
Zusammenfassung des Aufsatzes
„Organhaftung im Wirecard-Fall –
Zugleich Bespr. von LG München I, Teilurteil v. 5.9.2024 – 5 HK O 17452/21, NZG 2024, 1605 „
von Prof. Dr. Gregor Bachmann, NZG 2024, 1598
Zusammenfassung von RA und Notar Krau
Der Artikel von Prof. Dr. Gregor Bachmann analysiert ein Teilurteil des Landgerichts München I vom 5. September 2024 im Organhaftungsprozess des Wirecard-Skandals.
Das Gericht entschied, dass der Vorstand für ausgefallene Kredite in neunstelliger Höhe haftet, während der Aufsichtsrat haftungsfrei bleibt.
Bachmann beleuchtet die Entscheidung im Detail und bewertet ihre Folgen für die Praxis.
Der Wirecard-Skandal und das Urteil
Der Wirecard-Skandal bietet für Juristen ein komplexes Feld an Rechtsfragen.
Im vorliegenden Fall ging es um die Haftung der Organmitglieder gegenüber der Wirecard AG.
Das LG München I, bekannt für wegweisende Urteile in der Organhaftung, hatte über die Verantwortlichkeit der verbliebenen Vorstandsmitglieder und des Aufsichtsrats zu entscheiden.
Konkrete Pflichtverletzungen im Fokus
Der Insolvenzverwalter stützte seine Klage auf die Vergabe ungesicherter Millionen-Kredite und die Zeichnung von Schuldverschreibungen ohne Risikoprüfung.
Das Gericht sah darin eine Pflichtverletzung des Vorstands, die nicht durch die Business Judgement Rule gedeckt war.
Die Gesamtverantwortung des Vorstands führte zur Haftung aller Mitglieder, auch der nicht unmittelbar ressortzuständigen.
Der Aufsichtsrat hatte ebenfalls pflichtwidrig gehandelt, indem er trotz Warnzeichen nicht einschritt.
Seine Haftung scheiterte jedoch an der mangelnden Kausalität.
Detailanalyse und Würdigung der Entscheidung
Bachmann analysiert die Entscheidung im Detail und setzt sich kritisch mit verschiedenen Aspekten auseinander.
D&O-Schutz und seine Grenzen
Der Fall Wirecard zeigt die Grenzen des D&O-Schutzes auf.
Die Deckungssummen können bei einem Totalschaden schnell erschöpft sein, und es drohen Ausschlüsse im Falle von Vorsatz.
Bachmann beleuchtet die Problematik der Existenzvernichtung von Organmitgliedern und die Möglichkeiten des innerbetrieblichen Schadensausgleichs.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil unterstreicht die Relevanz bekannter Aussagen zur Organhaftung und setzt einen Trend fort, bankrechtliche Anforderungen auf Nicht-Banken zu übertragen.
Die Kernbotschaft des Urteils ist das Misstrauensprinzip:
Organmitglieder dürfen ihren Kollegen kein unbedingtes Vertrauen schenken und müssen bei potenziell existenzbedrohenden Geschäften penibel auf die Einhaltung der Prozesse achten.
Bachmann betont die Grenzen des Expertenrats und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Plausibilitätsprüfung.
Für den Aufsichtsrat bedeutet das Urteil eine gewisse Entwarnung, die jedoch auf unsicherer Grundlage steht.
Fazit
Das Urteil ist ein weiterer Meilenstein in der Judikatur zur Organhaftung und ein Weckruf für Vorstände.
Es unterstreicht die Notwendigkeit von Misstrauen, Risikokontrolle und sorgfältiger Prozessbefolgung.
Der negative Spill-Over-Effekt in Form von Haftungsangst und Risikoaversion ist jedoch nicht auszuschließen.
Für Organmitglieder bleiben vorausschauende Absicherung und persönliches Risikomanagement unerlässlich.