OLG Stuttgart 19 U 25/21 Anspruch auf Nachgenehmigung eines notariellen Vermächtniserfüllungsvertrags gegen den Beschwerten des Vermächtnisses
OLG Stuttgart 19 U 25/21
vorgehend LG Stuttgart, 8. Januar 2021, 17 O 123/19
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilanerkenntnis- und Endurteil des Landgerichts Stuttgart vom 08.01.2021, Az. 17 O 123/19, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Zug um Zug gegen Zahlung der Beklagten und Widerklägerin an die Erbengemeinschaft der Erblasserin I. W., bestehend aus dem Kläger und Frau B. R., in Höhe von 12.481,99 EUR.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 € abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Streitwert für die 1. Instanz: 537.997,68 €
Berufungsstreitwert: 401.160,78 €
Die Beklagte nimmt den Kläger mit ihrer Widerklage – die allein Gegenstand der Berufung ist – auf Erfüllung eines Vermächtnisses und auf Zahlung von Notar- und Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
Der Kläger und Widerbeklagte (im Folgenden: “Kläger“) ist der Sohn der am 03.10.2016 verstorbenen Erblasserin I. W.. Er und seine Schwester B. R. sind Miterben zu je 1/2 nach I. W.. Die Beklagte und Widerklägerin (im Folgenden: “Beklagte“) ist die Enkelin der Erblasserin und Tochter der am Rechtstreit nicht beteiligten Miterbin B. R..
Mit Testament vom 08.01.2014 (GA LG I 14) vermachte die Erblasserin der Beklagten ihre Wohnung N.-Straße in K.-… im ersten Stock. Frau B. R. vermachte sie ein lebenslanges Nießbrauchrecht an dieser Wohnung.
Mit E-Mail vom 04.05.2018 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Annahme des Vermächtnisses. Der Kläger erklärte mit Anwaltsschreiben vom 29.05.20218 (GA LG I Anl. K 5) derzeit nicht bereit zu sein, an einem Vermächtniserfüllungsvertrag mitzuwirken, da die Frage eines Ausgleichsanspruchs, den er vermächtnisweise in zwei früheren Testamenten der Erblasserin vom 15.02.2003 und vom 08.03.2008 zugewendet bekommen habe, ungeklärt sei.
Daraufhin schlossen die Beklagte und Frau B. R. am 22.11.2018 – ohne Mitwirkung des Klägers – einen notariell beurkundeten Vermächtniserfüllungsvertrag mit Auflassung (GA LG I 79) bezüglich der Wohnung N.-Straße in K. -… (erster Stock). Frau B. R. handelte hierbei sowohl im eigenen Namen als auch als Vertreterin ohne Vertretungsmacht im Namen des Klägers. In dem Vertrag wurde auch ein Nießbrauch zugunsten Frau B. R. an der streitgegenständlichen Wohnung bestellt.
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Die Beklagte ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Nachgenehmigung des am 22.11.2018 geschlossenen Vermächtniserfüllungsvertrags zu. Diesbezüglich habe der Kläger die hälftigen Notarkosten für die Beurkundung des Vertrags vom 22.11.2018 in Höhe von 1.160,78 € sowie außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.437,39 EUR zu ersetzen, da er sich im Verzug befunden habe. Hilfsweise bestehe ein Anspruch auf Abschluss eines mit dem am 22.11.2018 geschlossenen Vertrag wortgleichen Vermächtniserfüllungsvertrags. Hilfshilfsweise bestehe ein Anspruch auf Auflassung und Bewilligung der Eigentumsänderung im Grundbuch im Hinblick auf die streitgegenständliche Wohnung zugunsten der Beklagten.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf die die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 08.01.2021 (Az. 17 O 123/19) und den Akteninhalt.
Das Landgericht hat die Klage des Klägers abgewiesen (was dieser nicht angreift) und den Kläger – auf die Widerklage der Beklagten hin – zur Abgabe einer Willenserklärung gerichtet auf die Übereignung der streitgegenständlichen Wohnung und zur Zustimmung zur Herausgabe eines Betrages in Höhe von 31.836,90 € (Miete und Nebenkostenvorauszahlungen für die streitgegenständliche Wohnung) Zug um Zug gegen Zahlung von 12.481,99 € (Hausgeld, Sonderzahlung an die WEG, Nebenkostenabrechnung) an die Erbengemeinschaft nach der verstorbenen I. W. verurteilt. Im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen.
Der Beklagten stehe lediglich ein Anspruch auf Auflassung und Bewilligung ihrer Eintragung zu, nicht aber ein Anspruch auf Nachgenehmigung des Vermächtniserfüllungsvertrags vom 22.11.2018 oder ein auf Abschluss eines zum Vermächtniserfüllungsvertrags vom 22.11.2018 wortgleichen Vertrags. Der Anspruch aus § 2174 BGB sei vorliegend auf die Übereignung der vermachten Sache aus dem Bestand des Nachlasses gerichtet, was durch Abgabe der Auflassungserklärung gemäß § 925 BGB erfolge. Diese unterscheide sich von der Genehmigung gemäß § 177 Abs. 1 BGB. Angesichts der klaren Vollstreckungsregelungen in § 894 ZPO bestehe keine Notwendigkeit, nicht direkt einen Anspruch auf Abgabe einer entsprechenden Auflassungserklärung gerichtlich geltend zu machen. Auch sei es nicht Inhalt des gesetzlichen Anspruchs auf Eigentumsübertragung, dass hierbei – wie vorliegend – vertragliche Haftungsregelungen bezüglich der vermachten Sache getroffen würden. Diese gingen darüber hinaus.
