OLG Rostock, Urteil vom 08.03.2022 – 4 U 51/21
1. In den Jahren 2005 und 2006 abgeschlossene Lebensversicherung sind im Policenmodell zustande gekommen, wenn in den Verbraucherinformationen ein Hinweis auf die Antragsbindungsfrist fehlt; das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers ist abstrakt und nicht in Abhängigkeit davon zu beurteilen, welcher Zeitraum zwischen Antragstellung und Vertragsschluss liegt.
2. Ein Versicherer darf im Falle der Ausübung eines Vertragslösungsrechtes durch den Versicherungsnehmer keinen Rechtsmissbrauch annehmen, wenn eine der vorgesehenen zwingenden Verbraucherinformationen weder in dem betreffenden Vertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer von seinem Lösungsrecht Kenntnis hatte (Anschluss an EuGH, Urteil vom 09.09.2021, Az.: C-33/20, C-155/20 und C-187/20, – zitiert nach juris -, Rn. 122 ff., zu Verbraucherkreditverträgen).
3. Interner Aufwand eines Versicherers im Zusammenhang mit der Einrichtung eines neuen Versicherungsverhältnisses ist im Gegensatz etwa zu an Dritte geleisteten Vermittlungsprovisionen Gegenstand eines dem Versicherungsnehmer zustehenden Nutzungsersatzes, auch wenn er begrifflich ebenfalls den Abschlusskosten zuzurechnen ist.
4. Dem Zinseszinsverbot aus §§ 248 Abs. 1, 289 Satz 1 BGB ist auch im Rahmen der Nutzungsberechnung gemäß § 818 Abs. 1 BGB Rechnung zu tragen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichtes Schwerin vom 19.05.2021 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.834,62 € zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 25.07.2018 sowie aus 36.127,11 € für die Zeit vom 25.02.2016 bis zum 24.07.2018 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
IV. Dieses Urteil und – im Umfang seiner Aufrechterhaltung – das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 13.000,00 € festgesetzt.-
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Rückabwicklung mehrerer Verträge über fondsgebundene Rentenversicherungen.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein (…) Versicherungsunternehmen; der Kläger schloss in diesem Zusammenhang drei Verträge mit der Beklagten über fondsgebundene Rentenversicherungen ab.
1. Vertrag Nr. X
Der Kläger beantragte den Abschluss einer Versicherung „(…)“ am 25.11.2005. Auf der Vorderseite des Antragsformulars im Format DIN A 4 finden sich mit 1) bis 13) bezifferte und häufig mit Leerfeldern zum Ausfüllen versehene Rubriken in jeweils eingerahmten Kästen, wobei die betreffenden Überschriften fett gedruckt und in einem geringfügig größeren Schrifttyp gehalten sind als die restlichen Textbestandteile. Unter Ziffer 13) mit der Überschrift: „Unterschriften“ sind die folgenden, von dem Antragsteller und gegebenenfalls zu versichernden Personen jeweils gesondert zu unterzeichnenden Absätze angebracht:
„(…)
Mit meiner Unterschrift bestätige ich die Richtigkeit obiger Angaben und dass ich die auf den Folgeseiten stehende Schlusserklärung des Antragstellers und der zu versichernden Personen sowie die Verbraucherinformation gelesen habe. Ich bin damit einverstanden, dass diese Schlusserklärungen und die Verbraucherinformationen Bestandteil dieses Antrages sind.
(…)
Mir ist bekannt, dass ich innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Zustellung der Versicherungspolice zurücktreten kann. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn ich den Versicherungsschein erhalten habe.
(…)“
Weiterhin existieren zwölfseitige „Vertragsunterlagen“ der Beklagten, die neben einer Gebührentabelle auf der letzten Seite ebenfalls im Format DIN A 4 in zwei Spalten ganzseitig und eng mit Text in einheitlich kleinem Schrifttyp bedruckt sind; die Zwischenüberschriften erscheinen in Fettdruck und sind farbig unterlegt, während die ebenfalls fett gedruckten Kapitelüberschriften einzelner Abschnitte wie „Verbraucherinformationen zur Fondsgebundenen Lebensversicherung“, „Allgemeine Angaben über die Steuerregelung in der Bundesrepublik Deutschland“, „Illustrative Angaben über die Kostenbelastung des Versicherungsvertrages“ oder „Fondsinformationen“ ohne farbige Unterlegung einen größeren Schrifttyp aufweisen. Auf der zweiten Seite der „Vertragsunterlagen“ finden sich in der linken Spalte in einem siebten Absatz unter der farbig unterlegten Überschrift: „Rücktrittsrecht“ die folgenden Formulierungen:
„(…)
Sie können innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Abschluss des Vertrages von dem Vertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn wir Sie über Ihr Rücktrittsrecht belehrt haben und Sie die Belehrung durch Ihre Unterschrift betätigt haben.
(…)“
Der Kläger entschied sich als Zielfonds für den P und den G; zu diesen finden sich in den „Vertragsunterlagen“ im Rahmen der „Fondsinformationen“ die folgenden Passagen:
„(…)
P (ISIN )
Der Fonds investiert das Vermögen dieses Anlagefonds grundsätzlich in ein Portfolio festverzinslicher Wertpapiere und Schuldverschreibungen mit und ohne Wandeloption oder vorzeitige Kündigungsrechte (Call-Option) oder verbriefte Forderungen, wie z. B. Schuldscheindarlehen, welche von einem Privatunternehmen oder einem Staat oder einer öffentlichen Körperschaft bzw. von internationalen Organisationen öffentlich- rechtlichen Charakters begeben werden. Das Fondsvermögen kann in entsprechende Wertpapiere eines Emittenten bis zu maximal 100 % angelegt werden.
(…)
G (ISIN )
Das Anlagekonzept zielt besonders auf den Erwerb anderer Sondervermögen (Zielfonds). Dies ermöglicht eine flexible Handhabung der Anlagestrategie. Ein möglichst hoher Ertrag und Wachstum wird angestrebt. Angestrebte Zielfonds sind in hohem Maß solche Fonds, bei denen in der Vergangenheit die Fondsmanager den hohen an sie gestellten Anforderungen gerecht wurden und die eine überdurchschnittliche Performance erzielt haben. Hierbei gilt zu beachten, dass aus Performanceergebnissen der Vergangenheit keine Rückschlüsse auf zukünftige Wertentwicklungen gezogen werden können.
(…)“
Die „Bedingungen für die Fondsgebundene Rentenversicherung“ enthalten unter anderem die folgenden hier relevanten Klauseln:
„(…)
§ 5 Wie verwenden wir Ihre Beiträge und das Deckungskapital?
(…)
(3) Die Beträge, die zur Risikotragung erforderlich sind, entnehmen wir monatlich dem rückkaufsfähigen Deckungskapital.
(…)
(6) Ein Teil von etwaigen Verwaltungsvergütungen aus den im Anlagestock vorhandenen Vermögenswerten wird jährlich in einen (…) festgelegten Treuefonds investiert. Der Treuefonds ist Bestandteil des rückkaufsfähigen Deckungskapitals (…). Im Falle einer Kündigung wird der Treuefonds jedoch erst nach zehn Vertragsjahren bei der Berechnung der Rückvergütung (vgl. § 10 Abs. 2 und 3) berücksichtigt.
(…)
§ 10 Wann können Sie die Versicherung kündigen oder beitragsfrei stellen?
(…)
(2) Gemäß Versicherungsvertragsgesetz haben wir nach Kündigung den Rückkaufswert – soweit entstanden – zu erstatten. Dieser wird nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den gemäß Abs. 1 maßgeblichen Kündigungstermin auf Basis des Zeitwerts des rückkaufsfähigen Deckungskapitals berechnet. Erfolgt die Kündigung in den ersten zehn Vertragsjahren, reduziert sich das rückkaufsfähige Deckungskapital um den Treuefonds (siehe § 5 Abs. 6). Den Rückkaufswert erhält man, wenn man vom Zeitwerts des rückkaufsfähigen Deckungskapitals einen als angemessen angesehenen Abzug in Höhe eines Prozentsatzes der bis zum Zeitpunkt der Kündigung bezahlten Beiträge abzieht. Der Prozentsatz nimmt mit fortlaufender Versicherungslaufzeit gemäß folgender Tabelle ab:
(…)
§ 11 Sie wollen eine Vorauszahlung (Policendarlehen)?
(1) Wir können Ihnen bis zu 80 % der Rückvergütung (vgl. § 10 Abs. 2 und 3) ein Darlehen auf das rückkaufsfähige Deckungskapital gewähren.
(…)
§ 22 Welche Kosten stellen wir Ihnen gesondert in Rechnung?
Falls aus besonderen, von Ihnen veranlassten Gründen ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand verursacht wird, können wir die in solchen Fällen durchschnittlich entstandenen Kosten als pauschalen Abgeltungsbetrag in Rechnung stellen. Eine Tabelle der bei Vertragsschluss gültigen Gebühren finden Sie auf Seite 12. Diese Gebührentabelle kann jederzeit (…) angepasst werden. Die Kosten werden bei Abschluss der jeweiligen Transaktion dem Deckungskapital entnommen. Dies gilt beispielsweise für
– Rückläufer vom Lastschriftverfahren
– Erstellung einer Ersatzurkunde
– Änderung des Versicherungsnehmers
– Abtretung, Verpfändung
– Kündigung
– Vorzeitige Auszahlung von Anteilguthaben
– Wiederinkraftsetzung
– Beitragsänderung
– Mahnung
– Durchführung von Vertragsänderung, z. B. Daueränderung etc.
(…)
§ 24 Wie sind Sie an unseren Überschüssen beteiligt?
Ihr Vertrag ist nicht an Überschüssen beteiligt.
(…)“
Nach der Gebührentabelle fielen unter anderem eine jährliche fixe Verwaltungsgebühr in Höhe von 20,00 € sowie eine einmalige Policengebühr in Höhe von 25,00 € an, außerdem jeweils 20,00 € für eine Beitragsfreistellung oder eine Vorauszahlung, jeweils 10,00 € für Mahnungen sowie Beitragsreduktionen und 5,00 € für Änderungen der Dynamik.
Die von ihr verwandten Begriffe der Abschluss- und Einrichtungskosten erklärte die Beklagte wie folgt:
„Die Einrichtungskosten entstehen für die Antrags- und Risikoprüfung, die Eingabe Ihrer Daten in unsere Verwaltungssysteme, durch den Druck der notwendigen Formulare und der Korrespondenz sowie durch den Postversand. Darüber hinaus wurden Sie von einem qualifizierten Versicherungsvermittler beraten. Er hat Ihre Vorsorgesituation und Ihren Versicherungsbedarf aufgenommen, analysiert und dokumentiert. Anschließend hat er Ihnen ein für Ihre persönlichen Verhältnisse passendes Produkt empfohlen und diese Empfehlung dokumentiert. Hierfür entstehen dem Vertrieb Kosten für die Ausbildung zum Versicherungsvermittler, für die Ausbildung und Information über die verschiedenen Produkte, Kosten für die Marktbeobachtung und grundsätzliche Produktanalyse. Ferner ist allein mit der Beratung ein erheblicher Zeitaufwand verbunden. Diese Kosten erstatten wir dem Versicherungsvertrieb über Provisionen, die bei uns wiederum Abschlusskosten heißen.“
Der Versicherungsschein datiert vom 06.12.2005.
Der Kläger leistete anfänglich ab Dezember 2005 so mit der Beklagten vereinbarte Beiträge in Höhe von 200,00 € pro Monat. In der Folge erhielt der Kläger im Juli 2010 eine Teilauszahlung in Höhe von 3.600,00 € bzw. nach Abzug von Kosten 3.435,35 €. Im November 2011 geriet der Kläger mit der Beitragszahlung in Verzug, woraufhin ihn die Beklagte mit Schreiben vom 18.11.2011 mahnte unter gleichzeitigem Ausspruch einer Kündigung für den Fall, dass der Rückstand nicht von einer binnen zwei Wochen mitzuteilenden Bankverbindung eingezogen werden könne; nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 06.12.2011 dahingehend informierte, dass er seinen Versicherungsschutz angesichts der wirksam gewordenen Kündigung aufrechterhalten könne, wenn er eine unterzeichnete Einzugsermächtigung bis zum 04.01.2012 zurücksende, kam der Kläger dem mit Schreiben vom 09.01.2012 nach und der Vertrag wurde auf seinen Wunsch wieder in Kraft gesetzt. Weitere gleichartige Mahnungen in Verbindung mit einer bedingt ausgesprochenen Kündigung erfolgten wegen Zahlungsrückständen im April 2012, im Juni 2014 und im Dezember 2015, wobei der Kläger die offenen Beträge jeweils rechtzeitig ausglich. Im März 2013 reduzierte er seinen Beitrag und schloss die Dynamik aus. Im April 2013 änderte er seine Anlagestrategie, und ab Januar 2016 stellte er die Versicherung beitragsfrei.
