Einen von einem satzungsgemäß bestellten Versammlungsleiter festgestellten satzungsändernden Beschluss hat das Registergericht einzutragen, wenn dieser weder nichtig noch innerhalb angemessener Frist angefochten ist.

Tenor

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts München vom 14.05.2012 wird aufgehoben.

Gründe OLG München 31 Wx 192/12

I.
Die Beteiligte möchte die Eintragung einer am 19.3.2012 beschlossenen Stammkapitalerhöhung in das Handelsregister erreichen.
Ausweislich des notariell beurkundeten Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 19.3.2012 bestellten die vollzählig anwesenden Gesellschafter der Beteiligten einen der beiden geschäftsführenden Gesellschafter mit einfacher Mehrheit zum Versammlungsleiter gem. § 6 der Satzung. § 6 Abs. 6 der Satzung lautet:
„Der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung wird durch die anwesenden Gesellschafter mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewählt. Aufgabe des Vorsitzenden ist es, die Versammlung zu eröffnen und zu schließen, Beratung und Abstimmung zu leiten, über die Reihenfolge der Behandlung von Anträgen zum selben Tagesordnungspunkt zu entscheiden und das Abstimmungsergebnis festzustellen.“
OLG München 31 Wx 192/12
In der Gesellschafterversammlung erklärten die geschäftsführenden Gesellschafter, dass „nach ausgiebiger Prüfung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft deren (bilanzielle) Sanierung zwingend erforderlich“ sei. „Nach der Erholung einer Stellungnahme eines sachverständigen Finanzexperten und auf dringendes Verlangen“ einer der Hauptgläubigerinnen der Gesellschaft sei eine Kapitalerhöhung in dem zur Abstimmung stehendem Umfang unumgänglich.
Laut Feststellung des Versammlungsleiters beschlossen die anwesenden Gesellschafter mit 100% der abgegebenen Stimmen die Erhöhung des Stammkapitals der Beteiligten von vorher 25.000 € auf nunmehr 75.000 €, ebenso die Änderung von § 3 der Satzung. Hinsichtlich der Stimmabgabe stellte der Versammlungsleiter fest, dass die von der Gesellschafterin F. abgegebenen Neinstimmen aufgrund einer Treuepflichtverletzung ungültig seien und daher für nichtig erklärt würden, sie seien bei der Stimmauszählung nicht zu beachten und stellten keine abgegebene Stimme im Sinne von § 7 Abs. 3 der Satzung dar.
Mit Schreiben vom 14.5.2012 regte das Amtsgericht die Rücknahme des Eintragungsantrags an, weil die Kapitalerhöhung nicht wirksam beschlossen worden sei, da eine Dreiviertelmehrheit gesetzlich vorausgesetzt werde. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten. Dieser hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 29.5.2012 nicht abgeholfen, weil die vorgebrachten Argumente „zu keiner anderen Bewertung der Rechtslage“ führten „als der, die der angegriffenen Zwischenverfügung zugrunde liegt“.
II.
OLG München 31 Wx 192/12
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere hat das Amtsgericht mit seinem Schreiben vom 14.5.2012, das den zu stellenden formalen Anforderungen (etwa Rechtsbehelfsbelehrung!) nicht genügt, jedenfalls spätestens mit Erlass des unter I. auszugsweise wiedergegebenen Nichtabhilfebeschlusses den Anschein einer Zwischenverfügung im Sinne von § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG erweckt, so dass hiergegen zulässigerweise Beschwerde eingelegt worden ist (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 20.12.2012, I-3 Wx 314/11, BeckRS 2012, 00107, insoweit in MDR 2012, 274 nicht abgedruckt).
Die angesprochenen formalen Mängel der Vorgehensweise des Registergerichts können jedoch dahinstehen, da die Beschwerdeführerin zutreffend die Auffassung vertritt, dass die Behauptung nicht zutrifft, der Kapitalerhöhungsbeschluss sei nicht wirksam getroffen worden und damit nicht einzutragen. Der vom satzungsgemäß bestellten Versammlungsleiter festgestellte Beschluss der Gesellschafterversammlung ist tatsächlich mit 100% der abgegebenen Stimmen getroffen worden und damit eintragungsfähig, weil weder nichtig noch angefochten (vgl. dazu auch OLG Köln, NZG 2003, 40f. m. w. N.).
In Rechtsprechung und Literatur ist unstrittig, dass die Treuepflicht des Gesellschafters die Ausübung des Stimmrechts in einem bestimmten Sinn gebieten kann (vgl. dazu etwa Baumbach/Hueck-Fastrich, 19. Aufl., 2010, Rn. 29 zu § 13 GmbHG m. w. N. oder Scholz-H. Winter/Seibt, 10. Aufl. 2006, Rn. 60 zu § 14 GmbHG).
Der hier vom Versammlungsleiter festgestellte Treubindungsverstoß eines Gesellschafters führt nicht nur zur Anfechtbarkeit des treuwidrigen Beschlusses, sondern auch zur Nichtigkeit seiner Stimmabgabe (vgl. dazu Baumbach/Hueck-Zoellner, a. a. O., Rn. 8 zu § 47 GmbHG oder Scholz, a. a. O., Rdn. 62 unter Verweis auf BGH, ZIP 1988, 22 <24>).
OLG München 31 Wx 192/12
Mithin ist zunächst von der Verbindlichkeit des festgestellten Beschlussergebnisses auszugehen, zumal die Satzungsänderung mit der nach Gesetz (§ 53 Abs. 2 GmbHG) und Satzung (§ 7 Abs. 3 d) erforderlichen Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen getroffen wurde. Nach Erklärung des Geschäftsführers D. der Beteiligten ist der Beschluss bis zum 31.05.2012 weder angefochten noch Klage gegen diesen erhoben oder eine Anfechtung oder Klageerhebung angekündigt worden.
Mithin ist innerhalb einer angemessenen bzw. der Monatsfrist aus § 7 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrags keine Anfechtung erfolgt (vgl. dazu Baumbach/Hueck-Zoellner, Rn. 146 Anh. zu § 47 GmbHG m. w. N. oder Ulmer/Habersack/Winter-Th. Raiser, Rn. 196 zu Anh. § 47 GmbHG m. w. N.).
Dies gilt umso mehr, als die betroffene Gesellschafterin in der Gesellschafterversammlung anwesend war, die Beschlussfeststellung in ihrer Gegenwart erfolgt ist (s. dazu Ulmer u. a., a. a. O. Rn. 204) und sie die über die Gesellschaftsversammlung errichtete Urkunde unterschriftlich genehmigt hat.
Damit kann die Eintragung der Kapitalerhöhung nicht unter Verweis auf eine etwaige Anfechtbarkeit des nach Aktenlage wirksam getroffenen Beschlusses verweigert werden (vgl. Krafka/Willer/Kühn, 8. Aufl., Rn. 1027 ff).
OLG München 31 Wx 192/12