Parteibezeichnung bei Prozess gegen Grundstücks-Bruchteilsgemeinschaft

März 18, 2025

Parteibezeichnung bei Prozess gegen Grundstücks-Bruchteilsgemeinschaft

RA und Notar Krau

In einem bemerkenswerten Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. August 2022 (VII ZR 62/22) wurde die Auslegung der Parteibezeichnung bei Klagen gegen Bruchteilsgemeinschaften präzisiert.

Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung korrekter Parteibezeichnungen im Zivilprozess und die Anwendung des rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG).

Sachverhalt

Ein Unternehmen, das Hausbetreuungsleistungen erbringt, klagte auf Vergütung für Gartenpflege- und Winterdienstleistungen,

die es auf einem gemeinschaftlich genutzten Gartengrundstück erbracht haben soll.

Der zugrunde liegende Vertrag wurde 2016 mit der „BTG (Bruchteilsgemeinschaft) am Gartengrundstück der Gartenresidenz C B“ abgeschlossen, vertreten durch eine Streithelferin.

Die erbrachten Leistungen bezogen sich auf ein Gartengrundstück, das von den Mitgliedern von vier Wohnungseigentümergemeinschaften in Bruchteilsgemeinschaft gehalten wird.

Die Klägerin stellte Rechnungen über insgesamt 21.421,59 Euro aus den Jahren 2017 und 2018 an die „BTG am Gartengrundstück d. Gartenresidenz C“ und mahnte erfolglos deren Bezahlung an.

Die Klage wurde zunächst gegen „die Wohnungseigentümergemeinschaft Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C“ gerichtet.

Nach einem gerichtlichen Hinweis präzisierte die Klägerin die Bezeichnung der beklagten Partei in „die Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C“ und fügte den Zusatz

„Bruchteilseigentümer gemäß beigefügter Anlage der Bruchteilseigentümer“ hinzu.

Parteibezeichnung bei Prozess gegen Grundstücks-Bruchteilsgemeinschaft

Entscheidung des Landgerichts und des Kammergerichts

Das Landgericht Berlin wies die Klage als unzulässig ab, und das Kammergericht wies die Berufung der Klägerin zurück.

Die daraufhin eingelegte Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hatte jedoch Erfolg,

da der BGH eine Verletzung des rechtlichen Gehörs feststellte und den Fall zur erneuten Verhandlung an das Kammergericht zurückverwies.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der BGH stellte fest, dass das Kammergericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 103 Absatz 1 GG verletzt hatte.

Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in ihren Entscheidungen zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall hatte das Kammergericht den wesentlichen Kern des Vorbringens der Klägerin verkannt.

Die Auslegung der Parteibezeichnung ist ein zentraler Aspekt des Zivilprozesses.

Laut BGH ist die Parteibezeichnung in der Klageschrift auslegungsfähig.

Maßgeblich ist, wie der Erklärungsinhalt objektiv aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Prozessgegner) zu verstehen ist.

Bei unrichtiger oder mehrdeutiger Bezeichnung ist diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar betroffen sein soll. Für die Auslegung sind nicht nur die Angaben im Rubrum der Klageschrift, sondern

der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger Anlagen sowie spätere Prozessvorgänge zu berücksichtigen.

Parteibezeichnung bei Prozess gegen Grundstücks-Bruchteilsgemeinschaft

Der BGH betonte, dass die Klageerhebung nicht an einer fehlerhaften Bezeichnung scheitern darf, wenn keine vernünftigen Zweifel an der gemeinten Partei bestehen.

Zudem ist im Zweifel dasjenige gewollt, was nach der Rechtsordnung vernünftig ist und der Interessenlage entspricht.

Da Bruchteilsgemeinschaften keine Rechts- und Parteifähigkeit besitzen, ist die Bezeichnung „Bruchteilsgemeinschaft“ regelmäßig so auszulegen,

dass die einzelnen Bruchteilseigentümer gemeint sind.

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 26. Januar 2022 klargestellt, dass sich die Klage gegen die einzelnen Bruchteilseigentümer gemäß der vorgelegten Liste richtet.

Das Kammergericht hatte dieses zentrale Vorbringen jedoch nicht ausreichend berücksichtigt und damit das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt.

Der BGH wies darauf hin, dass die gewählte Beklagtenbezeichnung unter Berücksichtigung der Klarstellung der Klägerin und der genannten Auslegungsgrundsätze so auszulegen ist,

dass die Bruchteilseigentümer der Bruchteilsgemeinschaft am Gartengrundstück der Gartenresidenz C gemäß der vorgelegten Liste als Beklagte gelten.

Bedeutung der Entscheidung

Diese Entscheidung des BGH verdeutlicht die Wichtigkeit einer korrekten und eindeutigen Parteibezeichnung im Zivilprozess.

Sie unterstreicht, dass Gerichte verpflichtet sind, das rechtliche Gehör der Parteien zu wahren und deren Vorbringen umfassend zu berücksichtigen.

Zudem betont sie, dass bei der Auslegung von Parteibezeichnungen der Wille der klagenden Partei und die tatsächlichen Umstände des Falles maßgeblich sind.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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