Insgesamt leistete der Kläger an die Beklagte Beiträge in Höhe von 28.385,57 €. Es fielen Abschlusskosten in Höhe von 8.748,48 € einschließlich Einrichtungskosten in Höhe von 2.155,42 € sowie Risikokosten in Höhe von 498,29 € an. Die Fonds erzielten einen Gewinn in Höhe von 122,67 €.
2) Vertrag Nr. Y
Der Kläger beantragte den Abschluss einer Versicherung „(…)“ am 12.05.2006. Das Antragsformular ist ähnlich wie bei dem erstgenannten Vertrag gestaltet mit der Abweichung, dass sich die Unterschriftsfelder erst unter Ziffer 14) finden und der dortige zweite Absatz wie folgt lautet:
„(…)
Mir ist bekannt, dass ich innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Zustellung der Versicherungspolice zurücktreten kann. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn ich den Versicherungsschein und die Verbraucherinformationen für die Fondsgebundene Kinderversicherung erhalten habe.
(…)“
Weiterhin existieren zwölfseitige „Vertragsunterlagen“ der Beklagten, die bei identischer Anlagestrategie ebenfalls vergleichbar zu denjenigen bei dem erstgenannten Vertrag gestaltet sind mit dem Unterschied, dass die Bezifferung der dort zitierten Klauseln in den „Bedingungen für die Fondsgebundene Kinderrentenversicherung“ um jeweils eine Ordnungszahl tiefer ist.
Der Versicherungsschein datiert vom 29.05.2006.
Im April 2012, im September 2012 und im Dezember 2015 geriet der Kläger mit der Beitragszahlung in Verzug, woraufhin ihn die Beklagte jeweils mahnte unter gleichzeitigem Ausspruch einer Kündigung für den Fall, dass der Rückstand nicht von einer binnen zwei Wochen mitzuteilenden Bankverbindung eingezogen werden könne; der Kläger glich die offenen Beträge jeweils rechtzeitig aus. Ab Januar 2016 stellte er die Versicherung beitragsfrei.
Insgesamt leistete der Kläger an die Beklagte Beiträge in Höhe von 5.600,00 €. Es fielen Abschlusskosten in Höhe von 1.805,76 € einschließlich Einrichtungskosten in Höhe von 464,34 € sowie Risikokosten in Höhe von 153,83 € an. Die Fonds erzielten einen Gewinn in Höhe von 19,83 €.
3) Vertrag Nr. Z
Der Kläger beantragte den Abschluss einer weiteren Versicherung „Kid´s Special“ am 28.09.2006 unter identischen Voraussetzungen wie im Falle des vorgenannten Vertrages.
Der Versicherungsschein datiert vom 11.10.2006.
Im März 2007, im April 2013 und im Dezember 2015 geriet der Kläger mit der Beitragszahlung in Verzug, woraufhin ihn die Beklagte jeweils mahnte unter gleichzeitigem Ausspruch einer Kündigung für den Fall, dass der Rückstand nicht von einer binnen zwei Wochen mitzuteilenden Bankverbindung eingezogen werden könne; der Kläger glich die offenen Beträge jeweils rechtzeitig aus. Im März 2013 änderte er die Anlagestrategie, und ab Januar 2016 stellte er die Versicherung beitragsfrei.
Insgesamt leistete der Kläger an die Beklagte Beiträge in Höhe von 5.450,00 €. Es fielen Abschlusskosten in Höhe von 1.805,76 € einschließlich Einrichtungskosten in Höhe von 444,90 € sowie Risikokosten in Höhe von 130,67 € an. Die Fonds erzielten einen Gewinn in Höhe von 44,06 €.
Mit Schriftsatz seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 10.02.2016 erklärte der Kläger die Anfechtung sowie vorsorglich einen „Widerspruch/Rücktritt“ bezogen auf alle drei Versicherungsverträge. Die Beklagte wurde zur Rückerstattung der geleisteten Beiträge abzüglich der erfolgten Teilauszahlung zu dem Vertrag Nr. X in Höhe von 3.435,35 € sowie von Nutzungsersatz in Höhe von 126,89 € bis zum 24.02.2016 aufgefordert. Per E-Mail vom 15.02.2016 lehnte die Beklagte eine Zahlung an den Kläger ab.
Mit weiterem Schriftsatz seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 19.01.2018 forderte der Kläger die Beklagte „unbeschadet der Rückabwicklungsansprüche“ zur Auszahlung der Rückkaufswerte auf; die Beklagte erstattete daraufhin am 25.07.2018 zu dem Vertrag X einen Betrag in Höhe von 16.824,80 €, zu dem Vertrag Y einen solchen in Höhe von 3.793,73 € und zu dem Vertrag Z einen Betrag in Höhe von 3.642,55 €.
Der Kläger hat Ansprüche gegen die Beklagte sodann gerichtlich geltend gemacht. Er hat behauptet, für den Vertrag X hätten sich die laufenden Verwaltungskosten auf 844,77 € sowie die jährlichen Verwaltungskosten und solche für Vertragsänderungen auf 404,65 € belaufen; für die Verträge Y Z ergäben sich entsprechende Beträge in Höhe von 163,00 € und 220,00 € bzw. 158,11 € und 220,00 €. Der Kläger war der Auffassung, er habe dem jeweiligen Vertragsschluss nach § 5a VVG a. F. widersprechen können; mangels Angaben zu einer Antragsbindungsfrist, einer Sicherungseinrichtung, der Gesamtbeitragssumme sowie aussagekräftiger Fondsinformationen seien die Verträge in dem so genannten Policenmodell abgeschlossen worden. Eine drucktechnisch hervorgehobene und inhaltlich zutreffende Widerspruchsbelehrung habe der Kläger mit den Versicherungsscheinen nicht erhalten, weshalb das Widerspruchsrecht angesichts der Europarechtswidrigkeit von § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. auch nicht verfristet sei. Ebenso wenig sei ansonsten auf der Vorderseite der Antragsformulare eine ausreichende Rücktrittsbelehrung erfolgt. Es fehle an einer hinreichend deutlichen Gestaltung, auch wenn eine drucktechnische Hervorhebung hier nicht vorgeschrieben gewesen sei; die Formulierung: „Mir ist bekannt (…)“ sei keine Belehrung, sondern setze eine Kenntnis bereits voraus, und es mangele an einem Hinweis auf das Genügen der rechtzeitigen Absendung der Rücktrittserklärung. Eine analoge Anwendung von § 124 Abs. 3 BGB auf die Ausübung des Widerspruchsrechts scheide aus. Neben den geleisteten Beiträgen seien die Fondsgewinne als von der Beklagten gezogene Nutzung herauszugeben. Im Hinblick auf die Verwaltungskosten mit Ausnahme der Abschlusskosten ergäben sich weitere Nutzungen aufgrund einer Verzinsung nach der von der Beklagten erzielten Reinverzinsung. Risikokosten seien bereits insoweit berücksichtigt, als sie dem Fondsvermögen belastet worden seien; ziehe man sie stattdessen gesondert ab, führe dies lediglich zu einer Reduzierung der Fondsinvestitionen und einer Erhöhung der Fondsgewinne. Ein unzumutbarer Nachteil für die Beklagte im Falle einer Rückabwicklung der Verträge sei nicht anzunehmen, wenn sie die Situation durch eine fehlende oder unzureichende Widerspruchsbelehrung selbst herbeigeführt habe. Der Kläger hat zunächst beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 11.739,14 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.07.2018 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 2.287,41 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Teilbetrag in Höhe von 126,89 € seit dem 15.02.2016 und im Übrigen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 36.127,11 € vom 15.02.2016 bis zum 25.07.2018 zu zahlen.
Der Hauptforderungsbetrag des Klageantrages zu 1) betraf dabei die Differenz zwischen den von dem Kläger gezahlten Beiträgen sowie den von der Beklagten geleisteten gesamten Teilauszahlungen und der Hauptforderungsbetrag des Klageantrages zu 2) die Summe der Nutzungen zum einen in Form der erzielten Fondsgewinne sowie zum anderen aus den Vertragskosten unter Ansatz der von der Beklagten erzielten Eigenkapitalrendite. Die Klage ist der Beklagten am 22.04.2020 zugestellt worden. Im weiteren Verlauf hat der Kläger seine Berechnungen zu den verwaltungskostenbezogenen Nutzungen unter deren Errechnung nach einer von der Beklagten erzielten Reinverzinsung korrigiert; soweit sich danach insoweit geringere Beträge ergaben, hat der Kläger unter Klagerücknahme im Übrigen nunmehr beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.758,98 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.07.2018 zu zahlen (X),
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.945,89 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.07.2018 zu zahlen (Y),
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.962,65 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.07.2018 zu zahlen (Z), und
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 36.127,11 € vom 15.02.2016 bis zum 24.07.2018 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist davon ausgegangen, dass sich die Verwaltungskosten für den Vertrag X auf 1.045,68 €, für den Vertrag Y auf 352,25 € sowie für den Vertrag Z auf 341,44 € beliefen. Es sei nicht erkennbar, wie der Kläger den Sparanteil der gezahlten Beiträge ermittelt habe und er sei dabei von unzutreffend geschätzten Kostenanteilen ausgegangen; ebenso habe er unrichtig unterstellt, dass aus den gesamten Verwaltungskosten Nutzungen gezogen worden seien, und für deren Berechnung unzutreffende Zinssätze zugrunde gelegt. Tatsächlich ergäben sich für die einzelnen Versicherungsverträge insofern nur Beträge in Höhe von 16,21 € bzw. von 4,02 € und 3,91 €; es sei zu berücksichtigen, dass unverbrauchte Verwaltungskosten den Versicherungskosten bereits in weiten Teilen insofern zugeflossen seien, als diese an einem Kostenüberschuss beteiligt werden müssten. Vertragslösungsrechte des Klägers seien verwirkt, weil sich die Beklagte aufgrund seines Verhaltens in Form des Abschlusses gleich mehrerer Verträge, von Vertragsänderungen hinsichtlich der Anlagestrategie oder einer Beitragsfreistellung sowie dem Ausgleich rückständiger Beiträge auf qualifizierte Mahnungen berechtigterweise darauf habe einstellen dürfen, dass an den Versicherungen festgehalten werde; ein zeitlich unbegrenztes Rücktrittsrecht ohne Verwirkungsmöglichkeiten führe ansonsten zu einem massiven Ungleichgewicht der geschuldeten Leistungen, wenn der Kläger dann jahrelang gewissermaßen kostenlosen Versicherungsschutz genossen hätte. Die angestrebte Rückabwicklung sei ebenso wegen des damit verfolgten Zwecks rechtsmissbräuchlich; das Instrument eines „ewigen“ Rücktrittsrecht auf europarechtlicher Grundlage werde ausschließlich dafür verwendet, über das nationale Bereicherungsrecht nunmehr ohne Risiko eine erheblich höhere Rendite zu erreichen, was nicht nur zu Lasten der Beklagten, sondern auch der Versichertengemeinschaft gehe.