Pflichtteil unter Testamentsvollstreckung in der Insolvenz
(LG München II, Beschl. v. 02.12.2024 – 7 T 1390/24 Ins)
Dies ist eine Zusammenfassung eines wichtigen Beschlusses des Landgerichts München II, der sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Pflichtteilsanspruch, für den eine Testamentsvollstreckung angeordnet wurde, im Falle einer Insolvenz des Pflichtteilsberechtigten der Insolvenzmasse zufällt und somit den Gläubigern zugänglich ist.
Ein Schuldner befindet sich in einem laufenden Insolvenzverfahren.
Sein Vater verstirbt und enterbt ihn testamentarisch, sodass ihm ein Pflichtteilsanspruch zusteht.
Der Vater hat jedoch in seinem Testament eine sogenannte Dauertestamentsvollstreckung auf Lebenszeit für diesen Pflichtteil angeordnet. Der Grund: Die Überschuldung des Sohnes sollte verhindern, dass der Pflichtteil sofort an dessen Gläubiger geht.
Der Testamentsvollstrecker zahlte zunächst die Hälfte des Pflichtteils an den Treuhänder des Insolvenzverfahrens.
Der Treuhänder beantragte daraufhin eine Nachtragsverteilung für den gesamten Pflichtteilsanspruch, da er meinte, dieser gehöre zur Insolvenzmasse.
Das Amtsgericht gab dem Treuhänder zunächst recht und ordnete die Nachtragsverteilung für den gesamten Pflichtteilsanspruch an.
Das LG München II hob den Beschluss des Amtsgerichts auf. Es stellte klar: Eine Nachtragsverteilung findet nicht statt.
Das Landgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen so:
Wenn ein Schuldner während eines laufenden Insolvenzverfahrens einen Pflichtteilsanspruch erwirbt, gehört dieser Vermögenswert zur sogenannten Insolvenzmasse. Das bedeutet, der Insolvenzverwalter (bzw. Treuhänder) kann darauf zugreifen und das Geld zur Befriedigung der Gläubiger verwenden.
Anders ist die Lage, wenn der Erblasser (hier: der Vater) wirksam eine Testamentsvollstreckung für den Pflichtteil angeordnet hat.
Der Schlüssel hier ist der Paragraph § 2214 BGB. Diese Vorschrift besagt, dass die persönlichen Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten (also die Insolvenzgläubiger) keinen Zugriff auf das der Testamentsvollstreckung unterliegende Vermögen haben. Es ist damit unpfändbar.
Der Wille des Vaters, den Pflichtteil wegen der Schulden des Sohnes zu schützen, wird somit durch das Gesetz (im Rahmen einer wirksamen Testamentsvollstreckung) respektiert.
Da der Pflichtteilsanspruch aufgrund der Testamentsvollstreckung als unpfändbar gilt, gehört er nach der Insolvenzordnung (§ 36 Abs. 1 InsO) nicht zur Insolvenzmasse.
Weil er nicht zur Masse gehört, darf das Gericht auch keine Nachtragsverteilung anordnen.
Das Gericht entschied, dass eine wirksam angeordnete Testamentsvollstreckung für den Pflichtteil (hier wegen der Überschuldung des Sohnes) diesen Vermögenswert dauerhaft dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzieht, auch wenn der Anspruch während des laufenden Insolvenzverfahrens entstanden ist. Der Pflichtteil bleibt in der Verwaltung des Testamentsvollstreckers und darf nicht zur Tilgung der Schulden verwendet werden.
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