Prüfung der Wirksamkeit der Ausschlagung des Nacherben durch Grundbuchamt
Gericht: OLG Bremen
Erscheinungsdatum: 03.07.2025
Aktenzeichen: 3 W 6/25
Zusammenfassung: OLG Bremen, Beschluss vom 3.7.2025 – Löschung eines Nacherbenvermerks
Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Bremen behandelt eine wichtige Frage für Immobilieneigentümer, in deren Grundbuch ein sogenannter Nacherbenvermerk eingetragen ist: Unter welchen Voraussetzungen kann dieser Vermerk gelöscht werden, ohne dass ein teurer und zeitaufwendiger Erbschein vorgelegt werden muss?
Im vorliegenden Fall ging es um ein Grundstück, das mit einem Nacherbenvermerk belastet war. Ein solcher Vermerk wird im Grundbuch eingetragen, wenn in einem Testament eine Vorerbschaft und eine Nacherbschaft angeordnet wurde. Der Vorerbe (hier die Ehefrau) darf die Immobilie nutzen, doch nach seinem Tod fällt sie an den Nacherben (hier die Kinder und ein nichtehelicher Sohn des Verstorbenen).
Die Beteiligten (die Vorerbin und die gemeinsamen Kinder) wollten den Nacherbenvermerk löschen lassen. Die gemeinsamen Kinder hatten ihr Anwartschaftsrecht (ihre künftige Nacherbenstellung) auf die Vorerbin übertragen. Der nichteheliche Sohn hatte die Nacherbschaft ausgeschlagen (offiziell abgelehnt).
Das Grundbuchamt (die Behörde, die für das Grundbuch zuständig ist) lehnte die sofortige Löschung ab und verlangte die Vorlage eines Erbscheins.
Eine Erbausschlagung ist ungültig, wenn der Erbe die Erbschaft zuvor bereits angenommen hat – sei es durch eine ausdrückliche Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten (konkludente Annahme, z. B. durch Verkauf von Nachlassgegenständen). Das Grundbuchamt argumentierte, dass die komplizierte Frage, ob eine solche Annahme vorlag, nicht im einfachen Grundbuchverfahren geklärt werden könne. Hierfür sei zwingend das Nachlassgericht mit einem Erbscheinsverfahren zuständig.
Das OLG Bremen hat dieser strengen Sichtweise widersprochen und eine wichtige Ausnahme zugelassen:
Grundsätzlich gilt zwar, dass der Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs (also, dass der Nacherbenvermerk nicht mehr der Rechtslage entspricht) im Regelfall einen Erbschein erfordert. Das OLG stellte jedoch fest, dass dies nicht immer der Fall sein muss, insbesondere wenn es um den Nachweis einer sogenannten negativen Tatsache geht (hier: die Erbschaft wurde nicht angenommen).
Die Möglichkeiten, eine Nacherbschaft (im Zeitraum zwischen dem ersten Erbfall und dem Eintritt der Nacherbfolge) schlüssig anzunehmen, sind weniger vielfältig als bei einer Vollerbschaft. Eine Annahme liegt typischerweise nur vor, wenn der Nacherbe über sein Anwartschaftsrecht verfügt (z. B. es verkauft) oder einer Verfügung des Vorerben ausdrücklich zustimmt.
Wenn der ausschlagende Nacherbe die Erbschaft kurz nach dem Erbfall ausschlägt, und alle anderen Beteiligten die Ausschlagung bestätigen, fehlt dem Grundbuchamt nur die Gewissheit, dass der Nacherbe selbst vorher nichts unternommen hat, was als Annahme gewertet werden könnte.
In dieser Konstellation kann der Nacherbe den erforderlichen Nachweis erbringen, indem er beim Grundbuchamt eine notarielle eidesstattliche Versicherung (eine beeidigte Erklärung) vorlegt.
In dieser Erklärung muss er schwören, dass er die Nacherbschaft weder ausdrücklich noch schlüssig (etwa durch Verfügung über sein Anwartschaftsrecht) angenommen hat, bevor er die Ausschlagung erklärt hat.
Das Gericht begründet dies damit, dass in einem solchen klaren Fall auch das Nachlassgericht keinen Anlass für weitergehende Ermittlungen sehen würde und den Erbschein auf Basis dieser Versicherung ausstellen würde. Der Umweg über das Erbscheinsverfahren ist daher nicht erforderlich.
Das Grundbuchamt hatte zusätzlich Bedenken geäußert, ob ein Pfleger (ein gesetzlicher Vertreter) für eventuelle unbekannte (noch nicht gezeugte) Nacherben bestellt werden müsse.
Das OLG verneinte dies ebenfalls. Es stellte fest, dass die Formulierung des Testaments, insbesondere im Hinblick auf das Alter der Testierenden und den Zeitpunkt der Testamentserrichtung (1996), so auszulegen sei, dass die Nacherbeneinsetzung abschließend und konkret nur die bereits existierenden Abkömmlinge betreffe. Die Anordnung der Nacherbschaft bezieht sich somit nur auf die namentlich genannten gemeinsamen Kinder und den nichtehelichen Sohn, sodass keine unbekannten oder zukünftigen Nacherben in Betracht kommen.
Der Beschluss ist für die Praxis der Immobilienübertragung bedeutend. Er stellt klar, dass in Fällen, in denen ein Nacherbe zeitnah nach dem Erbfall ausgeschlagen hat, der Nachweis der Wirksamkeit der Ausschlagung ausnahmsweise durch eine eidesstattliche Versicherung des Ausschlagenden gegenüber dem Grundbuchamt erbracht werden kann. Dies beschleunigt das Grundbuchverfahren und macht die Beantragung eines teuren Erbscheins unnötig, wenn keine Anhaltspunkte für eine vorherige konkludente Annahme der Erbschaft bestehen.
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