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im Übrigen in Höhe von 12.386,36 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25.07.2018 sowie aus 36.127,11 € für die Zeit vom 25.02.2016 bis zum 24.07.2018 stattgegeben. Es hat dazu unter anderem ausgeführt, der streitgegenständliche Versicherungsvertrag sei auf der Grundlage des Policenmodells gemäß § 5a Abs. 1 VVG a. F. wirksam zustande gekommen, weil es an einer vollständigen Verbraucherinformation jedenfalls hinsichtlich der Antragsbindungsfrist gefehlt habe. Das Widerspruchsrecht des Klägers habe in der Folge noch im Zeitpunkt seiner betreffenden Erklärung fortbestanden, weil er eine Widerspruchsbelehrung unstreitig nicht erhalten habe und ein Ausschluss der Rechtsausübung gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. bei richtlinienkonformer Auslegung der Vorschrift nicht eingetreten sei. Der Kläger habe sein Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt; aus den von der Beklagten vorgetragenen Umständen wie wiederholten Vertragsänderungen, Änderungen der Anlagestrategie oder zwischenzeitlichen Beitragsfreistellungen habe sie nicht entnehmen können, dass der Kläger den Versicherungsvertrag unabhängig von einem etwaigen Lösungsrecht unbedingt habe fortsetzen wollen. Zu dem Vertrag X könne der Kläger in der Folge die geleisteten Prämien in Höhe von 28.835,57 € abzüglich von Teilauszahlungen in Höhe von 3.600,00 € und 16.824,80 € sowie von Risikokosten in Höhe von 498,29 € herausverlangen; hinzukämen ein Fondsgewinn in Höhe von 571,87 € sowie verwaltungskostenbezogene Nutzungen in Höhe von 510,89 €, d. h. insgesamt 8.545,27 €. Für den Vertrag Y ergäben sich entsprechend herauszugebende Beiträge in Höhe von 5.600,00 € abzüglich einer Teilauszahlung von 3.793,73 € sowie Risikokosten in Höhe von 153,83 € und zuzüglich eines Fondsgewinns von 142,91 € sowie verwaltungskostenbezogener Nutzungen von 119,79 €, d. h. insgesamt 1.915,14 €. Für den Vertrag Z schließlich errechne sich eine Rückforderung zu Gunsten des Klägers in Höhe gezahlter Prämien von 5.450,00 € unter Abzug einer Teilauszahlung von 3.642,55 € sowie Risikokosten von 130,67 € und zuzüglich eines Fondsgewinns von 138,06 € und verwaltungskostenbezogener Nutzungen von 111,14 €, d. h. insgesamt 1.925,98 €. Der Kläger habe die angefallenen Verwaltungskosten jeweils zutreffend berechnet. Die Beklagte sei mit dem Ablauf der zum 24.02.2016 gesetzten Zahlungsfrist in Verzug geraten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihr am 26.05.2021 zugestellte landgerichtliche Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 21.06.2021 erhobenen und nach Fristverlängerung bis zu diesem Datum mit Eingang am 20.08.2021 begründeten Berufung. Sie macht geltend, ein Vertragsschluss im Wege des Antragsmodells scheitere entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht an fehlenden Angaben in den Verbraucherinformationen zu der Antragsbindungsfrist; der Kläger habe insofern kein Informationsbedürfnis gehabt, als seine Versicherungsanträge jeweils innerhalb weniger Tage angenommen worden seien. Die Rücktrittsbelehrungen seien in den Antragsunterlagen hinreichend hervorgehoben und für den Kläger nicht zu übersehen sowie inhaltlich ordnungsgemäß gewesen; im Einzelfall fehlende Hinweise auf sämtliche Modalitäten der Ausübung des Rücktrittsrechts wie etwa das Ausreichen der rechtzeitigen Absendung der Erklärung seien unschädlich, weil die an verschiedenen Stellen angebrachten Belehrungen einschließlich einer solchen auf der Rückseite des Antragsformulars im Gesamtzusammenhang zu sehen seien und sie den Kläger nicht von einem Rücktritt hätten abhalten können. Schließlich habe sich das Landgericht nicht ausreichend mit den vorliegenden Umstandsmomenten für eine Verwirkung des Lösungsrechtes auseinandergesetzt wie etwa der Wiederinkraftsetzung des Vertrages X und dem Ausgleich rückständiger Prämien zu den beiden anderen Versicherungen sowie dem Abschluss mehrerer Verträge durch den Kläger bei der Beklagten. Hinsichtlich der Anspruchshöhe könne der Kläger auch mit der Bezugnahme auf die Nettoverzinsung seiner Darlegungslast für von der Beklagten gezogene Nutzungen nicht genügen; Verweise des Klägers auf die BaFin deuteten zudem darauf hin, dass er seiner Berechnung eine durchschnittliche Branchenverzinsung zugrunde gelegt habe, die nicht in Verbindung mit der konkreten Ertragslage der Beklagten stehe. Einrichtungskosten seien nicht in die Nutzungsberechnung einzubeziehen, weil es sich nach der Kalkulation der Beklagten nicht um Verwaltungs-, sondern um Abschlusskosten handele; letztere umfassten neben der Abschlussprovision weitere mittelbar zurechenbare Aufwendungen wie allgemeinen Werbeaufwand und Sachaufwendungen, welche im Zusammenhang mit der Antragsbearbeitung anfielen. Das Landgericht sei schließlich nicht auf den Vortrag der Beklagten zu Nutzungen aus den Verwaltungskostenanteilen und die dazu erfolgten Beweisantritte eingegangen. Die Beklagte beantragt,
das Urteils des Landgerichts Schwerin, verkündet am 19.05.2021 und zugestellt am 21.05.2021 – 1 O 381/19, abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, eine Verwirkung seines Widerspruchsrechtes sei auch aufgrund der Fortsetzung der streitgegenständlichen Verträge nach von der Beklagten ausgesprochenen qualifizierten Mahnungen nicht anzunehmen. Die Versicherungen seien von dem Vertreter der Beklagten wie ein flexibles Konto beworben worden, bei welchem durch Rückstände allenfalls überschaubare Mahnkosten entstünden; es sei maximale Beitragsflexibilität zugesichert worden einschließlich der Wiederaufnahme von Zahlungen nach Beitragsfreistellungen und/oder Beitragspausen. Eingetretene Zahlungsverzögerungen hätten rein faktische Ursachen gehabt, weil der Kläger aus zeitlichen Gründen nicht zu Einzahlungen auf sein Konto gekommen sei. Der ebenfalls rein tatsächlich erfolgten Erteilung von Einzugsermächtigungen sei außer einer vereinbarungsgemäßen Bedienung der Verträge kein objektiver Erklärungswert zugekommen; sie habe bloß auf Wankelmut, nicht aber auf ein unbedingtes Festhaltenwollen an den Versicherungen schließen lassen, zumal es hier an der Erteilung vollständiger Verbraucherinformationen zu einer Antragsbindungsfrist, den Anlagefonds sowie dem Bestehen einer Sicherungseinrichtung gefehlt habe, und die Mitarbeiter der Beklagten hätten keine konkreten diesbezüglichen Überlegungen angestellt. Zu einer wirksamen Kündigung sei es bei keinem der hier streitgegenständlichen Verträge gekommen, wie die Beklagte es auch sonst keinem Kunden verwehrt habe, die Beitragszahlung wieder aufzunehmen. Die Beklagte habe keine Zahlungsfristen gesetzt, sondern nur zur Erteilung einer Einzugsermächtigung aufgefordert, während die Möglichkeiten einer Überweisung oder der Einrichtung eines Dauerauftrages nicht erwähnt worden seien; eine Mahnung sei darin nicht zu sehen. Fehle es damit an wirksamen Kündigungen, hätten die Verträge nicht wieder in Kraft gesetzt werden müssen; anderenfalls unterliege ein Neuabschluss mangels weiterhin nicht ausreichender Verbraucherinformationen seinerseits einem Widerspruchsrecht, das vorsorglich ausgeübt werde. Die Annahme einer Verwirkung setze ansonsten im Sinne eines subjektiven Elementes voraus, dass der wesentliche Zweck der betreffenden Handlung darin bestehe, einen ungerechtfertigten Vorteil dadurch zu erlangen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen würden; die dafür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte habe aber insofern ebenso wenig etwas vorgetragen wie für eine Kenntnis des Klägers von seinem Widerspruchsrecht. Jedenfalls bei unvollständiger Verbraucherinformation scheide die Annahme einer Verwirkung des Widerspruchsrechtes allerdings von vornherein deshalb aus, weil dessen Zweck darin bestehe, die Erfüllung der Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher sicherzustellen und den insoweit nachlässigen Unternehmer zu bestrafen sowie von Verstößen gegen seine betreffenden Obliegenheiten abzuschrecken.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist weit überwiegend unbegründet.
1. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückerstattung geleisteter Versicherungsbeiträge (mindestens) in Höhe der ihm erstinstanzlich insoweit zugesprochenen 10.971,70 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB (Leistungskondiktion).
a. Die Versicherungsverträge sind in Übereinstimmung mit dem Landgericht nicht nach dem Antragsmodell, sondern im Policenmodell geschlossen worden, weil die Beklagte bei Antragstellung die nach § 10a Abs. 1 Satz 1 VAG a. F. erforderliche Verbraucherinformation nicht vollständig erteilt hat.
aa. Dafür reichte der unstreitig fehlende Hinweis auf die Antragsbindungsfrist aus, auch wenn sich diese Informationspflicht nur auf die allgemeine gesetzliche Regelung des § 147 Abs. 2 BGB bezieht.
(1) Richtig ist, dass nach Art. 36 Abs. 3 der Richtlinie 2002/83/EG ein Mitgliedstaat der Europäischen Union von den Versicherungsunternehmen nur dann die Vorlage von Angaben zusätzlich zu den in dem dortigen Anhang III) genannten Auskünften verlangen kann, wenn diese für das tatsächliche Verständnis der wesentlichen Bestandteile der Versicherungspolice durch den Versicherungsnehmer notwendig sind, und die nach dieser Vorschrift vorgesehenen (Mindest)Angaben gegenüber dem Vertragspartner des Versicherers sich nicht auf solche zu einer Antragsbindungsfrist erstrecken. Allerdings liegt der Regelung durch den deutschen Gesetzgeber in § 10a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VAG in Verbindung mit der Anlage Teil D Abschnitt 1 Nr. 2a, jeweils a. F., die Annahme zugrunde, dass der Antragsteller bezüglich des Abschlusses eines Versicherungsvertrages an dieser Information (eben) ein berechtigtes Interesse hat. Sie war bei einem Vertragsschluss nach dem Antragsmodell sinnvoll, weil sie dem Versicherungsnehmer den zeitlichen Rahmen verdeutlichte, in dem der Vertrag durch Annahme seines Antrags seitens des Versicherers zustande kommen konnte; der Antragsteller konnte dann abschätzen, ab wann er nicht mehr mit einer Annahme rechnen durfte und gegebenenfalls auf Produkte anderer Anbieter ausweichen musste. Daher musste ihm auch (bloß) die gesetzliche Frist des § 147 Abs. 2 BGB, innerhalb derer er den Eingang der Antwort des Versicherers unter regelmäßigen Umständen erwarten durfte, vor Augen geführt werden (vgl. so BGH, Urteil vom 18.07.2018, Az.: IV ZR 68/17, – zitiert nach juris -, Rn. 14 ff.; von einer Konformität mit europarechtlichen Vorgaben wurde dort jedenfalls deshalb zumindest schlüssig ausgegangen, weil anderenfalls eine Vorlage nach Art. 267 AEUV veranlasst gewesen wäre).
