Prozessfinanzierung durch einen Gesellschafter mit Erfolgsbeteiligung

November 5, 2025

Prozessfinanzierung durch einen Gesellschafter mit Erfolgsbeteiligung – Auswirkungen eines auskömmlichen Liquiditätszuflusses nach einem Teil-Schiedsspruch

OLG Hamburg (11. Zivilsenat), Urteil vom 06.12.2024 – 11 U 244/18

Zusammenfassung: Prozessfinanzierung durch einen Gesellschafter mit Erfolgsbeteiligung – OLG Hamburg, Urteil vom 06.12.2024

Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg vom 6. Dezember 2024 befasst sich mit einer komplexen Frage des Gesellschafts- und Zivilrechts: Darf ein Gesellschafter (bzw. ein ihm nahestehendes Unternehmen), das einen Rechtsstreit der Gesellschaft finanziert hat, weiterhin eine vereinbarte hohe Erfolgsbeteiligung fordern, nachdem die Gesellschaft durch einen Teilerfolg im Verfahren selbst liquide geworden ist?

Die Entscheidung ist von großer praktischer Bedeutung für Unternehmen, die ihre Prozesse durch Gesellschafter finanzieren lassen, und basiert auf dem Grundsatz der gesellschafterlichen Treuepflicht.


1. Der Ausgangsfall und die Beteiligten

Die Klägerin war eine GmbH, die einen Rechtsstreit (ein Schiedsverfahren) gegen einen Dritten (einen Käufer ihrer Unternehmensanteile) über eine hohe Kaufpreisforderung führen musste. Hierfür benötigte die Klägerin finanzielle Mittel.

Die Beklagte war die Gesellschaft, die die Prozesskostenfinanzierung übernahm. Die Beklagte stand dem Geschäftsführer und mittelbaren 50-Prozent-Gesellschafter der Klägerin sehr nahe, da er alleiniger Eigentümer der Beklagten war (über eine vorgeschaltete Gesellschaft). Man spricht hier von einer gesellschafternahen Prozessfinanzierung.

Der Prozessfinanzierungsvertrag (2011) sah vor, dass die Beklagte die Kosten des Schiedsverfahrens bis zu einem bestimmten Höchstbetrag (ca. 1,15 Millionen Euro) trug. Im Gegenzug erhielt sie im Erfolgsfall eine Beteiligung von 30 % an den gesamten durchgesetzten Forderungen, die auf dem ursprünglichen Kaufvertrag beruhten.

Prozessfinanzierung durch einen Gesellschafter mit Erfolgsbeteiligung

2. Der juristische Streitpunkt

Nach Abschluss des Finanzierungsvertrages war das Schiedsverfahren erfolgreich:

  1. Teil-Schiedsspruch (2013): Die Klägerin erhielt einen ersten, signifikanten Betrag in Höhe von ca. 9,1 Millionen Euro. Damit war ihr akuter Finanzierungsbedarf für die Fortsetzung des Verfahrens dauerhaft beseitigt.
  2. Endgültige Einigung (2016): Es folgte eine finale Einigung über eine weitere Zahlung in Millionenhöhe.

Die Klägerin stellte den Prozessfinanzierungsvertrag infrage und forderte die Feststellung seiner Unwirksamkeit sowie die Rückzahlung des bereits gezahlten Erfolgshonorars (aus dem ersten Teilschiedsspruch). Die Beklagte beanspruchte ihrerseits aus der Endabrechnung des Verfahrens nochmals ca. 23,9 Millionen Euro als Erfolgsbeteiligung.

3. Die Entscheidung des OLG Hamburg im Detail

Das OLG Hamburg kam zu einem differenzierten Ergebnis. Die Entscheidung gliedert sich in zwei wesentliche Teile:

Teil A: Der Vertrag ist grundsätzlich wirksam (Sieg für die Beklagte)

Das Gericht wies die Klage der Klägerin, den gesamten Vertrag für unwirksam zu erklären (z. B. wegen Sittenwidrigkeit oder formaler Mängel bei der Gesellschafterversammlung), weitgehend ab.

  • Wirksamkeit: Der Vertrag war nicht sittenwidrig (§ 138 BGB). Die Erfolgsbeteiligung von 30 % war, gemessen an den Marktbedingungen im Jahr 2011 und angesichts des ungewissen Ausgangs des Verfahrens, nicht übermäßig. Auch professionelle Prozessfinanzierer hatten ähnliche oder sogar höhere Quoten (35 %) gefordert.
  • Beschlussmängel: Die internen Gesellschafterbeschlüsse zur Genehmigung der Finanzierung waren wirksam zustande gekommen.

Da der Vertrag wirksam war, darf die Beklagte das bereits erhaltene Erfolgshonorar in Höhe von ca. 4,4 Millionen Euro (aus dem Teilschiedsspruch 2013) behalten.

Teil B: Geltendmachung weiterer Ansprüche verstößt gegen die Treuepflicht (Sieg für die Klägerin)

Obwohl der Vertrag gültig war, urteilte das OLG, dass die Beklagte die weiteren, noch ausstehenden Ansprüche aus der Erfolgsbeteiligung nicht mehr geltend machen durfte.

Die zentrale Begründung:

  1. Gesellschafterliche Treuepflicht: Als Unternehmen, das einem Hauptgesellschafter der Klägerin zuzurechnen ist, unterlag die Beklagte der gesellschafterlichen Treuepflicht gegenüber der Klägerin und deren anderen Gesellschaftern.
  2. Wegfall des Finanzierungsbedarfs: Der einzige Grund für den Abschluss des kostspieligen Finanzierungsvertrages war der akute Liquiditätsbedarf der Klägerin. Mit dem Teilschiedsspruch von 2013 erhielt die Klägerin jedoch 9,1 Millionen Euro, was zur Fortführung des Verfahrens aus eigener Kraft ausreichte.
  3. Verstoß gegen Treu und Glauben: Nach Wegfall des Finanzierungsbedarfs wäre es die Pflicht der gesellschafternahen Beklagten gewesen, die Interessen der Mitgesellschafter zu berücksichtigen. Sie hätte vertraglich von vornherein vorsehen müssen, dass die Erfolgsbeteiligung endet, sobald die Klägerin selbst liquide ist. Es verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und die Treuepflicht, weiterhin die exorbitant hohe Erfolgsbeteiligung für den Verfahrensteil zu beanspruchen, den die Klägerin nun selbst hätte finanzieren können.

4. Das Fazit

Das OLG Hamburg stellt fest: Der Beklagten steht gegenüber der Klägerin kein Anspruch aus dem Prozessfinanzierungsvertrag mehr zu.

Die Beklagte musste die bereits erhaltene Beteiligung (aus dem ersten Erfolg) nicht zurückzahlen, verlor aber den Anspruch auf die weitere, wesentlich höhere Beteiligung (ca. 23,9 Millionen Euro) aus der späteren Endregulierung.

Kernbotschaft für die Praxis: Verträge über Prozessfinanzierung zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern (oder diesen nahestehenden Dritten) müssen die gesellschafterliche Treuepflicht beachten. Sobald der ursprüngliche Zweck der Finanzierung (Behebung des Liquiditätsengpasses) entfällt, darf der Gesellschafter-Finanzierer keine übermäßigen Sondervorteile mehr beanspruchen, die auf Kosten der Gesellschaft und ihrer anderen Gesellschafter gehen.

RA und Notar Krau

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