Präklusion neuer Vortrag in der Berufung
BGH VI ZR 35/23
Präklusionsvorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO: Wann darf das Berufungsgericht neue Angriffs- und Verteidigungsmittel zurückweisen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 19. November 2024 entschieden,
dass das Oberlandesgericht (OLG) München den Anspruch einer Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt hat.
Die Klägerin hatte Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Facelifting gefordert.
Hintergrund des Falls:
Die Klägerin unterzog sich im März 2019 einem Facelifting bei dem beklagten Arzt.
Sie war mit dem Ergebnis unzufrieden und machte geltend, der Eingriff sei fehlgeschlagen und habe zu verschiedenen Problemen geführt.
Sie habe zudem nicht ausreichend über die Risiken der Operation aufgeklärt worden, insbesondere darüber,
dass die vom Arzt angewandte Methode („X“-Methode) eine spätere Revision erschwere oder gar unmöglich mache.
Das Landgericht wies die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ab.
Die Klägerin legte Berufung ein und trug dabei vor, dass sie erst nach dem landgerichtlichen Urteil von anderen Ärzten erfahren habe, dass die „X“-Methode Revisionen erschwert oder unmöglich macht.
Sie beantragte die ergänzende Anhörung des Sachverständigen und die Vernehmung der Ärzte als Zeugen.
Das OLG wies die Berufung zurück.
Es argumentierte, dass die Klägerin diesen Vortrag erst in der Berufungsinstanz vorgebracht habe und die Voraussetzungen für eine Zulassung neuen Vorbringens gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorlägen.
Entscheidung des BGH:
Der BGH hob den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.
Das OLG habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es ihren Vortrag zu den Revisionsmöglichkeiten
in fehlerhafter Anwendung der Präklusionsvorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen habe.
Der BGH stellte fest, dass die Klägerin ihren Vortrag zu den Revisionsmöglichkeiten nicht aufgrund von Nachlässigkeit erst in der Berufungsinstanz vorgebracht hatte.
Sie habe erst nach dem landgerichtlichen Urteil von anderen Ärzten davon erfahren.
Ihr könne daher nicht vorgeworfen werden, dass sie den Sachverständigen im ersten Rechtszug dazu nicht befragt habe.
Darüber hinaus habe das OLG die Aufklärung durch den Beklagten zu Unrecht nicht beanstandet.
Es sei in eine Beweisaufnahme zu der Behauptung der Klägerin, dass Revisionen nicht möglich seien, nicht eingetreten.
Der BGH betonte, dass die Gehörsverstöße entscheidungserheblich seien.
Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das OLG unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre.
Fazit:
Der Beschluss des BGH stärkt das rechtliche Gehör von Patienten in Arzthaftungsprozessen.
Er stellt klar, dass Patienten nicht verpflichtet sind, sich medizinisches Fachwissen anzueignen, um alle relevanten Aspekte eines Behandlungsfehlers bereits im ersten Rechtszug vortragen zu können.
Wenn Patienten erst nach Abschluss des ersten Rechtszugs Kenntnis von neuen Tatsachen erlangen, die für die Beurteilung des Falls relevant sind,
können sie diese grundsätzlich auch noch im Berufungsverfahren vorbringen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.