I.
Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Entscheidung des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 11. April 2013 wird zurückgewiesen.
II.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe OLG München 34 Wx 282/13

I.
Die Beteiligte hat zur Verfolgung „eines rein zivilrechtlichen Anspruchs“ um Auskunft aus dem Grundbuch bezüglich des Grundeigentums (Wohnungseigentums) der Frau D. ersucht, die ihrer Kenntnis nach in der Stadt M. mehrere Eigentumswohnungen besitzen soll.
Auf die Mitteilung der Urkundsbeamtin, dass ein berechtigtes Interesse dargelegt werden müsse, woran es fehle und weshalb der Auszug nicht erteilt werden könne, hat die Antragstellerin vorgetragen, sie sei mit dem Sohn der Eigentümerin, Herrn D., verheiratet. Sie lebe von ihrem Ehemann getrennt, ein Scheidungsverfahren sei anhängig.
Herr D. gebe sich völlig vermögenslos. Er habe sich aber erhebliche Vermögenswerte der Antragstellerin rechtswidrig angeeignet, die nun im Rahmen der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung zurückgefordert werden sollen. Berechtigte Ansprüche gegen ihn könnten voraussichtlich nur im Weg der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden.
Nach dem Versterben seiner nun 91-jährigen Mutter werde Herr D. zumindest einen Pflichtteilsanspruch gegen den Erben besitzen, der pfändbar sei. Dazu müsse sie die Immobilien kennen. Sie beabsichtige, auf der Grundlage der Einsichtnahme unmittelbar rechtlich zu handeln.
Das Amtsgericht – Grundbuchrichter – hat mit Schreiben vom 11.4.2013 die Erteilung der Auskunft abgelehnt. Pflichtteilsansprüche gäben selbst dem Berechtigten zu Lebzeiten des Erblassers kein Recht auf Grundbucheinsicht.
OLG München 34 Wx 282/13
Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Beteiligten. Sie meint, es genüge auch ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse, ebenso ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, zumal die Antragstellerin sich bereits in einer gerichtlichen Auseinandersetzung über Unterhaltsansprüche mit dem Sohn der mutmaßlichen Eigentümerin befinde.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§ 12c Abs. 4 Satz 2 mit § 71 Abs. 1, § 73 GBO), die sich gegen eine Erinnerungsentscheidung des Grundbuchrichters richtet (vgl. § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO), hat in der Sache keinen Erfolg. Allerdings hat der Senat sich zur funktionellen Zuständigkeitsfrage der nun nahezu unbestrittenen Ansicht angeschlossen, dass über die Erinnerung gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten trotz des unveränderten Wortlauts in § 12c Abs. 4 Satz 1 GBO der Rechtspfleger entscheidet (im einzelnen Senat vom 25.1.2011, 34 Wx 160/10 = Rpfleger 2011, 196 m. Anm. Hintzen; ebenso jetzt Demharter GBO 28. Aufl. § 12c Rn. 11 m. w. N.). Indessen ist die Befassung durch den Richter für die Wirksamkeit unschädlich (§ 8 Abs. 1 RPflG). In der Sache besteht kein berechtigtes Interesse an einer Grundbucheinsicht.
1. Ein berechtigtes Interesse i. S. v. § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO, § 46 GBV ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann (Senat vom 7.11.2012, 34 Wx 360/12, bei juris; KG NJW 2002, 223/224; BayObLG FGPrax 1998, 90; Demharter § 12 Rn. 7 ff.; zusammenfassend und ausführlich zuletzt Grziwotz MDR 2013, 433).
2. Das Amtsgericht hat im gegebenen Fall zu Recht ein derartiges Interesse verneint.
Pflichtteilsberechtigte haben allgemeiner Ansicht zufolge erst nach dem Eintritt des Erbfalls ein berechtigtes Interesse (Grziwotz MDR 2013, 433/434 f.). Zu Lebzeiten des Erblassers haben sie kein Recht auf Grundbucheinsicht (BayObLG FGPrax 1998, 90; OLG Düsseldorf FGPrax 1997, 90; Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. § 12 Rn. 60; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 525).
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Denn ein Pflichtteilsanspruch begründet vor dem Erbfall noch keinerlei sicherbare oder verwertbare Rechtsposition, insbesondere keine pfändbare Anwartschaft (Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 852 Rn. 3 a. E.), und macht vor diesem Zeitpunkt irgendwelche rechtlichen Schritte weder möglich noch erforderlich (BayObLG a. a. O.).
Das gilt nicht weniger, wenn der Antragsteller nicht selbst Pflichtteilsberechtigter ist, sondern sich in rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Pflichtteilsberechtigten befindet und sich mit der Auskunft Aufschlüsse über dessen Vermögenslage erhofft. Einen Vollstreckungszugriff auf Einzelgegenstände des Nachlasses hat der Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten ohnehin nicht.
Die Entscheidung des Landgerichts Ellwangen vom 22.2.1984, die dem Pflichtteilsberechtigten schon zu Lebzeiten des Erblassers im Hinblick auf etwaige künftige Ansprüche ein berechtigtes Interesse auf Einsicht in das Grundbuch zuerkennt (BWNotZ 1984, 124), ist vereinzelt geblieben und auf Ablehnung gestoßen (siehe Böhringer BWNotZ 1984, 124; Schöner/Stöber Rn. 525 m. w. N.).
Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart in einer älteren Entscheidung dem durch einen Erbvertrag Bedachten auch vor dem Erbfall ein Recht auf Grundbucheinsicht zugebilligt hat (Rpfleger 1970, 92), mag dies dort durch wirtschaftliche Dispositionen des Bedachten gerechtfertigt gewesen sein (siehe Böhringer BWNotZ 1984, 124).
Verallgemeinern lässt sich dies nicht. Insbesondere rechtfertigt es nicht das hohe Alter der (mutmaßlichen) Eigentümerin, also die Überlegung, der Anspruch werde in einem überschaubaren Zeitraum voraussichtlich zum Entstehen kommen, die an das berechtigte Interesse zu stellenden Anforderungen zu reduzieren.
Denn das ungeschmälerte Persönlichkeitsrecht des betroffenen Eigentümers ist zu berücksichtigen, der vor der Gewährung von Einsicht nicht angehört wird und gegen die Einsichtnahme auch kein Beschwerderecht hat (siehe BayObLG FGPrax 1998, 90).
3. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 31 Abs. 1, § 131 Abs. 4 i. V. m. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. § 78 Abs. 2 GBO) sind nicht gegeben.
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