OLG Sachsen-Anhalt 2 Wx 41/21

Dezember 20, 2022

OLG Sachsen-Anhalt 2 Wx 41/21 – Bindungswirkungen eines nach §§ 383 Abs. 1 + 385 + 391 Abs. 2 ZGB-DDR errichteten gemeinschaftlichen Testaments

Die Bindungswirkungen eines nach §§ 383 Abs. 1, 385, 391 Abs. 2 ZGB-DDR errichteten gemeinschaftlichen Testaments beziehen sich nach § 390 ZGB-DDR i.V.m. Art. 235 § 2 Abs. 2 EGBGB, sowohl auf wechselbezügliche als auch auf einseitige Verfügungen der Testierenden.

Haben die testierenden Ehegatten von der nach § 390 Abs. 1 Satz 2 ZGB-DDR begründeten rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich gegenseitig zu ermächtigen, dass der überlebende Ehegatte vom gemeinschaftlichen Testament abweichende letztwillige Verfügungen treffen darf, bezieht sich diese Ermächtigung auf die Zeit nach dem ersten Erbfall und betrifft nicht die wechselseitige Einsetzung des jeweils anderen Ehegatten als Alleinerbe.

 Zu den Widerrufsmöglichkeiten eines gemeinschaftlichen Testaments nach dem Erbrecht des ZGB-DDR.

Verfahrensgang

vorgehend AG Dessau-Roßlau, 8. März 2021, 8 VI 524/20

Tenor OLG Sachsen-Anhalt 2 Wx 41/21

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Dessau-Roßlau vom 8. März 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beteiligte zu 2) zu tragen.
Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 306.000 € festgesetzt.