Ein Anspruch auf Nacherfüllung ergebe sich auch nicht aus § 242 BGB, da der Kläger nicht zum Abschluss eines solchen Vertrages verpflichtet sei, sondern zur Übereignung des Grundstücks. Umstände, die dies als treuwidrig erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich. Daher sei auch die Hilfswiderklage auf Abgabe der konkret begehrten Willenserklärung unbegründet, nachdem diese Willenserklärung über den der Beklagten gemäß § 2174 BGB zustehenden Anspruch auf Übereignung der Wohnung hinausgehe. So würden zum einem damit haftungsrechtliche Nebenabreden vereinbart, zum anderen würde in dieser Willenserklärung das Untervermächtnis der Miterbin B. R., mit dem das Vermächtnis der Beklagten belastet sei, mitgeregelt.
Die Hilfs-Hilfswiderklage auf Auflassung und Bewilligung der Eintragung der Beklagten sei zulässig und begründet. Zumindest im Wege der Auslegung des Antrags unter Bezugnahme auf die Begründung sei klar erkennbar, dass die eingeklagte Willenserklärung so zu verstehen sei, dass der Kläger als Teil der Erbengemeinschaft als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden solle. Diesen Antrag habe der Kläger anerkannt. Die Anträge auf Zahlung der Notarkosten sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien unbegründet, da kein Anspruch der Beklagten auf Genehmigung oder Abschluss eines entsprechenden Vertrags bestehe.
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Die Klage auf Zustimmung zur Herausgabe der gezogenen Früchte sei zulässig und teilweise begründet. Der Beklagten stehe gemäß § 2184 BGB ein Anspruch auf Auskehrung der Früchte des Vermächtnisses, also der eingegangenen Mietzahlungen zu. Dem Kläger als Mitglied der Erbengemeinschaft stehe allerdings ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 12.481,99 € als Aufwendungsersatz zu. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat auf die rechtliche Begründung im landgerichtlichen Urteil Bezug.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen das landgerichtliche Urteil und verfolgt ihre in erster Instanz widerklagend geltend gemachten Ansprüche auf Vermächtniserfüllung (Nachgenehmigung des Vertrages vom 22.11.2018, hilfsweise Abschluss eines wortgleichen Vertrags) sowie auf Bezahlung von Notar- und Rechtsanwaltskosten im Umfang der Widerklageabweisung weiter. Hilfsweise wendet sie sich gegen die Auferlegung der Kosten in Bezug auf den stattgegebenen Hilfs-Hilfswiderklageantrag. Entgegen der Ansicht des Landgerichts bestehe ein Anspruch auf Nachgenehmigung des Vermächtniserfüllungsvertrags. Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die im Vermächtniserfüllungsvertrag enthaltenen vertraglichen Haftungsregelungen bezüglich der vermachten Sache über den gesetzlichen Anspruch auf Eigentumsübertragung hinausgingen.
Die Klausel im Vermächtniserfüllungsvertrag zum Ausschluss der Haftung für Sachmängel habe keinen eigenen Regelungsgehalt, sie diene lediglich der Klarstellung, nachdem es regelmäßig dem Erblasserwillen entspreche, dass der Bedachte den Vermächtnisgegenstand in dem tatsächlichen Zustand erhalte, wie er sich im Nachlass befinde. Selbst wenn man der Klausel einen Regelungsgehalt beimessen wolle, so würde dieser darin bestehen, dass die Rechtsposition des Klägers gestärkt würde.
Auch Kostengründe oder der Umstand, dass im notariellen Vermächtniserfüllungsvertrag vom 22.11.2018 die Erfüllung des der Miterbin B. R. zustehenden Nießbrauchsvermächtnisses mitenthalten sei, stünden dem Anspruch auf Nachgenehmigung nicht entgegen. Die Beurkundung des streitgegenständlichen Vermächtniserfüllungsvertrags habe keine höheren Notarkosten ausgelöst als die Beurkundung einer isolierten Auflassung. Auch die gleichzeitige Erfüllung des Nießbrauchsvermächtnisses habe nicht zu einer Erhöhung der Notarkosten geführt. Der Vermächtniserfüllungsvertrag sei auch nicht nach § 177 Abs. 2 BGB nichtig geworden.
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Durch die mit Schreiben vom 04.12.2018 erfolgte Aufforderung zur Erteilung der Genehmigung des Vermächtniserfüllungsvertrags und die darin enthaltene Klageandrohung sei die Frist des § 177 Abs. 2 BGB verlängert worden. Der Vertrag sei weiterhin schwebend unwirksam. Jedenfalls der erste Hilfsantrag auf Verurteilung zum Abschluss eines mit dem notariellen Vermächtniserfüllungsvertrag vom 22.11.2018 inhaltsgleichen Vermächtniserfüllungsvertrags sei begründet. Hilfshilfsweise macht die Beklagte geltend, das Landgericht habe ihr zu Unrecht die Kosten des Verfahrens insoweit auferlegt, als der Kläger den zweiten Hilfsantrag der Widerklage anerkannt habe.