(2) Gleichzeitig folgt daraus, dass die Berechtigung des Informationsbedürfnisses des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Antragsbindungsfrist generell besteht und nicht (zusätzliche) Umstände des konkreten Einzelfalles hinzukommen müssen. Insbesondere wird die unterbliebene Angabe zu der Antragsbindungsfrist nicht ex post unbeachtlich, weil etwa der Versicherungsantrag jedenfalls vor dem Ablauf einer üblichen Frist von dem Versicherer angenommen worden ist; denn nach dem zuvor unter Ziffer (1) Gesagten soll der Versicherungsnehmer durch eine Information über die Antragsbindungsfrist ja von vornherein und damit ex ante genau darüber unterrichtet werden, wie lange er im Hinblick auf eine Reaktion des Versicherers zuzuwarten hat und ab wann er anderweitig disponieren kann und muss (vgl. BGH, a. a. O., welche Entscheidung sich zu der Zeit zwischen Antrag und Annahme in dem dortigen Fall nicht verhält und noch nicht einmal die Andeutung einer ansonsten hierzu nötigen Prüfung erkennen lässt; siehe vergleichbar auch OLG Dresden, Urteil vom 07.05.2019, Az.: 4 U 1316/18, – zitiert nach juris -, bei einer Antragstellung am 29.08.2006 und einer Policenübersendung [schon] am 08.09.2006; a. A. OLG Jena, Urteil vom 31.07.2020, Az.: 4 U 1245/19, – zitiert nach juris -, Rn. 37).
bb. Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls an dieser Stelle im Übrigen dahinstehen, ob die Verbraucherinformation der Beklagten auch unzureichende Erläuterungen über die den Versicherungen zugrundeliegenden Fonds und die Art der darin enthaltenen Vermögenswerte, das Vorhandensein einer Sicherungseinrichtung oder die Gesamtbeitragssumme enthielt.
b. Die Beklagte hätte den Kläger daher gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. bei Aushändigung der Versicherungsscheine schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das ihm zustehende Widerspruchsrecht belehren müssen.
aa. Eine ausreichende Belehrung im Antrag konnte die vom Gesetz vorgeschriebene Belehrung im Zusammenhang mit der Übersendung der Police damit nicht ersetzen oder entbehrlich machen (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2004, Az.: IV ZR 58/03, – zitiert nach juris -, Rn. 16 m. w. N.); auf eine entsprechende Beurteilung der betreffenden Textpassagen unter Ziffer 13) auf der Vorderseite des Antragsformulars, auf dessen Rückseite oder im Rahmen der „Vertragsunterlagen“ kommt es damit weder in inhaltlicher Hinsicht noch unter dem Gesichtspunkt ihrer Gestaltung an.
bb. Die folglich maßgeblichen Übersendungsschreiben zu den Versicherungspolicen des Klägers liegen nicht vor und auf ihren Inhalt wird im Rahmen des Vortrages der Parteien auch sonst nicht Bezug genommen.
cc. Hat die Widerspruchsfrist damit nicht zu laufen begonnen, bestand das Widerspruchsrecht des Klägers auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. und noch im Zeitpunkt seiner Widerspruchserklärung fort; das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung der genannten Vorschrift (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 18.07.2018, Az.: IV ZR 68/17, – zitiert nach juris -, Rn. 16 ff.).
c. Die Beklagte kann sich nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB auf die Verwirkung eines solchen Widerspruchsrechtes durch den Kläger berufen.
aa. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2014, Az.: VII ZR 177/13, – zitiert nach juris -, Rn. 13 m. w. N.).
bb. Auf die Wertungen der §§ 124 Abs. 3, 142 Abs. 2 BGB kann danach für sich genommen noch nicht zurückgegriffen werden. Eine Zeitspanne von mehr als zehn Jahren zwischen Vertragsschluss und Widerspruch allein führt eben noch nicht zur Annahme einer Verwirkung. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass ein die Verwirkung begründender Vertrauenstatbestand nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden kann, sondern das Hinzutreten weiterer Umstände voraussetzt. Schon deshalb kann nicht mit Erfolg darauf abgestellt werden, dass selbst die Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung nach § 123 BGB gemäß § 124 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind. Es bliebe auch unberücksichtigt, dass die Ausschlussfrist des § 124 Abs. 3 BGB nur zum Tragen kommt, wenn nicht zuvor die kürzere kenntnisabhängige Frist des § 124 Abs. 2 BGB abgelaufen ist. Der Beginn der Widerspruchsfrist ist hingegen kenntnisunabhängig, es kommt allein auf eine ordnungsgemäße Belehrung an. Bereits dieser unterschiedliche Ansatz steht einer Übertragung des der Ausschlussfrist zu Grunde liegenden Rechtsgedankens auf die Widerspruchsfrist entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2018, Az.: 24 U 13/18, – zitiert nach juris -, Rn. 8 m. w. N.).
cc. Soweit es in Fällen der vorliegenden Art im Weiteren grundsätzlich an dem notwendigen Umstandsmoment bereits deshalb fehlt, weil der Versicherer die Situation mangels einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung selbst herbeigeführt hat und deshalb ein schutzwürdiges Vertrauen nicht in Anspruch nehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az.: IV ZR 76/11, – zitiert nach juris -, Rn. 39), soll auch hier die Geltendmachung des Widerspruchsrechtes und das Verlangen nach einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Versicherungsvertrages nach Treu und Glauben doch zumindest dann unzulässig sein, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalles vorliegen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.05.2016, Az.: IV ZR 334/15, – zitiert nach juris -, Rn. 16).
(1) Solche Umstände können sich von vornherein nicht aus einer normalen Vertragsdurchführung ergeben. Die Ausübung des Widerspruchsrechts ist vor allem nicht deshalb treuwidrig, weil der Versicherungsnehmer wiederholt Vertragsänderungen vorgenommen, langjährig Prämien gezahlt, um eine Beitragsfreistellung ersucht, Teilauszahlungen beantragt oder den Vertrag etwa durch eine Änderung seiner Anlagestrategie „aktiv gemanagt“ hat. Dabei geht es nur um die Erfüllung des aus der Sicht des Versicherungsnehmers vermeintlich wirksamen Vertrages. Ein solches Verhalten des Klägers konnte die Beklagte nicht dahingehend verstehen, dass er unabhängig von einem etwaigen Lösungsrecht unbedingt am Vertrag festhalten wollte (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 07.05.2019, Az.: 4 U 1316/18, Rn. 23 m. w. N.; siehe insbesondere auch BGH, Urteil vom 21.12.2016, Az.: IV ZR 217/15, Rn. 14, zu Vertragsänderungen und der Übertragung des Vertrages auf einen Versicherungsmakler, und Urteil vom 27.04.2016, Az.: IV ZR 486/14, Rn. 15, zu einem Policendarlehen, jeweils zitiert nach juris). Unter dem Blickwinkel des Umstandsmoments einer Verwirkung ist insbesondere der Umfang der für sich genommen jeweils unbedenklichen Handlungen rechtlich bedeutungslos.
(2) Ebenso wenig lässt sich für eine Verwirkung auf den zeitlich gestaffelten Abschluss mehrerer Verträge bei demselben Versicherer abstellen, wenn diese – wie hier – innerhalb eines Zeitraumes von weniger als einem Jahr zustande gekommen sind. Der Abschluss eines weiteren Vertrages kann zunächst schon kein dauerhaft schützenswertes Vertrauen des Versicherers in den Fortbestand eines früheren Vertrages begründen; jedenfalls eine Zeitspanne von nur rund einem Jahr zwischen Erst- und Drittvertragsabschluss lässt zudem aus Sicht des Versicherers keinen hinreichend sicheren Schluss darauf zu, dass der Versicherungsnehmer bereits inhaltlich mit den Wirkungen des Erstvertrages vertraut und hiervon voll und ganz überzeugt sei (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 15.06.2021, Az.: 4 U 102/21, – zitiert nach juris -, Rn. 19).
(3) Ist der im Jahr 2005 abgeschlossene Versicherungsvertrag – was in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils keine gesonderte Erwähnung gefunden hat – aufgrund von Beitragsrückständen des Klägers durch die Beklagte im Jahr 2011 gekündigt, dann aber wieder in Kraft gesetzt worden, nachdem der Kläger durch seine Bitte, den Vertrag fortzuführen, deutlich gemacht hatte, dass er die Versicherung in jedem Fall fortsetzen wollte, wurde allerdings ein gleichwohl später erklärter Widerspruch in einer solchen Konstellation als (besonders) grob widersprüchliches Verhalten gewertet. Der Versicherungsnehmer sei zum Zeitpunkt der nach der Kündigung auf seinen Wunsch erfolgten Wiederinkraftsetzung des Vertrages durch die bei dessen Abschluss erteilte umfassende Verbraucherinformation und die Versicherungsbedingungen über die Vertragsmodalitäten informiert gewesen, sodass der Versicherer darauf vertrauen könne, dass der Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen erneut abgeschlossen und fortgeführt werden solle, zumal wenn der Versicherungsnehmer nicht erkennen lasse, dass er erneute, ergänzende oder wiederholte Informationen über die Vertragsmodalitäten benötige, und den neu abgeschlossenen Vertrag ohne Beanstandungen durchführe (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2015, Az.: IV ZR 117/15, – zitiert nach juris -, Rn. 16 ff.). Ähnlich wurde es eingeordnet, wenn – wie hier im Falle der beiden weiteren Versicherungsverträge aus dem Jahr 2006 – auf eine qualifizierte Mahnung nach § 38 Abs. 3 VVG wegen eingetretener Beitragsrückstände die bedingt ausgesprochene Kündigung deshalb nicht wirksam geworden ist, weil der Versicherungsnehmer dies durch einen rechtzeitigen Ausgleich der offenen Prämien verhindert (vgl. so OLG Dresden, Urteil vom 21.12.2020, Az.: 4 U 1947/20, Rn. 7).
dd. Letzterem ist aber angesichts der Zielrichtung und des Zwecks verbraucherschutzrechtlicher Regelungen nicht zu folgen.
(1) Dahinstehen kann daher bereits im Ansatz, wie die Versicherungen dem Kläger gegenüber nach seinem Vortrag im Hinblick auf die Auswirkungen von Beitragsrückständen beworben worden sind; von ihm selbst nicht bestrittene und selbst zu vertretende Zahlungsverzögerungen sind als solche zu vereinbarenden Beitragsfreistellungen und -pausen eben nicht gleichzustellen, und die Inaussichtstellung des Anfalles „überschauberer Mahnkosten“ musste nicht darauf schließen lassen, dass die Beklagte von weitergehenden Rechten aufgrund eines Verzuges des Klägers keinen Gebrauch machen würde.
(2) Ebenso wenig muss es ausschlaggebend sein, ob oder welche Gedanken sich die Mitarbeiter der Beklagten über die Motivation des Klägers zu einer Wiederaufnahme von Zahlungen nach dem Ausspruch qualifizierter Mahnungen gemacht haben, und ob die ihm gegenüber erfolgten Verbraucherinformationen gegebenenfalls in Einzelpunkten unvollständig waren. Maßgeblich für eine Einordnung des späteren Widerspruches als gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verstoßendes Verhalten wäre vielmehr allein ein – auch erst später relevant werdender – Eindruck, den Vertrag fortsetzen zu wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2015, Az.: IV ZR 117/15, – zitiert nach juris -, Rn. 19 a. E.). Das Vorliegen einer „umfassenden“ Verbraucherinformation (vgl. so wörtlich BGH, a. a. O., Rn. 17) kann weiterhin auch in einer solchen gesehen werden, die trotz möglicher Lücken im Detail wie hier einen insgesamt nicht unerheblichen Umfang derart hat, dass der Versicherungsnehmer kein Bedürfnis zu ergänzenden Nachfragen erkennen lässt. Schließlich erschiene es für die Beurteilung des (objektiven) Verhaltens des Klägers bzw. des von ihm erweckten Eindrucks von sekundärer Bedeutung, ob die ihm gegenüber ausgesprochenen oder zumindest in Aussicht gestellten Kündigungen wirksam waren oder nicht. Unabhängig davon dürften die qualifizierten Mahnungen die Formanforderungen des § 39 Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. erfüllt haben; eine nach dem Wortlaut dieser Vorschrift zu bestimmende „Zahlungsfrist“ ergibt sich wohl auch aus der zeitlich bestimmten Abforderung einer zu erteilenden Einzugsermächtigung, ohne dass auf die Alternativen von Überweisung oder Auftrag hinzuweisen wäre. Ein im Falle des „Neuabschlusses“ eines gekündigten Versicherungsvertrages durch die Vereinbarung seiner Fortsetzung in Betracht kommendes und nunmehr auf ihn bezogenes Widerspruchsrecht unterfiele im Übrigen ebenfalls der Verwirkung (vgl. auch BGH, a. a. O., in welcher Entscheidung eine dahingehende Überlegung schon keinerlei Erwähnung findet), wenn dieses Rechtsinstitut (überhaupt) zur Anwendung käme.
(3) Dies scheidet allerdings deshalb aus, weil die Annahme einer Verwirkung im Sinne eines treuwidrigen Verhaltens durch die Ausübung des Widerspruchsrechtes einer subjektiven Komponente auf Seiten des Versicherungsnehmers derart bedarf, dass aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein muss, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen worden sind, um sich einen vorgesehenen Vorteil ungerechtfertigt zu verschaffen.
