Pflichtteilentziehung: Wenn selbst der Pflichtteil versagt wird

November 26, 2024

Pflichtteilentziehung: Wenn selbst der Pflichtteil versagt wird

RA und Notar Krau

Das deutsche Erbrecht sichert den nächsten Angehörigen eines Verstorbenen durch den Pflichtteil einen Mindestanspruch am Nachlass.

Doch es gibt Situationen, in denen selbst dieser minimale Anspruch verwehrt werden kann: die Pflichtteilentziehung.

Was ist der Pflichtteil?

Der Pflichtteil ist ein gesetzlich festgelegter Anspruch bestimmter naher Angehöriger (Abkömmlinge, Ehegatten, ggf. Eltern) auf einen Teil des Nachlasses, selbst wenn der Erblasser sie in seinem Testament enterbt hat.

Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Was ist die Pflichtteilentziehung?

Die Pflichtteilentziehung ist ein schwerwiegender Eingriff in das Erbrecht des Pflichtteilsberechtigten.

Pflichtteilentziehung: Wenn selbst der Pflichtteil versagt wird

Sie führt dazu, dass dieser seinen Anspruch auf den Pflichtteil vollständig verliert.

Die Gründe für eine solche Entziehung sind im Gesetz streng geregelt (§ 2333 BGB).

Gründe für die Pflichtteilentziehung

Das Gesetz nennt in § 2333 BGB vier Gründe, die zur Entziehung des Pflichtteils führen können:

  1. Mord oder Totschlag: Wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich tötet, wird von der Erbfolge ausgeschlossen und verliert auch seinen Anspruch auf den Pflichtteil. Dies gilt auch für den Versuch dieser Straftaten.
  2. Verbrechen oder schweres Vergehen gegen den Erblasser: Wer sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser, dessen Ehegatten, Lebenspartner oder einen anderen Abkömmling schuldig macht, kann ebenfalls seinen Pflichtteil verlieren. Voraussetzung ist, dass die Tat mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass für den Erblasser unzumutbar ist.
  3. Böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht: Wer böswillig die Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser verletzt, kann ebenfalls seinen Pflichtteil verlieren. Dies setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte trotz Leistungsfähigkeit und Aufforderung durch den Erblasser seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt.
  4. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: Ein weiterer Entziehungsgrund liegt vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist.

Pflichtteilentziehung: Wenn selbst der Pflichtteil versagt wird

Voraussetzungen der Pflichtteilentziehung

  • Testamentarische Verfügung: Die Pflichtteilentziehung muss vom Erblasser in einer letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) angeordnet werden.
  • Taxative Gründe: Die Entziehung ist nur aus den in § 2333 BGB genannten Gründen zulässig.
  • Unzumutbarkeit: In den Fällen des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 und 4 BGB muss die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass für den Erblasser unzumutbar sein.
  • Kein Verzeihung: Der Erblasser darf dem Pflichtteilsberechtigten sein Verhalten nicht verziehen haben.

Verfahren zur Pflichtteilentziehung

Die Pflichtteilentziehung wird nicht von Amts wegen geprüft.

Der Erbe, der die Entziehung geltend machen will, muss dies im Rahmen eines Zivilprozesses tun.

Besonderheiten

  • Verjährung: Der Anspruch auf Pflichtteilentziehung verjährt in drei Jahren ab Kenntnis des Entziehungsgrundes.
  • Widerruf: Der Erblasser kann die Pflichtteilentziehung in einem späteren Testament widerrufen.

Pflichtteilentziehung: Wenn selbst der Pflichtteil versagt wird

Beispiel

Ein Vater enterbt seinen Sohn in seinem Testament und entzieht ihm gleichzeitig den Pflichtteil, weil dieser ihn jahrelang schwer misshandelt hat.

Nach dem Tod des Vaters macht die Tochter die Pflichtteilentziehung geltend.

Der Sohn erhält weder einen Erbteil noch einen Pflichtteil.

Pflichtteilentziehung im internationalen Kontext

Die Regelungen zur Pflichtteilentziehung sind im internationalen Erbrecht nicht einheitlich.

In einigen Ländern gibt es ähnliche Regelungen wie in Deutschland, in anderen Ländern ist das Institut der Pflichtteilentziehung unbekannt.

Bei grenzüberschreitenden Erbfällen ist daher immer zu prüfen, welches Recht Anwendung findet.

Pflichtteilentziehung: Wenn selbst der Pflichtteil versagt wird

Fazit

Die Pflichtteilentziehung ist ein drastisches Mittel im Erbrecht, das nur in Ausnahmefällen angewendet werden sollte.

Sie dient dem Schutz des Erblassers vor schwerwiegenden Verfehlungen seiner nächsten Angehörigen und ermöglicht es ihm, seinen letzten Willen auch gegen den Pflichtteil durchzusetzen.

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