Rechtsscheinhaftung bei unzutreffender Verwendung des Rechtsformzusatzes GmbH

Juli 6, 2025

Rechtsscheinhaftung bei unzutreffender Verwendung des Rechtsformzusatzes GmbH

BGH, Urteil vom 12.06.2012 – II ZR 256/11

Vorinstanzen:

LG Braunschweig, Entscheidung vom 24.01.2011 – 2 O 31/10 –

OLG Braunschweig, Entscheidung vom 07.07.2011 – 8 U 30/11 –

RA und Notar Krau

Hier ist eine Erklärung des Urteils BGH, Urteil vom 12.06.2012 – II ZR 256/11

Was war passiert?

Stellen Sie sich vor, Sie wollen Ihr Haus renovieren und beauftragen eine Firma mit der Fassaden- und Dachsanierung. So ging es auch dem Kläger in diesem Fall. Er hat mit einer Firma namens „H- GmbH.u.G. (i.G.), M. H. …“ einen Vertrag abgeschlossen. Der Name klingt etwas kompliziert, aber wichtig ist: Dem Kläger wurde suggeriert, er schließe den Vertrag mit einer „GmbH“ ab. Eine GmbH ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die normalerweise ein Stammkapital von mindestens 25.000 Euro haben muss. Dieses Kapital soll als eine Art Sicherheit für Gläubiger dienen.

Tatsächlich handelte es sich bei der Firma aber um eine UG (haftungsbeschränkt), auch bekannt als „Mini-GmbH“. Eine UG kann mit einem sehr viel geringeren Startkapital gegründet werden, manchmal nur mit 1 Euro. Der Beklagte zu 2, Herr H., war der Gründer und alleinige Geschäftsführer dieser UG.

Die Arbeiten wurden begonnen, aber nicht ordnungsgemäß zu Ende geführt. Der Kläger erlitt einen Schaden und wollte sein Geld zurück. Er klagte sowohl gegen die Firma (die Beklagte zu 1) als auch gegen den Geschäftsführer, Herrn H. (den Beklagten zu 2), persönlich.

Das Landgericht (erste Instanz) verurteilte nur die Firma zur Zahlung. Die Klage gegen den Geschäftsführer wurde abgewiesen. Der Kläger gab aber nicht auf und legte Berufung ein (ging in die nächste Instanz). Das Oberlandesgericht (Berufungsgericht) sah das anders und entschied, dass auch Herr H. persönlich haften muss. Dagegen legte Herr H. Revision ein, und so landete der Fall beim Bundesgerichtshof (BGH).

Die Kernfrage: Haftet der Geschäftsführer persönlich?

Der BGH musste klären, ob der Geschäftsführer Herr H. persönlich für den Schaden haften muss, obwohl der Vertrag eigentlich mit der Firma abgeschlossen wurde.

Der entscheidende Punkt war, dass Herr H. im Geschäftsverkehr den Eindruck erweckt hatte, es handele sich um eine GmbH und nicht um eine UG. Er verwendete Formulierungen wie „GmbH.u.G. (i.G.)“, die eine „GmbH“ suggerierten, aber auch die unklaren Zusätze „u.G.“ und „i.G.“ (in Gründung) enthielten.

Was sagt das Gesetz zur UG und GmbH?

GmbH: Eine GmbH muss im Firmennamen den Zusatz „GmbH“ oder „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ tragen. Das Mindeststammkapital beträgt 25.000 Euro. Dieser Zusatz signalisiert Geschäftspartnern eine gewisse finanzielle Solidität.

UG (haftungsbeschränkt):

Die UG wurde eingeführt, um Gründern einen einfacheren Start zu ermöglichen, da sie nur ein geringes Stammkapital benötigt. Sie muss aber zwingend den Zusatz „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ im Namen führen. Dieser Zusatz soll Geschäftspartnern klar signalisieren, dass hier ein geringeres Startkapital vorliegt.

Rechtsscheinhaftung bei unzutreffender Verwendung des Rechtsformzusatzes GmbH

Das Gesetz will also, dass Geschäftspartner genau wissen, mit welcher Art von Unternehmen sie es zu tun haben, insbesondere bezüglich der Haftung und des Kapitals.

Die Entscheidung des BGH: Die „Rechtsscheinhaftung“

Der BGH bestätigte das Urteil des Oberlandesgerichts: Herr H. muss persönlich haften.

Der BGH begründete dies mit der sogenannten Rechtsscheinhaftung. Das bedeutet vereinfacht: Wer im Geschäftsverkehr einen bestimmten Eindruck (Rechtsschein) erweckt, muss dafür geradestehen, wenn andere darauf vertrauen und dadurch einen Schaden erleiden.

