OLG München 7 U 3096/22 Kein Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen

Januar 11, 2025

OLG München 7 U 3096/22 Kein Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen

Urteil vom 24.01.2024

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das OLG München hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen

gegen einen Dritten, der nicht selbst Vertragspartei wird, nur unter besonderen Umständen besteht.

Im vorliegenden Fall fehlte es an einem solchen Schuldverhältnis, da die Beklagte weder besondere wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgte noch besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nahm.

Sachverhalt:

Die Klägerin verkaufte ihre Anteile an einer defizitären Tochtergesellschaft (Zielgesellschaft) an eine zur Beklagten-Gruppe gehörende Aktiengesellschaft.

Vor dem Verkauf fanden Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Beklagten statt, die im Namen der späteren Erwerberin auftrat.

Die Klägerin leistete auf Verlangen der Erwerberin eine Einlage in die Zielgesellschaft.

Nach dem Verkauf schüttete die Erwerberin eine hohe Dividende aus und veräußerte die Zielgesellschaft kurz darauf weiter.

OLG München 7 U 3096/22 Kein Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen

Die Zielgesellschaft geriet in Insolvenz.

Die Klägerin machte geltend, die Beklagte habe sie über die wahren Absichten der Erwerberin getäuscht und verlangte Schadensersatz in Höhe der geleisteten Einlage.

Entscheidung des Gerichts:

Das OLG München wies die Klage ab.

Es stellte fest, dass ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen gemäß §§ 311 III, 280 I BGB ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien voraussetzt.

Ein solches Schuldverhältnis zu einem Dritten, der nicht selbst Vertragspartei wird, entsteht nur unter besonderen Umständen,

nämlich wenn dieser Dritte entweder besondere wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgt oder besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt.

Im vorliegenden Fall lagen diese Voraussetzungen nicht vor.

Die Beklagte verfolgte keine eigenen wirtschaftlichen Interessen, da sie weder an der Erwerberin beteiligt war noch die Dividende an sie floss.

OLG München 7 U 3096/22 Kein Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen

Auch die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens konnte nicht festgestellt werden.

Die Beklagte hatte in den Verhandlungen zwar die langfristige Fortführung der Zielgesellschaft in Aussicht gestellt, jedoch keine Zusagen gemacht, die über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgingen.

Selbst wenn man ein Schuldverhältnis und eine Pflichtverletzung der Beklagten unterstellen würde, konnte die Klägerin keinen kausalen Schaden darlegen.

Der Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss zielt auf den Ersatz des negativen Interesses ab.

Die Klägerin hätte also so gestellt werden müssen, wie sie stünde, wenn sie die Anteile an der Zielgesellschaft nicht verkauft hätte.

Da die Zielgesellschaft aber bereits vor dem Verkauf defizitär war und die Klägerin zu Verlustausgleich verpflichtet war, hätte sie auch ohne den Verkauf einen Schaden erlitten.

Fazit:

Das Urteil verdeutlicht, dass ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen gegen einen Dritten, der nicht selbst Vertragspartei wird, nur in Ausnahmefällen besteht.

Erforderlich ist, dass der Dritte entweder besondere wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgt oder besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt.

OLG München 7 U 3096/22 Kein Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen

Wichtige Punkte des Urteils:

  • Kein Schuldverhältnis: Es fehlte an einem Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten, da die Beklagte weder besondere wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgte noch besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nahm.
  • Kein kausaler Schaden: Selbst wenn man ein Schuldverhältnis und eine Pflichtverletzung unterstellen würde, konnte die Klägerin keinen kausalen Schaden darlegen.
  • Vertrauensschaden: Der Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss zielt auf den Ersatz des negativen Interesses ab.
  • Berechnung des Schadens: Der Schaden berechnet sich entweder auf Basis der Rückgängigmachung des Vertrags oder des Festhaltens am Vertrag.
  • Immaterieller Schaden: Immaterielle Interessen, wie die Sorge um die Arbeitnehmer der Zielgesellschaft, begründen keinen Schadensersatzanspruch.

Dieses Urteil ist relevant für alle Fälle, in denen ein Dritter in Vertragsverhandlungen involviert ist, ohne selbst Vertragspartei zu werden.

Es zeigt die Grenzen der Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen auf und verdeutlicht, dass ein Schadensersatzanspruch nur unter besonderen Umständen besteht.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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