Prozesskostensicherheit – Verwaltungssitz einer Konzernuntergesellschaft
Gericht lehnt Forderung nach Prozesskostensicherheit ab: Wo ein Unternehmen wirklich zu Hause ist
Das Landgericht München I hat am 17. Januar 2019 eine wichtige Entscheidung getroffen, die für Laien im Bereich Unternehmensrecht und internationale Geschäftsbeziehungen interessant ist. Es ging um die Frage, ob ein Kläger, der eine Patentverletzung geltend macht, eine sogenannte Prozesskostensicherheit hinterlegen muss.
Eine Prozesskostensicherheit ist im Grunde eine Art Kaution, die sicherstellen soll, dass der Beklagte im Falle eines Obsiegens seine Anwalts- und Gerichtskosten vom Kläger erstattet bekommt. Dies wird oft verlangt, wenn ein Kläger seinen Sitz außerhalb Deutschlands hat und befürchtet wird, dass die Vollstreckung eines Urteils im Ausland schwierig sein könnte.
Im konkreten Fall (LG München I, Urteil vom 17.01.2019 – 7 O 3277/18) stand die Frage im Raum, ob eine luxemburgische Gesellschaft in Deutschland eine solche Sicherheit leisten muss. Das Gericht entschied: Nein, die Klägerin muss keine Prozesskostensicherheit leisten.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die 2012 in Luxemburg gegründet wurde. Sie gehört zu einer großen Gruppe namens „C. Gruppe“, die viele Patente besitzt. Die Klägerin selbst besitzt über 900 Patente und Patentanmeldungen. Sie hat eine Geschäftsadresse in Luxemburg und drei Geschäftsführer: einen mit Rang A und zwei mit Rang B.
Der Geschäftsführer mit Rang A lebt in den USA und ist auch „CEO and President“ der Muttergesellschaft in Kanada. Die Geschäftsführer mit Rang B leben in Luxemburg. Wichtig ist, dass laut Gesellschaftsvertrag kein Geschäftsführer allein entscheiden darf und alle wichtigen Entscheidungen in Vorstandssitzungen („board meetings“) in Luxemburg getroffen werden müssen.
Die Beklagten, die wegen Patentverletzung verklagt wurden, argumentierten, dass die luxemburgische Klägerin nur eine Art „Briefkasten“ in Luxemburg sei und eigentlich von Kanada aus gesteuert werde. Sie behaupteten, die Geschäftsführer in Luxemburg spielten keine echte Rolle und der Geschäftsführer aus den USA sei derjenige, der alles entscheide, teilweise sogar nur telefonisch an den Sitzungen teilnehme. Die Patente würden außerdem von einer US-amerikanischen Firma verwaltet. Daher, so die Beklagten, solle die Klägerin eine Prozesskostensicherheit leisten.
Die Klägerin widersprach und legte dar, dass sie tatsächlich Büroräume in Luxemburg angemietet habe, ein erhebliches Kapital besitze und eine eigenständige Gesellschaft sei. Sie betonte, dass die wichtigen Entscheidungen in den „board meetings“ in Luxemburg getroffen würden, an denen alle Geschäftsführer teilnähmen.
Das Gericht musste klären, wo der tatsächliche Verwaltungssitz der luxemburgischen Gesellschaft ist. Dies ist entscheidend, denn wenn der Verwaltungssitz einer Gesellschaft innerhalb der Europäischen Union (EU) oder eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) liegt, kann in der Regel keine Prozesskostensicherheit verlangt werden. Das deutsche Gesetz ($ 110 ZPO) sieht hier eine Ausnahme vor, um den freien Rechtsverkehr innerhalb der EU/EWR nicht zu behindern.
Das Gericht stellte klar, dass der Verwaltungssitz dort ist, wo die Geschäftsführung und die entscheidenden Vertretungsorgane tatsächlich arbeiten. Es geht also nicht nur darum, wo die Firma offiziell gemeldet ist, sondern wo die grundlegenden Entscheidungen des Unternehmens wirklich getroffen und umgesetzt werden.
Auch wenn eine Muttergesellschaft eine Tochtergesellschaft beherrscht, ist der Verwaltungssitz der Tochtergesellschaft entscheidend.
Die Beweislast, dass der tatsächliche Verwaltungssitz nicht in der EU/EWR liegt, liegt beim Beklagten. Kann der Beklagte plausible Anhaltspunkte vorbringen, muss die Klägerin darlegen, wie ihre interne Organisation aussieht.
Das Gericht befand, dass die Klägerin ihrer Pflicht nachgekommen war, ihre interne Organisation darzulegen, und die Beklagten diesen Vortrag nicht ausreichend widerlegen konnten.
Hier die wichtigsten Punkte, warum das Gericht so entschieden hat:
Die Klägerin wurde 2012 gegründet, hat ein hohes Stammkapital (3 Mio. US-Dollar) und ein großes Patentportfolio. Sie hat Geschäftsräume in Luxemburg angemietet und ein Firmenschild am Eingang.
Sie ist eine eigenständige luxemburgische Gesellschaft mit drei eingetragenen Geschäftsführern, von denen zwei in Luxemburg wohnen.
Die entscheidenden „board meetings“ finden monatlich und bei Bedarf öfter in Luxemburg statt. Hier werden die wichtigen Entscheidungen getroffen. Da kein Geschäftsführer allein entscheidungsbefugt ist, müssen die Entscheidungen gemeinsam in Luxemburg getroffen werden.
Es ist irrelevant, dass der Geschäftsführer A auch für die kanadische Muttergesellschaft arbeitet oder seinen Wohnsitz in den USA hat. Auch wenn er telefonisch an den Sitzungen teilnimmt, kommt es darauf an, wo die Sitzungen als Ganzes stattfinden und wo die Entscheidungen der Tochtergesellschaft vollzogen werden.
Das Gericht wies das Argument der Beklagten zurück, die luxemburgischen Geschäftsführer seien nur „pro forma“ eingetragen. Es gab keine konkreten Beweise dafür, dass sie nicht tatsächlich an den Entscheidungen beteiligt waren.
Wo die Patente der Klägerin verwaltet werden, ist für die Bestimmung des Verwaltungssitzes unerheblich. Es geht um die Entscheidungen des Unternehmens selbst, nicht um die operative Verwaltung seiner Vermögenswerte.
Das Landgericht München I hat mit diesem Urteil erneut klargestellt, dass für die Frage der Prozesskostensicherheit der tatsächliche Ort der Unternehmensleitung entscheidend ist. Auch wenn ein Unternehmen Teil eines internationalen Konzerns ist und wichtige Personen ihren Wohnsitz außerhalb der EU haben, kann der Verwaltungssitz in der EU liegen, solange die wesentlichen Entscheidungen des Unternehmens dort getroffen werden. Dies stärkt die Rechtssicherheit für Unternehmen, die ihren Hauptverwaltungssitz innerhalb der EU oder des EWR haben und in Deutschland Klage erheben wollen.
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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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