Gründe

A.
Der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger, hatte seinen Lebensmittelpunkt seit 1945 ununterbrochen in Deutschland und bis zum Beitritt am 03.10.1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR.
Er war dreimal verheiratet. Aus der ersten, im Jahre 1970 geschiedenen Ehe ist M. H. geb. L. hervorgegangen.
Die Beteiligte zu 1) ist die im Jahre 1956 geborene Tochter der zweiten Ehefrau des Erblassers; sie wurde im Jahre 1995 als Erwachsene vom Erblasser adoptiert.
Die Beteiligte zu 2) war die dritte Ehefrau des Erblassers.
Der Erblasser hinterließ drei letztwillige Verfügungen:
Er errichtete gemeinsam mit seiner zweiten, am 09.09.2011 vorverstorbenen Ehefrau A. L. geb. D. am 27.01.1980 ein handschriftliches Testament, mit dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben – mit einer Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung an das Kind des Vorversterbenden – einsetzten (Ziffer 1) und den Überlebenden berechtigten, von diesem Testament abweichende Verfügungen zu treffen (Ziffer 4).
„Für den Fall des Todes beider Ehepartner“ setzten sie die hiesige Beteiligte zu 1) als Alleinerbin ein, ebenfalls mit der Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung an M. H. (Ziffer 2), welche im Falle des Nachweises der bereits erbrachten Zahlung entfiel (Ziffer 3).
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des am 11.06.2020 vom Nachlassgericht (erneut) eröffneten Testaments (Beiakte 8 IV 527/13 AG Dessau-Roßlau, Hülle Bl. 6) Bezug genommen.
Am 30.01.1992 errichtete der Erblasser handschriftlich ein weiteres Testament, mit dem er seine damalige (zweite) Ehefrau nach Erklärungen über die Eigentumszuordnung einzelner Vermögensgegenstände zu Lebzeiten sodann als Alleinerbin einsetzte und sie berechtigte, über den Nachlass nach eigenem Ermessen zu verfügen.
Die Beteiligte zu 1) sollte danach nur den Pflichtteil beanspruchen können. Wegen der Einzelheiten wird auf das am 11.06.2020 vom Nachlassgericht eröffnete Testament (Beiakte 8 IV 527/13 AG Dessau-Roßlau, Hülle Bl. 18) Bezug genommen.
Am 15.10.2009 errichtete der Erblasser zu UR Nr. …/2009 des Notars B. G. in N. in Sachsen ein Testament, mit welchem er seine damalige Lebensgefährtin, die Beteiligte zu 2), als alleinige und ausschließliche Erbin einsetzte.
Wegen der Einzelheiten wird auf das am 15.09.2020 vom Amtsgericht – Nachlassgericht – Pirna (zum Geschäftszeichen 01 IV 831/09) eröffnete Testament (vgl. Beiakte 8 IV 527/13 AG Dessau-Roßlau, Hülle Bl. 53) Bezug genommen.
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Am 28.07.2020 hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, welcher sie als Alleinerbin ausweist.
Sie hat sich in Unkenntnis des notariellen Testaments vom 15.10.2009 auf eine testamentarische Erbfolge aufgrund des ersten Testaments vom 27.01.1980 und darauf berufen, dass das zweite Testament vom 30.01.1992 lediglich eine Erbeinsetzung für den Fall des Vorversterbens des Erblassers vor seiner zweiten Ehefrau enthalte, so dass es für den im Jahre 2020 eingetretenen Erbfall nicht anwendbar sei.
Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 08.03.2021 die auf Grund des Antrags der Beteiligten zu 1) erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Gegen diese, ihr am 26.03.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer am 26.04.2021 vorab per Fax beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde.
Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 04.08.2021 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.
Im Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten abschließend zur Sach- und Rechtslage Stellung genommen.
B.
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist nach § 58 Abs. 1 FamFG zulässig, insbesondere ist die nach § 61 Abs. 1 FamFG notwendige Mindestbeschwer überschritten. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt worden.
II. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Nachlassgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass sich die Erbfolge nach dem Erblasser nach dem Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments vom 27.01.1980 richtet.
Dem steht insbesondere die letztwillige Verfügung des Erblassers vom 15.10.2009 nicht entgegen.