Es habe kein vorbehaltloses Anerkenntnis vorgelegen, zumal der Kläger auch Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Außerdem sei der Kläger, nachdem er den Vermächtniserfüllungsvertrag nachzugenehmigen habe, auch verpflichtet, die Hälfte der für die Beurkundung des Vermächtniserfüllungsvertrags von der Notarin in Rechnung gestellten Vergütung sowie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Beklagten zu bezahlen. Zur weiteren Begründung wird auf die Berufungsbegründung vom 13.03.2021 (Bl. 31 ff. eAkte) sowie die Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 28.04.2021 (Bl. 70 ff. e-Akte) und vom 02.09.2021 (Bl. 110 f. eAkte) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 13.03.2021, Bl. 32 eAkte),
1)
a) Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 08.01.2021 – Az.: 17 O 123/19 – wird der Kläger/Widerbeklagte verurteilt, den Vermächtniserfüllungsvertrag vom 22.11.2018 (UR … der Notarin L., …) nachzugenehmigen.
hilfsweise
b) Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 08.01.2021 – Az.: 17 O 123/19 – wird der Kläger/Widerbeklagte verurteilt, einen Vermächtniserfüllungsvertrag folgenden Inhalts abzuschließen:
I. Vermächtniserfüllungsvertrag mit Auflassung
Am 3. Oktober 2016 ist
Frau I. W.
geb. B., zuletzt wohnhaft in
… K. – …, N.-Straße,
geb. am…1923,
in K.-… gestorben.
Ihre Erben wurden nach dem Erbschein des Nachlassgerichts K.-… vom 16. November 2017 Frau B. R. und Herr C. W. je zur Hälfte.
In dem privatschriftlichen Testament vom 8. Januar 2014, eröffnet vom Notariat – Nachlassgericht – K.-… am 27.01.2017 (…), hat die Erblasserin ein Vermächtnis angeordnet.
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Dieses Vermächtnis soll durch den heutigen Vertrag erfüllt werden.
Frau B. R. geb. W. und
Herr … C. W.,
als Erben nach der genannten Erblasserin,
übertragen folgenden Grundbesitz
393/1.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück
Gemarkung K.
Flst. … N.-Straße
Gebäude- und Freifläche -: 6 a 57 m2
verbunden mit dem Sondereigentum Aufteilungsplan Nr. 2
auf
Frau J. R.,
Über den Eigentumsübergang sind wir einig.
Der Veräußerer bewilligt, der Erwerber beantragt die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch.
II.
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Es gelten folgende Bestimmungen:
Nießbrauch
In dem vorgenannten Testament hat die Erblasserin den Erwerber mit einem Untervermächtnis zu Gunsten von Frau B. R. betreffend Bestellung eines Nießbrauchs an dem Vermächtnisgegenstand beschwert.
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Der Erwerber bestellt Frau B. R. einen lebenslänglichen Nießbrauch an dem vorgenannten Wohnungseigentumsrecht. Für den Nießbrauch gelten die gesetzlichen Vorschriften. über den Nießbrauch besteht Einigkeit zwischen Frau B. R. und Frau J. R.. Die Erschienenen bewilligen und beantragen die Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch mit dem Vermerk, dass zur Löschung des Nießbrauchs der Nachweis des Todes der Berechtigten genügt.
hilfsweise
c) Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 08.01.2021 – Az.: 17 O 123/19 – in der Kostenentscheidung trägt der Kläger/Widerbeklagte die Kosten des Rechtsstreits.
2) Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 08.01.2021 – Az.: 17 O 123/19 – wird der Kläger/Widerbeklagte verurteilt, an die Beklagte/Widerklägerin 5.598,17 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 06.04.2021, Bl. 55 eAkte):
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2021 hat der Kläger die Zulassung der Revision beantragt.
Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil. Der Beklagten stehe kein Anspruch auf Genehmigung des Vermächtniserfüllungsvertrages vom 22.11.2018 zu. Bei einem Grundstücksvermächtnis sei der Anspruch auf Auflassung und Zustimmung zur Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch gerichtet. Der streitgegenständliche Vertrag habe bei der Erhebung der Widerklage durch Schriftsatz vom 11.03.2019 von dem Kläger nicht mehr genehmigt werden können, da er bei Erhebung der Widerklage gemäß § 177 Abs. 2 BGB rechtlich nicht mehr existiert habe.
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Nachdem der Vertreter der Beklagten die Vertreterin des Klägers durch Schreiben vom 04.12.2018 aufgefordert hatte, den Vertrag zu genehmigen, habe nach § 177 Abs. 2 BGB die Genehmigung nach Ablauf von zwei Wochen ab Zugang der Aufforderung als verweigert gegolten, so dass der Vermächtniserfüllungsvertrag vom 22.11.2018 ab dem 20.12.2018 nichtig gewesen sei.
Den Kläger habe auch nicht die vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung getroffen, die Genehmigung des Vermächtniserfüllungsvertrages zu erteilen. Es habe keine Übereinstimmung über die essentialia negotii des Vertrages oder über die Beurkundung (wann, wo, Kostenwert, etc.) gegeben. Es sei bekannt gewesen, dass der Kläger Ansprüche reklamierte, die er geregelt haben wollte, wie die Fälligkeit des Sanierungsbetrages und die Abrechnung der Einnahmen und Ausgaben des damals noch vermieteten Vermächtnisgegenstandes und insbesondere den Untervermächtnisanspruch gegen die Beklagte.
Durch den Abschluss des Vertrages mit einem vollmachtlosen Vertreter werde für den Vertretenen die Möglichkeit ausgeschlossen, an der Formulierung des Vertrages mitzuwirken. Zudem verursache die Beurkundung mit einem vollmachtlosen Vertreter durch die erforderliche Genehmigung in beglaubigter Form zusätzliche Kosten. Des Weiteren würden bei dem „Genehmigungsmodell” materiell-rechtliche Einwendungen einer Vertragspartei, wie die Einrede der Verjährung, die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts und der Vortrag der möglichen Nachrangigkeit eines Vermächtnisses gegenüber anderen Nachlassverbindlichkeiten, vollständig ausgeschlossen.
