OLG Schleswig 3 U 11/08 Pflichtteilsergänzungsanspruch: Berücksichtigung von Nießbrauch und Leibrentenverpflichtung im Zusammenhang mit einer Grundstücksschenkung
Ist bei der Anwendung des Niederstwertprinzips (§ 2325 Abs. 2 S. 2 BGB) der Wert eines Grundstücks zum Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich, so kommt ein dem Erblasser vorbehaltener Nießbrauch nicht als Wertminderung der Schenkung in Ansatz, wohl aber eine Verpflichtung des Grundstücksübernehmers zur Zahlung einer Leibrente an den Erblasser.
Die Bewertung der Leibrentenverpflichtung erfolgt abstrakt kapitalisiert nach der Anl. 9 zu § 14 BewG.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17. Dezember 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 24.348,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. April 2006 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der I. Instanz tragen der Kläger zu 28 %, die Beklagte zu 72 %.
Die Kosten der II. Instanz tragen der Kläger zu 6 % und die Beklagte zu 94 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung gegen sie durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
I.
Die Parteien sind die Kinder der am 15. Mai 2005 verstorbenen A. Der Vater ist vorverstorben. Die Beklagte ist aufgrund Testaments der Mutter vom 3. November 1978 deren Alleinerbin. Sie hatte der Beklagten am 18. März 1975 vorbehaltlos ein Grundstück geschenkt und am 3. November 1978 ein weiteres Grundstück, bei dem sie sich den lebenslänglichen Nießbrauch vorbehalten hatte, dessen Jahreswert mit 3.500,00 DM angegeben wurde (Bl. 34-39 d. A.).
OLG Schleswig 3 U 11/08
Außerdem übernahm die Beklagte bei der zweiten Schenkung die Verpflichtung zur Zahlung einer monatlichen Leibrente in Höhe von 100,00 DM, anzupassen nach dem Lebenshaltungsindex.
Der Eigentumsübergang einschließlich der Nießbrauchsbestellung ist am 22. März 1979 in das Grundbuch eingetragen worden. Der Grundbesitz war zur Zeit der Schenkung verpachtet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Urkunde vom 3. November 1978 verwiesen.
Der Kläger hat die Beklagte erstinstanzlich auf Erteilung einer Auskunft über den Nachlassbestand in Anspruch genommen. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Nach Auskunftserteilung hat der Kläger Zahlung in Höhe von 33.415,76 € nebst Zinsen verlangt.
Den Zahlungsbetrag hat er im Wesentlichen aus einem angeblichen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung errechnet, dessen er sich wegen der Schenkung vom 3. November 1978 berühmt. Er hat zugrunde gelegt, dass der Grundstückswert zur Zeit der Schenkung, bei inflationsbereinigter Berechnung auch unter Abzug des Nießbrauchswertes und der Leibrentenlast höher sei als der zur Zeit des Erbfalls.
Dementsprechend hat er den genannten Zahlungsantrag unter Berücksichtigung des angeblichen Wertes des Grundstücks beim Erbfall gestellt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Er hat einen niedrigeren Grundstückswert zur Zeit der Schenkung abzüglich der Belastungen durch Nießbrauch, Leibrentenverpflichtung und Grundpfandrechten behauptet. Hieraus hat er einen negativen Wert der Schenkung ermittelt.
