Pflichtteilsverlangen als Bedingungseintritt für Pflichtteilsstrafklausel

August 14, 2017

Pflichtteilsverlangen als Bedingungseintritt für Pflichtteilsstrafklausel

OLG Hamm 15 W 421/12

Zur Auslegung eines Pflichtteilsverlangen als Bedingungseintritt für eine Pflichtteilsstrafklausel.

RA und Notar Krau

Der Beteiligte zu 2) verlangte nach dem Tod seiner Mutter die Auszahlung seines Pflichtteils.

Seine Eltern hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie eine Pflichtteilsstrafklausel vereinbart hatten.

Diese besagte, dass ein Kind, das nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt, nach dem Tod des Überlebenden ebenfalls nur den Pflichtteil erhält.

Der Beteiligte zu 1), der Bruder des Beteiligten zu 2), beantragte nach dem Tod des Vaters einen Erbschein, der ihn als Alleinerben auswies.

Er argumentierte, dass der Beteiligte zu 2) durch sein Pflichtteilsverlangen nach dem Tod der Mutter die Pflichtteilsstrafklausel

ausgelöst und somit seinen Anspruch auf die Erbschaft verloren habe.

Das OLG Hamm wies die Beschwerde des Beteiligten zu 2) zurück und bestätigte den Ausschluss von der Erbfolge.

Begründung:

  1. Pflichtteilsstrafklausel:

Das OLG stellte fest, dass die im Testament enthaltene Pflichtteilsstrafklausel wirksam ist.

Solche Klauseln dienen dazu, den überlebenden Ehegatten vor einer Beeinträchtigung des Nachlasses zu schützen und eine Bevorzugung einzelner Kinder zu verhindern.

  1. Auslegung der Klausel:

Das OLG entschied, dass die Klausel bereits dann greift, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil ausdrücklich und ernsthaft fordert

und dabei in Kenntnis der Verwirkungsklausel handelt.

Weitere subjektive Voraussetzungen, wie z.B. eine böswillige Absicht, sind nicht erforderlich.

  1. Pflichtteilsverlangen:

Das OLG sah es als erwiesen an, dass der Beteiligte zu 2) nach dem Tod seiner Mutter den Pflichtteil verlangt hat.

Pflichtteilsverlangen als Bedingungseintritt für Pflichtteilsstrafklausel

Begründung:

  • Notarielle Vereinbarung: In einer notariellen Vereinbarung wurde ein Teilbetrag ausdrücklich „als Ausgleich für die Pflichtteilsansprüche“ nach der Mutter bezeichnet.
  • Initiative des Beteiligten zu 2): Die Initiative für die Vereinbarung ging vom Beteiligten zu 2) aus.
  • Aussage des Notars: Der Notar bestätigte, dass der Vater eigentlich keine weitere Zahlung an den Beteiligten zu 2) leisten wollte.
  • Widersprüchliches Vorbringen: Der Beteiligte zu 2) hatte im Verfahren widersprüchliche Angaben gemacht.
  1. Vertragliche Regelung:

Der Umstand, dass das Pflichtteilsverlangen in einer vertraglichen Regelung mündete, ändert nichts am Eingreifen der Pflichtteilsstrafklausel.

  1. Vertretung des Erblassers:

Es genügt für die Auslösung der Klausel, dass der Pflichtteil gegenüber einem Vertreter des Erblassers geltend gemacht wird.

  1. Subjektiver Tatbestand:

Der Beteiligte zu 2) kannte die Pflichtteilsstrafklausel und hat dennoch bewusst den Pflichtteil verlangt.

Pflichtteilsverlangen als Bedingungseintritt für Pflichtteilsstrafklausel

Ergebnis:

Der Beteiligte zu 2) hat durch sein Pflichtteilsverlangen die Pflichtteilsstrafklausel ausgelöst und ist von der Erbfolge ausgeschlossen.

Leitsatz:

Ein Pflichtteilsverlangen nach dem Tod des Erstversterbenden löst eine Pflichtteilsstrafklausel aus,

wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil ausdrücklich und ernsthaft fordert und dabei in Kenntnis der Klausel handelt.

RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein konstenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

testament, hand, write, ballpoint pen, paper, letter, letters, pen, will, intention, decision, resolution, projects, attachment, declaration of intent, disposal, advance directive, notary, volition, testament, testament, testament, testament, testament, will, will, will, notary

Können Minderjährige wirksam ein Testament errichten?

November 9, 2025
Können Minderjährige wirksam ein Testament errichten?Minderjährige können unter bestimmten Voraussetzungen wirksam ein Testament errichten, um ü…
Trauer Grabstein

Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDR

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch auch bei Schenkung unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDRZusammenfassung: BGH, Urteil vom 07.03.2001 – IV ZR…
Portrait Lana Berloznik Kanzlei Krau Rechtsanwälte

Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als Gesamtschuldner

November 9, 2025
Pflichtteilsergänzungsanspruch – Miterben als GesamtschuldnerHier ist eine Zusammenfassung des Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (Az.: 1…