OLG Stuttgart Zur Rückforderung von Verlusten aus Online-Glücksspielen
Das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 31. Januar 2025 (Az. 5 U 89/24) befasst sich mit der Rückforderung von Verlusten aus Online-Glücksspielen.
Im Kern geht es um die Frage, ob ein Spieler von einem Betreiber einer Online-Glücksspielplattform seine erlittenen Verluste zurückfordern kann,
insbesondere vor dem Hintergrund des deutschen Glücksspielrechts und europarechtlicher Aspekte.
Das Gericht stellt zunächst fest, dass die deutschen Gerichte international zuständig sind.
Dies begründet es mit dem Verbrauchergerichtsstand gemäß der Europäischen Gerichtsstandsverordnung (EuGVVO).
Die Beklagte, mit Sitz in Malta, richtete ihre gewerbliche Tätigkeit auf Deutschland aus, indem sie eine deutschsprachige Webseite betrieb und Glücksspiele in Deutschland anbot.
Die Klägerin als Verbraucherin hat ihren Wohnsitz in Deutschland.
Ein wichtiger Punkt ist, dass die internationale Zuständigkeit nicht dadurch entfällt, dass die Klägerin einen Prozessfinanzierungsvertrag abgeschlossen
und ihre Forderung zur Sicherheit an den Prozessfinanzierer abgetreten hat.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe entschieden, dass für die Anwendung der Art. 17 ff. EuGVVO es ausreicht, wenn die Parteien des Rechtsstreits auch die Vertragspartner sind, was hier der Fall ist.
Die Sicherungsabtretung an den Prozessfinanzierer ändert daran nichts, da die Klägerin weiterhin im eigenen Namen klagt und ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Rückforderung hat.
Die Beklagte hatte die Prozessführungsbefugnis der Klägerin bestritten, da die Forderung an den Prozessfinanzierer abgetreten worden sei.
Das OLG Stuttgart weist diese Einwendung zurück.
Die Abtretung im Prozessfinanzierungsvertrag sei lediglich eine Sicherungsabtretung, die der Sicherung der Vergütungsansprüche des Prozessfinanzierers diene.
Die Klägerin führe den Prozess ausdrücklich im eigenen Namen und habe weiterhin eine Einziehungsermächtigung für die Forderung.
Die Vorlage des Prozessfinanzierungsvertrags im Laufe des Verfahrens ändere daran nichts.
Ein zentraler Streitpunkt war die Passivlegitimation der Beklagten für den Zeitraum vor dem 15. April 2019.
Die Beklagte argumentierte, dass die Webseite zuvor von einer anderen Gesellschaft (… (Gibraltar) Ltd.) betrieben worden sei. Das OLG Stuttgart stimmt der Beklagten in diesem Punkt teilweise zu.
Zwar sei es hinsichtlich des Kontenführungsvertrags (Rahmenvertrags) zu einer Vertragsübernahme gekommen,
als die Beklagte den von der vorherigen Betreiberin geführten Spieleraccount im allseitigen Einverständnis übernommen habe.
Diese Vertragsübernahme erstrecke sich jedoch grundsätzlich nur auf vertragliche Ansprüche und nicht auf außervertragliche Ansprüche wie solche,
die aus der Nichtigkeit der einzelnen Spielverträge oder unerlaubten Handlungen resultieren.
Das Gericht betont, dass mit jedem Spieleinsatz ein neuer Spielvertrag zustande kommt und die einzelnen Spielverträge nicht mit der Beklagten bzw. der vorherigen Betreiberin,
sondern mit der E Ltd. geschlossen wurden, die über die maltesische Glücksspiellizenz verfügte.
Bereicherungsrechtliche und deliktische Rückforderungsansprüche seien nicht Gegenstand des Rahmenvertrags und somit nicht auf die Beklagte übergegangen.
Daher wies das Gericht die Klage für die Verluste vor dem 15. April 2019 in Höhe von 64,30 € ab.
Für den Zeitraum ab dem 15. April 2019 bejaht das OLG Stuttgart einen Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB
in Verbindung mit § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 2 GlüStV 2021 sowie gegebenenfalls aus §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB, § 27 StGB.
Das Gericht stellt fest, dass § 4 Abs. 1, 4 GlüStV 2012 bzw. 2021 ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist, das nicht nur vor Spielsucht,
sondern auch vor den damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden schützen soll.