Das Landgericht hat aufgrund Beschlusses vom 25. April 2007 ein Sachverständigengutachten über den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks zum 22. März 1979 und zum 15. Mai 2005 eingeholt. Der Sachverständige B hat in seinem Gutachten vom 14. August 2007 für das unbelastete Grundstück folgende Werte ermittelt:
Bodenwert zum 22. März 1979 | 107.000,00 € |
Bodenwert zum 15. Mai 2006 | 110.000,00 € |
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Daneben hat er den Wert des Nießbrauchs – diesen nach zwei alternativ dargebotenen Berechnungsmethoden – und der Leibrente errechnet. Er kommt zu folgenden Werten:
Variante 1 | Variante 2 | |
Wert ohne Belastung | 107.000,00 € | 107.000,00 € |
Nießbrauch | 13.700,00 € | 20.100,00 € |
Leibrente | 6.900,00 € | 6.900,00 € |
Verkehrswert | 86.400,00 € | 80.000,00 € |
Im Laufe des Rechtsstreits haben die Parteien den Wert des restlichen Nachlasses mit 400,00 € und die Höhe der Nachlassverbindlichkeiten mit 6.500,00 € unstreitig gestellt.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 25.975,00 € nebst Zinsen stattgegeben. In dieser Höhe stehe dem Kläger ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Den Pflichtteilsergänzungsanspruch hat es anhand des Niederstwertprinzips ermittelt.
Dessen Anwendung soll nach Auffassung des Landgerichts dazu führen, dass bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsbetrages von dem vollen Grundstückswert ohne Abzüge wegen des Nießbrauchs oder der von dem Kläger erbrachten Leibrentenzahlungen auszugehen sei.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei nämlich der Grundstückswert zur Zeit des Erbfalls niedriger als zur Zeit der Schenkung. Sei aber der Wert zum Todeszeitpunkt maßgeblich, so bleibe der Wert der vorausgegangenen Belastungen unberücksichtigt. Sonstige den Grundstückswert zu dieser Zeit noch schmälernde Belastungen seien nicht dargetan.
Letztlich hat das Landgericht einen bereinigten Nachlasswert von 103.900,00 € und einen sich hieraus ergebenden Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 25.975,00 € errechnet. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachverhalts und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
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In ihrer Berufung beanstandet die Beklagte, dass das Landgericht das Niederstwertprinzip falsch angewandt habe. Maßgeblich sei der Grundstückswert zur Zeit der Schenkung, weil dieser niedriger sei als zur Zeit des Erbfalls. Der Wert zur Zeit der Schenkung habe ausweislich des Gutachtens 86.400,00 € und nicht, wie es das Landgericht annehme, 107.000,00 € betragen.
Von dem maßgeblichen Wert sei der des Nießbrauchs abzuziehen, der sich nach der tatsächlichen Nutzungszeit berechnen müsse, weil die zur Zeit der Schenkung 65-jährige Erblasserin die statistische Lebenserwartung von noch 17 Jahren mit tatsächlich noch 26 Lebensjahren weit überschritten habe. Außerdem sei die Leibrentenverpflichtung zu berücksichtigen. Diese habe faktisch den Kaufpreis für den Grundstückserwerb dargestellt. Es ergäben sich so folgende Abzugspositionen:
Nießbrauch 26 Jahre x 3.500,00 DM = | 91.000,00 DM | (= 46.527,56 €) |
Leibrente 307 Monate x 100,00 DM = | 30.700,00 DM | (= 15.696,66 €) |
Nur der mit diesen Abzügen ermittelte Restwert des Grundstücks, so die Beklagte, stelle eine Schenkung dar. Außerdem seien die Nachlassverbindlichkeiten (Kosten der Beisetzung in Höhe von 6.500,00 €) noch abzuziehen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kaufkraftschwund nicht zu berücksichtigen sei. Der Pflichtteilsergänzungsberechtigte solle so gestellt werden, wie er stünde, wenn er den geschenkten Gegenstand in Geld umgesetzt hätte. Der Geldbetrag habe einen Kaufkraftschwund erlitten. Eine Negativentwicklung aber gehe zu Lasten des Pflichtteilsergänzungsberechtigten.
Die Beklagte meint, dass selbst bei Zugrundelegung des Grundstückswerts zur Zeit des Erbfalls die Positionen Nießbrauch, Leibrente und Kosten der Beisetzung in Abzug zu bringen seien. Bei einer gemischten Schenkung sei nur der Teil des Gegenstandes geschenkt, für den keine Gegenleistung erbracht sei.