(a) Während ein derartiger Grundsatz zunächst allein auf die Frage bezogen wurde, wann mit Unionsrecht unvereinbare missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern vorliegen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 02.02.2015, Az.: 2 BvR 2437/14, – zitiert nach juris -, Rn. 45 m. w. N.), wird er inzwischen ausdrücklich auch im Falle des Handelns eines Verbrauchers zur Anwendung gebracht (vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2021, Az.: C-33/20, C-155/20 und C-187/20, – zitiert nach juris -, Rn. 122 ff., im Falle von Verbraucherkreditverträgen; überholt damit BGH, Urteil vom 16.07.2014, Az.: IV ZR 73/13, – zitiert nach juris -, Rn. 37 m. w. N., wonach für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Rechtsinhabers nicht erforderlich waren, sondern durch sein Verhalten nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein musste).
(b) Danach ist zu berücksichtigen, dass der Zweck einem Verbraucher in dieser Eigenschaft eingeräumter Vertragslösungsrechte darin besteht, sicherzustellen, dass er alle Informationen erhält, die erforderlich sind, um den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung zu beurteilen und einen Unternehmer, der die ihm obliegenden Informationen nicht erteilt, zu bestrafen; die im Bereich des Verbraucherschutzes vorgesehenen Sanktionen sollen den Gewerbetreibenden davon abschrecken, gegen die ihm nach den Bestimmungen dieser Richtlinien obliegenden Pflichten gegenüber dem Verbraucher zu verstoßen. Ein Unternehmer darf daher im Falle der Ausübung eines Vertragslösungsrechtes durch den Verbraucher keinen Rechtsmissbrauch annehmen, wenn eine der vorgesehenen zwingenden Angaben weder in dem betreffenden Vertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Lösungsrecht Kenntnis hatte (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 124 ff. m. w. N., wo generell von „in den Unionsrichtlinien im Bereich des Verbraucherschutzes vorgesehenen Sanktionen“ die Rede ist; die Annahme, die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze seien auf Versicherungsverhältnisse nicht übertragbar, weil sie zu der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge ergangen sei, geht daher fehl).
(c) Die Beklagte ist ihrer Verpflichtung gegenüber dem Kläger zur Erteilung der vorgesehenen Verbraucherinformationen nicht ausreichend nachgekommen.
(aa) In diesem Zusammenhang lässt sich zunächst nicht (mehr) an eine unzureichende Information des Klägers über eine Antragsbindungsfrist anknüpfen; denn daraus ist in dem vorliegenden Fall allein abzuleiten, dass die Verträge nicht im Antrags-, sondern im Policenmodell zustande gekommen sind, während bei einem Vertragsschluss nach letzterem eine Information über eine Antragsbindungsfrist gerade nicht (mehr) erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2019, Az.: IV ZR 8/19, – zitiert nach juris -, Rn. 27 m. w. N.).
(bb) Defizite ergeben sich sodann nicht bezüglich einer Angabe der Gesamtbeitragssumme. Das Gesetz verwendet diesen Begriff nicht; es spricht vielmehr von dem „insgesamt zu zahlenden Betrag“, womit (lediglich) der monatlich zu zahlende Gesamtbetrag der Prämie gemeint ist (vgl. OLG Jena, Urteil vom 07.08.2020, Az.: 4 U 1075/19, – zitiert nach juris -, Rn. 53 m. w. N.).
(cc) Ein Mangel der Verbraucherinformation der Beklagten lässt sich ebenfalls nicht auf unzureichende Angaben zu den vereinbarten Zielfonds stützen. Denn diese müssen im Zusammenhang mit Versicherungsverträgen insbesondere nicht den Vorgaben von § 42 InvG entsprechen. Die in § 10a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VAG in Verbindung mit der Anlage Teil D Abschnitt 1 Nr. 2 e), jeweils a. F., geregelten Anforderungen an die Verbraucherinformation erfolgten in Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2002/83/EG, die in Anhang III lit. a 11) und 12) zum einen „Angaben zu den Fonds, an die die Leistungen gekoppelt sind” sowie zum anderen „Angaben der Art der den fondsgebundenen Policen zugrunde liegenden Vermögenswerte” fordert. Dies bleibt hinter den Regelungen von § 42 InvG zurück, welche Vorschrift auf fondsgebundene Lebensversicherungen wegen der dogmatisch klaren Trennung des jeweils geltenden Rechtes weder mittelbar noch unmittelbar Anwendung findet (vgl. KG, Beschluss vom 24.07.2018, Az.: 6 U 18/18, Rn. 18; siehe auch BGH, Urteil vom 21.03.2018, Az.: IV ZR 353/16, Rn. 22, jeweils zitiert nach juris und m. w. N.).
(dd) Die Verbraucherinformationen müssen vor dem Hintergrund von § 10a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VAG in Verbindung mit der Anlage Teil D Abschnitt 1 Nr. 1 i), jeweils a. F., auch keine Aussage dazu enthalten, dass der Versicherer einem deutschen Sicherungsfonds oder einer ausländischen Sicherungseinrichtung nicht angehöre.
[1] Grundsätzlich kann eine Verpflichtung des Lebensversicherers zu einer solchen Information gemäß Art. 36 Abs. 3 der Richtlinie 2002/83/EG begründet werden (offen gelassen bei BGH, Urteil vom 10.02.2021, Az.: IV ZR 32/20, – zitiert nach juris -, Rn. 16). Ein Mitgliedstaat der Verpflichtung kann danach von den Versicherungsunternehmen nur dann die Vorlage von Angaben zusätzlich zu den in Anhang III) der Richtlinie genannten Auskünften verlangen, wenn diese für das tatsächliche Verständnis der wesentlichen Bestandteile der Versicherungspolice durch den Versicherungsnehmer notwendig sind. Einerseits sind vor diesem Hintergrund Informationen über die Zugehörigkeit des Versicherers zu einer Sicherungseinrichtung in den unionsrechtlichen Regelungen nicht vorgesehen, weil vergleichbare Institutionen auf europäischer Ebene nicht existieren. Hat der deutsche Gesetzgeber andererseits in §§ 126 VAG a. F., 223 VAG n. F. solche Einrichtungen vorgesehen, kann die Kenntnis seiner sich daraus ergebenden Rechte durchaus zu dem Verständnis des Versicherungsnehmers hinsichtlich eines wesentlichen Bestandteils des Versicherungsverhältnisses gerechnet werden; jedenfalls aufgrund der inländischen Rechtslage kann damit eine entsprechende Informationspflicht des Versicherers ergänzend zu den Vorgaben des Unionsrechtes vorgesehen werden (a. A. offenbar OLG München, Urteil vom 07.09.2020, Az.: 21 U 1983/20, – zitiert nach juris -, Rn. 32).
[2] Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass (auch) eine Negativauskunft über die Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung zu erteilen ist.
[a] Zwar muss sich dies noch nicht aus dem Wortlaut der betreffenden Regelung ergeben; wenn dort „Angaben über die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Versicherten (Sicherungsfonds)“ genannt sind, kann diese Formulierung nämlich Auskünfte über das „wie“ ebenso gut wie über das „ob“ erfassen (a. A. etwa OLG Hamm, Urteil vom 26.08.2021, Az.: 20 U 60/21, – zitiert nach juris -, Rn. 34). Nach einer Auffassung ist es für den Versicherungsnehmer dann zudem gerade auch von Bedeutung, darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, ob eine Zugehörigkeit zu einem so genannten Sicherungsfonds besteht oder nicht. Denn dieser Punkt sei maßgeblich für die Absicherung der mit dem Versicherungsvertrag seitens des Versicherers abgegebenen Vertragsversprechen. Es könne keineswegs davon ausgegangen werden, dass insoweit kein berechtigtes Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers bestehe. Die Vertragsrelevanz ergebe sich schon daraus, dass der Normgeber diese Angabe in den Katalog aufgenommen und damit festgelegt habe, dass sie neben den ansonsten geforderten Informationen relevant sei. Der Versicherungsnehmer sei auch daran interessiert, zu wissen, ob seine Ansprüche gesichert seien und an wen er sich im Falle einer Insolvenz oder wirtschaftlichen Notlage des Versicherers wenden könne. Dies sei in jedem Fall ein vertragsrelevanter Gesichtspunkt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.06.2019, Az.: 12 U 134/17, – zitiert nach juris -, Rn. 68, mit Zulassung der zu dem Aktenzeichen IV ZR 186/19 des BGH eingelegten Revision).
[b] Richtigerweise bedarf es der hier erörterten Negativauskunft demgegenüber nicht. Nach ihrem systematischen Zusammenhang ist die Bestimmung in Anlage Teil D Abschnitt 1 Nr. 1 i) zum VAG a. F. zugleich mit der Schaffung eines nationalen Sicherungsfonds gemäß §§ 124 ff. VAG a. F. in das Regelwerk aufgenommen worden mit dem Zweck, die Information der Versicherten über die ihnen zustehenden Rechte zu gewährleisten; dies war nur dann zu erreichen, wenn der Versicherer einem Sicherungsfonds angehörte und auch angehören konnte. Das Ziel der Vorgabe unterscheidet sich folglich von den Informationspflichten aufgrund der unionsrechtlichen Richtlinien, deren Erfüllung dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages die Erkenntnisse verschaffen soll, die er benötigt, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen und dadurch die ihm zur Verfügung stehende größere Auswahl von Verträgen im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts voll nutzen zu können. Selbst bei einer Übertragung dieses Gedankens auf eine (Negativ)Angabe bezogen auf die Zugehörigkeit des Versicherers zu einer Sicherungseinrichtung ergäbe sich nichts anderes. Denn der zur Auslegung der Richtlinie heranzuziehende Durchschnittsverbraucher, der normal informiert und angemessen aufmerksam und verständig ist, wird bei einem Vergleich eines Vertrages eines Versicherers, der einer Sicherungseinrichtung angehört, mit dem Vertrag eines anderen Unternehmens, bei dem dies nicht das Fall ist, auch ohne eine Information in dem letzteren Sinne erkennen, dass sich die Produkte in dieser Hinsicht voneinander unterscheiden; aus der (positiven) Angabe in dem einen Fall und ihrem (gänzlichen) Fehlen in dem anderen wird er schließen, dass der zweite Versicherer keiner Sicherungseinrichtung angehört. Auf dieser Grundlage kann er entscheiden, welcher Vertrag seinen Bedürfnissen in dieser Hinsicht am ehesten entspricht. Werden dem Verbraucher Verträge nur von Unternehmen angeboten, welche alle keiner Sicherungseinrichtung angehören, wird der Vergleich der Verträge ebenfalls nicht beeinträchtigt, wenn die Versicherer insofern keine Negativmitteilung machen müssen. Durch das jeweilige Fehlen eines entsprechenden Hinweises wird für den Durchschnittsverbraucher nämlich deutlich, dass sich die Verträge in diesem Punkt nicht voneinander unterscheiden. Eine allgemeine Beratungspflicht erlegen die Unionsrichtlinien dem Versicherer im Übrigen nicht auf (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 21.06.2021, Az.: 12 U 157/20, – zitiert nach juris -, Rn. 57 ff. m. w. N.).
(ee) Nach § 10a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VAG in Verbindung mit der Anlage Teil D Abschnitt 1 Nr. 1 g), jeweils a. F., gehörte aber letztlich in Übereinstimmung mit lit. A 13) des Anhangs III der Richtlinie 2002/83/EG (gerade) auch die Belehrung über das Recht zum Widerruf oder zum Rücktritt zu den dem Versicherungsnehmer zwingend zu erteilenden Verbraucherinformationen.
[1] Ist eine solche in dem vorliegenden Sachverhalt (zumindest) zu dem gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. maßgeblichen Zeitpunkt der Aushändigung des Versicherungsscheins bei einem Vertragsschluss im Policenmodell (gar) nicht ersichtlich, muss insoweit ebenfalls der oben unter lit. (b) – Seite 15 – erläuterte Rechtsgedanke der Verbraucherschutzrichtlinien zum Tragen kommen. In der Konsequenz folgt daraus, dass der Versicherer sich in keinem Fall auf eine Verwirkung des Widerspruchsrechtes durch den Versicherungsnehmer berufen kann, wenn er diesen nicht darüber belehrt hat (vgl. im Ergebnis ebenso OLG Oldenburg, Urteil vom 04.09.2019, Az.: 5 U 109/19, – zitiert nach juris -, Rn. 34, wonach der Versicherer aus der Wiederinkraftsetzung eines gekündigten Vertrages auf Wunsch des Versicherungsnehmers nicht schließen könne, ein im Hinblick auf das einvernehmlich fortgesetzte Vertragsverhältnis bestehendes Vertragslösungsrecht werde nicht mehr geltend machen, wenn letzterem das wirtschaftlich wesentlich günstigere Vertragslösungsrecht des Widerspruchs infolge fehlerhafter Belehrung nicht bewusst gewesen sei).
