Pflichtteilsergänzung kein Anlauf Zehnjahresfrist bei umfassenden Wohnrecht
OLG München 23 U 363/16
Endurteil 14.07.2016
Zurückverweisung durch Berufungsgericht
Das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 14. Juli 2016 (Az. 23 U 363/16) befasst sich mit einem Pflichtteilsergänzungsanspruch im Erbrecht und wirft dabei zentrale Fragen zur
Bewertung von Schenkungen und Gegenleistungen sowie zur korrekten Anwendung verfahrensrechtlicher Grundsätze auf.
Sachverhalt
Parteien und Erbfall:
Die Parteien sind die einzigen Söhne der 2013 verstorbenen A. M.
Die Erblasserin war zum Zeitpunkt ihres Todes mittellos und wurde durch letztwillige Verfügung von ihren Enkelinnen beerbt.
Streitgegenstand:
Der Kläger macht gegen seinen Bruder, den Beklagten, einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend.
Grundlage ist ein notarieller Überlassungsvertrag von 1986, durch den die Erblasserin ihren hälftigen Miteigentumsanteil an einer Wohnung auf den Beklagten übertrug.
Im Gegenzug übernahm der Beklagte eine Grundschuld und die Erblasserin erhielt ein lebenslanges Wohnrecht.
Kern des Streits:
Der Kläger argumentiert, dass die Übertragung des Miteigentumsanteils eine Schenkung darstellt und
dass das wirtschaftliche Eigentum erst 2013, mit dem Auszug der Erblasserin in ein Altenheim, auf den Beklagten überging.
Der Beklagte bestreitet, dass es sich um eine Schenkung handelte, und beruft sich auf Gegenleistungen
sowie auf den Ablauf der Zehnjahresfrist für Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Entscheidung des Landgerichts und des Oberlandesgerichts
Landgericht München I:
Das Landgericht entschied durch Grundurteil, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zusteht.
Es ging davon aus, dass das wirtschaftliche Eigentum aufgrund des Wohnrechts erst 2013 überging.
Andere Ansprüche des Klägers wurden abgewiesen.
Oberlandesgericht München:
Das Oberlandesgericht hob das Grundurteil des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.
Das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft ein Grundurteil erlassen, ohne hinreichende Feststellungen zur Unentgeltlichkeit der Übertragung und zur Höhe des Anspruchs zu treffen.
Insbesondere wurde bemängelt, dass das Landgericht nicht ausreichend geprüft hat, ob und inwieweit Gegenleistungen des Beklagten
(Übernahme der Grundschuld, Wert des Wohnrechts) den Schenkungswert mindern.
Das Oberlandesgericht stellte in seiner Urteilsbegründung Fest, das für den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB, es nicht ausreiche,
wenn der Erblasser alles getan hat, was von seiner Seite für den Erwerb durch den Beschenkten erforderlich ist.
Eine Schenkung gilt nicht als im Sinne von § 2325 Abs. 3 BGB geleistet, wenn der Erblasser den „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes nach der Schenkung nicht auch tatsächlich entbehren muss.
Da die Erblasserin ein lebenslanges Wohnrecht hatte, begann die 10-Jahres Frist erst 2013 zu laufen.
Dieser Anspruch dient dazu, den Pflichtteilsberechtigten vor einer Schmälerung ihres Erbes durch Schenkungen des Erblassers zu schützen.
Voraussetzung ist eine unentgeltliche oder teilunentgeltliche Zuwendung (Schenkung).
Bewertung von Schenkungen und Gegenleistungen:
Bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs müssen Gegenleistungen des Beschenkten (z. B. Übernahme von Verbindlichkeiten, Wert eines Wohnrechts) berücksichtigt werden.
Die Bewertung dieser Leistungen kann komplex sein und gegebenenfalls die Einholung von Sachverständigengutachten erfordern.
Schenkungen, die länger als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgten, bleiben bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs in der Regel unberücksichtigt.
Der Fristbeginn kann jedoch hinausgeschoben sein, wenn der Erblasser den „Genuss“ des verschenkten Gegenstands
nicht tatsächlich entbehren musste, z. B. bei einem lebenslangen Wohnrecht.
Ein Grundurteil (§ 304 ZPO) ist nur zulässig, wenn der Anspruch dem Grunde nach feststeht und zumindest wahrscheinlich in irgendeiner Höhe besteht.
Das Gericht muss alle relevanten Tatsachen feststellen und bewerten, bevor es eine Entscheidung trifft.
Das Urteil des OLG München verdeutlicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der Umstände von Schenkungen im Erbrecht.
Es zeigt auf, dass bei der Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Unentgeltlichkeit der Zuwendung sowie mit eventuellen Gegenleistungen erforderlich ist.
Zudem betont das Urteil die Notwendigkeit, verfahrensrechtliche Grundsätze, insbesondere beim Erlass von Grundurteilen, strikt einzuhalten.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.