Bei der Bewertung der Schenkung sei deshalb sowohl zum Zeitpunkt der Schenkung als auch zu dem des Erbfalls nur der geschenkte Teil zu bewerten, stets also die Gegenleistung abzuziehen. Anderenfalls käme es zu Zufallsergebnissen abhängig davon, wie kurz oder lang nach der Schenkung ein Erblasser noch lebe.
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Ginge man hingegen mit dem Landgericht davon aus, dass weder der Nießbrauch noch die Leibrente vom Grundstückswert abzuziehen seien, so wären sie dem Grundstückswert folgerichtig sogar hinzuzuaddieren, sodass sich der Wert des Grundstücks mit zunehmenden Alter der Erblasserin laufend erhöht hätte, weil der Nießbrauchswert und die Höhe der Leibrentenzahlungen stiegen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Seines Erachtens ist der Wert des Grundstücks zur Zeit der Schenkung mit 107.000,00 € (bei der Angabe „110.000,00 €“ handelt es sich erkennbar um einen Tippfehler) anzusetzen.
Der Betrag von 86.400,00 € ergebe sich erst nach Abzug von Nießbrauch und Leibrente. Inflationsbereinigt sei der Wert zur Zeit der Schenkung höher als zur Zeit des Erbfalls. Deshalb sei nach dem Niederstwertprinzip für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsbetrages letzterer maßgeblich. Abzüge hiervon seien nicht vorzunehmen.
Das Nießbrauchsrecht sei ohnehin inhaltsleer. Der Grundbesitz sei ausweislich des § 3 des Grundstücksüberlassungsvertrages verpachtet gewesen und die Beklagte sei in den Pachtvertrag eingetreten. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass die Pacht an die Erblasserin gezahlt worden sei.
II.
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Die Berufung ist weitgehend unbegründet.
In Höhe von 24.348,94 € hat das Landgericht dem Kläger zu Recht einen Pflichtteilsergänzungsanspruch zuerkannt.
Der Kläger hat wegen der Schenkung vom 3. November 1978 einen Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2325 Abs. 1 BGB. Die Schenkung ist berücksichtigungsfähig, weil sie innerhalb der Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB liegt. Für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Leistung maßgeblich. Dies ist bei einer Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht etwa der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs, sondern erst der, in dem der Nießbrauch wegfällt (BGH NJW 1994, 1791 f.; Senat, Beschluss vom 2. März 2008 S. 3 f. – 3 W 59/06 – m. w. N.).
Das wird damit begründet, dass eine Leistung im Sinne des § 2325 Abs. 3 BGB erst vorliegt, wenn der Erblasser den “Genuss” des verschenkten Gegenstandes nach der Schenkung tatsächlich entbehren muss. Das ist so lange nicht der Fall, als ihm der Nießbrauch zusteht. Dies wird von keiner der Parteien auch in Frage gestellt.
Bei der Berechnung der Höhe der ergänzungspflichtigen Schenkung ist von einem Grundstückswert in Höhe von 110.000,00 € abzüglich des kapitalisierten Wertes der Leibrentenverpflichtung von 6.504,25 € auszugehen.
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Der für die Berechnung maßgebliche Grundstückwert ist der Wert zur Zeit des Erbfalles. Das ergibt sich allerdings nicht zwangsläufig daraus, dass aufgrund des Nießbrauchsvorbehalts wirtschaftlich die Übertragung des Schenkungsgegenstands bis zum Tode der Erblasserin hinausgeschoben ist. Vielmehr ist auch in diesem Fall das Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB anzuwenden (BGH NJW 1994, 1791, 1792).