1. Das gemeinschaftliche Testament vom 27.01.1980 ist von dem Erblasser und seiner zweiten Ehefrau wirksam errichtet worden.
a) Nach Art. 235 § 2 Satz 1 EGBGB gilt, dass dann, wenn die Testierenden zur Zeit der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der früheren DDR hatten, auch bei einem nach dem 02.10.1990 eintretenden Erbfall das zur Zeit der Errichtung geltende DDR-Zivilrecht maßgeblich ist für die Frage der Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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Nach dem Vorbringen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren unterliegt es keinem Zweifel, dass der Lebensmittelpunkt der Testierenden im Jahre 1980 in Dessau-Roßlau lag und die Aufenthalte in der früheren Tschechoslowakei lediglich vorübergehenden Charakter hatten.
Der Wohnsitz, die Arbeitsstelle, die Orte der sozialen einschließlich der familiären Beziehungen befanden sich dort.
b) Das gemeinschaftliche Testament vom 27.01.1980 wurde nach den maßgeblichen Vorschriften der §§ 383 Abs. 1, 385, 391 Abs. 2 ZGB-DDR formwirksam errichtet, denn der Erblasser schrieb das Testament eigenhändig und beide Testierenden unterzeichneten dieses Dokument eigenhändig.
2. Die Beteiligten zu 1) und zu 2) gehen unter Berücksichtigung des Wortlauts, der systematischen Stellung und des Zusammenhangs mit den weiteren Regelungen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass die in Ziffer 2 des gemeinschaftlichen Testaments vom 27.01.1980 getroffene Regelung als die Einsetzung der Beteiligten zu 1) zur alleinigen Schlusserbin nach dem Tode des zuletzt versterbenden Ehegatten auszulegen ist.
3. Für die im gemeinschaftlichen Testament vom 27.01.1980 getroffenen Anordnungen traten Bindungswirkungen des Erblassers für spätere eigene letztwillige Verfügungen ein; diese Bindungswirkungen bezogen sich sowohl auf die in Ziffer 1 bestimmte wechselseitige Einsetzung als Alleinerben als auch auf die in Ziffer 2 enthaltene Schlusserbeneinsetzung.
a) Nach Art. 235 § 2 Satz 2 EGBGB gilt das zur Zeit der Errichtung des Testaments geltende Zivilrecht – hier das Erbrecht des ZGB-DDR – auch für die Bindung des Erblassers bei einem gemeinschaftlichen Testament.
Insoweit ist darauf zu verweisen, dass der DDR-Gesetzgeber im Unterschied zu § 2271 BGB in § 390 ZGB-DDR hinsichtlich der Wirkungen eines gemeinschaftlichen Testaments nicht zwischen sog. wechselbezüglichen und einseitigen Verfügungen der Testierenden differenzierte, sondern sämtliche letztwillige Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament einheitlichen Bindungswirkungen unterwarf (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 17.07.2009, 13 W 23/09, FamRZ 2010, 933).
b) Nach § 390 Abs. 1 Satz 2 ZGB-DDR bestand für die gemeinsam testierenden Eheleute (§ 388 ZGB-DDR) die rechtliche Möglichkeit, sich gegenseitig zu ermächtigen, vom gemeinschaftlichen Testament abweichende letztwillige Verfügungen zu treffen (vgl. zur Abgrenzung von testamentarischen Verfügungen zu Verfügungen unter Lebenden nach § 390 ZGB-DDR auch BGH, Urteil v. 18.01.1995, IV ZR 88/94, BGHZ 128, 302).
Von dieser Möglichkeit hatten der Erblasser und seine zweite Ehefrau Gebrauch gemacht und in ihrem gemeinschaftlichen Testament vom 27.01.1980 in Ziffer 4 bestimmt, dass „der Überlebende … berechtigt (sei), von diesem Testament abweichende Verfügungen zu treffen.“
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung bezog sich diese Ermächtigung auf die Zeit nach dem ersten Erbfall.
Sie betraf also nicht die wechselseitige Einsetzung als Alleinerben, sondern konnte sich nur auf eine Schlusserbeneinsetzung beziehen.
Von dieser Ermächtigung hat der Erblasser keinen Gebrauch gemacht, denn nach dem Tode seiner zweiten Ehefrau im Jahre 2011 hat er keine letztwillige Verfügung errichtet.
c) Im Übrigen bewirkte das gemeinschaftliche Testament vom 27.01.1980 nach § 390 Abs. 1 Satz 1 ZGB-DDR eine Bindung der Ehegatten an deren Inhalt, welche nur durch einen wirksamen Widerruf oder eine Aufhebung des gemeinschaftlichen Testaments beseitigt werden konnte.
4. Die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 27.01.1980 ist entgegen der Rechtsansicht der Beteiligten zu 2) nicht entfallen.
