OLG Schleswig 3 Wx 27/13 – Heranziehung mehrerer Zweifelsregeln bei Auslegung eines Ehegattentestamentes

Februar 3, 2018

OLG Schleswig 3 Wx 27/13 – Heranziehung mehrerer Zweifelsregeln bei Auslegung eines Ehegattentestamentes

Testamentsauslegung:

RA und Notar Krau

Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (3 Wx 27/13) behandelt die Auslegung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments

und die Frage der Erbfolge nach dem Tod der Erblasserin.

Im Mittelpunkt steht die Frage, ob das Testament aus dem Jahr 1975, in dem die Eheleute sich gegenseitig zu Vorerben und ihre beiden Söhne zu Nacherben eingesetzt haben,

auch nach dem Tod der Erblasserin gültig bleibt, obwohl sie in späteren Testamenten Änderungen vornahm.

Die Erblasserin änderte das gemeinschaftliche Testament zunächst im Jahr 2002 und setzte später, im Jahr 2010, ihre Urenkel als Erben ein, hob dabei das Testament von 2002 auf.

Der Sohn B der Erblasserin beantragte nach ihrem Tod einen Erbschein, basierend auf dem ursprünglichen Testament von 1975, und argumentierte,

dass spätere Änderungen ungültig seien, da die ursprüngliche Erbeinsetzung wechselbezüglich gewesen sei.

Er berief sich zudem auf § 2069 BGB, wonach die Erbfolge eines vorverstorbenen Erben auf dessen Nachkommen übergeht.

OLG Schleswig 3 Wx 27/13 – Heranziehung mehrerer Zweifelsregeln bei Auslegung eines Ehegattentestamentes

Die Kinder des vorverstorbenen Enkels (Urenkel der Erblasserin) argumentierten jedoch, dass die Änderungen der Erblasserin wirksam seien, da keine Wechselbezüglichkeit vorgelegen habe.

Das Gericht gab ihnen recht, indem es entschied, dass die Erblasserin über ihren Nachlass frei verfügen konnte.

Es stellte fest, dass das Testament von 1975 zwar weiterhin gültig sei, aber die spätere Einsetzung der Urenkel durch das Testament von 2010 gültig sei,

da der vorverstorbenen Sohn A keine bindende Erbfolge hinterließ.

Demnach wurden die Urenkel zu Erben eines Teils des Nachlasses.

Das Gericht entschied, dass der Erbscheinsantrag von B abgelehnt wird.

Die Gerichtskosten wurden nicht erhoben, und die Beteiligten zu 3. bis 6. (Urenkel) erhielten Verfahrenskostenhilfe.

Allgemein

OLG Schleswig 3 Wx 27/13 – Heranziehung mehrerer Zweifelsregeln bei Auslegung eines Ehegattentestamentes

Die Auslegung von Testamenten ist ein komplexer Prozess, der darauf abzielt, den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln.

Dabei spielen verschiedene Grundsätze eine Rolle:

1. Ermittlung des wahren Willens:

  • § 2084 BGB: “Bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften.”   
  • Subjektive Auslegung: Es geht nicht darum, was ein objektiver Dritter unter den Worten des Testaments verstehen würde, sondern was der Erblasser gemeint hat.
  • Gesamtzusammenhang: Das Testament ist im Gesamtzusammenhang zu betrachten. Einzelne Formulierungen dürfen nicht aus dem Kontext gerissen werden.

2. Hilfsmittel zur Ermittlung des Willens:

  • Wortlaut: Der Wortlaut des Testaments ist der Ausgangspunkt der Auslegung.
  • Umstände außerhalb des Testaments: Neben dem Wortlaut sind auch die Umstände außerhalb des Testaments zu berücksichtigen, z.B. die familiäre Situation des Erblassers, sein Verhältnis zu den Begünstigten, frühere Testamente oder Schenkungen.

OLG Schleswig 3 Wx 27/13 – Heranziehung mehrerer Zweifelsregeln bei Auslegung eines Ehegattentestamentes

  • Verhalten des Erblassers: Auch das Verhalten des Erblassers vor und nach der Testamentserrichtung kann Aufschluss über seinen Willen geben.
  • Allgemeine Lebenserfahrung: Die Auslegung muss auch mit den Regeln der Logik und der allgemeinen Lebenserfahrung vereinbar sein.

3. Auslegungsregeln:

  • Auslegung zugunsten der Wirksamkeit: Im Zweifel ist die Auslegung vorzuziehen, die die letztwillige Verfügung wirksam macht.
  • Gesetzliche Auslegungsregeln: Das BGB enthält einige gesetzliche Auslegungsregeln, z.B. § 2087 BGB zur Auslegung von Erbeinsetzungen und Vermächtnissen.

4. Grenzen der Auslegung:

  • Andeutungstheorie: Der Wille des Erblassers muss im Testament einen Ausdruck gefunden haben, wenn auch nur andeutungsweise. Ein Wille, der sich ausschließlich aus außertestamentarischen Umständen ergibt, kann nicht berücksichtigt werden.
  • Keine Ergänzung der letztwilligen Verfügung: Lücken im Testament können nicht durch Auslegung geschlossen werden.

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5. Besonderheiten bei gemeinschaftlichen Testamenten:

  • Wechselbezüglichkeit: Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten sind im Zweifel wechselbezüglich, d.h. sie sind nur gemeinsam wirksam.
  • Widerruf von wechselbezüglichen Verfügungen: Der Widerruf von wechselbezüglichen Verfügungen ist nur in beschränkter Weise möglich (§ 2271 BGB).

6. Bedeutung der Testamentsauslegung:

Die Testamentsauslegung ist von großer Bedeutung, um den Willen des Erblassers zu ermitteln und Streitigkeiten über die Erbfolge zu vermeiden.

Sie trägt dazu bei, dass der Nachlass im Sinne des Erblassers verteilt wird.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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