Es hätten keine Gründe vorgelegen, nach denen der Kläger zur Genehmigung des streitgegenständlichen Vermächtniserfüllungsvertrages verpflichtet gewesen wäre. Das Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung sei jedoch Voraussetzung für einen Anspruch auf Genehmigung eines vollmachtlos geschlossenen Vertrages. Der Beklagten stehe auch kein Anspruch auf Abschluss des vorformulierten Vermächtniserfüllungsvertrages zu. Die Bewilligung des Nießbrauchs sei eine Regelung, die nicht in den Vertrag aufgenommen werden müsse, da das Untervermächtnis nur die Hauptvermächtnisnehmerin belaste.
Auch fehle es für den Widerklageantrag Ziff. 1 b), rsp. den Berufungsantrag Ziff. 1 b) auf „Abschluss eines Vermächtniserfüllungsvertrages” an einem Rechtsschutzbedürfnis. Zu Recht habe das Landgericht im Hinblick auf den anerkannten Antrag die Kosten der Beklagen auferlegt. Es sei unnötig gewesen, den streitgegenständlichen Hilfsantrag ohne vorherige Aufforderung zu einer Mitwirkung an der Vermächtniserfüllung in das Verfahren einzuführen. Eine Veranlassung für den streitgegenständlichen Hilfsantrag liege mithin nicht vor. Der Anspruch sei auch sofort anerkannt worden. Der Klageantrag sei nicht hinreichend bestimmt, zumindest missverständlich, gewesen. Darauf sei hingewiesen worden und hilfsweise gemäß § 93 ZPO sofort anerkannt worden. Der Beklagten stehe kein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.598,17 € zu.
Mit Schriftsatz vom 29.08.2021 (Bl. 99 ff. eAkte) machte der Kläger einen offensichtlichen Missbrauch einer vollmachtlosen Vertretung und einen Verstoß gegen das Selbstkontrahierungsgebot nach § 181 BGB sowie eine Nichtigkeit des Vertrages wegen Kollusion (§ 138 Abs. 1 BGB) geltend. Auch bestehe ein Zurückbehaltungsrecht der Miterben an dem Vermächtnisgegenstand bis die Erbschaftssteuer für diesen bezahlt sei oder ein Negativbescheid vorliege, da der Erbe bzw. die Erbengemeinschaft, nach § 20 Abs. 3 ErbStG bis zur vollständigen Auseinandersetzung für die Steuer der Beklagten hafte.
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Zum weiteren Vortrag des Klägers wird auf die Berufungserwiderung vom 06.04.2021 (Bl. 55 ff. e-Akte) sowie die Schriftsätze vom 29.08.2021 (Bl. 99 eAkte) und vom 27.10.2021 (Bl.112 eAkte) verwiesen.
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2021 eingegangene, nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägervertreterin vom 16.11.2021 veranlasste nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO), da dessen Inhalt rein rechtliche Ausführungen enthielt und keine anders lautende rechtliche Würdigung gebot.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und überwiegend begründet. Der Beklagten steht gegenüber dem Kläger ein Anspruch auf Nachgenehmigung des notariellen Vermächtniserfüllungsvertrags vom 22.11.2018 sowie ein Anspruch auf Zahlung von Notarkosten in Höhe von 1.160,78 € zu. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltsgebühren besteht dagegen nicht.
Der Kläger ist zur Nachgenehmigung des Vermächtniserfüllungsvertrags vom 22.11.2018 verpflichtet. Mit der Verweigerung der begehrten Genehmigung verstößt er gegen § 242 BGB.
1.1. Der Kläger ist gegenüber der Beklagten zur Erfüllung des im Testament der Erblasserin vom 08.01.2014 zugunsten der Beklagten ausgesetzten Vermächtnisses durch Eigentumsverschaffung an der Wohnung N.-Straße, K.-… (1. OG) gemäß § 2174 BGB verpflichtet. Seine Erfüllungspflicht erstreckt sich auf alle Erfüllungshandlungen, die für die Erfüllung des Vermächtnisses notwendig sind.
Aus der schuldrechtlichen Natur des Vermächtnisses folgt, dass zum Übergang des vermachten Gegenstandes auf den Bedachten ein Erfüllungsgeschäft erforderlich ist. Dessen Inhalt richtet sich nach der Art des vermachten Gegenstandes, z. B. Einigung und Übergabe bei einer beweglichen Sache, Auflassung und Eintragung im Grundbuch bei einem Grundstück, Abtretung bei einer Forderung (BeckOK BGB/Müller-Christmann, 57. Ed. 1.2.2021 Rn. 10, BGB § 2174 Rn. 10).
1.2. Allerdings muss ein Vermächtnisnehmer den Beschwerten nicht zwingend auf Auflassung in Anspruch nehmen, vielmehr kann sich (je nach Einzelfall) auch eine Verpflichtung zur Genehmigung eines durch einen vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Vertrags ergeben und eine Verweigerung der Genehmigung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Eine Verpflichtung zur Genehmigung kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn der Vertretene gegenüber der anderen Partei verpflichtet ist, mit diesem einen Vertrag zu schließen, der den Inhalt des Vertretergeschäfts hat (vgl. auch MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, BGB § 177 Rn. 47) und der Vertretene durch eine Genehmigungsverpflichtung nicht stärker belastet wird als durch eine Verurteilung zur Auflassung (vgl. im Falle eines Vorvertrags BGH, Urteil vom 29. September 1989 – V ZR 1/88, NJW 1990. 508).
