Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen die Erteilung einer Klausel für die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde

November 2, 2025

Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen die Erteilung einer Klausel für die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde

Vorinstanzen:

AG Münsingen, Entscheidung vom 21.01.2013 – M 73/13 –

LG Tübingen, Entscheidung vom 20.02.2013 – 5 T 18/13 –

Worum ging es in dem Fall?

Der Fall drehte sich um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung gegen einen Schuldner (R. S.) aufgrund einer persönlichen Haftungserklärung, die seine Schwester für ihn abgegeben hatte.

  1. Hintergrund: Der Schuldner und seine Schwester hatten ein Darlehen aufgenommen und zur Sicherheit eine Grundschuld auf einem ihnen gemeinsam gehörenden Grundstück bestellt.
  2. Grundschuldbestellung: Die Schwester bestellte die Grundschuld beim Notar. Sie handelte dabei für sich selbst und zugleich als Vertreterin für den Schuldner aufgrund einer von ihm erteilten Vollmacht.
  3. Die strittige Klausel (Ziff. 4): In der notariellen Urkunde zur Grundschuldbestellung war neben der üblichen dinglichen Zwangsvollstreckungsunterwerfung (betrifft nur das Grundstück) auch eine persönliche Haftungsübernahme des Schuldners für den Grundschuldbetrag sowie die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen (nicht nur das Grundstück) enthalten.
  4. Das Problem: Der Schuldner meinte, seine Schwester sei nicht bevollmächtigt gewesen, diese persönliche Haftungserklärung mit der Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen abzugeben.

Die Vollmacht im Detail

Die vom Schuldner erteilte Vollmacht ermächtigte die Schwester, ihn zu vertreten:

  • bei der Bestellung einer Briefgrundschuld über 400.000 €
  • „und im Übrigen mit beliebigen Bestimmungen und beliebigen Inhalts…“

Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen die Erteilung einer Klausel für die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde

Die Entscheidung des BGH (Kurzfassung)

Der BGH kam zu dem Schluss, dass die Gläubigerin voraussichtlich im Verfahren unterlegen wäre und daher die Kosten des Verfahrens tragen muss (obwohl der Rechtsstreit durch Zahlung erledigt war).

Der BGH gab dem Schuldner also im Ergebnis recht: Die Schwester war nicht bevollmächtigt, die persönliche Haftungsübernahme des Schuldners zu erklären.

Die Begründung des BGH – Die Auslegung der Vollmacht

Der BGH widersprach den Vorinstanzen (Landgericht), die die Vollmacht als ausreichend ansahen.

  1. Grammatikalische Auslegung: Der BGH stellte klar, dass sich der Passus „mit beliebigen Bestimmungen und beliebigen Inhalts“ nur auf die Bestellung der Grundschuld selbst bezieht. Er ist ein Zusatz zur Beschreibung der Grundschuld, deren Bestellung die Schwester regeln sollte.
  2. Keine erweiterte Generalvollmacht: Die persönliche Haftung für die Zahlung eines weiteren Geldbetrages – der zwar in der Höhe der Grundschuld entspricht, aber eine separate, persönliche Verpflichtung darstellt – ist keine „Bestimmung“ oder kein „Inhalt“ der Grundschuld an sich. Die Grundschuld ist eine Belastung des Grundstücks (dingliche Haftung), die persönliche Haftung betrifft das gesamte Vermögen des Schuldners (persönliche Haftung).
  3. Ergebnis: Die Vollmacht war auf die Grundschuldbestellung beschränkt. Sie umfasste nicht die Erklärung einer selbstständigen, weitreichenden persönlichen Haftungserklärung samt Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in das gesamte Privatvermögen. Ohne eine solche Vollmachtserklärung konnte die Vollstreckungsklausel für die persönliche Haftung nicht wirksam erteilt werden.

Bedeutung

Dieser Beschluss ist wichtig, weil er zeigt, wie eng eine Vollmacht ausgelegt werden kann, besonders wenn es um weitreichende finanzielle Verpflichtungen geht:

  • Präzision zählt: Wer eine Vollmacht erteilt, um eine bestimmte Sache (hier: Grundschuld bestellen) zu regeln, bevollmächtigt den Vertreter in der Regel nur für die notwendigen Schritte dieser Sache.
  • Grundschuld vs. Persönliche Haftung: Die Bestellung einer Grundschuld (Haftung nur mit dem Grundstück) ist rechtlich etwas anderes als die Übernahme einer persönlichen Haftung (Haftung mit dem gesamten Vermögen).
  • Schutz des Bürgers: Wenn jemand mit einer Vollmacht eine persönliche Haftung eingehen soll, muss dies eindeutig und klar in der Vollmacht stehen. Allgemeine Formulierungen („beliebige Bestimmungen“) reichen nicht aus, um eine solch drastische Ausweitung der Haftung (vom Grundstück auf das gesamte Vermögen) zu decken.
  • Vollstreckungsklausel: Die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde (mit sofortiger Pfändungsmöglichkeit) ist nur zulässig, wenn die zugrundeliegende Erklärung (hier die persönliche Haftung) wirksam abgegeben wurde – und das setzt eine gültige Vertretung durch Vollmacht voraus.

Fazit: Der BGH hat hier die Interessen des Schuldners geschützt, indem er die Vollmacht eng auf den eigentlichen Zweck – die Grundschuldbestellung – beschränkte und die zusätzliche, sehr belastende persönliche Haftung als nicht von der Vollmacht gedeckt ansah.

RA und Notar Krau

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