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a) Nach der auf den vorliegenden Fall anwendbaren Übergangsregelung des Art. 235 § 2 Satz 1 EGBGB richtet sich die Aufhebung einer letztwilligen Verfügung ebenfalls nach dem Errichtungsstatut (vgl. auch Weidlich in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022 – online über www.grueneberg.beck.de, Art. 235 § 2 Rn. 3 m.w.N.).
a) Eine wirksame Aufhebung des gemeinschaftlichen Testaments i.S.v. § 393 ZGB-DDR nimmt die Beteiligte zu 2) schon nicht in Anspruch.
Dies setzte nach der Annahme der Erbschaft nach der vorverstorbenen zweiten Ehefrau durch den Erblasser voraus, dass er eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht hätte abgeben sowie das durch die Erbschaft Erlangte an die (weiteren) gesetzlichen Erben der Ehefrau hätte herausgeben müssen, soweit es seinen gesetzlichen Erbteil übersteigt. Hieran fehlt es.
b) Das gemeinschaftliche Testament vom 27.01.1980 wurde auch nicht dadurch unwirksam, dass die Ehe zwischen dem Erblasser und seiner zweiten Ehefrau geschieden oder für nichtig erklärt wurde (§ 392 Abs. 3 ZGB-DDR). Die Ehe des Erblassers mit seiner zweiten Ehefrau endete durch deren Tod im Jahre 2011.
c) Für den Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments wurde in § 392 ZGB-DDR unterschieden zwischen einem Widerruf zu Lebzeiten beider Testierenden – insoweit waren ein gemeinsamer Widerruf (§ 392 Abs. 1 ZGB-DDR) und ein einseitiger Widerruf (§ 392 Abs. 2 ZGB-DDR) zugelassen – und einem Widerruf nach dem Tode eines Ehegatten (§ 392 Abs. 4 ZGB-DDR).
aa) Einen gemeinsamen Widerruf gab es nicht.
bb) Für einen einseitigen Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments nach dem Tode der zweiten Ehefrau des Erblassers fehlt es schon an einer hierfür vorausgesetzten Erklärung des Erblassers gegenüber dem Nachlassgericht.
Zudem setzte ein solcher Widerruf nach § 392 Abs. 4 Halbsatz 2 ZGB-DDR ein Ausschlagen der Erbschaft nach der Ehefrau voraus, während der Erblasser hier die Erbschaft nach seiner Ehefrau angenommen hatte.
cc) Für den einseitigen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments zu Lebzeiten des anderen Ehegatten verlangte § 392 Abs. 2 ZGB-DDR, wie das Nachlassgericht zu Recht ausgeführt hat, eine entsprechende notariell beurkundete Erklärung des Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten. Notwendig war also eine formbedürftige und empfangsbedürftige Willenserklärung. Beide Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt.
(1) Der Senat schließt sich der Bewertung des Nachlassgerichts an, dass die zu UR Nr. …/2009 des Notars B. G. in N. in Sachsen vom 15.10.2009 beurkundete Erklärung des Erblassers schon keinen Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments vom 27.01.1980 beinhaltete.
Denn die Urkunde enthielt keine ausdrückliche Widerrufserklärung.
Der Erblasser erklärte zudem ausdrücklich, dass er nicht an ein gemeinschaftliches Testament gebunden sei.
Leugnet er aber die Existenz eines gemeinschaftlichen Testaments, so ist für eine Auslegung der nachfolgenden Erklärungen als (konkludente) Widerrufserklärung kein Raum. Soweit der Erblasser weiter erklärte, dass er mit seinem neuen Testament „sämtliche früheren Testamente ihrem vollen Inhalt nach auf(hebe)“, genügte dies inhaltlich nicht für den einseitigen Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments.
Die Erklärung bezog sich ihrem Wortlaut und Zweck darauf, einseitige und nach § 387 Abs. 1 ZGB-DDR ohne besondere Voraussetzungen widerrufbare Testamente „aus der Welt zu schaffen“; insoweit sah § 387 Abs. 2 Nr. 1 ZGB-DDR ausdrücklich einen Widerruf durch die Errichtung eines neuen Testaments vor, welches ein früheres Testament aufhebt.
(2) Es ist nach der Aktenlage auszuschließen, dass eine Ausfertigung der vorgenannten Urkunde der zweiten Ehefrau des Erblassers zuging.
Von dem Testament vom 15.10.2009 wurde lediglich eine Ausfertigung erstellt, welche am 16.10.2009 beim Amtsgericht – Nachlassgericht – Pirna in amtliche Verwahrung gegeben wurde. Soweit die Beteiligte zu 2) behauptet hat, dass die (zweite) Ehefrau des Erblassers vom Inhalt des Testaments vom 15.10. 2009 Kenntnis erlangt habe, kommt es hierauf nach dem Vorausgeführten nicht an, weil ein Zugang der formbedürftigen Erklärung selbst notwendig ist.