Die Spielverträge zwischen der Klägerin und der Beklagten verstießen gegen dieses Verbot, da die Beklagte als Vermittlerin öffentlicher Glücksspiele im Internet agierte, was ebenfalls untersagt war.
Die Beklagte konnte sich nicht darauf berufen, lediglich die Webseite zu organisieren und die Einsätze weiterzuleiten.
Das Gericht erachtet das Handeln der Beklagten als mindestens fahrlässig, da sie wusste, dass sie ohne deutsche Erlaubnis Glücksspiel vermittelte und eine solche aufgrund des Totalverbots ohnehin nicht zu erlangen war.
Auch die Berufung auf eine maltesische Lizenz oder die vermeintliche Unionsrechtswidrigkeit des deutschen Verbots greift nicht durch, da der EuGH bereits entschieden hatte, dass keine Pflicht zur
gegenseitigen Anerkennung der Glücksspiellizenzen besteht und Internetverbote grundsätzlich europarechtskonform sein können.
Zudem sieht das Gericht eine Beihilfe der Beklagten zur vorsätzlichen unerlaubten Haupttat der E Ltd., die das Online-Glücksspiel veranstaltete,
da die Beklagte die Spieleinsätze weiterleitete und die Spielteilnahme organisierte.
Das OLG Stuttgart weist die Ansicht der Beklagten zurück, dass § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV 2012 gegen Art. 56 Abs. 1 AEUV verstoße.
Es verweist auf seine frühere Rechtsprechung und die Rechtsprechung des EuGH, wonach Beschränkungen im Glücksspielbereich unter bestimmten Voraussetzungen,
insbesondere zum Schutz der Bevölkerung vor Spielsucht, gerechtfertigt sein können.
Ein Mitverschulden der Klägerin gemäß § 254 BGB wird vom Gericht abgelehnt, da dies dem Schutzzweck des Glücksspielverbots widersprechen würde.
Zudem könne nicht angenommen werden, dass sich die Klägerin nach § 285 StGB wegen Beteiligung an unerlaubtem Glücksspiel strafbar gemacht habe,
da ein vorsätzliches Handeln der Klägerin in Bezug auf die Unerlaubtheit des Glücksspiels nicht festgestellt werden konnte.
Auch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (venire contra factum proprium) wird zurückgewiesen,
da die Beklagte aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns keinen Vertrauensschutz genießen könne.
Für möglicherweise verjährte deliktische Ansprüche verweist das Gericht auf § 852 BGB, wonach die Verluste nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herausverlangt werden können.
Die Beklagte habe die eingezahlten Gelder durch die Leistung der Klägerin auf deren Kosten erlangt.
Der Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB scheitere an der Kenntnis der Beklagten vom Fehlen des Rechtsgrundes.
Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288, 291 Abs. 1 BGB.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte überwiegend.
Das Gericht sieht keinen Anlass, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Die relevanten europarechtlichen Fragen seien in der Rechtsprechung des EuGH hinreichend geklärt.
Auch das laufende Vorabentscheidungsverfahren C-440/23 sei für den vorliegenden Fall nicht präjudiziell, da es von einem anderen Sachverhalt ausgehe.
Die vom Landgericht Erfurt vorgelegten Fragen gäben ebenfalls keinen Anlass zur Aussetzung, da der Senat in seiner Würdigung
zu anderen Ergebnissen hinsichtlich der Gefährlichkeit von Online-Glücksspielen und der Kohärenz der deutschen Regelungen gekommen sei.
Das OLG Stuttgart ändert das Urteil des Landgerichts Heilbronn teilweise ab.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.693,00 € nebst Zinsen zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
Das Urteil und das Urteil des Landgerichts im Umfang der Zurückweisung der Berufung sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Zusammenfassend hat das OLG Stuttgart entschieden, dass die Beklagte der Klägerin die Verluste aus Online-Glücksspielen ab dem 15. April 2019 zurückzahlen muss,
da ihr Angebot gegen deutsches Glücksspielrecht verstieß und die Beklagte hierfür deliktisch haftet.
Für die Verluste davor ist die Beklagte mangels Passivlegitimation nicht haftbar.
Die Prozessfinanzierung und die Sicherungsabtretung stehen der Klage nicht entgegen. Europarechtliche Einwände der Beklagten werden zurückgewiesen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.