Ordentliche Kündigung – betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM)

Februar 2, 2022

Ordentliche Kündigung – betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM)

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18.03.2021 – 2 AZR 138/21

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Ein Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, ein erneutes betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen,

wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines vorherigen bEM erneut länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist.

Dies gilt auch dann, wenn seit dem letzten bEM noch kein Jahr vergangen ist.

Sachverhalt:

Im vorliegenden Fall kündigte ein Arbeitgeber einem langjährig beschäftigten Produktionshelfer aufgrund häufiger Krankheitszeiten.

Der Arbeitnehmer hatte in den Jahren vor der Kündigung eine hohe Anzahl an Krankheitstagen.

Ordentliche Kündigung – betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM)

Ein erstes bEM wurde durchgeführt, jedoch ohne Erfolg.

Nachdem der Arbeitnehmer nach dem ersten bEM erneut lange krankheitsbedingt ausfiel, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.

Der Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung.

Entscheidung des BAG:

Das BAG entschied, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt war. Der Arbeitgeber hätte vor Ausspruch der Kündigung ein erneutes bEM durchführen müssen.

Begründung:

Verhältnismäßigkeitsprinzip:

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn es keine milderen Mittel zur Vermeidung weiterer Fehlzeiten gibt.

Das bEM dient dazu, solche milderen Mittel zu finden.

Ordentliche Kündigung – betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM)

Pflicht zur Durchführung eines erneuten bEM:

Nach § 167 Abs. 2 SGB IX ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein bEM anzubieten, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist.

Dies gilt auch dann, wenn bereits ein bEM durchgeführt wurde und seitdem noch kein Jahr vergangen ist.

Sinn und Zweck des bEM: Ziel des bEM ist es, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen.

Dazu müssen die Ursachen der Arbeitsunfähigkeit ermittelt und Möglichkeiten gefunden werden, den Arbeitsplatz zu erhalten.

Ein erneutes bEM ist notwendig, da sich sowohl die Krankheitsursachen als auch die betrieblichen Umstände seit dem ersten bEM geändert haben können.

Kein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ für ein bEM:

Es gibt kein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ für ein bEM.

Wenn der Arbeitnehmer nach einem bEM erneut länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist, muss der Arbeitgeber grundsätzlich ein neues bEM anbieten.

Ordentliche Kündigung – betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM)

Darlegungs- und Beweislast:

Der Arbeitgeber muss darlegen und beweisen, dass auch ein erneutes bEM keine milderen Mittel als die Kündigung ergeben hätte.

Im vorliegenden Fall konnte der Arbeitgeber dies nicht ausreichend darlegen.

Folgen für die Praxis:

Arbeitgeber müssen die Pflicht zur Durchführung eines erneuten bEM ernst nehmen.

Ein einmal durchgeführtes bEM entbindet den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung, bei erneuter längerer Arbeitsunfähigkeit ein weiteres bEM durchzuführen.

Arbeitgeber müssen im Kündigungsschutzprozess darlegen und beweisen, dass auch ein erneutes bEM die Kündigung nicht hätte verhindern können.

Zusätzliche Hinweise des BAG zum Abschluss eines bEM:

Ein bEM ist abgeschlossen, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig sind, dass der Suchprozess beendet ist.

Der Arbeitgeber kann den Suchprozess nicht einseitig beenden.

Ein bEM kann auch dann abgeschlossen sein, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers weiter andauert.

Lehnt der Arbeitnehmer ein bEM ab, muss der Arbeitgeber bei erneuter längerer Arbeitsunfähigkeit erneut ein bEM anbieten.

Fazit:

Das Urteil des BAG stärkt den Schutz von Arbeitnehmern vor krankheitsbedingten Kündigungen.

Arbeitgeber müssen die Pflicht zur Durchführung eines erneuten bEM beachten, um eine Kündigung sozial zu rechtfertigen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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