[2] Eine Kollision mit dem Ausschluss eines Lösungsrechtes des Versicherungsnehmers in der Konstellation, dass er in der Lage war, es trotz mangelhafter Belehrung im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (vgl. EuGH, Urteil vom 19.12.2019, Az.: C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, – zitiert nach juris -, Rn. 82 und 90, und für eine Übertragung dieser Entscheidung zu einem Rücktrittsrecht nach der Gesetzeslage in Österreich auf das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a. F. Lange VersR 2020, 351/352; Armbrüster VuR 2020, 115/116; siehe auch KG, Beschluss vom 21.05.2021, Az.: 6 U 16/21, Rn. 14 ff., und OLG Hamm, Beschluss vom 29.10.2020, Az.: 20 U 142/20, Rn. 39 ff., jeweils zitiert nach juris), kann sich dabei jedenfalls nach den Umständen des vorliegenden Falles von vornherein nicht ergeben; denn es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger überhaupt eine Widerspruchsbelehrung bei Übersendung der Versicherungsscheine erhalten hätte.
(d) Dem Kläger lässt sich nach den Erläuterungen oben unter lit. (b) – Seite 15 – schließlich nicht entgegenhalten, dass sein Widerspruch auf eine bloße Renditeerhöhung oder eine Minimierung von Verlusten abziele. Normzweck von § 5a VVG a. F. mit seinen voraussetzungslosen Möglichkeiten zu einer Lösung von dem Versicherungsverhältnis ist die Gewährung eines allgemeinen Reuerechts für den Versicherungsnehmer, welcher seine Entscheidung zum Vertragsschluss noch einmal überdenken und gegebenenfalls Vergleichsangebote einholen können soll (vgl. so zu dem jetzigen Widerrufsrecht Marlow/Spuhl-Brand, BeckOK VVG, Stand: 01.08.2020, § 8 Rn. 2 m. w. N.; siehe auch OLG Brandenburg, Urteil vom 08.02.2017, Az.: 4 U 190/15, – zitiert nach juris -, Rn. 71 f.). Dies mag man als rechtspolitisch diskussionswürdig ansehen; es ginge jedoch nicht an, das gesetzgeberische Motiv durch die Annahme einer Treuwidrigkeit des Versicherungsnehmers auszuhebeln (nur) in Abhängigkeit davon, zu welchem Zeitpunkt er von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen möchte. Eine nach dem zuvor Gesagten gesetzlich geschützte Ausübung der Dispositionsfreiheit kann in einer Widerspruchserklärung aufgrund nachträglich erkannter besserer Anlageoptionen ebenso binnen 30 Tagen nach Vertragsschluss wie erst mehrere Jahre später liegen; dass sie in dem letzteren Fall überhaupt noch möglich ist, hat aber wiederum allein der Versicherer zu vertreten, wenn er mangels einer (ordnungsgemäßen) Belehrung keinen früheren Beginn der Widerspruchsfrist bewirkt hat.
d. Soweit die Versicherungsverträge dann nach den wirksam erklärten Widersprüchen rückwirkend ex tunc und nicht erst ab den Widerspruchserklärungen ex nunc rückabzuwickeln sind (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az.: IV ZR 76/11, – zitiert nach juris -, Rn. 41 ff.), kann der Kläger die von ihm geleisteten Prämien in voller Höhe von der Beklagten zurückverlangen.
aa. Zwar umfasst der sich in Folge eines Widerspruches ergebende Bereicherungsanspruch des Versicherungsnehmers nicht generell einschränkungslos die Rückzahlung aller Prämien, soweit es sich der Kläger gemäß § 818 Abs. 3 BGB etwa bereicherungsmindernd anrechnen lassen müsste, wenn die Fonds, in welche die Sparanteile der von ihm gezahlten Prämien angelegt worden sind, Verluste erwirtschaftet haben (vgl. BGH, Urteil vom 21.03.2018, Az.: IV ZR 353/16, – zitiert nach juris -, Rn. 13 ff.); diese bildeten sich aber jedenfalls bereits in dem zum Zeitpunkt des Widerspruches bestehenden Wert des Fondsvermögens ab, wobei sich im Falle aller drei hier streitgegenständlichen Versicherungen für den relevanten Zeitraum unstreitig jedoch jeweils ein Fondsgewinn ergeben hat.
bb. Gleiches gilt hinsichtlich der in den geleisteten Prämien enthaltenen Risikoanteile, aufgrund derer der Kläger während der Beitragszahlung Versicherungsschutz genossen hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 07.05.014, Az.: IV ZR 76/11, – zitiert nach juris -, Rn. 45), sowie der Kosten für Vertragsanpassungen; denn diese sind nach §§ 5 Abs. 3 und 22 der Bedingungen der Beklagten für die Fondsgebundene Rentenversicherung bzw. §§ 4 Abs. 3 und 21 der Bedingungen für die Fondsgebundene Kinderrentenversicherung jeweils dem Deckungskapital entnommen worden. Der zuvor unter lit. aa) in Bezug genommene Wert des Fondsvermögens zum Widerspruchszeitpunkt schließt damit entsprechende Abzüge bereits ein und sie wären abweichend von dem Vorgehen im Rahmen der angefochtenen Entscheidung nicht gesondert vorzunehmen gewesen.
cc. Umgekehrt kann sich die Beklagte im Hinblick auf die in den Prämien enthaltenen Abschluss- und Verwaltungskosten nicht auf eine Entreicherung berufen.
(1) Sind Vermögensnachteile des Bereicherungsschuldners nur berücksichtigungsfähig, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise adäquat-kausal auf der Bereicherung beruhen, sind die Verwaltungskosten bereits deshalb nicht bereicherungsmindernd zu berücksichtigen, weil sie nicht adäquat-kausal durch die Prämienzahlungen des Klägers entstanden, sondern unabhängig von dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag angefallen und beglichen worden sind; auch die Verwendung der Verwaltungskostenanteile der gezahlten Prämien für die Bestreitung von Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb wirkt nicht bereicherungsreduzierend, weil die Beklagte auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2014, Az.: IV ZR 448/14, – zitiert nach juris -, Rn. 47 m. w. N.).
(2) Bezüglich der Abschlusskosten als Aufwendungen, die dem Bereicherungsschuldner im Zusammenhang mit der Erlangung des Bereicherungsgegenstandes entstanden sind, hängt die Anerkennung einer Bereicherungsminderung maßgeblich davon ab, welcher der Parteien des Bereicherungsverhältnisses das jeweilige Entreicherungsrisiko zugewiesen ist. Im Falle der hier erörterten Kostenposition ist das Entreicherungsrisiko nach den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkten der Beklagten zugewiesen. Denn der mit der richtlinienkonformen Auslegung bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers gebietet es, dass der Versicherer in Fällen des wirksamen Widerspruchs das Entreicherungsrisiko hinsichtlich der Abschlusskosten trägt; es widerspräche dem hier zu beachtenden europarechtlichen Effektivitätsgebot, wenn der Versicherungsnehmer zwar auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG dem Zustandekommen des Vertrages widersprechen könnte, aber die Abschlusskosten tragen müsste. Insbesondere im Falle des Widerspruchs nach kurzer Prämienzahlungsdauer würde das Widerspruchsrecht weitgehend entwertet, weil die bezahlten Beiträge zu einem erheblichen Teil durch die Abschlusskosten aufgezehrt würden (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 48 m. w. N.).
(3) Klarstellend ist anzumerken, dass sich die Kosten von dem Kläger vorgenommener Vertragsänderungen, welche oben unter lit. bb) als grundsätzlich zu Gunsten der Beklagten entreichernd eingeordnet wurden, von den Verwaltungs- und Abschlusskosten danach insofern unterscheiden, als der Versicherungsnehmer den später mit Rückwirkung aufgelösten Vertrag bis zu dem Auflösungszeitpunkt mit der Entstehung entsprechenden (besonderen) Aufwandes für den Versicherer umgestaltet hat, was dessen Sphäre in keiner Weise zugerechnet werden kann.
dd. Die Höhe des Rückerstattungsanspruches des Klägers ergibt sich danach in der Differenz zwischen den von ihm geleisteten Prämien und den bereits erhaltenen Teilauszahlungen für die einzelnen Versicherungsverträge wie folgt:
(1) Vertrag Nr. X28.385,57 €Einzahlungen – 3.435,35 €Auszahlung – 16.824,80 €Auszahlung 8.125,42 €
(2) Vertrag Nr. Y 5.600,00 €Einzahlungen – 3.793,73 €Auszahlung 1.806,27 €
(3) Vertrag Nr. Z 5.450,00 €Einzahlungen – 3.642,55 €Auszahlung 1.807,45 €
(4) Der Kläger hat dabei insoweit (auch) die zuletzt nach seinem bereits erklärten Widerspruch geleistete Auszahlung zutreffend in vollem Umfang auf seine (Rück)Forderung hinsichtlich der von ihm gezahlten Beiträge angerechnet, ohne dass im Verhältnis zu den ebenfalls begehrten Nutzungen §§ 366, 367 BGB analog mit dem Ergebnis einer vorrangigen Verrechnung auf letztere oder einer verhältnismäßigen Tilgung beider Positionen anzuwenden wären. Die Annahme einer Tilgungsbestimmung im Sinne dieser Vorschriften scheitert nämlich nicht daran, dass die Zahlung der Beklagten nicht zur Erfüllung eines hier streitgegenständlichen Bereicherungsanspruchs des Klägers, sondern im Hinblick auf eine als vertraglich geschuldet angesehene Teilauszahlung erfolgte (vgl. zum Streitstand OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.07.2017, Az.: 12 U 75/17, – zitiert nach juris -, Rn. 4 ff. m. w. N.). Vielmehr folgt aus §§ 10 Abs. 2, 11 Abs. 1 der Bedingungen der Beklagten für die Fondsgebundene Rentenversicherung bzw. §§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 der Bedingungen für die Fondsgebundene Kinderrentenversicherung, dass die Teilauszahlung aus dem rückkaufsfähigen Deckungskapital aufgebracht wird; dies meint den durch die Prämienzahlung angesparten Wert des Vertrages bzw. die Summe der verzinslich angesammelten Sparanteile eines konkreten Vertrages (vgl. Prölss/Martin-Reiff, VVG, 31. Aufl., 2021, § 169 Rn. 31). Damit ergibt sich im Umkehrschluss eine konkludente (negative) Tilgungsbestimmung der Beklagten zumindest dahingehend, dass sich die Teilauszahlung jedenfalls nicht auf die Erstattung von ihr aus den Verwaltungskostenanteilen der Prämien des Klägers gezogener Nutzungen richten sollte.
(5) In der Summe ergeben sich (8.125,42 € + 1.806,27 € + 1.807, 45 € =) 11.739,14 €. Das Landgericht hat demgegenüber insoweit für den Vertrag Nr. X (28.385,57 € – [3.600,00 € + 16.824,80 € =] 20.424,80 € Auszahlungen – 498,29 € Risikokosten =) 7.462,48 €, für den Vertrag Nr. Y (5.600,00 € – 3.793,73 € Auszahlung – 153,83 € Risikokosten =) 1.652,44 € und für den Vertrag Nr. Z (5.450,00 € – 3.642,55 € Auszahlung – 130,67 € =) 1.676,78 €, d. h. insgesamt (7.642,48 € + 1.652,44 € + 1.676,78 € =) 10.971,70 € ausgeurteilt.
