Rechtfertigung der Besorgnis der Befangenheit aufgrund von Rechts- und Verfahrensfehlern
Gerne fasse ich diesen komplexen Gerichtsfall für Sie als juristischen Laien zusammen. Es geht um die Frage, ob Richter befangen (voreingenommen) waren, als sie eine Entscheidung getroffen haben.
Hier ist die Zusammenfassung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 12.01.2015 (10 ZB 14.1874):
Der Fall betrifft einen marokkanischen Staatsangehörigen (der Kläger), der bereits im Jahr 2008 aus Deutschland ausgewiesen wurde und dessen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis abgelehnt wurde.
Im Februar 2013 wurde der Kläger aus der Haft nach Marokko abgeschoben. Gleichzeitig wurde ihm ein Bescheid zugestellt, wonach er die Kosten dieser Abschiebung (483,44 Euro) tragen muss. Der Kläger reichte gegen diesen Kostenbescheid Klage ein und wollte zusätzlich gerichtlich feststellen lassen, dass seine Abschiebung nach Marokko rechtswidrig (gesetzwidrig) war.
Das Verwaltungsgericht wies diese Klage ab. Es sah die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit als unzulässig an und die Klage gegen die Kosten als unbegründet, da die Abschiebung rechtmäßig gewesen sei.
Der Kläger versuchte, in die nächste Instanz, die Berufung, zu gelangen. Das ist oft nur möglich, wenn das höhere Gericht (hier der Bayerische VGH) die Berufung zulässt. Der VGH lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 19. August 2014 ab. Er sah keine „ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils“ des Verwaltungsgerichts und hielt die Begründung des Klägers für die Zulassung der Berufung für nicht ausreichend.
Nach dieser Ablehnung versuchte der Kläger einen anderen Weg: Er lehnte die drei Richter des VGH, die an der Ablehnung der Berufung beteiligt waren, wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Ein Richter ist befangen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit (Objektivität) zu erregen.
Es muss nicht bewiesen sein, dass der Richter tatsächlich voreingenommen war. Es reicht aus, wenn ein vernünftiger Beteiligter Zweifel an der Unvoreingenommenheit hat.
Der Kläger führte hauptsächlich zwei Gründe an, warum die Richter befangen seien:
Die Richter hätten seinen Antrag abgelehnt, weil er formal nicht ausreichend begründet war. Bevor sie den Antrag ablehnten, hätten sie den Kläger aber darauf hinweisen müssen, dass seine Begründung nicht ausreicht. Weil dieser Hinweis unterblieb, sei sein rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs begründe generell die Besorgnis der Befangenheit.
Rechtliches Gehör bedeutet, dass jeder Beteiligte die Möglichkeit haben muss, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung zu äußern und alle relevanten Argumente vorzubringen.
Die Richter hätten die von ihm genannten, aber möglicherweise „falschen“ (nicht einschlägigen) Zulassungsgründe umdeuten müssen in den „richtigen“ (einschlägigen) Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Weil das Gericht das anscheinend nicht getan hat, sei die Entscheidung eine Überraschungsentscheidung, die ebenfalls das rechtliche Gehör verletze und somit die Befangenheit begründe.
Der Vorsitzende Richter habe sich zu den Vorwürfen nur unzureichend (pauschale Verweisung auf die Akten) geäußert, was ebenfalls eine Befangenheit begründe.
Der Bayerische VGH (hier ein anderer Senat, also andere Richter) wies die Ablehnungsgesuche des Klägers als unbegründet zurück.
Der VGH erklärte, dass die vom Kläger genannten Gründe nicht ausreichen, um die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen.
Ein Verfahrensfehler (wie die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs) führt grundsätzlich nicht zur Ablehnung eines Richters. Die Ablehnung dient nicht dazu, falsche Rechtsansichten oder Fehler zu korrigieren. Dafür gibt es andere Rechtsmittel (wie die Anhörungsrüge, die der Kläger parallel erhoben hat).
Nur ausnahmsweise führt ein Verfahrensfehler zur Befangenheit, nämlich dann, wenn die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder auf Willkür (reiner, unbegründeter Machtmissbrauch) beruht. Dies muss der Kläger konkret darlegen. Das hat er aber nicht getan.
Nach der Verfassung (Art. 103 Abs. 1 GG) muss ein Gericht grundsätzlich nicht auf seine Rechtsauffassung hinweisen.
Der Kläger musste wissen, dass er seinen Berufungszulassungsantrag gemäß den gesetzlichen Vorschriften ausreichend begründen muss. Es war kein „überraschender“ rechtlicher Gesichtspunkt, auf den das Gericht hätte hinweisen müssen. Deshalb lag keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.
Die Richter haben die vom Kläger vorgebrachten Argumente tatsächlich auch unter dem Gesichtspunkt des einschlägigen Zulassungsgrundes („ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils“) geprüft, selbst wenn sie es nicht ausdrücklich „umgedeutet“ haben. Das Gericht hat also alle Argumente des Klägers berücksichtigt.
Die Pflicht des abgelehnten Richters zur dienstlichen Äußerung dient der Tatsachenfeststellung. Wenn die Tatsachen, auf denen der Ablehnungsantrag beruht, ohnehin bereits in den Gerichtsakten (im Beschluss vom 19. August 2014) stehen, kann sich der Richter auf die Akten beziehen oder die Äußerung ganz unterlassen. Die pauschale Verweisung war daher zulässig und begründet keine Befangenheit.
Die Ablehnungsgesuche wurden als unbegründet abgewiesen, da die Richter aus Sicht des VGH nicht befangen waren.
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