Postmortaler Persönlichkeitsschutz

November 26, 2024

Postmortaler Persönlichkeitsschutz

KG Berlin 10 U 168/22

Urteil vom 29.08.2024

Postmortaler Persönlichkeitsschutz – Keine Verletzung des Achtungsanspruchs durch Interviewäußerungen

RA und Notar Krau

Das Kammergericht Berlin (KG) hatte in seinem Urteil vom 29.08.2024 über die Berufung einer Klägerin zu entscheiden,

die sich gegen die Abweisung ihrer Klage auf Unterlassung von Interviewäußerungen wandte, die der Beklagte, ein bekannter Fußballspieler, über ihre verstorbene Tochter gemacht hatte.

Der Fall betrifft den Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts, insbesondere des Achtungsanspruchs, und die Frage, ob die Äußerungen des Beklagten diesen Anspruch verletzen.

Sachverhalt:

Die Klägerin war die Mutter der verstorbenen …, die eine Beziehung mit dem Beklagten geführt hatte.

Nach der Trennung des Paares gab der Beklagte ein Interview, in dem er sich negativ über … äußerte.

Die Klägerin sah in diesen Äußerungen eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts ihrer Tochter und klagte auf Unterlassung.

Das Landgericht gab der Klage nur teilweise statt.

Die Klägerin legte Berufung ein.

Rechtliche Würdigung:

Das KG wies die Berufung zurück und bestätigte die Auffassung des Landgerichts.

1. Postmortaler Persönlichkeitsschutz:

Das KG stellte zunächst die rechtlichen Grundlagen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes dar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kann Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur eine lebende Person sein.

Es erlischt daher mit dem Tod.

Allerdings wirkt der in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Schutz der Menschenwürde über den Tod hinaus.

Der Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts ist jedoch nicht identisch mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht.

Zum anderen genießt der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat, Schutz.

2. Kein Lebensbild im Sinne der Rechtsprechung:

Das KG stellte fest, dass … kein „Lebensbild“ im Sinne der Rechtsprechung hinterlassen hat.

Ein solches Lebensbild setzt eine besondere Lebensleistung der verstorbenen Person voraus, aus dem ein besonderes öffentliches Ansehen erwächst.

Die Klägerin hatte selbst eingeräumt, dass ihre Tochter keine Person mit einer „übergroßen postmortalen Nachwirkung für die deutsche Politik- und Kulturgeschichte“ sei.

3. Keine Verletzung des Achtungsanspruchs:

Das KG prüfte die einzelnen Äußerungen des Beklagten und kam zu dem Ergebnis, dass sie den Achtungsanspruch von … nicht verletzen.

  • Die Äußerung, … habe die Beziehung des Beklagten zu seiner Ex-Freundin und seiner Familie zerstört und ihn erpresst, sei eine Meinungsäußerung und nicht auf eine Diffamierung von … gerichtet.
  • Die Behauptung, … habe gedroht, den Beklagten zu zerstören und ihm seine Kinder wegzunehmen, sei zwar eine Tatsachenbehauptung, die das KG zugunsten der Klägerin als unwahr unterstellte. Die Äußerung überschreite aber nicht die Schwelle zu einer Verletzung der Menschenwürde.
  • Die Äußerung über die „massiven Alkoholprobleme“ von … sei ebenfalls nicht ehrverletzend. Sie sei entweder als Meinungsäußerung zu qualifizieren oder aber als Tatsachenbehauptung, die keine Ausgrenzung oder Stigmatisierung der Verstorbenen zur Folge habe.

4. Kostenentscheidung:

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da ihre Berufung erfolglos geblieben ist.

5. Revision:

Das KG ließ die Revision zum BGH nicht zu, da die Beurteilung des Sachverhalts auf den individuellen Umständen des Falles beruhte und kein gesetzlich normierter Grund für eine Revisionszulassung vorlag.

Fazit:

Das Urteil des KG Berlin verdeutlicht die Grenzen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes.

Der Achtungsanspruch Verstorbener wird zwar durch das Grundgesetz geschützt, er ist aber nicht schrankenlos.

Die Äußerungen des Beklagten über … waren zwar teilweise negativ, sie verletzten aber nicht die Menschenwürde der Verstorbenen.

Hinweis:

Die Entscheidung des KG Berlin ist ein Beispiel für die Abwägung zwischen dem postmortalen Persönlichkeitsschutz und der Meinungsfreiheit.

Im vorliegenden Fall überwog die Meinungsfreiheit des Beklagten, da seine Äußerungen nicht ehrverletzend waren.

RA und Notar Krau

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