1.2.1. Hier ist der Kläger aus § 2174 BGB zur Erfüllung des Vermächtnisses gegenüber der Beklagten verpflichtet, d. h. zum Abschluss eines Vermächtniserfüllungsvertrags, wobei es zur Erfüllung des Vermächtnisses nicht nur durch Abgabe oder Annahme eines Angebots kommt, sondern gleichermaßen auch dadurch, dass der Kläger den in seinen Namen von einem vollmachtlosen Vertreter geschlossenen Vertrag genehmigt oder zu dessen Genehmigung verurteilt wird (§ 894 ZPO; vgl. BGH NJW 1990, 508; so auch Scherer, Münchener Anwaltshandbuch ErbR, 5. Aufl. 2018, Schlitt, § 58 Klagen im Zusammenhang mit der Vermächtniserfüllung Rn. 19 f.).
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1.2.2. Die Genehmigung des von einem vollmachtlosen Vertreter geschlossenen Vertrages steht dabei nicht im Belieben des Klägers, denn er ist der Beklagten aus § 2174 BGB verpflichtet, sich in der Weise zu binden, wie es in dem zur Genehmigung anstehenden Vertrag vorgesehen ist.
Er verstößt daher gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn er sich auf die Verweigerung der Genehmigung und die daraus folgende Unwirksamkeit des Vertrages beruft, denn er bliebe gleichwohl verpflichtet, unverzüglich auf Verlangen des Berechtigten am Abschluss eines Vertrages gleichen Inhalts mitzuwirken und würde lediglich unter Berufung auf eine formale Rechtsposition zum Schaden des Berechtigten – mithin rechtsmissbräuchlich – eine Leistung verweigern, die er alsbald doch erbringen müsste (vgl. dazu auch OLG Hamm Urt. v. 27.6.2013 – 22 U 165/12, BeckRS 2013, 12960). Insbesondere wird der Kläger hier durch eine Pflicht zur Nachgenehmigung des Vermächtniserfüllungsvertrages nicht stärker belastet wird als durch eine Verurteilung zur Auflassung.
1.2.2.1. Der Kläger ist als Miterbe mit dem Vermächtnis zugunsten der Beklagten beschwert. Er ist daher jedenfalls zum Abschluss eines Vermächtniserfüllungsvertrags mit der Beklagten verpflichtet.
1.2.2.2. Der Vertragsinhalt des notariellen Vertrags vom 22.11.2018 begründet für den Kläger keine weitergehenden Pflichten, als die sich § 2174 BGB ergebende Pflicht zur Eigentumsverschaffung an der Eigentumswohnung N.-Straße, K.-… (1. OG) durch Auflassung und Bewilligung und Beantragung der Eintragung im Grundbuch.
1.2.2.2.1. Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, die im Vertrag getroffene Haftungsregelung gehe über den Anspruch der Beklagten aus § 2174 BGB hinaus, kann dem nicht gefolgt werden. So ist unter II. 1 des Vertrags vom 22.01.2018 bestimmt, dass sämtliche Ansprüche wegen Sachmängeln, soweit gesetzlich zulässig, ausgeschlossen sind. Diese Bestimmung gibt lediglich deklaratorisch die bestehende Rechtslage wieder, wonach der Beschwerte beim Stückvermächtnis – anders als beim Gattungsvermächtnis (vgl. § 2183 BGB) – nicht für Sach- oder Rechtsmängel haftet (Schulze/Grziwotz/ Lauda, BGB: Kommentiertes Vertrags- und Prozessformularbuch, BGB § 2147 Rn. 14; MüKoBGB/Rudy, 8. Aufl. 2020, BGB § 2183 Rn. 1 und § 2182 Rn. 1).
1.2.2.2.2. Weitergehende Pflichten für den Kläger werden auch nicht dadurch begründet, dass in dem notariellen Vertrag vom 22.11.2018 zugleich der Nießbrauch zugunsten von Frau B. R. bestellt wurde, denn die Regelungen hierzu (unter II. 4 und 7 des Vertrages) betreffen allein die Beklagte sowie Frau B. R.; zu Lasten oder zu Gunsten des Klägers wurden insoweit keine Rechte oder Pflichten begründet. Die Aufnahme der Regelungen zu diesem Untervermächtnis führten (unstreitig) auch nicht zu höheren Kosten für den Kläger oder die Erbengemeinschaft.
1.2.2.3. Der Kläger wird durch eine Verurteilung zur Genehmigung des Vermächtniserfüllungsvertrags vom 22.11.2018 nicht stärker belastet als durch eine Verurteilung zur Auflassung und Bewilligung der Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch.
1.2.2.3.1. Eine stärkere Belastung des Klägers kann nicht auf das Unterbleiben einer Belehrung des Klägers durch den beurkundenden Notar gestützt werden, denn eine Belehrung durch den beurkundenden Notar erfolgt auch dann nicht, wenn gegenüber einem Beschwerten Klage auf Auflassung und Bewilligung der Eintragung der Eigentumsänderung erhoben wird. In diesem Fall gilt seine Erklärung nach § 894 ZPO mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben, ohne dass eine Belehrung durch einen Notar erfolgt ist.
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1.2.2.3.2. Eine einer Verpflichtung zur Nachgenehmigung entgegenstehende Belastung kann auch nicht aus der im Falle der Nachgenehmigung entstehenden zusätzlichen Gebühr für die Beglaubigung der Unterschrift des Klägers (Nr. 25100 des KV GNotKG), die im Falle einer Beurkundung des Vermächtniserfüllungsvertrags bei gleichzeitiger Anwesenheit aller Vertragsparteien nicht entstanden wäre, hergeleitet werden, denn der Kläger hat die Möglichkeit, die Übernahme dieser relativ geringen Gebühr (20,00 € bis 70,00 €) von der Beklagten zu fordern.
