeiten der verfahrensgegenständlichen Formulierung befasst. Es hat das Testament also tatsächlich ausgelegt und ist hierbei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erblasserin die Folgen des § 2069 BGB nicht ausschließen wollte.
Die Auslegung des Landgerichts ist jedoch insoweit rechtsfehlerhaft, als der verfahrensgegenständlichen Formulierung nach Auffassung des Landgerichts zwingend zu entnehmen sein soll, dass die Erblasserin jedenfalls am Tag der Abfassung des Testaments noch die Absicht gehabt habe, Ersatzerben – wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt – ausdrücklich zu bestimmen. Denn ebenso möglich – und sogar viel näherliegend – erscheint die Auslegung, dass die Erblasserin mit der im Testament vom 7.5.1999 enthaltenen Formulierung lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine ausdrückliche Ersatzerbeneinsetzung vornimmt. Motiv hierfür kann gewesen sein, dass sie – um nur einige Möglichkeiten aufzuzeigen – dies nicht für notwendig hielt, weil die Abkömmlinge der zur Alleinerbin eingesetzten Tochter im Zweifel ohnehin über die Auslegungsregel des § 2069 BGB Ersatzerben sein würden, oder dass sie den Eintritt des Ersatzerbfalls für so unwahrscheinlich hielt, dass er aus ihrer Sicht keiner Regelung bedurfte, oder dass sie sich mit dem Thema, aus welchen Gründen auch immer, zunächst nicht weiter befassen wollte. Der vom Landgericht als zwingend angesehene Rückschluss, dass die Erblasserin am Tag der Testamentserrichtung die feste Absicht späterer ausdrücklicher Ersatzerbenbenennung hatte, ist zwar theoretisch ebenfalls denkbar, aber nur eine von vielen Möglichkeiten und jedenfalls nicht zwingend. Tatsächlich besteht für diesen Rückschluss hier kein Anhalt.
Unter Berücksichtigung der Angaben des beurkundenden Notars sowie der in den beiden Nachträgen vom 31.8.2001 und 12.7.2002 getroffenen Regelungen ist das Testament vom 7.5.1999 zur Überzeugung des Senats dahingehend auszulegen, dass die Erblasserin mit der Formulierung „Ersatzerben will ich heute ausdrücklich nicht benennen“ nicht einen der Auslegungsregel des § 2069 BGB widersprechenden Erblasserwillen zum Ausdruck bringen wollte. Da auch sonst keine gegenteilige spätere Verfügung der Erblasserin vorliegt, sind die Beteiligten zu 1 und 2 gemäß § 2069 BGB an die Stelle ihrer infolge Ausschlagung weggefallenen Mutter getreten. Damit ist aber testamentarische (§ 2069 i.V.m. § 1924 BGB) und nicht gesetzliche Erbfolge unter Ausschluss des Stammes der testamentarisch eingesetzten Erbin eingetreten. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3 und 4 ist daher zu Recht vom Nachlassgericht zurückgewiesen worden.