Pflicht zur Bereitstellung eines Kündigungsbuttons für online abgeschlossene Verträge

Juni 15, 2025

Pflicht zur Bereitstellung eines Kündigungsbuttons für online abgeschlossene Verträge

RA und Notar Krau

Im Urteil vom 22. Mai 2025 (Az. I ZR 161/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine wichtige Entscheidung zum Online-Kündigungsbutton getroffen.

Es ging um die Frage, ob Online-Händler auch dann einen Kündigungsbutton auf ihrer Webseite anbieten müssen, wenn ein Vertrag, der über das Internet abgeschlossen wurde, zwar automatisch nach einer bestimmten Laufzeit endet und der Kunde dafür nur eine einmalige Gebühr bezahlt hat, der Händler aber während der Laufzeit wiederkehrende Leistungen erbringt.

Worum es ging: Das „OTTO UP Plus“ Programm

Der Kläger in diesem Fall war der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Er verklagte das Versandhandelsunternehmen Otto. Otto bot auf seiner Webseite ein kostenpflichtiges Vorteilsprogramm namens „OTTO UP Plus“ an. Für eine jährliche Gebühr von 9,90 € erhielten Kunden Vorteile wie doppelte Punkte für nachhaltige Produkte und kostenlosen Versand. Die Besonderheit war: Das Programm hatte eine Laufzeit von zwölf Monaten und endete danach automatisch, ohne dass eine Kündigung erforderlich war. Der Kläger beanstandete, dass Otto für dieses Programm keine Kündigungsschaltfläche auf seiner Webseite bereitstellte, über die Kunden das Programm außerordentlich kündigen könnten. Dies sah der Kläger als Verstoß gegen die Verbraucherschutzvorschrift des § 312k des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) an.

Die Sicht des Oberlandesgerichts Hamburg

Das Oberlandesgericht Hamburg hatte die Klage der Verbraucherzentralen zunächst abgewiesen. Es argumentierte, dass Otto nicht verpflichtet sei, einen Kündigungsbutton für das „OTTO UP Plus“-Programm anzubieten. Begründung: Für den Verbraucher handele es sich nicht um ein sogenanntes „Dauerschuldverhältnis“ im Sinne des Gesetzes. Zwar sei Otto dauerhaft zu Leistungen verpflichtet (Punktegutschrift, kostenloser Versand), der Verbraucher habe aber nur eine einmalige Zahlung von 9,90 € zu leisten. Da der Kunde den Umfang seiner Leistungspflicht überblicken könne und der Vertrag automatisch ende, sei er nicht besonders schutzbedürftig und gerate nicht in eine „Kostenfalle“.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)

Pflicht zur Bereitstellung eines Kündigungsbuttons für online abgeschlossene Verträge

Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und gab dem Kläger recht. Damit muss Otto einen Kündigungsbutton bereitstellen.

Der BGH begründete seine Entscheidung wie folgt:

  1. Was ist ein „Dauerschuldverhältnis“? Der BGH stellte klar, dass es für die Definition eines Dauerschuldverhältnisses entscheidend ist, ob der Unternehmer (hier Otto) während der Vertragslaufzeit fortwährende oder wiederkehrende Leistungen erbringen muss. Der Gesamtumfang dieser Leistungen hängt dabei von der Vertragsdauer ab. Es ist unerheblich, ob der Verbraucher seine Zahlung einmalig oder in wiederkehrenden Raten entrichtet. Im Fall von „OTTO UP Plus“ erbrachte Otto fortwährend Punktegutschriften, Preisvorteile und kostenlosen Versand, was eindeutig eine fortwährende Leistung darstellt.
  2. Sinn und Zweck des Kündigungsbuttons (§ 312k BGB): Schutz vor „Kostenfallen“ Der BGH betonte den Schutzzweck des § 312k BGB. Das Gesetz soll Verbrauchern ermöglichen, online abgeschlossene Verträge genauso einfach zu kündigen, wie sie diese abschließen konnten. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Kündigung solcher Verträge oft schwierig oder durch die Webseiten-Gestaltung erschwert wird. Die „Kostenfalle“, die der Gesetzgeber vermeiden wollte, liegt nicht primär darin, dass Verbraucher ihre Zahlungspflichten nicht überblicken, sondern vielmehr darin, dass sie aufgrund der erschwerten Kündigung länger an einen Vertrag gebunden bleiben, als sie es wünschen.
  3. „Kostenfalle“ auch bei einmaliger Zahlung und automatischem Ende Auch wenn ein Vertrag mit einer einmaligen Zahlung und automatischem Ende versehen ist, kann der Verbraucher in eine „Kostenfalle“ geraten. Der BGH erklärte, dass die geschuldete Vergütung bei Dauerschuldverhältnissen – selbst bei einer Einmalzahlung – sich in der Regel nach der Dauer der Vertragslaufzeit bemisst. Wenn der Verbraucher durch ein erschwertes Kündigungsrecht länger an den Vertrag gebunden bleibt, steigt der Betrag, den er für die erbrachten Leistungen schuldet. Eine einfache Kündigungsmöglichkeit – auch eine außerordentliche – ermöglicht es dem Verbraucher, sich bei Unzufriedenheit oder Nichtnutzung frühzeitig vom Vertrag zu lösen und gegebenenfalls anteilige Rückzahlungsansprüche geltend zu machen. Würde man solche Verträge vom Anwendungsbereich des Kündigungsbuttons ausnehmen, würde dies den Schutzzweck des Gesetzes untergraben.

Fazit:

Der BGH hat mit diesem Urteil klargestellt, dass die Pflicht zur Bereitstellung eines Kündigungsbuttons für online abgeschlossene Verträge, die auf eine Dauerleistung des Unternehmers gerichtet sind, weit auszulegen ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Verbraucher wiederkehrende Zahlungen leistet oder der Vertrag automatisch endet.

Entscheidend ist, dass der Anbieter über einen längeren Zeitraum hinweg Leistungen erbringt. Ziel ist es, den Verbraucher vor einer ungewollten oder unnötig verlängerten Vertragsbindung zu schützen und ihm eine einfache Möglichkeit zur Beendigung solcher Verträge zu geben.

Dieses Urteil stärkt die Verbraucherrechte im Online-Handel erheblich.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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