Danach ist zunächst zu prüfen, ob das Grundstück ohne Berücksichtigung des vorbehaltenen Nießbrauchs im Zeitpunkt der Umschreibung im Grundbuch weniger Wert war als beim Erbfall. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Vergleich vorzunehmen, bei dem der Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt der Schenkung inflationsbereinigt auf den Zeitpunkt des Erbfalls umgerechnet werden muss (BGH NJW 1994, 1791, 1792; BGHZ 85, 274, 282 f.; BGHZ 65, 75, 77; ebenso Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2006 – 3 W 50/06 -, S. 12; Palandt/Eden-hofer, 67. Aufl. 2008, § 2325 Rn. 18; MüKo/Lange, 4. Aufl. 2004, § 2325 Rn. 35).
Daran ist festzuhalten. Die Beklagte tritt dem unter Hinweis auf die Ausführungen von Pentz, FamRZ 1997, 724, 725 f. entgegen. Pentz hält die Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes nicht für richtig, weil sich aus § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB nicht entnehmen lasse, dass der Wert des Geschenks anders als mit den Werten, die es am jeweiligen Stichtag hatte, berücksichtigt werden solle. Durch die Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes erhalte der Pflichtteilsergänzungsberechtigte mehr, als ihm zustehe. Er profitiere von der Kaufkraftveränderung.
Der Bundesgerichtshof übersehe, dass es in § 2325 Abs. 2 BGB nur darum gehe, einen Stichtag zu bestimmen, nicht aber eine Ausgleichung zwischen Anspruchsberechtigten vorzunehmen, wie dies bei den §§ 2315, 2316 oder 2055 BGB der Fall sei, an denen er seine Rechtsprechung entwickelt habe. Das überzeugt nicht. Es ist nicht einzusehen, dass der Pflichtteilsberechtigte über das Risiko echter Wertminderung des Geschenks hinaus auch das Risiko der Geldentwertung tragen soll (MüKo/ Lange, 4. Aufl. 2004, § 2325 Rn. 35).
Das Gesetz geht, nicht nur in den von Pentz zitierten Normen, vom Grundsatz Mark = Mark aus, was aufgrund der Kaufkraftveränderung eben nicht zutrifft und berücksichtigt werden muss, wenn die Gesetzesanwendung nicht zu verzerrten Ergebnissen führen soll. Wenn nach § 2325 Abs. 2 BGB ein Vergleich des Wertes des Geschenks zu zwei verschiedenen Zeitpunkten vorzunehmen ist, so ist zuvor eine Veränderung des Bewertungsmaßstabs „Geld“ auszugleichen; ansonsten „hinkt“ der Vergleich (Staudinger/Olshausen, Bearb. 2006, § 2325 Rn. 107).
Die Wertbestimmung in § 2325 Abs. 2 BGB dient überdies überdies entgegen der Auffassung von Pentz durchaus auch einer Wertbestimmung im Rahmen von Anrechnungsvorschriften, nämlich der §§ 2326 und 2327 BGB (so wohl auch Staudinger/Olshausen, § 2325 Rn. 107).
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Richtig ist allerdings die Auffassung der Beklagten, dass der Wert der Schenkung unter Abzug der Verpflichtung zur Leibrentenzahlung ermittelt werden muss.
Ob in dieser Verpflichtung eine Gegenleistung oder eine Auflage zu sehen ist, mag in diesem Zusammenhang dahinstehen. Der Wert dieser Leistungen muss unabhängig davon bei der Bestimmung des Werts des Gegenstandes berücksichtigt werden (Soergel/Diekmann, 13. Aufl. 2002, § 2325 Rn. 15).
Wie dies zu geschehen hat, ist streitig. Ein Rückgriff auf die Grundsätze für die Bewertung eines vorbehaltenen Nießbrauchs bietet sich an (ebd. bei Anm. 70), bei der wiederum streitig ist, ob auf eine abstrakte Berechnungsweise nach der statistischen Lebenserwartung eines Erblassers zur Zeit der Schenkung oder rückblickend vom Todestag aus konkret auf den Wert der gezogenen Nutzungen abzustellen ist.