1.2.2.3.3. Eine stärkere Belastung des Klägers folgt auch nicht daraus, dass dieser die Zeit und den Ort der Beurkundung des Vertrages nicht mitbestimmen konnte, denn dies ist einem Beschwerten auch dann nicht möglich, wenn er zur Auflassung und Bewilligung der Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch verurteilt wird.
1.2.2.3.4. Soweit der Kläger eine der Genehmigungsverpflichtung entgegenstehende Belastung in der Höhe des Kostenwerts für den beurkundeten Vertrag sieht, kann dem nicht gefolgt werden. In dem Vertrag vom 22.11.2018 ist ein Kostenwert schon nicht erwähnt. Dieser spielt allein für die Fragen, in welcher Höhe Notarkosten entstanden sind und ob die Beklagte die Erstattung dieser Notarkosten (ggfls. in der aus der Rechnung der Notarin L. vom 29.11.2018 ersichtlichen Höhe) verlangen kann, eine Rolle, nicht aber für die hiervon zu trennende Frage der Verpflichtung zur Nachgenehmigung des Vermächtniserfüllungsvertrages. Sollten die Notarkosten nämlich zu hoch sein, so würde dies dazu führen, dass die Beklagten deren Erstattung nur teilweise verlangen kann, dagegen ergäbe sich hieraus aber kein Grund, die Genehmigung des Vertrages zu verweigern.
1.2.2.3.5. Ob eine Belastung eines Beschwerten anzunehmen wäre, wenn die Möglichkeit der Verjährung des Anspruchs des Vermächtnisnehmers oder einer Nachrangigkeit des Vermächtnisses gegenüber anderen Nachlassverbindlichkeiten im Raum stünde, kann hier dahingestellt bleiben, da im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte hierfür vorliegen.
1.2.2.3.6. Soweit der Kläger sich darauf beruft, eine Abrechnung der Einnahmen und Ausgaben hätte in den Vermächtniserfüllungsvertrag aufgenommen werden können, so trifft dies zu. Eine Belastung des Klägers durch die Nichtaufnahme einer Regelung zu Einnahmen und Ausgaben liegt in diesem Einzelfall jedoch nicht vor, da die Einnahmen die Ausgaben erheblich übersteigen, so dass der Kläger im Hinblick auf den Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der Früchte (§ 2184 BGB) ausreichend durch das geltendgemachte Zurückbehaltungsrecht wegen entstandener Lasten (Hausgeld, anteilige Grundsteuer, anteilige Versicherung, Sanierung Garagentor) geschützt ist. Insoweit ist eine Berücksichtigung bereits im (rechtskräftigen) Tenor Ziffer 3 des landgerichtlichen Urteils erfolgt.
1.2.2.3.7. Eine Belastung des Klägers ist auch nicht in der Nichtaufnahme einer Regelung zu streitigen WEG-Beschlüssen in den Vermächtniserfüllungsvertrag zu sehen, da diese Streitigkeiten nicht unmittelbar den Kläger und die Beklagte betrafen, sondern Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Amtsgericht Ludwigsburg waren, an dem die Beklagte nicht als Partei beteiligt gewesen ist.
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1.2.2.3.8. Des Weiteren ist eine Belastung des Klägers wegen der Nichtaufnahme eines Zurückbehaltungsrechts wegen eines behaupteten Untervermächtnisanspruchs zu verneinen, da ein Untervermächtnis zugunsten des Klägers schon nicht bestand. Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat (was von Seiten des Klägers auch nicht angegriffen wurde), wurde der Kläger von der Erblasserin nicht mit einem Untervermächtnis in Form eines Wertausgleichsanspruchs bedacht. Ein solches Untervermächtnis findet sich im Testament der Erblasserin vom 08.01.2014 nicht. Auch im Wege der Auslegung lässt sich ein Wille der Erblasserin, die in den früheren Testamenten vom 15.02.2003 und 08.03.2008 aufgeführte Verpflichtung zur Herstellung eines Wertausgleichs, auch in Bezug auf die letztwillige Verfügung vom 08.01.2014 zur Anwendung kommen zu lassen, nicht feststellen; vielmehr beinhaltete das Testament der Erblasserin vom 08.01.2014 eine abschließende und umfassende letztwillige Verfügung, die nicht durch Regelungen aus frühren Testamenten zu ergänzen war. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil (LGU 11 f.) Bezug genommen.
1.2.2.3.9. Dem Kläger bzw. der Erbengemeinschaft steht kein Zurückbehaltungsrecht wegen einer auf den Vermächtnisgegenstand (möglicherweise noch) anfallenden Erbschaftssteuer zu.
Zwar käme möglicherweise – soweit eine Erbschaftssteuer im Hinblick auf das Vermächtnis anfallen sollte und solange die Erbschaftssteuer von der Beklagten noch nicht bezahlt ist – eine Haftung des Nachlasses gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG in Betracht, allerdings bestünde auch dann, wenn man unterstellte, dass der Nachlass gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG für eine Steuerschuld der Beklagten hafte, kein Zurückbehaltungsrecht, da es an einem fälligen Anspruch des Nachlasses bzw. des Klägers fehlt.
