Pflichtteilsergänzung bei Zuwendungsnießbrauch – OLG Saarbrücken 5 U 35/23

April 18, 2024

Pflichtteilsergänzung bei Zuwendungsnießbrauch – OLG Saarbrücken 5 U 35/23

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken entschied in seinem Urteil vom 5. U 35/23, dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht besteht,

wenn der Erblasser bei der Veräußerung eines Hausgrundstücks neben einem eigenen Nießbrauchsrecht auch einem Dritten ein aufschiebend bedingtes Nießbrauchsrecht gewährt.

Im vorliegenden Fall hatte die Erblasserin ihrem Enkelsohn ein Hausgrundstück übertragen und sich selbst ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehalten.

Zusätzlich räumte sie ihrem Sohn ein Nießbrauchsrecht ein, das aufschiebend mit ihrem Tod in Kraft treten sollte.

Das OLG Saarbrücken stellte fest, dass in dieser Konstellation keine Schenkung vorliegt, da die Gewährung des Nießbrauchsrechts nicht unentgeltlich erfolgt ist.

Für eine Schenkung im Sinne des § 516 BGB müsste die Zuwendung unentgeltlich sein, was eine Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit voraussetzt.

Hier wurde jedoch kein solches Einverständnis festgestellt, da die Erblasserin für die Übertragung des Grundstücks eine Gegenleistung

in Form eines Kaufpreises von 50.000 Euro erhielt und sich darüber hinaus selbst ein Nießbrauchsrecht vorbehielt.

Pflichtteilsergänzung bei Zuwendungsnießbrauch – OLG Saarbrücken 5 U 35/23

Das Gericht stellte zudem fest, dass der Nießbrauch, der dem Sohn aufschiebend bedingt auf den Tod der Erblasserin eingeräumt wurde, nicht zu einer Vermögensminderung des Nachlasses führt.

Dies bedeutet, dass der Sohn nicht aus dem Vermögen der Erblasserin heraus bereichert wurde, sondern dass das Nießbrauchsrecht

erst nach dem Tod der Erblasserin wirksam wurde und den Nachlass somit nicht beeinträchtigte.

Folglich verneinte das OLG Saarbrücken einen Pflichtteilsergänzungsanspruch der Kläger.

Es kam zu dem Schluss, dass der Beklagte durch das Nießbrauchsrecht nicht unentgeltlich begünstigt wurde und daher keine Schenkung vorliegt, die einen Pflichtteilsergänzungsanspruch begründen könnte.

Das Urteil bestätigt die enge Auslegung von Schenkungen im Pflichtteilsrecht und betont, dass eine Schenkung nur dann vorliegt,

wenn sie aus dem Vermögen des Erblassers erfolgt und der Beschenkte dadurch tatsächlich bereichert wird.

Allgemeiner Hinweis:

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist im deutschen Erbrecht ein wichtiges Instrument, um die Rechte von Pflichtteilsberechtigten zu schützen.

Pflichtteilsergänzung bei Zuwendungsnießbrauch – OLG Saarbrücken 5 U 35/23

Er greift dann ein, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen gemacht hat, die den Pflichtteil der Berechtigten schmälern.

Besondere Fragen stellen sich dabei, wenn der Erblasser sich bei der Schenkung einen Nießbrauch vorbehalten hat, also weiterhin die Nutzungen aus dem verschenkten Gegenstand ziehen konnte.

Grundlagen:

  • Pflichtteil: Der Pflichtteil ist der gesetzlich festgelegte Anteil am Nachlass, der bestimmten nahen Angehörigen (z.B. Kindern, Ehegatten, Eltern) zusteht, auch wenn sie im Testament enterbt wurden.
  • Pflichtteilsergänzung: Hat der Erblasser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod Schenkungen gemacht, können diese Schenkungen unter bestimmten Voraussetzungen dem Nachlass hinzugerechnet werden, um den Pflichtteil zu erhöhen. Dies ist der sogenannte Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB).
  • Zuwendungsnießbrauch: Ein Zuwendungsnießbrauch liegt vor, wenn der Erblasser einem Dritten unentgeltlich ein Nießbrauchsrecht an einem Gegenstand einräumt. Dies ist im Gegensatz zum Vorbehaltsnießbrauch, bei dem sich der Schenker selbst den Nießbrauch vorbehält.

Pflichtteilsergänzung bei Zuwendungsnießbrauch:

  • Grundsatz: Auch die Einräumung eines Zuwendungsnießbrauchs kann einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen. Der Wert des Nießbrauchs wird dabei dem Wert der Schenkung hinzugerechnet.
  • Bewertung des Nießbrauchs: Der Wert des Nießbrauchs wird nach den §§ 16, 2333 BGB ermittelt. Er hängt ab von der Lebenserwartung des Nießbrauchers und dem jährlichen Nutzungswert des Gegenstands.
  • Zeitpunkt der Schenkung: Relevant ist der Zeitpunkt, zu dem der Nießbrauch eingeräumt wurde, nicht der Zeitpunkt des Todes des Erblassers.
  • Beispiel: Verschenkt der Erblasser 5 Jahre vor seinem Tod ein Grundstück im Wert von 100.000 Euro und räumt dem Beschenkten gleichzeitig einen Nießbrauch ein, der mit 20.000 Euro bewertet wird, so ist für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ein Wert von 120.000 Euro anzusetzen.

Pflichtteilsergänzung bei Zuwendungsnießbrauch – OLG Saarbrücken 5 U 35/23

Besonderheiten:

  • Nießbrauch an mehreren Gegenständen: Wurde der Nießbrauch an mehreren Gegenständen eingeräumt, ist der Wert des Nießbrauchs auf die einzelnen Gegenstände aufzuteilen.
  • Verzicht auf den Nießbrauch: Verzichtet der Nießbraucher auf sein Recht, entfällt der Pflichtteilsergänzungsanspruch.
  • Erlöschen des Nießbrauchs: Erlischt der Nießbrauch vor dem Tod des Erblassers, z.B. durch Tod des Nießbrauchers, ist der Wert des Nießbrauchs im Zeitpunkt seines Erlöschens zu berücksichtigen.

Zusätzliche Hinweise:

  • Die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei Zuwendungsnießbrauch kann komplex sein.
  • Es ist ratsam, sich in diesen Fällen anwaltlich beraten zu lassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Die Einräumung eines Zuwendungsnießbrauchs kann einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen.

Der Wert des Nießbrauchs wird dabei dem Wert der Schenkung hinzugerechnet.

Die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs kann komplex sein und sollte im Einzelfall geprüft werden.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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