Probleme und Kollisionen bei der Anwendung einer Vorsorgevollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus
RA und Notar Krau
Vor über 40 Jahren blieb nur die Entmündigung, wenn ein Mensch seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen konnte.
Dies wurde als entwürdigend angesehen und in der Gesellschaft nicht gerne angenommen.
Als Reaktion darauf schuf der Gesetzgeber das Rechtsinstitut der Betreuung. In der Betreuung war es möglich, sich helfen zu lassen, ohne gleich die Geschäftsfähigkeit zu verlieren.
Die Betreuung wurde daher gut angenommen und erlebte einen regelrechten Boom.
Bald war es dem Staat nicht mehr möglich, die Kosten für Berufsbetreuer und Betreuungsgerichte aufzubringen.
Um die Jahrtausendwende überlegte man daher eine alternative Lösung.
Durch eine Vorsorgevollmacht sollte das Problem in der Familie gehalten werden.
Familienmitglieder, Bekannte, Freunde und Personen des persönlichen Vertrauens sollten kraft Vorsorgevollmacht die Betreuung des bedürftigen Menschen übernehmen, ohne dass es zu einem formalen Betreuungsverfahren kommen musste.
Es hat sich aus verschiedenen Gründen als sinnvoll herausgestellt, eine solche Vorsorgevollmacht oder Generalvollmacht auch über den Tod hinaus wirksam sein zu lassen.
Die Bevollmächtigte Person bleibt jederzeit handlungsfähig, muss also nicht auf die Eröffnung eines notariellen Testamentes warten oder die Dauer eines Erbscheinerteilungsverfahrens ertragen.
Im Idealfall können sogar die Kosten eines Erbscheinsverfahrens erspart werden-
Die vergangenen 20 Jahre haben jedoch auch Probleme gezeigt, die aus der Kollision der über den Tod hinaus geltenden Vollmacht mit den
noch von dem Verstorbenen zu Lebzeiten erzeugten Verpflichtungen und gegebenenfalls auch den Rechten und Befugnissen von Testamentsvollstreckern resultieren können.
Der Artikel „Transmortale Überraschungen einer Vorsorgevollmacht“ von Prof. Dr. Christopher Keim beleuchtet die rechtlichen und
praktischen Aspekte von Vorsorgevollmachten, die über den Tod hinaus wirksam bleiben, und die potenziellen Überraschungen und Risiken, die sich daraus ergeben können.
Der Autor setzt sich intensiv mit der Frage auseinander, ob und inwieweit eine solche Vollmacht sinnvoll eingesetzt werden kann und welche rechtlichen Rahmenbedingungen dabei zu beachten sind.
Transmortale Geltung von Vorsorgevollmachten: Eine Vorsorgevollmacht kann so ausgestaltet sein, dass sie auch nach dem Tod des Vollmachtgebers wirksam bleibt, um Rechtsgeschäfte im Interesse der Erben abzuwickeln.
Diese Möglichkeit wird durch die Gesetzeslage gestützt, wonach eine Vollmacht grundsätzlich nicht mit dem Tod des Vollmachtgebers erlischt, es sei denn,
es liegen besondere Umstände vor, die eine persönliche Bindung des Geschäfts an den Erblasser implizieren.
Viele notariell beurkundete Vorsorgevollmachten sehen explizit eine Geltung über den Tod hinaus vor, was in der Praxis weit verbreitet ist.
Funktionen der transmortalen Geltung:
Solche Vollmachten können die Abwicklung des Nachlasses erheblich erleichtern, insbesondere in der Übergangsphase bis zur Ausstellung eines Erbscheins.
In Fällen, in denen Nachlassgegenstände in verschiedenen Ländern verwaltet werden müssen, oder bei langen Erbscheinsverfahren, erweisen sich transmortale Vollmachten als besonders nützlich.
Auch bei der Anordnung einer Testamentsvollstreckung können sie hilfreich sein, um die Handlungsfähigkeit des Nachlasses bis zur Amtsannahme des Testamentsvollstreckers zu gewährleisten.
Grundsätzliche Formfreiheit:
Grundsätzlich bedarf eine trans- oder postmortale Vollmacht keiner besonderen Form, selbst wenn sie nach dem Tod des Erblassers unentgeltliche Zuwendungen ermöglichen soll.
Allerdings gibt es spezifische gesetzliche Anforderungen, beispielsweise bei Grundstücksgeschäften, wo eine notariell beglaubigte Form notwendig ist.