2. Aufgrund seiner wirksamen Widersprüche hat der Kläger weiterhin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe von Nutzungen in Höhe von (nur) 862,92 € gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. (Leistungskondiktion), 818 Abs. 1 BGB.
a. Zum einen stehen dem Versicherungsnehmer bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung die mit der Anlage des Sparanteils in Fonds erzielten Gewinne als tatsächlich gezogene Nutzung zu (vgl. BGH, Urteil vom, Az.: IV ZR 482/14, – zitiert nach juris -, Rn. 27 m. w. N.). Diese sind hier unstreitig angefallen in Höhe von
Vertrag Nr. X122,67 €Vertrag Nr. Y 19,83 €Vertrag Nr. Z 44,06 € 186,56 €
Woraus das Landgericht die von ihm berücksichtigten und deutlich höheren Beträge von 571,87 € bzw. 142,91 € und 138,06 € entnommen hat, erschließt sich nicht.
b. Zum anderen sind aus den Verwaltungskostenanteilen der geleisteten Beiträge tatsächlich gezogene Nutzungen herauszugeben; besteht keine Vermutung für eine solche Nutzungsziehung insbesondere in einer bestimmten Höhe, genügt der Versicherungsnehmer seiner Darlegungs- und Beweislast nach einem unternehmensspezifischen Maßstab jedoch, wenn er auf allgemein zugängliche Quellen wie publizierte Geschäftsberichte des Versicherers zurückgreift (vgl. Heyers, Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung fondsgebundener Lebensversicherungsverträge, NJW 2016, 1357/1360; nicht anders BGH, Urteil vom 11.11.2015, Az.: IV ZR 513/14, Rn. 50; siehe auch OLG Stuttgart, Urteil vom 21.12.2017, Az.: 7 U 80/17, Rn. 112, jeweils zitiert nach juris).
aa. Für eine solche Nutzungsberechnung können von vornherein die Abschlusskosten und der Risikoanteil der Prämien nicht mit herangezogen werden.
(1) Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Versicherer Prämienanteile, welche er für Abschlusskosten aufwandte, nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte. Wenn er sich gleichwohl so behandeln lassen müsste, als hätte er die Gelder gewinnbringend angelegt, stünde er schlechter, als er ohne die Prämienzahlungen des widersprechenden Versicherungsnehmers gestanden hätte. Dies ist mit der Privilegierung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners gemäß § 818 Abs. 1 BGB nicht in Einklang zu bringen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 45 m. w. N.).
(2) Zur Herstellung eines vernünftigen Ausgleichs und einer gerechten Risikoverteilung zwischen den Beteiligten, die im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht eröffnet ist, ist es geboten, dass der Versicherer neben dem Risikoanteil auch hieraus gegebenenfalls gezogene Nutzungen behalten darf. Es käme zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten, wenn die widersprechenden Versicherungsnehmer trotz Gewährung des Versicherungsschutzes alle möglicherweise durch den Versicherer aus ihren Risikobeiträgen gezogenen Nutzungen erhielten (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 42).
(3) Damit verbleibt ein dem Nutzungsersatz unterliegender Verwaltungskostenanteil hinsichtlich der in den Abschlusskosten enthaltenen Einrichtungskosten sowie der weiteren einmaligen, laufenden und jährlichen Kosten; diese ergeben sich für die einzelnen Verträge wie folgt:
Vertrag Nr. X2.155,44 €
Einrichtungskosten 24,96 €
einmalige Policengebühr 844,77 €
laufende Verwaltungskosten 220,00 €
jährliche Verwaltungskosten 3.245,17 €
Vertrag Nr. Y 444,96 €
Einrichtungskosten 24,96 €
einmalige Policengebühr 163,00 €
laufende Verwaltungskosten 200,00 €
jährliche Verwaltungskosten 832,92 €
Vertrag Nr. Z 444,96 €
Einrichtungskosten 24,96 €
einmalige Policengebühr 158,11 €
laufende Verwaltungskosten 200,00 €
jährliche Verwaltungskosten 828,03 €
(a) Der Kläger hat diese Beträge nach seinen tabellarischen Aufstellungen in einem Abgleich zwischen den von ihm geleisteten Prämien, den Investitionsübersichten und den Kostenregelungen in den Bedingungswerken der Beklagten nachvollziehbar ermittelt. Wenn die Beklagte demgegenüber lediglich pauschal Verwaltungskosten für die Verträge in Höhe von 1.045,68 € bzw. 352,25 € und 341,44 € benennt, kann dies nicht als ein erhebliches Bestreiten angesehen werden; auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis hat sie sich dazu nicht mehr weiter geäußert.
(b) Unabhängig von einer Differenzierung in der Definition der Beklagten zu ihren Abschluss- und Einrichtungskosten zwischen diesen Begriffen ist einerseits zutreffend, dass unmittelbare Abschlusskosten alle mit dem Abschluss des einzelnen Versicherungsvertrags direkt zusammenhängenden, ihm unmittelbar zuzuordnenden Aufwendungen sind; darunter fallen folglich insbesondere, aber nicht zwangsläufig nur Abschlussprovisionen (vgl. etwa Langheid/Wandt-Boetius, VVG, 2. Aufl., 2017, § 203 Rn. 304). Andererseits ist nach den Erläuterungen zuvor unter Ziffer (1) – Seite 21 – nur mangels anderweitiger Anhaltspunkte anzunehmen, dass Prämienanteile, welche der Versicherer für Abschlusskosten aufwendet, nicht zur Kapitalanlage zur Verfügung stehen.
(aa) Derartiges mag sich ohne weiteres im Hinblick auf die schon erwähnten Provisionen für die Vermittlung eines Versicherungsvertrages erschließen, weil diese gemeinhin an Dritte geleistet werden und damit aus dem Vermögensbestand des Versicherers abfließen. Beschreibt die Beklagte ihre Einrichtungskosten gegenüber den Versicherungsnehmern wie folgt: „Die Einrichtungskosten entstehen für die Antrags- und Risikoprüfung, die Eingabe Ihrer Daten in unsere Verwaltungssysteme, durch den Druck der notwendigen Formulare und der Korrespondenz sowie durch den Postversand.“, handelt es sich insoweit dagegen um Aufwendungen, welche sich bereits nach ihrem Gegenstand nicht maßgeblich von denjenigen während des laufenden Versicherungsverhältnisses beispielsweise für die Erstellung und Versendung jährlicher Wertmitteilungen oder die Pflege des Datenbestandes bzw. den allgemeinen Versicherungsbetrieb unterscheiden; hier wie dort erledigt die Beklagte diese Tätigkeiten mit ihrem (eigenen) Verwaltungsapparat, sodass sie durch die betreffende Verwendung von Anteilen der seitens ihrer Versicherungsnehmer geleisteten Prämien – siehe dazu auch oben unter 1 d cc (1), Seite 19 – den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart (vgl. dazu ansonsten ohne erkennbare Auseinandersetzung mit dieser Frage etwa OLG Dresden, Urteil vom 28.03.2017, Az.: 4 U 1624/16, Rn. 15; OLG Frankfurt, Urteil vom 14.06.2017, Az.: 7 U 128/15, Rn. 74, jeweils zitiert nach juris).
(bb) Es kommt damit schon nicht mehr darauf an, dass die Einrichtungskosten von vornherein allein im Umfang ihrer tatsächlichen Verwendung einer Möglichkeit zur Vermögensanlage entzogen sein könnten, es jedoch zweifelhaft erscheint, ob ihre vertragliche Höhe den mit ihnen abgegoltenen Aufwand kongruent abbildet. Nachdem sie wie die von der Beklagten so charakterisierten (eigentlichen) Abschlusskosten nämlich prozentual von der Beitragssumme berechnet werden, können sie sich damit im Vergleich verschiedener Versicherungsverträge – wie hier – um mehrere hundert Euro unterscheiden, obwohl die jeweils anfallenden Einrichtungstätigkeiten im Prinzip identisch sind; es ist nicht erkennbar, dass bei einem höheren Versicherungswert zum Beispiel mehr Daten einzugeben, mehr Formulare auszudrucken oder mehr Korrespondenz zu erledigen wäre.
bb. Jedenfalls mit seinem Ansatz einer Ermittlung des Nutzungsersatzes unter Zugrundelegung der so genannten Netto- bzw. Reinverzinsung der Beklagten ist der Kläger seiner eingangs unter lit. b) – Seite 21 – dargestellten Darlegungslast ausreichend nachgekommen.
(1) Zutreffend war der Einwand der Beklagten, dass die von ihr erwirtschaftete Eigenkapitalrendite demgegenüber nicht herangezogen werden kann. Da sich die Herausgabepflicht nach § 818 Abs. 1 BGB auf die Nutzungen beschränkt, die der Bereicherte aus dem ohne Rechtsgrund erlangten Gegenstand oder aus einem Surrogat gezogen hat, muss die Ertragslage des Versicherers, auf die sich der Versicherungsnehmer zur Darlegung des Nutzungsherausgabeanspruchs bezieht, die Verwendung der rechtsgrundlos erbrachten Beitragszahlungen abbilden. Das ist bei der Eigenkapitalrendite nicht der Fall, weil sie Erträge berücksichtigt, die sich unter keinen Umständen als das Resultat der Verwendung der von dem Versicherungsnehmer rechtsgrundlos erbrachten Beitragszahlungen verstehen lassen; denn die Beiträge fließen ohne Differenzierung nach Prämienbestandteilen insgesamt in das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit des Versicherers ein. Auch mögen die Zahlung des Verwaltungskostenanteils der Versicherungsprämie sowie ein Anfall von Kostengewinnen die Höhe des bilanzierten Eigenkapitals etwa dadurch beeinflussen, dass sie einen Jahresüberschuss vergrößern oder einen Jahresfehlbetrag verringern; dies führt aber nicht dazu, dass der Versicherungsnehmer einem Aktionär des Versicherers gleichzustellen wäre, dem die Eigenkapitalrendite, die als betriebswirtschaftliche Kennzahl den Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Eigenkapital kennzeichnet, Aufschluss über die Verzinsung seiner Investition geben mag (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2020, Az.: IV ZR 5/19, – zitiert nach juris -, Rn. 17 ff. m. w. N.).
(2) Richtigerweise ist stattdessen auf die so genannte Netto- bzw. Reinverzinsung jedenfalls im Sinne eines aussagekräftigen Maßstabes für eine Schätzung nach § 287 ZPO abzustellen (vgl. KG, Urteil vom 10.01.2020, Az.: 6 U 158/18, – zitiert nach juris -, Rn. 51 m. w. N.; ausdrücklich nicht beanstandet im Anschluss bei BGH, Urteil vom 27.10.2021, Az.: IV ZR 45/20, – zitiert nach juris -, Rn. 18).
(a) Soweit sie nicht in den Geschäftsberichten der Lebensversicherer als solche bzw. bei Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat, einem EWR-Vertragsstaat oder einem Drittstaat mit einer inhaltlich kongruenten Größe in den Geschäftsberichten angegeben ist, errechnet sie sich als Anteil des jährlichen Kapitalanlageergebnisses in Prozent des mittleren Jahresbestands an Kapitalanlagen; damit stellt sie den Quotienten dar aus den ordentlichen und außerordentlichen Kapitalanlageerträgen einschließlich der Zuschreibungen, vermindert um die Aufwendungen für die Verwaltung der Kapitalanlagen, die Zinsaufwendungen und die sonstigen Aufwendungen für Kapitalanlagen, ferner die Abschreibungen auf Kapitalanlagen und die Verluste aus dem Abgang von Kapitalanlagen und aus dem mittleren Bestand an Kapitalanlagen zum Ende des Vorjahres und zum Ende des Geschäftsjahres, aus dem die Erträge und Aufwendungen erwuchsen (vgl. Grote/Schaaf, Rückabwicklung von kapitalbildenden und fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen nach Widerspruch – Antworten zur Frage der Anspruchshöhe mit Blick auf den Nutzungsersatz, VersR 2020, 521/523 m. w. N.).
(b) Der Heranziehung dieser Größe lässt sich im Übrigen nicht damit begegnen, dass die Höhe der Nettoverzinsung auf einem kollektiven Kapitalanlageprozess basiert.
