Prozessfinanzierung durch einen Gesellschafter mit Erfolgsbeteiligung – Auswirkungen eines auskömmlichen Liquiditätszuflusses nach einem Teil-Schiedsspruch
OLG Hamburg (11. Zivilsenat), Urteil vom 06.12.2024 – 11 U 244/18
Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg vom 6. Dezember 2024 befasst sich mit einer komplexen Frage des Gesellschafts- und Zivilrechts: Darf ein Gesellschafter (bzw. ein ihm nahestehendes Unternehmen), das einen Rechtsstreit der Gesellschaft finanziert hat, weiterhin eine vereinbarte hohe Erfolgsbeteiligung fordern, nachdem die Gesellschaft durch einen Teilerfolg im Verfahren selbst liquide geworden ist?
Die Entscheidung ist von großer praktischer Bedeutung für Unternehmen, die ihre Prozesse durch Gesellschafter finanzieren lassen, und basiert auf dem Grundsatz der gesellschafterlichen Treuepflicht.
Die Klägerin war eine GmbH, die einen Rechtsstreit (ein Schiedsverfahren) gegen einen Dritten (einen Käufer ihrer Unternehmensanteile) über eine hohe Kaufpreisforderung führen musste. Hierfür benötigte die Klägerin finanzielle Mittel.
Die Beklagte war die Gesellschaft, die die Prozesskostenfinanzierung übernahm. Die Beklagte stand dem Geschäftsführer und mittelbaren 50-Prozent-Gesellschafter der Klägerin sehr nahe, da er alleiniger Eigentümer der Beklagten war (über eine vorgeschaltete Gesellschaft). Man spricht hier von einer gesellschafternahen Prozessfinanzierung.
Der Prozessfinanzierungsvertrag (2011) sah vor, dass die Beklagte die Kosten des Schiedsverfahrens bis zu einem bestimmten Höchstbetrag (ca. 1,15 Millionen Euro) trug. Im Gegenzug erhielt sie im Erfolgsfall eine Beteiligung von 30 % an den gesamten durchgesetzten Forderungen, die auf dem ursprünglichen Kaufvertrag beruhten.
Nach Abschluss des Finanzierungsvertrages war das Schiedsverfahren erfolgreich:
Die Klägerin stellte den Prozessfinanzierungsvertrag infrage und forderte die Feststellung seiner Unwirksamkeit sowie die Rückzahlung des bereits gezahlten Erfolgshonorars (aus dem ersten Teilschiedsspruch). Die Beklagte beanspruchte ihrerseits aus der Endabrechnung des Verfahrens nochmals ca. 23,9 Millionen Euro als Erfolgsbeteiligung.
Das OLG Hamburg kam zu einem differenzierten Ergebnis. Die Entscheidung gliedert sich in zwei wesentliche Teile:
Das Gericht wies die Klage der Klägerin, den gesamten Vertrag für unwirksam zu erklären (z. B. wegen Sittenwidrigkeit oder formaler Mängel bei der Gesellschafterversammlung), weitgehend ab.
Da der Vertrag wirksam war, darf die Beklagte das bereits erhaltene Erfolgshonorar in Höhe von ca. 4,4 Millionen Euro (aus dem Teilschiedsspruch 2013) behalten.
Obwohl der Vertrag gültig war, urteilte das OLG, dass die Beklagte die weiteren, noch ausstehenden Ansprüche aus der Erfolgsbeteiligung nicht mehr geltend machen durfte.
Die zentrale Begründung:
Das OLG Hamburg stellt fest: Der Beklagten steht gegenüber der Klägerin kein Anspruch aus dem Prozessfinanzierungsvertrag mehr zu.
Die Beklagte musste die bereits erhaltene Beteiligung (aus dem ersten Erfolg) nicht zurückzahlen, verlor aber den Anspruch auf die weitere, wesentlich höhere Beteiligung (ca. 23,9 Millionen Euro) aus der späteren Endregulierung.
Kernbotschaft für die Praxis: Verträge über Prozessfinanzierung zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern (oder diesen nahestehenden Dritten) müssen die gesellschafterliche Treuepflicht beachten. Sobald der ursprüngliche Zweck der Finanzierung (Behebung des Liquiditätsengpasses) entfällt, darf der Gesellschafter-Finanzierer keine übermäßigen Sondervorteile mehr beanspruchen, die auf Kosten der Gesellschaft und ihrer anderen Gesellschafter gehen.
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