Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Finanzierung des gemeinsamen Hauserwerbs allein durch einen Ehepartner
OLG Schleswig, Urteil vom 10.12.2013 – 3 U 29/13
Das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig befasst sich mit dem Pflichtteilsergänzungsanspruch der Kinder des Erblassers (E) aus erster Ehe gegenüber seiner zweiten Ehefrau (Beklagte), der Alleinerbin.
Kern des Streits ist die Frage, ob die hälftige Miteigentumsübertragung an einem gemeinsam erworbenen und bebauten Grundstück
eine pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkung des alleinverdienenden E an die Beklagte darstellt.
Zudem wird die Frage des Verzugs hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs erörtert.
Das OLG Schleswig bestätigt die Entscheidung des Landgerichts, dass die Kl. einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung gemäß § 2325 BGB haben.
Es qualifiziert die hälftige Miteigentumsübertragung am Grundstück, dessen Kaufpreis und Finanzierungsraten allein von E getragen wurden,
als eine unbenannte Zuwendung des E an die Beklagte, die im erbrechtlichen Kontext wie eine Schenkung zu behandeln ist.
Das Gericht folgt der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten grundsätzlich der Pflichtteilsergänzung unterliegen,
auch wenn das subjektive Element einer Schenkung (Einigung über die Unentgeltlichkeit) oft fehlt.
Dies dient dem Schutz der Pflichtteilsberechtigten, um eine Umgehung des Pflichtteilsrechts durch Vermögensverschiebungen an den Ehegatten zu verhindern.
Das OLG Schleswig setzt sich mit der in der Literatur geäußerten Kritik auseinander, wonach die hälftige Beteiligung am ehezeitlichen Vermögenserwerb, insbesondere beim Erwerb des Familienheims,
aufgrund des Halbteilungsgrundsatzes der Zugewinngemeinschaft nicht dem § 2325 BGB unterfallen sollte.
Diese Ansicht argumentiert, dass der nichtverdienende Ehegatte seinen Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft
durch Haushaltsführung und Kindererziehung leistet und daher eine „legitime Vermögensteilhabe“ bestehen müsse.
Das OLG weist diese Argumentation jedoch zurück.
Es betont, dass die Interessen des nichtverdienenden Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft
bereits durch den erb- oder güterrechtlichen Zugewinnausgleich angemessen berücksichtigt werden.
Eine zusätzliche Privilegierung durch den Ausschluss von unbenannten Zuwendungen vom Pflichtteilsergänzungsanspruch würde zu einer Doppelbegünstigung des überlebenden Ehegatten führen.
Auch ein Rückgriff auf das Unterhaltsrecht überzeugt nicht, da dieses keine Vermögensbildung für den anderen Ehepartner vorsieht.
Das Gericht prüft auch, ob im vorliegenden Fall eine der anerkannten Ausnahmekonstellationen vorliegt, in denen eine unbenannte Zuwendung nicht ergänzungspflichtig ist
(z.B. Vergütung langjähriger Dienste, Unterhaltspflicht, angemessene Altersvorsorge, adäquate Gegenleistung).
Bezüglich der Altersvorsorge argumentiert die Beklagte nicht, dass ihre Beteiligung am Hausgrundstück diesem Zweck diente.
Zudem war E als Beamter gut abgesichert, und die Beklagte würde im Falle seines Überlebens an seiner Pension partizipieren.
Hinsichtlich eines Ausgleichs oder einer Vergütung erbrachter Dienste (Haushaltsführung) stellt das OLG klar,
dass die Haushaltsführung gemäß § 1360 Satz 2 BGB in der Regel die Erfüllung der Unterhaltspflicht durch Arbeit darstellt und keine zusätzliche Vergütung in Form von Vermögensbildung begründet.
Der BGH hat ausdrücklich entschieden, dass die Haushaltsführung keine Gegenleistung für unbenannte Zuwendungen darstellt.
Das OLG kommt zu dem Schluss, dass eine objektiv unentgeltliche Zuwendung des E an die Beklagte vorliegt.
Die Beklagte konnte ihren behaupteten eigenen Finanzierungsbeitrag zum Erwerb des Grundstücks nicht ausreichend substanziieren.
Ihre Angaben zu Einkünften aus dem elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb waren vage und nicht belegt. Zudem stand fest, dass die Eheleute eine „Einverdienerehe“ führten.
Auch die Behauptung, die hälftige Rückführung der Darlehen sei eine Gegenleistung für ihre Haushaltsdienste, wird verworfen.
Das Gericht sieht die Schenkung in der Verschaffung des hälftigen Miteigentumsanteils an die Beklagte beim Kauf des Grundstücks im Jahr 1983.
Für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist der Verkaufserlös von 2003 abzüglich der noch valutierenden Darlehensverbindlichkeiten maßgeblich.
Das sogenannte Niedrigstwertprinzip (§ 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB), wonach der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung maßgeblich sein kann,
findet hier keine Anwendung, da keine konkreten Anhaltspunkte für einen geringeren Wert des Miteigentumsanteils zum Zeitpunkt der Zuwendung vorliegen.
Die Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe der Pflichtteilsergänzung werden ebenfalls zurückgewiesen.
Der Abzug eines Darlehens zur Pkw-Finanzierung des E vom Verkaufserlös ist nicht gerechtfertigt, da dieses nicht mit der Hausfinanzierung zusammenhing und die Beklagte hierfür nicht mithaftete.
Auch der behauptete Verbrauch des Verkaufserlöses durch Reisen und Umzug ist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch unerheblich,
da es nicht darauf ankommt, ob das Geschenk beim Beschenkten noch vorhanden ist.
Das OLG Schleswig gibt der Berufung der Kl. hinsichtlich der Verzugszinsen statt. Es stellt fest, dass die Kl. mit ihrem Schreiben vom 22.12.2008 eine Stufenmahnung ausgesprochen haben.
Dieses Schreiben enthielt ein Auskunftsverlangen, die Androhung der eidesstattlichen Versicherung und bereits die Forderung nach Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Pflichtteils
nebst Zinsen ab Verzugsbeginn, mit einer Fristsetzung bis zum 31.1.2009.
Das Gericht betont, dass es anerkannt ist, dass im Falle eines Pflichtteilsanspruchs auch ein betragsmäßig unbestimmter Anspruch ausreicht,
um Verzug zu begründen, wenn er im Wege einer Stufenmahnung geltend gemacht wird.
Die Fristsetzung war angemessen.
Daher befand sich die Beklagte ab dem 1.2.2009 mit der Zahlung des Pflichtteils und des Pflichtteilsergänzungsanspruchs in Verzug.
Das OLG korrigiert das Urteil des Landgerichts und spricht den Kl. die geltend gemachten Verzugszinsen für den Zeitraum vom 1.2.2009 bis zum 15.2.2011
auf den ihnen zustehenden Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zu.
Die zwischenzeitlich geleisteten Teilzahlungen der Beklagten werden dabei berücksichtigt.
Das OLG Schleswig bestätigt, dass die alleinige Finanzierung des gemeinsamen Hauserwerbs durch einen Ehepartner
und die damit verbundene hälftige Miteigentumsübertragung eine pflichtteilsergänzungspflichtige unbenannte Zuwendung darstellen kann.
Die Interessen des nichtverdienenden Ehegatten werden durch den Zugewinnausgleich ausreichend geschützt.
Zudem stellt das Gericht klar, dass eine Stufenmahnung auch bei einem noch unbezifferten Pflichtteilsanspruch Verzug begründen kann.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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