OLG Rostock 3 W 52/21 Beschluss vom 30.11.2021 – Mehrere gleichzeitig erstellte Testamente § 2258 Abs. 1 BGB

April 18, 2023

OLG Rostock 3 W 52/21 Beschluss vom 30.11.2021 – Mehrere gleichzeitig erstellte Testamente § 2258 Abs. 1 BGB

RA und Notar Krau


Liegen zwei Testamente vor und kann nicht ermittelt werden, welches davon später errichtet worden ist, gelten beide Testamente als gleichzeitig errichtet mit der Folge, dass nicht davon ausgegangen werden kann,

dass die Errichtung des späteren Testaments gemäß § 2258 Abs. 1 BGB zur Aufhebung des früheren Testaments führt, soweit das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht.

Widersprechen sich gleichzeitig errichtete letztwillige Verfügungen, so sind sie in ihren unvereinbaren Teilen unwirksam.

Tenor

  1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 5) wird der Beschluss des Amtsgerichts Stralsund vom 03.11.2020, Az. 532 VI 168/19, aufgehoben.
  2. Der Erbscheinsantrag der Antragstellerin vom 21.02.2019 wird zurückgewiesen.
  3. Die Beteiligte zu 1) trägt die Gerichtskosten des Erbscheinsverfahrens beider Instanzen. Rechtsanwaltskosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten.
  4. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 500.000,- €

Das Oberlandesgericht Rostock entschied im Fall 3 W 52/21, dass wenn zwei Testamente vorliegen und nicht festgestellt werden kann, welches später errichtet wurde, beide als gleichzeitig errichtet gelten.

OLG Rostock 3 W 52/21 Beschluss vom 30.11.2021 – Mehrere gleichzeitig erstellte Testamente § 2258 Abs. 1 BGB

Dies bedeutet, dass gemäß § 2258 Abs. 1 BGB keine automatische Aufhebung eines Testaments durch ein späteres erfolgt, sofern sich die beiden Testamente widersprechen.

In solchen Fällen sind die widersprüchlichen Teile der Testamente unwirksam.

Hintergrund des Falles:

Der Erblasser verstarb am 7. Oktober 2018.

Er hinterließ zwei handschriftliche Testamente, beide datiert auf den 4. Juli 2012: eines auf kariertem und eines auf liniertem Papier.

In beiden Testamenten wurden seine Tochter (Beteiligte zu 1) und sein Sohn (Beteiligter zu 5) als Erben eingesetzt.

Die Testamente enthalten jedoch unterschiedliche Bestimmungen über Vermächtnisse, insbesondere bezüglich eines Nießbrauchsrechts am Hausgrundstück.

Die Beteiligte zu 1 argumentierte, das karierte Testament sei das maßgebliche, da es mit anderen wichtigen Dokumenten aufbewahrt wurde.

Der Beteiligte zu 5 hielt dagegen, dass der Ort der Auffindung irrelevant sei und das linierte Testament das gültige sei, weil es in einem Umschlag mit der Aufschrift “Testament” verwahrt wurde, den die Lebensgefährtin des Erblassers (Beteiligte zu 6) erst nach dessen Tod fand.

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Das Amtsgericht entschied zunächst zugunsten der Beteiligten zu 1, indem es das karierte Testament als maßgeblich ansah.

Der Beteiligte zu 5 legte jedoch Beschwerde ein, die letztlich erfolgreich war.

Entscheidung des Oberlandesgerichts:

Das Oberlandesgericht hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und wies den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurück.

Beide Testamente wurden als gleichzeitig errichtet betrachtet, da nicht festgestellt werden konnte, welches früher geschrieben wurde.

Daraus folgt, dass die widersprüchlichen Teile der Testamente unwirksam sind. In diesem Fall betraf der Widerspruch ein Nießbrauchsrecht zugunsten der Beteiligten zu 1, das im linierten Testament nicht enthalten war.

Die Ausschlagung der Erbschaft durch den Beteiligten zu 5 wurde als unwirksam erachtet, da sie sich auf das ihm bekannte karierte Testament bezog und er über die Existenz des linierten Testaments nicht informiert war.

Die Anfechtung der Ausschlagung durch den Beteiligten zu 5 war ebenfalls wirksam, da er sich über eine wesentliche Eigenschaft des Nachlasses irrte.

Kostenentscheidung:

Die Beteiligte zu 1 trägt die Gerichtskosten des Erbscheinsverfahrens in beiden Instanzen. Jeder Beteiligte trägt seine Anwaltskosten selbst.

Die Beteiligte zu 1 hatte im Erbscheinsantrag falsche Angaben gemacht, was jedoch keine zusätzlichen Kosten verursachte, da das zweite Testament bald entdeckt wurde.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wurde auf 500.000 Euro festgesetzt, basierend auf dem geschätzten Wert des Nachlasses.

Schlussfolgerung:

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der genauen Prüfung von Testamenten und die Konsequenzen, die aus widersprüchlichen letztwilligen Verfügungen resultieren können, wenn deren zeitliche Abfolge nicht eindeutig festzustellen ist.

Beide Testamente gelten als gleichzeitig errichtet, und ihre unvereinbaren Teile sind ungültig, was zur Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 1 führte.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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