Die herrschende Meinung geht von einer Kapitalisierung nach der abstrakten Lebenserwartung des Erblassers aus, wobei eine Abzinsung nach der Anlage 9 zum Bewertungsgesetz vorzunehmen ist (jeweils zu § 2325 Frieser/Linder, 2. Aufl. 2007, Rn. 25; Soergel/Dieckmann Rn. 39; ausführlich zum Streitstand Staudinger/Olshausen Rn. 100-104; zur kapitalisierten Bewertung vertraglich vereinbarter Pflegeverpflichtungen OLG Celle, OLGR 2008, 770; Juris PK-BGB/ Birkenheier Rn. 114 f.).
Insbesondere Olshausen (in Staudinger, § 2325 Rn. 104) hält eine konkrete Berechnung für vorzugswürdig. Es wird auch vertreten, dass jedenfalls bei erheblichen Abweichungen zwischen abstrakt und konkret errechneten Kapitalisierungswert auf letzteren abzustellen ist (jeweils zu § 2325 Soergel/Diekmann Rn. 39; MüKo/Lange Rn. 34).
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung von einer Berechnung nach dem abstrakt zu errechnenden Kapitalisierungswert aus (etwa Beschluss vom 6. März 2008 – 3 W 85/06 -, S. 5 f.). Bei Anwendung des Kapitalisierungsfaktor 10,601 nach der Anlage 9 zu § 14 BewG ergäbe sich ein Wert der Pflegeverpflichtung von 12.721,20 DM (6.504,25 €).
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Abgestellt auf die konkrete Bezugszeit, errechnete sich ein Wert von (307 x 100,00 DM=) 30.700,00 DM (15.696,67 €). Selbst wenn man zugunsten der Beklagten von letzterem Wert ausginge (was nicht der Senatsrechtsprechung entspricht!), ergibt sich zur Zeit der Grundstücksübertragung ein Wert des Schenkungsanteils von (107.000,00 € – 15.696,68 € =) 91.303,33 €.
Unter Berücksichtigung des Kaufpreisschwundes nach dem allgemeinen Verbraucherpreisindex entspricht dies einem Wert zum Zeitpunkt des Erbfalles in Höhe von 168.573,24 €. Das ist deutlich mehr, als das Grundstück zum Zeitpunkt des Erbfalls tatsächlich wert war. Deshalb kommt es auf letzteren Wert an.
Daraus folgt dann aber auch, dass der Nießbrauch unberücksichtigt bleiben muss, denn er erlosch mit dem Tode der Erblasserin und belastete damit den Wert des Geschenks zum maßgeblichen Bewertungszeitpunkt nicht mehr (BGH NJW-RR 2006, 877, 878; OLG Celle, OLGR 2008, 770, 771 a. E.; Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2006 – 3 W 50/06 -, S. 13 f.; Palandt/Edenhofer, § 2325 Rn. 20).
Auf die Fragen, ob der Nießbrauch wirtschaftlich im vorliegenden Fall überhaupt eine Belastung der Schenkung darstellte und wie der Wert ggf. zutreffend zu berechnen wäre, kommt es deshalb nicht an.
Die Argumentation, dass bei einer Nichtberücksichtigung (der Leibrente und) des Nießbrauchs der Wert der Gegenleistung mit zunehmendem Alter der Erblasserin allmählich den Grundstückswert überstiege, übersieht, dass dies das Risiko jeder Grundstücksübertragung gegen Verpflichtung zu Versorgungsleistungen ist.
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Sollte der Übernehmer eines Grundstücks letztendlich wertmäßig höhere Versorgungsleistungen erbringen müssen als erwartet, verwirklichte sich darin nur ein sehenden Auges eingegangenes Risiko. Es ist nicht gerechtfertigt, ihm dies abzunehmen (OLG Celle, OLGR 2008, 770, 771). Er hätte sich dagegen schützen können, etwa durch eine Begrenzung der Versorgungsleistungen auf einen bestimmten Höchstbetrag.
