Online Coachings im Bereich Vertrieb und Marketing
Datum: 19.02.2025
Gericht: Landgericht Bochum
Spruchkörper: 3. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 3 O 399/23
Der Fall: Landgericht Bochum zu Coaching-Verträgen
Zwei Unternehmer (eine Klägerin im Bereich Life-Coaching und ein Beklagter, der Vertriebs- und Marketing-Coachings anbietet) stritten vor Gericht um die Gültigkeit und die Kosten eines geschlossenen Coaching-Vertrags.
Die Klägerin hatte bereits einen Teil der vereinbarten Vergütung gezahlt und forderte diesen Betrag zurück, weil sie der Meinung war, der Vertrag sei unwirksam.
Der Beklagte forderte im Gegenzug mit einer sogenannten Widerklage die Zahlung der noch offenen Restvergütung.
Die Klägerin stützte ihre Forderung auf die angebliche Nichtigkeit (Ungültigkeit) des Coaching-Vertrags aus zwei Hauptgründen:
Die Klägerin sah das Coaching als Fernunterricht an.
Nach dem FernUSG benötigen Anbieter solcher Lehrgänge in Deutschland grundsätzlich eine staatliche Zulassung (§ 12 FernUSG).
Da der Beklagte unstreitig keine solche Zulassung besaß, forderte die Klägerin die Nichtigkeit des Vertrags nach § 7 Abs. 1 FernUSG.
Die Klägerin behauptete, es bestehe ein grobes Missverhältnis zwischen dem hohen Preis und der tatsächlichen Leistung (unzureichende Qualität).
Sie fühlte sich überrumpelt, da ihr im Erstgespräch eine individuelle Betreuung suggeriert worden sei, die dann nicht erfolgte.
Das Landgericht Bochum wies die Klage der Klägerin ab und gab der Widerklage des Beklagten im Wesentlichen statt.
Das Gericht sah den Coaching-Vertrag als wirksam an und verpflichtete die Klägerin, die noch ausstehende Restvergütung sowie weitere Kosten zu zahlen.
Das Gericht verneinte die Anwendbarkeit des FernUSG.
Überwiegend synchrone Wissensvermittlung: Das Gesetz greift nur bei überwiegender räumlicher Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG).
Das Gericht stellte fest, dass die Wissensvermittlung überwiegend synchron stattfand. Dies begründete es mit den dreimal wöchentlichen, mindestens einstündigen Live-Video-Calls. In diesen Calls bestand die Möglichkeit, direkt in Kontakt mit den Lehrenden zu treten.
Die auf der Lernplattform bereitgestellten, vorproduzierten Lerninhalte (20 Stunden) und die Möglichkeit, aufgezeichnete Calls nur für kurze Zeit abzurufen, spielten im Vergleich zu den Live-Calls nur eine untergeordnete Rolle (eigenständige Selbstlernphase).
Da die Leistung überwiegend synchron erfolgte, liegt nach Ansicht des Gerichts kein Fernunterricht im Sinne des Gesetzes vor. Der Vertrag war daher nicht wegen fehlender Zulassung nichtig.
Das Gericht verneinte auch die Sittenwidrigkeit des Vertrages.
Ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung allein führt in der Regel nicht zur Sittenwidrigkeit.
Es müssten zusätzliche Umstände hinzukommen, wie die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (z. B. das bewusste Ausbeuten einer Zwangslage oder Unerfahrenheit).
Da die Klägerin selbstständige Unternehmerin war und diese zusätzlichen Umstände nicht nachweisen konnte, musste das Gericht davon ausgehen, dass sie den Vertrag aus freien Stücken akzeptiert hat. Das Prinzip der Privatautonomie beinhaltet auch die Selbstverantwortung für die eingegangenen Verpflichtungen.
Der Einwand der Klägerin, die Leistung sei von mangelhafter Qualität gewesen, ließ das Gericht ebenfalls nicht gelten.
Nach deutschem Dienstvertragsrecht (§ 611 BGB) berechtigt eine schlechte Erbringung der Dienste (Schlechtleistung) den Dienstberechtigten nicht automatisch zur Minderung oder zur Verweigerung der Vergütung (im Gegensatz zum Werkvertrag).
Solange die Dienstleistung zumindest schlecht erbracht wurde, besteht Anspruch auf die volle Vergütung. Gestaltungsrechte (wie z. B. eine Kündigung) hatte die Klägerin nicht ausgeübt.
Da der Vertrag wirksam war und die Klägerin zur Zahlung verpflichtet blieb, entschied das Gericht:
Die Klage auf Rückzahlung bereits geleisteter Beträge wurde abgewiesen.
Die Klägerin wurde auf die Widerklage hin zur Zahlung der Restvergütung in Höhe von 12.685,00 EUR verurteilt.
Zusätzlich muss die Klägerin Anwaltskosten des Beklagten (1.088,60 EUR) und Rücklastschriftgebühren (70,59 EUR) wegen der Rückbuchung von Raten zahlen.
Die Klägerin trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits.
Dieser Fall verdeutlicht die juristische Unterscheidung zwischen einem zulassungspflichtigen Fernunterrichtsvertrag und einem Coaching-Vertrag, bei dem der Live-Kontakt überwiegt.
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