5. Die zeitlich nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 27.01.1980 errichteten Testamente des Erblassers, insbesondere das notarielle Testament vom 15.10.2009, ändern an der testamentarischen Erbfolge nichts.
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a) Nach § 390 Abs. 2 Satz 2 ZGB-DDR sind letztwillige Verfügungen des überlebenden Ehegatten nichtig, wenn und soweit sie dem gemeinschaftlichen Testament widersprechen (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 27.05.2020, 2 Wx 3/19, unveröffentlicht).
b) Es kann offenbleiben, ob die vom Erblasser in seinem Testament vom 30.01.1992 getroffene letztwillige Verfügung nichtig ist, denn der darin vorgesehene Fall seines eigenen Vorversterbens vor seiner zweiten Ehefrau ist ohnehin nicht eingetretenen.
Für eine Nichtigkeit dieser Anordnung könnte allerdings der Wegfall der im gemeinschaftlichen Testament in Ziffer 1 vorgesehenen Auflage zugunsten der Beteiligten zu 1) sprechen. Jedenfalls war dieses Testament nichtig, soweit es eine Enterbung der Beteiligten zu 1) anordnete.
c) Die in dem Testament vom 15.10.2009, also zu Lebzeiten der zweiten Ehefrau des Erblassers, vorgenommene Einsetzung der Beteiligten zu 2) als Alleinerbin des Erblassers verstieß eindeutig gegen die in Ziffer 1 des gemeinschaftlichen Testaments vom 27.01.1980 bestimmte Erbeinsetzung der zweiten Ehefrau.
d) Die Rechtsfolge der Abweichung war nach § 392 Abs. 2 Satz 2 ZGB-DDR die Nichtigkeit der Verfügung, so dass auch eine nachträgliche Umdeutung des Testaments vom 15.10.2009 nach dem Tode der zweiten Ehefrau des Erblassers nicht in Betracht kommt.
aa) Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein nach dem ZGB-DDR nicht (mehr) geregelter Erbvertrag in ein einseitiges notarielles Testament umgedeutet werden kann; insoweit beruht die Umdeutung jedoch maßgeblich darauf, dass das DDR-Recht den Erbvertrag weder als Institut der Verfügung von Todes wegen ausdrücklich verbot noch den Erbvertrag als mit den elementaren Grundsätzen der Erbordnung für unvereinbar erachtete (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 03.02.2022, 2 Wx 15/21, unveröffentlicht; Thüringer OLG, Beschluss v. 21.10.1993, 6 W 14/93; FamRZ 1994, 786).
Dem gegenüber war eine vom gemeinschaftlichen Testament abweichende letztwillige Verfügung ausdrücklich verboten.
bb) Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich auch von einer Umdeutung eines unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein – von der Rechtsordnung anerkanntes – wirksames Einzeltestament, z.B. bei Unwirksamkeit wegen der Errichtung durch Nichtehegatten (vgl. BGH, Urteil v. 16.06.1987, IVa ZR 74/86, NJW-RR 1987, 1410; OLG Braunschweig, Beschluss v. 21.04.2005, 2 W 225/04, NJW-RR 2005, 1027; OLG Naumburg, Beschluss v. 24.09.1997, 10 Wx 25/97, JMBl. LSA 1998, 319) oder wegen der Testierunfähigkeit eines Ehegatten (vgl. OLG München, Beschluss v. 23.07.2014, 31 Wx 204/14, FamRZ 2015, 535; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 19.02.2016, I-3 Wx 40/14, FamRZ 2016, 1206) oder wegen Formnichtigkeit bei einem abwechselnd niedergeschriebenen Testamentstext (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.04.2021, I-3 Wx 219/20, FamRZ 2021, 1416).
In allen vorgenannten Konstellationen verbleibt es inhaltlich unverändert bei der Anordnung des Testierenden; sein Erblasserwille wird auf einem rechtlich zulässigen Wege realisiert.
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Im vorliegenden Fall kann der Erblasserwille, dass statt der zweiten Ehefrau nunmehr die neue Lebensgefährtin als Alleinerbin des Erblassers bestimmt werden soll, nicht in zulässiger Weise umgesetzt werden.
6. Nach den Vorausführungen ist die Beteiligte zu 1) auf Grund von Ziffer 2 des gemeinschaftlichen Testaments vom 27.01.1980 nach dem Tode sowohl der zweiten Ehefrau des Erblassers als auch des Erblassers selbst Alleinerbin geworden.
C.
I. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 82 und 84 FamFG.
II. Die Festsetzung des Kostenwerts des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 36 Abs. 1, 40 Abs. 1 GNotKG. Der Senat hat dabei die Angaben der Beteiligten zu 1) anlässlich der Antragstellung am 28.07.2020 zugrunde gelegt.
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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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