Persönliche Haftung des handelnden Geschäftsführers einer ausländischen GmbH bei Handeln ohne Rechtsformzusatz

Juli 6, 2025

Persönliche Haftung des handelnden Geschäftsführers einer ausländischen GmbH bei Handeln ohne Rechtsformzusatz

BGH, Urteil vom 05.02.2007 – II ZR 84/05

Vorinstanzen:

LG Bonn, Entscheidung vom 06.05.2004 – 7 O 574/03 –

OLG Köln, Entscheidung vom 04.02.2005 – 20 U 78/04 –

RA und Notar Krau

Worum ging es in diesem Fall?

Stellen Sie sich vor, Sie lassen ein Haus bauen. Sie schließen einen Vertrag mit einer Firma ab. Auf dem Vertrag steht „O. L. Zweigniederlassung Deutschland“. Sie gehen davon aus, dass es sich um eine deutsche Firma handelt, die unbeschränkt haftet, falls etwas schiefgeht. Später stellt sich heraus, dass die Firma Mängel hat. Die Firma hat jedoch in Wirklichkeit die Rechtsform „B.V.“, was für eine niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung steht.

Dieser Zusatz „B.V.“ fehlte aber im Vertrag. Nun möchten Sie, dass der Geschäftsführer der Firma persönlich für die Mängel haftet, weil Sie dachten, Sie hätten es mit einer Firma ohne Haftungsbeschränkung zu tun.

Genau darum ging es in dem Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Aktenzeichen II ZR 84/05.

Die Ausgangssituation

Ein Ehepaar (die Kläger) beauftragte eine Firma, die im Vertrag als „O. L. Zweigniederlassung Deutschland“ bezeichnet war, mit dem Bau eines Einfamilienhauses. Der Vertrag wurde von einer Angestellten (Zeugin B.) der Firma „in Vollmacht“ unterzeichnet. Nach Fertigstellung des Hauses traten erhebliche Mängel auf, deren Beseitigung voraussichtlich rund 70.000 € kosten würde.

Die beauftragte Firma war in Wirklichkeit die „O. L. B.V.“, eine niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung. „B.V.“ ist vergleichbar mit einer deutschen GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung). Der Zusatz „B.V.“ fehlte jedoch im Vertragstext, was den Eindruck erweckte, es handele sich um eine Firma ohne Haftungsbeschränkung.

Die Kläger waren der Meinung, der Geschäftsführer der Firma, Herr Bo. Ar. J. (Beklagter zu 1), müsse persönlich für die Mängel haften, da die Rechtsform im Vertrag nicht korrekt angegeben wurde.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen

Landgericht Bonn:

Das Landgericht wies die Klage der Kläger ab. Es war der Ansicht, dass der Vertrag mit der „O. L. B.V.“ zustande gekommen sei und der Geschäftsführer daher nicht persönlich hafte.

Oberlandesgericht Köln:

Das Oberlandesgericht sah das anders. Es wies zwar die Klage gegen den Prokuristen (früherer Beklagter zu 2) ab, gab der Klage gegen den Geschäftsführer (Beklagter zu 1) aber grundsätzlich statt. Es meinte, der Geschäftsführer hafte, weil er es versäumt habe, sicherzustellen, dass der „B.V.“-Zusatz im Vertrag angegeben wird. Dadurch sei bei den Klägern der Eindruck einer unbeschränkten Haftung entstanden. Das Gericht verwies den Fall zurück an das Landgericht, um die genaue Höhe des Schadens zu ermitteln.

Der Geschäftsführer legte gegen dieses Urteil des Oberlandesgerichts Revision beim Bundesgerichtshof ein.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)

Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und stellte das Urteil des Landgerichts wieder her, das die Klage gegen den Geschäftsführer abgewiesen hatte.

Der BGH begründete seine Entscheidung wie folgt:

Anwendbarkeit deutschen Rechts:

Der BGH bestätigte, dass deutsches Recht auf die Frage der Haftung anwendbar ist, weil der Vertrag in Deutschland geschlossen wurde und die Täuschung über die Rechtsform hier stattfand. Es ist auch nicht entscheidend, dass es sich um eine niederländische Gesellschaft handelt, da auch nach niederländischem Recht ein ähnlicher Hinweis auf die Haftungsbeschränkung (nämlich „B.V.“) vorgeschrieben ist.