Wenn man nämlich eine Haftung des Nachlasses gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG unterstellt, wären der Nachlass und die Beklagte Gesamtschuldner der Steuerschuld gemäß § 421 BGB. Ein Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt jedoch eine Zahlung durch einen Gesamtschuldner voraus, die es im vorliegenden Fall nicht gab. Der Kläger kann sich auch nicht auf das Bestehen eines Befreiungsanspruchs berufen, da ein solcher in einem Gesamtschuldverhältnis voraussetzt, dass die Verpflichtung des Gesamtschuldners, der Befreiung verlangt, fällig ist. Vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit ist der andere Gesamtschuldner nicht verpflichtet, für die Befreiung zu sorgen (OLG Karlsruhe Beschl. v. 27.8.2015 – 9 W 39/15, BeckRS 2015, 16176. An solch einem fälligen Anspruch des Nachlasses (bzw. des Klägers) fehlt es im vorliegenden Fall, denn es ist zum einen schon fraglich, ob überhaupt eine Steuerschuld, die mit dem Tod des Erblassers entstanden wäre (§ 9 Abs. 1 Ziff. 1 ErbStG), besteht, zum anderen tritt eine Fälligkeit gegenüber dem Nachlass erst durch einen Festsetzungsbescheid gegen den Nachlass ein (§ 220 Abs. 2 Satz 2 Ao), der hier nicht vorliegt.
1.2.2.4. Die Entscheidung des BayObLG (Beschluss vom 30.04.1993 – 3Z BR 49/93 – NJW-RR 1993, 1429), auf die sich der Kläger bezieht, führt nicht zu einer anderen Bewertung, da der Beschluss des BayObLG sich nicht zu der Frage, ob der mit einem Vermächtnis Beschwerte erfolgreich auf Genehmigung eines durch einen vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Vermächtniserfüllungsvertrags in Anspruch genommen werden kann, verhält, sondern allein zur Frage, ob der bei der Beurkundung nicht anwesende Käufer die entstandenen Kosten veranlasst hat und daher Schuldner der durch die Beurkundung ausgelösten Kosten ist.
OLG Stuttgart 19 U 25/21
1.2.2.5. Ein Verstoß gegen § 181 BGB ist – entgegen der Rüge der Berufung – nicht anzunehmen, denn der Vermächtniserfüllungsvertrag diente allein der Erfüllung einer Verbindlichkeit, nämlich der auf dem Vermächtnis beruhenden Verbindlichkeit des Klägers gegenüber der Beklagten. Hinzukommt, dass der Kläger mit der Verweigerung der nachträglichen Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB bzw. der Verweigerung der Genehmigung des Handelns des vollmachtlosen Vertreters gegen Treu und Glauben verstößt. Zur Begründung wird insoweit auf die obigen Ausführungen unter B. 1.2.2. verwiesen.
1.2.2.6. Der Vermächtniserfüllungsvertrag ist nicht wegen eines kollusiven Verhaltens der Beklagten und der Miterbin B. R. gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Durch den Vertrag vom 22.11.2018 wurden Rechte des Klägers nicht vereitelt, denn dem Kläger stand schon kein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Untervermächtnisses zu. Entgegen der Rüge der Berufung ist nicht entscheidend, ob der Kläger sich eines Anspruchs auf Wertausgleich berühmt hat und möglicherweise davon ausging, ein solcher bestehe, sondern allein die tatsächliche Rechtslage (auch wenn der Kläger diese falsch einschätzte).
All dies führt in einer Gesamtwürdigung dazu, dass der Kläger eine Genehmigung des Vertrages vom 22.11.2018 hier nicht verweigern darf.
1.3. Entgegen der Ansicht des Klägers war der schwebend unwirksame Vertrag vom 22.11.2018 zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage nicht gemäß § 177 Abs. 2 BGB wegen einer (fingierten) Verweigerung der Genehmigung unwirksam.
1.3.1. Zwar hat der Kläger den Vertrag vom 22.11.2018 auf die Aufforderung der Beklagten vom 04.12.2018 nicht genehmigt, so dass grundsätzlich die Genehmigung nach Ablauf von zwei Wochen als verweigert gelten würde. Dies ist hier jedoch nicht anzunehmen.
1.3.2. Ist nämlich der Vertretene – wie hier – verpflichtet, sich in der Weise zu binden, wie es in dem zur Genehmigung anstehenden Vertrag vorgesehen ist, verstieße es gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn er sich auf die Verweigerung der Genehmigung und die daraus folgende Unwirksamkeit des Vertrages berufen würde, denn er bliebe gleichwohl verpflichtet, unverzüglich auf Verlangen des Berechtigten am Abschluss eines Vertrages gleichen Inhalts mitzuwirken. Er würde also lediglich unter Berufung auf eine formale Rechtsposition zum Schaden des Berechtigten, der zumindest Notarkosten nutzlos aufgewendet hätte, eine Leistung verweigern wollen, die er alsbald doch erbringen müsste. Ein solches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich (vgl. BGH NJW 1990, 508; MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, BGB § 177 Rn. 57).
1.3.3. Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann der Kläger sich nicht auf eine aus § 177 Abs. 2 BGB folgende Unwirksamkeit des Vertrages vom 22.11.2018 berufen, denn er wäre zum Abschluss eines inhaltsgleichen Vertrages verpflichtet.
OLG Stuttgart 19 U 25/21
Der Kläger ist zur Zahlung der hälftigen Notarkosten in Höhe von 1.160,78 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit verpflichtet. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten besteht nicht.
2.1. Der Kläger ist verpflichtet, der Beklagten die von dieser bezahlten hälftigen Notarkosten für die Beurkundung des Vermächtniserfüllungsvertrags vom 22.11.2018 in Höhe von 1.160,78 € zu erstatten.
2.1.1. Grundsätzlich hat der Beschwerte sämtliche Kosten für die Erfüllung des Vermächtnisses zu tragen, sofern der Erblasser nicht Anderweitiges angeordnet hat (BeckOGK/Schellenberger, 15.2.2021, BGB § 2174 Rn. 51).