(aa) Dementsprechend werde sie gerade in der noch immer anhaltenden Niedrigzinsphase maßgeblich beeinflusst durch die hohen Erträge aus langlaufenden festverzinslichen Kapitalanlagen, während sie bei der individuellen Anlage der Sparanteile der Prämien zu einem einzelnen Vertrag nie erreicht worden wäre. Dass sich ein Neukunde mit Abschluss einer Lebensversicherung in Ansehung der Gesamtverzinsung seiner Beiträge in den bei Abschluss seines Vertrags vorhandenen Kapitalstock des betreffenden Lebensversicherers und seinem Kollektiv „einkaufe“ und dadurch von den durch ältere Verträge geschaffenen Kapitalerträgen profitiere, entspreche dem Kollektivgedanken einer Versicherung. Denn entsprechend zehrten Neukunden, die zehn oder zwanzig Jahre später dem Kollektiv beiträten, von denjenigen Erträgen, welche über einen Zeitraum von zwanzig bis dreißig Jahren hinweg aus seinen Beiträgen generiert würden. Genau diesem Kollektiv wolle der widersprechende Versicherungsnehmer aber nicht angehören. Werde der Lebensversicherungsvertrag mit einem nach § 5a VVG a. F. erklärten Widerspruch unwirksam, löse sich der Versicherungsnehmer damit ganz bewusst aus dem Versichertenkollektiv; dies mache deutlich, dass er gerade nicht die auf Basis einer kollektiven Kapitalanlage kalkulierten Versicherungsleistungen wolle. Dann aber sei es unbillig, wenn er im Zuge einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Vertrags über eine Nutzungsberechnung anhand der Nettoverzinsung gleichwohl mittelbar doch an der kollektiven Kapitalanlage des Versicherers partizipiere. Gerade im Niedrigzinsumfeld erscheine dies in höchstem Maß unbillig, auch wenn der widersprechende Versicherungsnehmer dabei gegebenenfalls umgekehrt Negativzinsen hinnehmen müsse (vgl. Grote/Schaaf, a. a. O., VersR 2020, 521/524 m. w. N.).
(bb) Die vorstehende Argumentation verkennt, dass für den Anspruch des Bereicherungsgläubigers auf Nutzungsersatz seine ursprünglichen Motive für das von Anfang an nichtige Investitionsgeschäft oder die Hintergründe seiner späteren, zu dessen Unwirksamkeit führenden Erklärung ebenso unerheblich sind wie der eventuelle Gewinn, den er bei einer anderweitigen Verwendung des rechtsgrundlos an den Bereicherungsschuldner Geleisteten in Eigeninitiative hätte erwirtschaften können. Ziel des bereicherungsrechtlichen Ausgleiches ist vielmehr, dass der Bereicherungsschuldner durch die ungerechtfertigte Vermögensverschiebung weder wirtschaftliche Nachteile noch Vorteile hat (vgl. Grüneberg-Sprau, BGB, 81. Aufl., 2022, § 818 Rn. 2 m. w. N.). Damit wäre es aber nicht zu vereinbaren, wenn man dem Versicherungsnehmer eine Beteiligung an den Nutzungen, welche der Versicherer aufgrund seiner Stellung am Markt in höherem Umfang zu erzielen in der Lage war als dies dem Versicherungsnehmer als (einzelnem) Verbraucher möglich gewesen wäre, (nur) deshalb versagte und dem Versicherer die betreffenden Nutzungen beließe, weil der Versicherungsnehmer sich im Falle eines Widerspruches gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrages einer Beteiligung an der Anlagestrategie des Versicherers (wieder) entzieht; nicht zuletzt stellte sich die Frage, ob demgegenüber eine Differenzierung für die Fallgestaltungen notwendig wäre, in denen eine Nichtigkeit des Versicherungsvertrages von Anfang an und ohne das Erfordernis eines Tätigwerdens des Versicherungsnehmers gegeben ist.
(c) Beziffert die Beklagte nach all dem ihrerseits Nutzungen für die einzelnen Verträge (bloß) in Höhe von 16,21 € bzw. 4,02 € und 3,91 €, ist in keiner Weise etwas dazu ersichtlich, in welchem konkreten (geringeren) Umfang Verwaltungskosten zur Nutzungsziehung zur Verfügung gestanden hätten und wie sich die Nutzungen dann ermittelten; auch darin ist damit ein (ausreichend) substantiiertes Bestreiten nicht zu erkennen. Insbesondere geht der Verweis der Beklagten darauf ins Leere, dass die Versicherten schon aufgrund der Regelungen in § 139 VAG in Verbindung mit der MindZV an Überschüssen unverbrauchter Verwaltungskosten zu beteiligen bzw. beteiligt worden seien; denn nach § 24 der Bedingungen der Beklagten für die Fondsgebundene Rentenversicherung bzw. § 23 der Bedingungen für die Fondsgebundene Kinderrentenversicherung ist der Kläger an Überschüssen der Beklagten gar nicht beteiligt. Ergänzender Vortrag der Beklagten hierzu ist auch auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis ausgeblieben.
cc. Die von dem Kläger vorgenommene Ermittlung eines Nutzungsersatzes, welcher ihm aus dem Verwaltungskostenanteil der an die Beklagte geleisteten Prämien zusteht, bedarf allerdings im Hinblick auf das gewählte Rechenverfahren und damit auch das Berechnungsergebnis einer teilweisen Korrektur.
(1) Die Höhe der von dem Kläger für die maßgebliche Nettoverzinsung zugrunde gelegten einzelnen Zinsfüße hat die Beklagte als solche nicht bestritten.
(2) Weiterhin ist § 256 BGB ohne Einfluss auf die Ermittlung von Nutzungsvorteilen. Die Vorschrift regelt allein einen Zinsanspruch desjenigen, der die Aufwendungen gemacht hat; zu einem Anspruch des im Hinblick auf die Aufwendungen Ersatzverpflichteten gegen den Ersatzberechtigten auf Nutzungen eines diesem überlassenen Gegenstandes sagt die Regelung im Umkehrschluss aus § 256 Satz 2 BGB dagegen gerade nichts aus.
(3) Zutreffend geht der Kläger dann noch davon aus, dass die Nutzungen für jede einzelne Verwaltungskostenposition stichtagsbezogen mit dem Zinssatz des jeweiligen Jahres bis zum Jahresende sowie in den Folgejahren mit den für sie ermittelten Zinssätzen bis zum 14.02.2016 errechnet werden können; herauszugeben sind die Nutzungen, welche ab der Entstehung des Hauptanspruches bis zur Herausgabe des Erlangten gezogen werden (vgl. Grüneberg-Sprau, a. a. O., § 818 Rn. 9 m. w. N.).
(a) Verfehlt ist es dagegen, wenn in diese Berechnung in den Folgejahren jeweils die für das vorhergehende Jahr ermittelten Nutzungen kumulierend mit einbezogen werden. Denn herauszugeben sind (nur) die Nutzungen aus dem (primären) Bereicherungsgegenstand (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger-Martinek, jurisPK BGB, 9. Aufl., 2020, § 818 Rn. 11 m. w. N.), nicht aber auch Nutzungen aus den (sekundären) Nutzungen selbst; dem Zinseszinsverbot aus §§ 248 Abs. 1, 289 Satz 1 BGB ist insoweit auch im Rahmen von § 818 Abs. 1 BGB Rechnung zu tragen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.04.2018, Az.: 9 U 89/17, Rn. 61; a. A. beispielsweise OLG Stuttgart, Urteil vom 08.08.2019, Az.: 7 U 154/19, Rn. 61 f., wo eine Berechnung von Nutzungen einschließlich Zinseszinsen als „nicht zu beanstanden“ bezeichnet wird, jeweils zitiert nach juris). So wäre ein Verweis auf den (bloßen) Wortlaut des § 248 Abs. 1 BGB für eine fehlende Relevanz des Zinseszinsverbotes bei der Nutzungsberechnung gemäß § 818 Abs. 1 BGB verkürzt. Die erstgenannte Vorschrift bezieht sich zugegebenermaßen allein auf rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, mit denen eine Anspruchsgrundlage für Zinseszinsen geschaffen werden soll; sie bringt jedoch zusammen mit §§ 289 Satz 1 BGB, 353 Satz 2 HGB ein allgemeines Prinzip des Zivilrechts zum Ausdruck, keine Zinseszinsforderungen zuzuerkennen (vgl. Gsell/Krüger/Lorenz/ Reymann-Coen, BeckOGK, Stand: 01.12.2021, § 248 BGB Rn. 9 m. w. N.).
(b) Außerdem hat der Kläger auch Nutzungsersatz für die Kostenpositionen der Beitragsfreistellungen sowie der Teilauszahlung und der Änderung der Anlagestrategie im März 2013 im Rahmen des Vertrages X berechnet, die – wie unter Ziffer 1d cc (3), Seite 19, erläutert – davon auszunehmen sind.
(c) Berücksichtigt man die zuvor unter lit. (a) und (b) angesprochenen Punkte, ergibt sich ein Nutzungsersatz zu Gunsten des Klägers auf die Verwaltungskosten in Höhe von (nur)
Vertrag Nr. X460,80 €Vertrag Nr. Y111,62 €Vertrag Nr. Z103,94 € 676,36 €
c. Addiert man die unter lit. a) und b) ermittelten Beträge, beläuft sich der dem Kläger zustehende Nutzungsersatz auf (186,56 € + 676,36 € =) 862,92 €; das Landgericht hat demgegenüber insoweit für den Vertrag Nr. X (571,87 € + 510,89 € =) 1.082,76 €, für den Vertrag Nr. Y (142,91 € + 119,79 € =) 262,70 € und für den Vertrag Nr. Z (138,06 € + 111,14 € =) 249,20 €, d. h. insgesamt (1.082,76 € + 262,70 € + 249,20 € =) 1.594,66 € ausgeurteilt.
3. Der Kläger hat schließlich einen Anspruch gegen die Beklagte auf Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus (10.971,70 € + 862,92 € =) 11.834,62 € seit dem 25.07.2018 sowie aus 36.127,11 € für die Zeit (mindestens) vom 25.02.2016 bis zum 24.07.2018 gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Die E-Mail der Beklagten vom 15.02.2016 enthielt eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung, sodass es für den Eintritt eines Verzuges der Beklagten auf den Ablauf der in dem Schriftsatz der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 10.02.2016 zum 24.02.2016 gesetzten Frist schon gar nicht mehr ankam.
4. Anzumerken bleibt abschließend, dass sich eine Unbegründetheit der Berufung insgesamt nicht etwa daraus ableiten lässt, dass man schlichtweg den durch das Landgericht zu hoch zugesprochenen Nutzungsersatz mit einem weitergehenden Betrag des Klägers auf eine Rückerstattung geleisteter Prämien, als er in der angefochtenen Entscheidung ausgeurteilt worden ist, ausgleicht. Denn im Verhältnis von Hauptanspruch und Nutzungen zueinander handelt es sich nicht nur um einzelne Rechnungsposten innerhalb eines (einheitlichen) Anspruches, sondern um jeweils eigenständige Streitgegenstände (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.1995, Az.: XII ZR 104/94, – zitiert nach juris -, Rn. 10 m. w. N.); das Berufungsgericht ist insofern gemäß § 528 ZPO daran gehindert, die eine Forderung zu kürzen und die andere zu erhöhen, nachdem der Kläger selbst kein (Anschluss)Rechtsmittel eingelegt hat (vgl. Vorwerk/Wolf-Wulf, BeckOK ZPO, Stand: 01.12.2021, § 528 Rn. 10 m. w. N.).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO unter verschiedenen Gesichtspunkte zuzulassen; so bestehen zu mehreren entscheidungserheblichen Fragen differierende Auffassungen unter den Obergerichten, ohne dass – soweit ersichtlich – zu ihnen bislang eine höchstrichterliche Klärung vorläge.
1. Dies betrifft zum einen, ob sich die Berechtigung eines Informationsbedürfnisses des Versicherungsnehmers hinsichtlich einer Antragsbindungsfrist objektiv oder stattdessen nach den zeitlichen Zusammenhängen zwischen der Beantragung eines Versicherungsvertrages und der Ausfertigung des Versicherungsscheines durch den Versicherer im Einzelfall bestimmt und in der Folge unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Verbraucherinformation von einem Vertragsschluss im Antrags- oder im Policenmodell auszugehen ist.
2. Zum anderen wird hier zwar davon ausgegangen, dass die Frage einer überhaupt bestehenden Möglichkeit der Verwirkung des Widerspruches bei unzureichenden Verbraucherinformationen im Rahmen des am 09.09.2021 ergangenen Urteils des EuGH bereits eine sozusagen „höchsthöchstrichterliche“ Klärung erfahren hat; nach von der Beklagten vorgelegten Entscheidungen anderer deutscher Obergerichte wird dies allerdings abweichend gesehen, weil das Urteil zu einer anderen Richtlinie ergangen sei, sodass sich eine grundsätzliche Bedeutung (doch) wieder unter diesem Aspekt ergibt.
3. Schließlich wird eine Geltung des Zinseszinsverbotes im Zusammenhang mit der Berechnung von Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB unterschiedlich beurteilt.
V. Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 39 Abs. 1, 43 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO.
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