Organhaftung im Wirecard-Fall

Dezember 26, 2024

Zusammenfassung des Aufsatzes

„Organhaftung im Wirecard-Fall –

Zugleich Bespr. von LG München I, Teilurteil v. 5.9.2024 – 5 HK O 17452/21, NZG 2024, 1605 „

von Prof. Dr. Gregor Bachmann, NZG 2024, 1598

Zusammenfassung von RA und Notar Krau

Der Artikel von Prof. Dr. Gregor Bachmann analysiert ein Teilurteil des Landgerichts München I vom 5. September 2024 im Organhaftungsprozess des Wirecard-Skandals.

Das Gericht entschied, dass der Vorstand für ausgefallene Kredite in neunstelliger Höhe haftet, während der Aufsichtsrat haftungsfrei bleibt.

Bachmann beleuchtet die Entscheidung im Detail und bewertet ihre Folgen für die Praxis.

Der Wirecard-Skandal und das Urteil

Der Wirecard-Skandal bietet für Juristen ein komplexes Feld an Rechtsfragen.

Im vorliegenden Fall ging es um die Haftung der Organmitglieder gegenüber der Wirecard AG.

Organhaftung im Wirecard-Fall

Das LG München I, bekannt für wegweisende Urteile in der Organhaftung, hatte über die Verantwortlichkeit der verbliebenen Vorstandsmitglieder und des Aufsichtsrats zu entscheiden.

Konkrete Pflichtverletzungen im Fokus

Der Insolvenzverwalter stützte seine Klage auf die Vergabe ungesicherter Millionen-Kredite und die Zeichnung von Schuldverschreibungen ohne Risikoprüfung.

Das Gericht sah darin eine Pflichtverletzung des Vorstands, die nicht durch die Business Judgement Rule gedeckt war.

Die Gesamtverantwortung des Vorstands führte zur Haftung aller Mitglieder, auch der nicht unmittelbar ressortzuständigen.

Der Aufsichtsrat hatte ebenfalls pflichtwidrig gehandelt, indem er trotz Warnzeichen nicht einschritt.

Seine Haftung scheiterte jedoch an der mangelnden Kausalität.

Detailanalyse und Würdigung der Entscheidung

Organhaftung im Wirecard-Fall

Bachmann analysiert die Entscheidung im Detail und setzt sich kritisch mit verschiedenen Aspekten auseinander.

  • Haftung des Vorstands:
    • Erörtert wird die Beweislastverteilung, der Auskunftsanspruch ausgeschiedener Vorstandsmitglieder und die Grenzen der Business Judgement Rule.
    • Die Vergabe ungesicherter Kredite wird als klarer Fall einer Pflichtverletzung dargestellt, wobei Bachmann die pauschale Übertragung der Grundsätze aus dem Bankensektor auf Nicht-Banken kritisch hinterfragt.
    • Die Zeichnung von Schuldverschreibungen ohne Due Diligence wird ebenfalls als pflichtwidrig angesehen.
    • Weitere Pflichtverletzungen sieht das Gericht in der Missachtung von Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrats und der unzureichenden Vertragslektüre.
    • Bachmann kritisiert die strenge Auslegung des Vertrauensgrundsatzes und die Forderung nach detaillierter Vertragslektüre.
    • Die Entlastung durch Expertenrat scheiterte an der fehlenden Unabhängigkeit und Plausibilitätsprüfung.
    • Der Schaden und die Kausalität werden bejaht.
  • Haftung des Aufsichtsrats:
    • Die Pflichtverletzung des Aufsichtsrats lag in der unzureichenden Überwachung und dem fehlenden Einschreiten.
    • Die Entlastung durch Rechtsrat wird kritisch bewertet, da die bloße Anwesenheit von Anwälten keinen Rat darstellt.
    • Die Haftung scheitert letztlich an der mangelnden Kausalität, da der Vorstand ein Veto des Aufsichtsrats vermutlich ignoriert hätte.

D&O-Schutz und seine Grenzen

Der Fall Wirecard zeigt die Grenzen des D&O-Schutzes auf.

Die Deckungssummen können bei einem Totalschaden schnell erschöpft sein, und es drohen Ausschlüsse im Falle von Vorsatz.

Organhaftung im Wirecard-Fall

Bachmann beleuchtet die Problematik der Existenzvernichtung von Organmitgliedern und die Möglichkeiten des innerbetrieblichen Schadensausgleichs.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil unterstreicht die Relevanz bekannter Aussagen zur Organhaftung und setzt einen Trend fort, bankrechtliche Anforderungen auf Nicht-Banken zu übertragen.

Die Kernbotschaft des Urteils ist das Misstrauensprinzip:

Organmitglieder dürfen ihren Kollegen kein unbedingtes Vertrauen schenken und müssen bei potenziell existenzbedrohenden Geschäften penibel auf die Einhaltung der Prozesse achten.

Bachmann betont die Grenzen des Expertenrats und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Plausibilitätsprüfung.

Für den Aufsichtsrat bedeutet das Urteil eine gewisse Entwarnung, die jedoch auf unsicherer Grundlage steht.

Fazit

Das Urteil ist ein weiterer Meilenstein in der Judikatur zur Organhaftung und ein Weckruf für Vorstände.

Organhaftung im Wirecard-Fall

Es unterstreicht die Notwendigkeit von Misstrauen, Risikokontrolle und sorgfältiger Prozessbefolgung.

Der negative Spill-Over-Effekt in Form von Haftungsangst und Risikoaversion ist jedoch nicht auszuschließen.

Für Organmitglieder bleiben vorausschauende Absicherung und persönliches Risikomanagement unerlässlich.

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