Nach der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts 2023 gelten neue Regeln, die eine Beglaubigung durch die Betreuungsbehörde auf die Lebenszeit des Vollmachtgebers begrenzen.
Ausnahmen von der Formfreiheit:
Es gibt Ausnahmen, bei denen eine spezifische Form gefordert wird, beispielsweise wenn eine Vollmacht lebensgefährdende Operationen oder ärztliche Zwangsmaßnahmen abdecken soll.
In diesen Fällen ist eine schriftliche Form notwendig, was im postmortalen Kontext jedoch keine Rolle spielt.
Vertretung der Erben:
Nach dem Tod des Vollmachtgebers handelt der Bevollmächtigte nur noch im Interesse und als Vertreter der Erben.
Der Bevollmächtigte kann ohne Erbnachweis handeln, was jedoch zu rechtlichen Herausforderungen führen kann, insbesondere wenn es um die Interessen der Erben und des verstorbenen Erblassers geht.
Die Interessen des Erblassers haben in der Regel Vorrang, es sei denn, die Erben widerrufen die Vollmacht.
Beschränkungen bei Immobiliengeschäften:
Besondere Probleme können auftreten, wenn der Bevollmächtigte über werthaltige Nachlassimmobilien verfügt.
Ohne Erbnachweis und allein auf Basis der postmortalen Vollmacht können solche Transaktionen problematisch sein.
Hier wird eine strenge Anwendung des Voreintragungsgrundsatzes des Grundbuchs gefordert.
Vollmacht und Testamentsvollstreckung:
Eine postmortale Vollmacht bleibt bestehen, auch wenn eine Testamentsvollstreckung angeordnet wurde, es sei denn, die Vollmacht wird widerrufen.
Ein Testamentsvollstrecker kann jedoch durch das Testament beschränkt werden.
Die gleichzeitige Geltung von Testamentsvollstreckung und postmortaler Vollmacht kann zu Konflikten führen, die durch klare Regelungen im Testament vermieden werden sollten.
Nachlasspflegschaft:
Eine Nachlasspflegschaft ist in der Regel nicht notwendig, wenn eine wirksame postmortale Vollmacht vorliegt, die die Nachlassangelegenheiten ordnungsgemäß regelt.
Allerdings kann eine Nachlasspflegschaft angeordnet werden, wenn Zweifel an der Neutralität des Bevollmächtigten bestehen, etwa wenn er nur im Interesse eines bestimmten Erben handelt.
Missbrauchsgefahr bei postmortalen Schenkungen:
Ein potenzielles Missbrauchsrisiko besteht, wenn postmortale Schenkungen über die Vollmacht vorgenommen werden, um etwaige Pflichtteilsansprüche zu umgehen.
Hier kommt es auf die genaue Ausgestaltung der Vollmacht und den nachweisbaren Willen des Erblassers an.
Die Gerichte sollten einer zu weiten Auslegung solcher Vollmachten entgegentreten, um Missbrauch zu verhindern.
Risiken bei der Umschreibung von Konten:
Eine transmortale Kontovollmacht berechtigt in der Regel nicht zur Umschreibung des Kontos auf den Bevollmächtigten, da dies eine „lebensgestaltende Entscheidung“ darstellt, die über die bloße Verfügungsbefugnis hinausgeht.
Vorsorgevollmachten, die über den Tod hinaus gelten, können eine wertvolle Hilfe bei der Nachlassabwicklung darstellen, insbesondere in der Übergangszeit bis zur Klärung der Erbfolge oder bei der Verwaltung von Auslandsvermögen.
Sie sollten jedoch mit Bedacht eingesetzt und klar geregelt werden, um rechtliche Unsicherheiten und Missbrauch zu vermeiden.
Eine klare Abgrenzung zu den Befugnissen eines Testamentsvollstreckers ist ebenso wichtig wie die Beachtung der formalen Anforderungen bei Immobiliengeschäften.
Die komplexen rechtlichen Fragestellungen und die potenziellen Risiken, die mit der Nutzung einer postmortalen Vorsorgevollmacht verbunden sind,
erfordern eine sorgfältige Gestaltung und oft auch eine individuelle Beratung, um sicherzustellen, dass die Wünsche des Erblassers nach seinem Tod tatsächlich umgesetzt werden und keine unerwarteten rechtlichen Probleme für die Erben entstehen.