Sehr wohl zu berücksichtigen bleibt der Wert der übernommenen Leibrentenverpflichtung. Denn ausgleichspflichtig im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist nicht die Grundstücksübertragung als solche, sondern die ihr zugrunde liegende Schenkung. Erfolgt eine Übertragung teilweise entgeltlich, teilweise unentgeltlich (gemischte Schenkung), so besteht nur im Umfang des unentgeltlichen Teils eine Ausgleichspflicht.
Entgeltlich war die Grundstücksübertragung der Sache nach – ungeachtet des anders lautenden § 4 Abs. 1 des Überlassungsvertrags -, soweit sich die Beklagte in § 4 Abs. 4 ebd. zur Zahlung einer monatlichen Leibrente an die Erblasserin in Höhe von 100,00 DM verpflichtet hat. Die Berücksichtigung derartiger Verpflichtungen steht nicht im Widerspruch zur fehlenden Berücksichtigung des Nießbrauchsvorbehalts.
Wegen dieser Verpflichtungen hat der Übernehmer des Grundstücks sein Vermögen mindernde Leistungen erbracht. Insoweit ist er nicht beschenkt. Keine Vermögensminderung stellt hingegen der Nießbrauchsvorbehalt dar, wenn der maßgebliche Bewertungszeitpunkt für die Schenkung der des Erbfalles ist. Wie dargestellt, erfährt der Beschenkte dann durch den Nießbrauchsvorbehalt keine Vermögensminderung, weil der Nießbrauch zugunsten des Erblassers mit dessen Tode erlischt.
Dementsprechend hat der Senat auch in vorangegangenen Entscheidungen, in denen wegen des Niederstwertprinzips ein Nutzungsvorbehalt des Erblassers außer Ansatz blieb, von dem Übernehmer des Grundstücks zu erbringende Leibrenten- oder Pflegeleistungen oder auch von ihm übernommene Darlehensverpflichtungen als Gegenleistungen berücksichtigt, die den Schenkungsanteil der Grundstücksübertragung verringern (Senat, Beschluss vom 6. März 2008 – 3 W 85/06 – , S. 4 ff. zu allen genannten Verpflichtungen; ebenso OLG Celle, OLGR 2008, 770, 771 unter 3.; Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2007 – 3 W 50/06 -, S. 17 zu Darlehensverpflichtungen).
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Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner letzten Entscheidung, in der er sich noch einmal ausführlich mit den Einwänden gegen seine Rechtsprechung zum Niederstwertprinzip auseinandergesetzt hat, eine Berücksichtigung des Wohnungsrechts bei Maßgeblichkeit des Grundstückswertes zum Zeitpunkt des Erbfalles nachdrücklich ausgeschlossen, die Berücksichtigung übernommener Pflegeverpflichtungen hingegen erkennbar für möglich gehalten (BGH NJW-RRR 2006, 877, 878 f.).
Die Bewertung der Leibrentenverpflichtung erfolgt, wie ebenfalls schon dargestellt, abstrakt kapitalisiert mit insgesamt 6.504,25 €. Für eine davon abweichende Bewertung durch die Vertragsparteien ist kein Anhaltspunkt erkennbar und auch nicht vorgetragen. Der Wert des ausgleichspflichtigen Geschenks beträgt damit (110.000,00 € – 6.504,25 € =) 103.495,75 €.
Nach allem ergibt sich für den Klaganspruch folgende Berechnung:
ausgleichspflichtiger Aktivnachlass: | Grundstück | 103.495,75 € |
sonstiges | 400,00 € | |
103.895,75 € | ||
abzüglich: | Beerdigungskosten | 6.500,00 € |
bereinigter Nachlasswert: | 97.395,75 € | |
davon ¼: | 24.348,94 € |
Der Zinsanspruch hieraus ergibt sich aus Verzug (§§ 280 Abs. 1, 2; 286 Abs. 1; 288 Abs. 1 BGB).
Die weitergehende Klage ist unbegründet, die Berufung hingegen begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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