Online-Coaching: Keine Vergütung ohne Zulassung nach Fernunterrichtsschutzgesetz
Gericht: BGH 3. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 02.10.2025
Aktenzeichen: III ZR 173/24
Dokumenttyp: Urteil
vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 17. Dezember 2024, Az: 2 U 123/24
vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 4. September 2024, Az: 9 O 505/24
BGH-Urteil zum „E-Commerce Master Club“: Vertrag ungültig wegen fehlender Zulassung
Eine Klägerin (die Teilnehmerin) und eine Beklagte (die Anbieterin) hatten einen Vertrag über die Teilnahme an einem sogenannten „E-Commerce Master Club“ geschlossen. Die Beklagte sollte der Klägerin für eine Gebühr von 7.140 € (brutto) Wissen und Fähigkeiten zum Aufbau eines Online-Handels (E-Commerce) vermitteln. Die Leistungen umfassten Video-Lektionen und wöchentliche „Coaching Calls“.
Die Klägerin hielt den Vertrag für ungültig, unter anderem weil die Anbieterin keine behördliche Zulassung für diese Art von Kurs hatte, die in Deutschland für Fernunterricht vorgeschrieben ist. Die Beklagte klagte wider (verlangte also ihrerseits) die Zahlung der vereinbarten Gebühr.
Die Vorinstanzen (Landgericht und Oberlandesgericht) hatten die Zahlungsklage der Anbieterin abgewiesen. Der BGH musste nun in letzter Instanz darüber entscheiden, ob die Anbieterin die Gebühr verlangen kann.
Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Revision der Anbieterin zurück und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen.
Der Vertrag ist ungültig (nichtig), weil die Anbieterin für ihren „E-Commerce Master Club“ die nach dem deutschen Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) erforderliche behördliche Zulassung nicht hatte.
Der BGH hat geprüft, ob das Angebot der Beklagten als Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG gilt. Nur dann ist die staatliche Zulassung notwendig.
Ein Angebot gilt als Fernunterricht, wenn alle drei folgenden Punkte zutreffen:
Der BGH bestätigte die Ansicht der Vorinstanzen: Das Angebot dient der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten.
Die Begriffe „Kenntnisse“ und „Fähigkeiten“ werden sehr weit ausgelegt – es geht um die Vermittlung „jeglicher“ Inhalte, egal welcher Qualität. Gerade Angebote, die zur Existenzgründung dienen, aber keine hohe Qualität aufweisen, sollen durch das Gesetz geschützt werden.
Die Video-Module (z. B. „Shopify-Shop einrichten“) und auch die Coaching Calls dienen der Wissensvermittlung, selbst wenn es um die Erreichung eines praktischen Ziels geht. Die vermittelten Kenntnisse müssen nicht abstrakt oder „systematisch didaktisch aufbereitet“ sein.
Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn Lehrender und Lernender ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind.
Der BGH sah das Kriterium als erfüllt an, da der Schwerpunkt des Vertrags auf dem Videokurs (lebenslanger Zugriff) und den als Bonus angebotenen Videos lag. Diese Videos sind asynchron, d. h. zeitversetzt und räumlich getrennt nutzbar.
Auch wenn es synchrone Coaching Calls gab, tritt deren zeitlicher Umfang hinter dem lebenslangen Zugriff auf die Video-Module zurück. Der BGH sah den Schwerpunkt des Angebots in dem Videokurs, der jederzeit abgerufen werden kann.
Der BGH legt auch dieses Merkmal weit aus. Es reicht aus, wenn eine individuelle Anleitung vorgesehen ist, die eine Lernerfolgskontrolle ermöglicht.
Dies ist nicht nur bei formalen Prüfungen der Fall. Es genügt, wenn der Teilnehmer das vertraglich zugesicherte Recht hat, Fragen zu stellen, um sein eigenes Verständnis zu überprüfen (persönliche Lernkontrolle).
Das Angebot der Anbieterin sah dies vor: es gab ein abschließendes „Q&A zu allen Themen und Fragen“ in den Coaching Calls, einen „VIP E-Mail Support“ und eine „exklusive Facebook-Gruppe“ für Fragen. Auch die Zusage, solange gecoacht zu werden, bis ein bestimmter Nettogewinn erzielt wird, wenn alle Tipps umgesetzt werden, impliziert eine Lernkontrolle und Korrektur.
Daher war auch das Kriterium der Lernerfolgskontrolle erfüllt.
Der BGH stellte klar, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz nicht nur Verbraucher schützt, sondern auch Unternehmer.
Das Gesetz schränkt seinen Anwendungsbereich nicht auf Privatpersonen ein.
Gerade Teilnehmer, die eine neue Existenz aufbauen wollen (wie im E-Commerce), seien oft schutzbedürftig, da ihnen unternehmerische Erfahrung fehle. Sie bedürften des gleichen Schutzes vor unseriösen Anbietern wie Verbraucher.
Da alle Kriterien für Fernunterricht erfüllt waren, die Anbieterin aber keine behördliche Zulassung besaß, ist der gesamte Vertrag gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig (ungültig). Die Anbieterin hatte somit keinen Anspruch auf die Zahlung der vereinbarten Gebühr.
Der BGH hat mit diesem Urteil klargestellt, dass online angebotene Kurse, die Wissen gegen Gebühr vermitteln, asynchrone Inhalte (Videos) und eine Form der Lernkontrolle (wie Frage-Antwort-Möglichkeiten) umfassen und überwiegend online stattfinden, dem strengen Zulassungsverfahren des Fernunterrichtsschutzgesetzes unterliegen. Fehlt diese Zulassung, ist der Vertrag ungültig.
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