Qualifikation als Erhaltungsmaßnahme – Balkongeländer

Oktober 25, 2025

Qualifikation als Erhaltungsmaßnahme – Balkongeländer

LG Frankfurt a. M. Urteil vom 6.6.2024 – 2-13 S 603/23

In diesem Fall geht es um eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), die über die Sanierung ihrer Balkongeländer aufgrund bauordnungsrechtlicher Mängel (Absturzsicherung) beschließen musste. Dabei standen sich zwei rechtliche Einordnungen und deren Konsequenzen gegenüber:

Erhaltungsmaßnahme (Instandhaltung/Instandsetzung nach §§19 Abs. 2 Nr. 2, 13 Abs. 2 WEG)

Baumaßnahme (§20 WEG)

Die Unterscheidung ist entscheidend für die Kostenverteilung.

Maßnahme – Gesetzlicher Kostenverteilungsschlüssel – Wer trägt die Kosten?

Erhaltungsmaßnahme – § 16 Abs. 2 WEG (Miteigentumsanteile) – Alle Wohnungseigentümer (WEG-Mitglieder)

Baumaßnahme – § 21 Abs. 3 WEG (Verteilung nach Beschluss) – Grundsätzlich nur die zustimmenden Eigentümer (§21 Abs. 2 WEG)

Der Sachverhalt und die Beschlüsse

Die Eigentümergemeinschaft war sich einig, dass die vorhandenen Geländer Mängel aufwiesen, stritt aber über die Art der Behebung (kompletter Austausch vs. einfache Befestigung). Der Verwalter vertrat in der Versammlung die Ansicht, die Maßnahme sei so zu sehen, dass nur die zustimmenden Eigentümer zahlen müssten – eine Rechtsauffassung, die eher der Logik einer Baumaßnahme entsprach.

Es wurden drei getrennte Beschlüsse gefasst:

Grundsatzbeschluss: Anbringung eines neuen, bauordnungsrechtlich zulässigen Geländers (mit 4 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen).

Auftragsvergabe (mit gleichem Stimmverhältnis).

Qualifikation als Erhaltungsmaßnahme – Balkongeländer

Sonderumlage zur Finanzierung (von 30.236,95 EUR), die nur auf die zustimmenden Wohnungseigentümer nach Miteigentumsanteilen verteilt werden sollte.

Die überstimmten Eigentümer (Kläger) fochten den Beschluss über die Sonderumlage an, da sie eine ungerechte Kostenverteilung sahen.

Die Entscheidungen des Gerichts

Das Landgericht (LG) Frankfurt a. M. gab den Klägern in Bezug auf den Sonderumlagebeschluss recht und erklärte diesen für ungültig.

Die Einordnung der Maßnahme ist objektiv

Das Gericht stellte klar, dass die rechtliche Einordnung einer Maßnahme (Erhaltung vs. Bau) objektiv-normativen Kriterien folgt und nicht davon abhängt, wie die Wohnungseigentümer oder der Verwalter die Maßnahme subjektiv bezeichnen.

Erhaltungsmaßnahme:

Dient der ordnungsmäßigen Instandhaltung und Instandsetzung (§13 Abs. 2 WEG). Ziel ist es, den ursprünglichen Soll-Zustand wiederherzustellen oder ihn überhaupt erst herzustellen, wenn er von Anfang an mangelhaft war.

Baumaßnahme:

Geht darüber hinaus und definiert einen vom bisherigen abweichenden neuen Soll-Zustand (§ 20 WEG).

Die Sanierung der Balkongeländer zur Beseitigung eines bauordnungsrechtlichen Mangels ist eine Erhaltungsmaßnahme, da lediglich der ordnungsgemäße Zustand (zulässige Absturzsicherung) wiederhergestellt wird.

Fehlerhafte Erhaltungsmaßnahme bleibt Erhaltungsmaßnahme

Selbst wenn die Maßnahme, wie von den Beklagten argumentiert, nicht der ordnungsmäßigen Verwaltung entsprochen hätte (weil vielleicht eine weniger intensive Lösung möglich gewesen wäre), würde sie nicht automatisch zu einer Baumaßnahme (§ 20 WEG) werden.

Eine ordnungswidrige Erhaltungsmaßnahme muss direkt über die Anfechtungsklage gegen den Sanierungsbeschluss selbst angegriffen werden, um sie für ungültig erklären zu lassen.

Wird der Beschluss über die Durchführung der Maßnahme nicht angefochten und damit bestandskräftig, kann die Frage der Ordnungsmäßigkeit nicht nachträglich über die Anfechtung des Kostenbeschlusses oder der Jahresabrechnung geklärt werden.

Fazit:

Die Sanierung ist eine bestandskräftige Erhaltungsmaßnahme!

Konsequenz für die Kostenverteilung

Da der Beschluss zur Sanierung objektiv eine Erhaltungsmaßnahme war und nicht angefochten wurde:

Gilt der gesetzliche Verteilerschlüssel des §16 Abs. 2 WEG: Alle Eigentümer tragen die Kosten nach Miteigentumsanteilen.

Der Beschluss über die Sonderumlage ist ungültig, weil er fälschlicherweise nur die zustimmenden Eigentümer zur Zahlung heranziehen wollte. Dies entsprach nicht dem gesetzlichen oder einem gültig beschlossenen abweichenden Schlüssel für eine Erhaltungsmaßnahme.

Die Argumentation, dass die ablehnenden Eigentümer den Beschluss über die Sanierung nicht angefochten haben, weil sie dachten, sie müssten nicht zahlen (gemäß der fehlerhaften Aussage des Verwalters), ändert nichts an der objektiven Rechtslage. Das Risiko einer solchen Fehleinschätzung liegt bei den Eigentümern. Sie hätten den Sanierungsbeschluss anfechten müssen, um seine Ordnungsmäßigkeit klären zu lassen.

Wichtige Punkte für Wohnungseigentümer

Die rechtliche Einordnung (Erhaltung vs. Bau) ist entscheidend für Ihre Zahlungspflicht und hängt nicht von der Bezeichnung im Beschluss ab.

Sanierungen zur Mängelbeseitigung (Herstellung des Soll-Zustands) sind in der Regel Erhaltungsmaßnahmen – die Kosten tragen alle nach Miteigentumsanteilen.

Wollen Sie gegen eine Maßnahme vorgehen (weil sie unnötig oder überzogen ist), müssen Sie den Durchführungsbeschluss anfechten.

Fehlerhafte Kostenverteilungsbeschlüsse können zwar isoliert angefochten werden, aber die Kostenpflicht für eine bestandskräftige Erhaltungsmaßnahme trifft trotzdem alle Eigentümer.

RA und Notar Krau

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