2.1.2. Hier sind der Kläger sowie Frau B. R. mit dem Vermächtnis zugunsten der Beklagten beschwert. Eine Anordnung der Erblasserin, wer die Kosten für die Erfüllung des Vermächtnisses zu tragen hat, liegt nicht vor, so dass diese Kosten die Erben zu tragen haben.
2.1.3. Nachdem die Beklagte die für die Beurkundung des Vermächtniserfüllungsvertrags vom 22.11.2018 angefallenen hälftigen Notarkosten aus der Rechnung der Notarin L. vom 29.11.2018 (GA LG I 20) in Höhe vom 1.160,78 € bezahlt hat, kann sie vom Kläger deren Erstattung fordern. Insoweit kann der Kläger mit seinem Einwand, der Kostenwert von 350.000,00 € sei zu hoch angesetzt worden, nicht gehört werden.
2.1.3.1. Zwar ist es richtig, dass die Beklagte selbst ein Verkehrswertgutachten in Auftrag gegeben hatte, das den Verkehrswert der streitgegenständlichen Wohnung zum 14.03.2018 auf 285.000,00 € festgestellt hatte (GA LG I 18, Anl. K 7), tatsächlich geht die Beklagte jedoch (wie sie in der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2021 nochmals ausgeführt hatte) von einem höheren Verkehrswert der Wohnung, nämlich von ca. 400.000,00 € aus.
2.1.3.2. Soweit der Kläger einwendet, der Kostenwert in der Rechnung der Notarin L. vom 29.11.2018 sei zu hoch angesetzt worden, ist sein Einwand als widersprüchlich zurückzuweisen, denn der Kläger geht selbst davon aus, dass die streitgegenständliche Wohnung einen Wert von ca. 400.000,00 € und nicht nur von 285.00,00 € hat.
So hat der Kläger zum einen bereits in seiner Klage vom 04.02.2019 zur Begründung eines Streitwertes von 105.000,00 € ausgeführt, es ergebe sich, gehe man einem Wert der Wohnung im 1. OG in Höhe von 400.000,00 € aus, ein Ausgleichsanspruch des Klägers in Höhe von ungefähr 105.000,00 € (vgl. GA LG 10).
Zum anderen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14.05.2020 (GA LG 89) erklärt, der Beklagtenvertreter habe mit seiner Widerklage (gerichtet auf die Nachgenehmigung des Vermächtniserfüllungsvertrags) den Streitwert des Verfahrens „um ca. 400.000,00 € erhöht“.
Auch damit hat der Kläger konkludent erklärt, er gehe von einem Verkehrswert der Wohnung in Höhe von 400.000,00 € aus. Zudem hat sich der Kläger nicht gegen die landgerichtliche Festsetzung des Streitwerts auf 537.997,68 € gewehrt, obgleich auch dieser ein geschätzter Verkehrswert der streitgegenständlichen Wohnung in Höhe von 400.00,00 € zugrunde lag.
2.1.3.3. All dies führt dazu, dass der Einwand des Klägers, die Kostennote der Notarin, der ein Verkehrswert der Wohnung in Höhe von 350.000,00 € zugrunde lag, sei zu hoch, als widersprüchlich zurückzuweisen ist. Ein „Rosinenpicken“ ist dem Kläger verwehrt, er muss sich an dem von ihm selbst angenommenen Verkehrswert von ca. 400.000,00 € – auch im Hinblick auf die Notarkostenrechnung – festhalten lassen.
2.1.4. Der Zinsausspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
OLG Stuttgart 19 U 25/21
2.2. Ein Anspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten aus §§ 280, 286, 249 BGB besteht nicht. Der Kläger hat sich bei Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht in Verzug mit der Genehmigung des Vermächtniserfüllungsvertrages vom 22.11.2018 befunden.
2.2.1. Zwar hatte die Beklagte den Kläger mit E-Mail vom 04.05.2018 (GA LG 15, Anl. K 4) darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen der Vermächtniserfüllung vorlägen und er gemeinsam mit Frau B. R. die Voraussetzungen für die Umschreibung im Grundbuch zu bewirken habe, eine Mahnung lag hierin jedoch nicht.
2.2.2. Auch hatte der Kläger vor der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Erfüllung des Vermächtnisanspruchs der Beklagten nicht ernsthaft und endgültig i. S. v. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verweigert.
2.2.2.1. An das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Es muss deutlich sein, dass sich der Schuldner über das Erfüllungsverlangen des Gläubigers klar ist und ohne Rücksicht auf die möglichen Folgen – gewissermaßen als sein letztes Wort – seine Weigerung zum Ausdruck bringt (BGH NJW 1986, 661: BeckOK BGB/Lorenz, 58. Ed. 1.5.2021 Rn. 37, BGB § 286 Rn. 37).
2.2.2.2. Hierfür reicht die Erklärung der Klägervertreterin im Schreiben vom 29.05.2018 (GA LG 16, Anlagenkonvolut K5), wonach der Kläger derzeit nicht bereit sei, an einem Vermächtniserfüllungsvertrag mitzuwirken, da die Frage eines Ausgleichsanspruchs ungeklärt sei, nicht aus. Insoweit fehlt es an einer ausreichenden Klarheit der Erklärung.
Die Klägervertreterin erklärte gerade nicht, dass der Kläger keinesfalls und dauerhaft nicht bereit sei, das Vermächtnis zu erfüllen, vielmehr machte sie deutlich, dass der Kläger an einer einvernehmlichen weiteren Vorgehensweise („mein Mandant ist zu einem Dialog bereit“) interessiert sei, wobei zunächst die Frage seines behaupteten Ausgleichsanspruchs oder/und eine einvernehmliche Lösung durch einen Verkauf der Wohnung zu klären sei.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
OLG Stuttgart 19 U 25/21