Hier die wichtigen Punkte aus der Begründung des BGH:

Irreführung durch den Namen:

Wenn jemand für eine UG den Zusatz „GmbH“ verwendet oder diesen weglässt, erweckt er den falschen Eindruck, es handele sich um eine „normale“ GmbH mit 25.000 Euro Stammkapital. Das ist irreführend, weil eine UG viel weniger Kapital haben kann.

Warnfunktion des UG-Zusatzes:

Der gesetzlich vorgeschriebene Zusatz „UG (haftungsbeschränkt)“ hat eine wichtige Warnfunktion. Er soll Gläubigern signalisieren, dass es sich um eine Gesellschaft mit möglicherweise sehr geringem Stammkapital handelt. Wird dieser Zusatz nicht korrekt verwendet, wird diese Warnfunktion ausgehebelt.

Vertrauen auf die „GmbH“:

Ein Geschäftspartner, der denkt, er habe es mit einer GmbH zu tun, geht davon aus, dass zumindest einmal ein Stammkapital von 25.000 Euro vorhanden war. Auch wenn dieses Kapital später verloren gehen kann, bietet eine GmbH von vornherein eine höhere „Soliditätsgewähr“ (also eine höhere Sicherheit) als eine UG. Der Kläger hat darauf vertraut, dass er mit einer finanziell stabileren Firma zusammenarbeitet.

Die Zusätze „u.G.“ und „i.G.“ sind nicht ausreichend:

Die von Herrn H. verwendeten Zusätze „u.G.“ oder „u.G. (i.G.)“ waren nicht klar genug oder sogar irreführend. „i.G.“ bedeutet „in Gründung“ und erweckt sogar den Eindruck, dass bald ein volles Stammkapital vorhanden sein wird, was hier ebenfalls nicht zutraf.

Persönliche Haftung des Geschäftsführers:

Wenn der Geschäftsführer diesen falschen Eindruck erweckt hat und der Geschäftspartner darauf vertraut hat, muss der Geschäftsführer persönlich haften. Diese Haftung ist keine „Ersatzhaftung“, sondern eine eigene Haftung des Geschäftsführers. Es ist seine Aufgabe, im Innenverhältnis den Ausgleich von der Gesellschaft zu verlangen.

Keine Kenntnis des Klägers:

Der BGH stellte klar, dass nicht der Kläger beweisen muss, dass er die wahren Verhältnisse nicht kannte. Vielmehr muss der Geschäftsführer beweisen, dass der Kläger die tatsächlichen Verhältnisse kannte oder hätte kennen müssen oder dass sie ihm egal waren. Das konnte Herr H. nicht.

Was bedeutet das Urteil für Laien?

Dieses Urteil ist ein klares Signal:

Firmennamen sind wichtig:

Unternehmer, die eine UG gründen, müssen den Namen ihrer Firma ganz genau nach den gesetzlichen Vorgaben verwenden („Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“). Wer im Geschäftsverkehr den Eindruck einer „GmbH“ erweckt, obwohl es nur eine UG ist, spielt mit dem Feuer.

Schutz für Geschäftspartner:

Das Urteil schützt Geschäftspartner davor, über die finanzielle Situation eines Unternehmens getäuscht zu werden. Wenn ein Geschäftsführer durch falsche Angaben im Firmennamen einen falschen Eindruck erweckt, muss er persönlich dafür geradestehen.

Vorsicht bei ungewöhnlichen Firmenbezeichnungen:

Wenn Sie als Verbraucher oder Unternehmer auf Firmennamen stoßen, die seltsame Abkürzungen oder Zusätze enthalten (wie hier „u.G.“ oder „i.G.“), sollten Sie besonders vorsichtig sein und genau prüfen, mit wem Sie es zu tun haben. Im Zweifelsfall ist es ratsam, im Handelsregister nachzuschauen oder sich beraten zu lassen.

Rechtsscheinhaftung bei unzutreffender Verwendung des Rechtsformzusatzes GmbH

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der BGH mit diesem Urteil die Bedeutung der korrekten Firmenbezeichnung und des damit verbundenen Gläubigerschutzes für die UG (haftungsbeschränkt) unterstrichen hat. Wer als Geschäftsführer nicht korrekt firmiert und dadurch einen falschen Eindruck erweckt, kann persönlich in die Haftung genommen werden.

Haben Sie noch weitere Fragen zu diesem Urteil oder möchten Sie wissen, wie sich das auf andere Situationen auswirken könnte?

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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