Ordre public-Verstoß durch erbrechtliche Rechtswahl

März 8, 2025

Ordre public-Verstoß durch erbrechtliche Rechtswahl

Zusammenfassung des Artikels von Juliane Weber. ZEV 2025, 65 ff.

RA und Notar Krau

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. Juni 2022, wonach der bedarfsunabhängige Pflichtteilsanspruch der Kinder zum deutschen „ordre public“ gehört,

hat weitreichende Konsequenzen für die erbrechtliche Gestaltungspraxis.

Juliane Weber analysiert in ihrem Artikel die Auswirkungen dieser Entscheidung, indem sie einen Überblick über die Rechtsprechung in anderen europäischen Staaten gibt und die BGH-Entscheidung kritisch hinterfragt.

Kernpunkte des Artikels:

  • Der Fall:
    • Eine australische Staatsangehörige, A, die in Deutschland lebt, möchte ihr Vermögen ihrer Nichte vererben und ihre in Australien lebende Tochter, T, enterben.
    • Nach deutschem Recht hätte T einen Pflichtteilsanspruch, während sie nach australischem Recht nur bei Bedürftigkeit einen Anspruch hätte.
    • A könnte durch Rechtswahl gemäß Artikel 22 der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) das australische Recht wählen und so den Pflichtteilsanspruch der Tochter umgehen.
    • Jedoch besteht das Risiko eines „ordre public“-Verstoßes, da der BGH entschieden hat, dass bedarfsunabhängige Pflichtteilsansprüche Teil des deutschen „ordre public“ sind.
  • Rechtsprechung in Europa:
    • Im Gegensatz zum BGH haben andere europäische Höchstgerichte, wie in Spanien, Italien, Frankreich und Österreich, entschieden, dass der Pflichtteil kein Bestandteil des jeweiligen nationalen „ordre public“ ist.
    • In Frankreich reagierte der Gesetzgeber und verankerte den Pflichtteil im „ordre public“, was jedoch umstritten ist.
  • Kritische Analyse der BGH-Entscheidung:
    • Weber kritisiert die Entscheidung des BGH, da dieser die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu weitgehend auf internationale Sachverhalte überträgt.
    • Die BGH-Entscheidung stehe im Gegensatz zu der Handhabung in anderen europäischen Staaten.
    • Der BGH habe den Anspruch auf family provision, nach Englischem recht, nicht ausreichend berechnet,
    • Es wird dargelegt das die Handhabung des BGH, hinsichtlich der Offensichtlichkeit des Verstoßes, Schwachstellen aufweißt.
    • Zudem werden die Rechtsfolgen eines „ordre public“-Verstoßes beleuchtet.
  • Verletzung der Vorlagepflicht:
    • Weber bemängelt, dass der BGH kein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeleitet hat.
    • Der EuGH hätte klären können, ob der BGH seinen Ermessensspielraum überschritten hat.
    • Der EuGH hätte kontrollieren können, ob die Nichtanwendung ausländischen Rechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung gegen unionsrechtliche Gewährleistungen verstößt.
  • Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis:
    • Die BGH-Entscheidung führt zu erheblicher Unsicherheit bei der erbrechtlichen Gestaltung.
    • Auch bei Rechtswahl besteht das Risiko, dass deutsche Gerichte einen „ordre public“-Verstoß annehmen.
    • Eine sichere ex ante-Beurteilung ist demnach nicht möglich.

Ordre public-Verstoß durch erbrechtliche Rechtswahl

Fazit:

Webers Artikel verdeutlicht die Komplexität der erbrechtlichen Rechtswahl und die weitreichenden Konsequenzen der BGH-Entscheidung.

Die Entscheidung des BGH, den bedarfsunabhängigen Pflichtteilsanspruch zum deutschen „ordre public“ zu erklären, wirft Fragen nach den Grenzen der Rechtswahl und der Auslegung des „ordre public“ auf.

Die Analyse der Rechtsprechung in anderen europäischen Staaten und die kritische Auseinandersetzung mit der BGH-Entscheidung zeigen, dass in diesem Bereich noch Klärungsbedarf besteht.

Schlagworte

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.