Persönliche Haftung des handelnden Geschäftsführers einer ausländischen GmbH bei Handeln ohne Rechtsformzusatz

Vertragspartner war die „B.V.“:

Der BGH stellte klar, dass der Vertrag trotz des fehlenden „B.V.“-Zusatzes mit der niederländischen Gesellschaft „O. L. B.V.“ zustande gekommen ist und nicht mit dem Geschäftsführer persönlich. Bei solchen „unternehmensbezogenen Geschäften“ ist es üblich, dass der Vertrag mit der Firma und nicht mit der Person, die ihn unterzeichnet, zustande kommt.

Wer haftet bei fehlendem Firmenzusatz?

Dies war der entscheidende Punkt. Der BGH betonte, dass eine sogenannte Rechtsscheinhaftung nur denjenigen trifft, der unmittelbar für die Gesellschaft auftritt und durch seine Unterschrift ohne den erforderlichen Zusatz den falschen Eindruck erweckt. In diesem Fall war das die Zeugin B., die den Vertrag unterzeichnete. Sie erweckte durch das Weglassen des „B.V.“-Zusatzes den Eindruck, die Firma hafte unbeschränkt.

Keine Haftung des Geschäftsführers für Fehler Dritter:

Der BGH lehnte eine Haftung des Geschäftsführers ab, nur weil er seine Mitarbeiter nicht ausreichend angewiesen oder überwacht hat. Die Rechtsscheinhaftung, die aus dem fehlenden Zusatz entsteht, ist keine allgemeine Haftung für schlechte Überwachung. Es ist vielmehr eine spezielle Haftung, die darauf beruht, dass die handelnde Person selbst den falschen Eindruck erweckt hat. Der Geschäftsführer war beim Vertragsschluss nicht persönlich anwesend und hat den Vertrag nicht unterschrieben.

Abgrenzung zu früheren Urteilen:

Der BGH stellte klar, dass ein älteres Urteil aus dem Jahr 1978, das in einem Sonderfall eine Haftung eines nicht direkt handelnden Geschäftsführers annahm, hier nicht anwendbar ist. Dieses ältere Urteil betraf einen sehr spezifischen Sachverhalt, bei dem Gesellschafter eine frühere Gesellschaftsform irreführend weiterführten. Der BGH betonte, dass seine neuere Rechtsprechung, die die Haftung auf den unmittelbar Handelnden beschränkt, in diesem Fall maßgeblich ist.

Das Ergebnis für die Kläger

Die Klage der Bauherren gegen den Geschäftsführer wurde endgültig abgewiesen. Das bedeutet, der Geschäftsführer musste nicht persönlich für die Mängel am Haus haften. Die Kläger mussten die Gerichtskosten in allen Instanzen tragen. Die Gesellschaft „O. L. B.V.“ blieb jedoch Vertragspartner und damit möglicherweise haftbar für die Mängel.

Was bedeutet das Urteil für Laien?

Dieses Urteil ist wichtig, weil es klarstellt, wer haftet, wenn bei einem Vertrag mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (wie einer GmbH oder B.V.) der Hinweis auf die Haftungsbeschränkung weggelassen wird:

Der Vertragspartner bleibt die Gesellschaft: Der Vertrag kommt immer noch mit der Gesellschaft zustande, auch wenn der Rechtsformzusatz fehlt.

Haftung nur des „Unterzeichners“: Nur die Person, die den Vertrag für die Gesellschaft unterzeichnet und dabei den Zusatz weglässt, kann persönlich haften. Diese Haftung entsteht, weil diese Person den „Rechtsschein“ erweckt hat, als gäbe es keine Haftungsbeschränkung.

Keine automatische Haftung für Geschäftsführer: Der Geschäftsführer einer Gesellschaft haftet nicht automatisch persönlich, nur weil er seine Mitarbeiter nicht ausreichend überwacht hat und der Zusatz deshalb weggelassen wurde. Er muss schon selbst den Vertrag unterschrieben und dabei den falschen Eindruck erweckt haben.

Für Sie als Verbraucher bedeutet das: Achten Sie immer genau auf die vollständige Firmenbezeichnung im Vertrag. Wenn Sie eine Abkürzung wie „GmbH“ oder „B.V.“ sehen, wissen Sie, dass es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung handelt. Fehlt dieser Zusatz, sollten Sie vorsichtig sein und nachfragen. Im Zweifel liegt die Haftung dann weiterhin bei der Gesellschaft und nicht unbedingt bei der dahinterstehenden Person.

Haben Sie weitere Fragen zu diesem Urteil oder ähnlichen Themen?

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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